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Twitter, Europa, Moskau und die Freiheit

Der exzentrische Mann, dem bisher fast alles zu Gold geworden ist, was er anrührt, hat nach chaotischen Wochen nun den blau-weißen Vogel gefangen. Gleich seine ersten Worte haben nach dem Gefeilsche um Kaufpreis, Börsenkurse und gefälschte Twitter-Konten jetzt wieder zum eigentlichen Motiv seines Einstiegs zurückgeführt. "Der Vogel ist befreit", hat Elon Musk jubelnd verkündet. Das rief freilich nur wenige Stunden später die EU-Kommission auf den Plan: "In Europa fliegt der Vogel nach unseren europäischen Regeln." Mit anderen Worten: In Europa soll Twitter weiterhin nicht frei sein. Dieses Match Brüssel vs. Musk wird spannend. Die Bürger Europas können es freilich nur als Zuschauer und Opfer mit einem (in Hinblick auf Musk) erfreuten und einem (in Hinblick auf die EU) weinenden Auge beobachten.

Es ist eigentlich unfassbar, welche Signale die EU da ausschickt. Die Union deklariert sich immer offener als Hort der Unfreiheit. Sie wird immer öfter vergleichbar mit Moskau, das ja ebenfalls freie und von der politischen Macht unkontrollierte Meinungsäußerungen zutiefst verachtet und mit allen Mitteln zu beschränken versucht. Oder mit Teheran, das in Twitter den Schuldigen an den nach Freiheit rufenden Bürgerprotesten erkannt hat will.

Die Systeme liefern sich auch sonst einen Wettlauf, wer mehr totalitär ist: Moskau will den Ukrainern aufzwingen, dass sie als Untertanen der Russen zu leben haben (weil die Ukrainer das halt schon einmal gewesen sind). Teheran will die Frauen unters Kopftuch und in den totalen Gehorsam zwingen (weil das der Prophet so wolle). Und die EU hat gerade beschlossen, den europäischen Bürgern Elektro-Autos als einziges Fortbewegungsmittel aufzuzwingen (weil sie halt gerade den Planeten retten will). Dabei wollen die Europäer in ihrer großen Mehrheit diese Autos ganz und gar nicht, weil sie teurer sind, weil sie eine geringere Reichweite haben, weil sie nicht so schnell aufgetankt werden können wie Benzin-Autos, weil sie im Wortsinn brand-gefährlich sind, weil die benötigten Rohstoffe bei einer totalen Umstellung Europas nur für wenige Jahre reichen.

Tut nichts, die EU-Planetenretter wollen es so. Der einzige Unterschied zu Moskau und Teheran: Sie setzen keine Waffen im Unterdrückungswettbewerb ein, sondern legistische Raketenwerfer.

Elon Musk scheint aber nicht der Typ, der sich von solchen Drohungen allzu leicht beeinflussen lässt. So, wie sich auch die italienischen Wähler und Rechtsparteien nicht von den unverschämten Drohungen der EU-Kommission und einiger EU-Parlamentarier (insbesondere aus den deutschen Regierungsparteien) beeindrucken haben lassen und entgegen deren Wünschen Giorgia Meloni zur Regierungschefin gemacht haben. So, wie sich auch Ungarn und Polen – wenn auch schwer unter Druck – kaum von Brüsseler Diktaten beeinflussen lassen.

Bis etwa zur Jahrtausendwende hat man das EU-Europa noch als Befreiung von Überregulierung und überflüssigem Filz sowie als Öffnung zur Marktwirtschaft begrüßen können. Damals hat sich Brüssel noch nicht für Hass und Homosexuelle zuständig gefühlt. Seither ist die EU aber immer mehr zum Inbegriff rotgrüner Macht- und Regulierungsgier geworden. Dieses totalitäre Denken lässt sich etwa auch an Hand der diversen EU-Gerichtsbeschlüsse beweisen, die gegen den Willen der meisten Europäer den illegalen Migranten aus fremden Kontinenten die Tore nach Europa geöffnet haben. Es reicht vom Druck auf Mitgliedsstaaten, homosexuelle Propaganda in Schulen zu erlauben, über die Eingriffe in die (vom EU-Vertrag eigentlich gar nicht erfassten) Universitäten und Justiz bis hin eben zur Zensur der freien Meinungsäußerung.

Diese Zensur, der sich die bisherige Twitter-Leitung noch unterworfen hat, richtet sich gegen angebliche "Hassbotschaften" und "Falschinformationen". Beides sind aber in Wahrheit völlig undefinierte und undefinierbare Gummibegriffe, die genauso von den russischen und iranischen Regimen zur Unterdrückung oppositioneller Meinungsäußerungen verwendet werden.

Der Gummibegriff Hass – der von einer sozialistischen Justizministerin auch ins österreichische Recht importiert worden war – ist klar zu unterscheiden von Gewalt-Androhungen oder -Rechtfertigungen in welcher Form immer. Diese waren seit jeher strafbar. Und sind auch rechtlich zum Unterschied von "Hass" oder "Wahrheit" eindeutig greifbar.

Es sollte eigentlich zum fundamentalen Menschenrecht der Meinungsfreiheit gehören, auch deutliche Ablehnung von Gruppen oder einzelnen Personen ausdrücken zu dürfen. Früher ist mit gutem Grund nur in Hinblick auf den Antisemitismus vor allem in Deutschland und Österreich eine Ausnahme von der Meinungsfreiheit gemacht worden, weil das nach den NS-Gräueln als ein Akt der Reue und Wiedergutmachung gerechtfertigt war (diese einzig legitime Einschränkung der Meinungsfreiheit versuchen pikanterweise seit einiger Zeit vor allem Linksextremisten mit der Ausrede zu umgehen, sie seien eh nicht antisemitisch, sondern "nur" antizionistisch …).

Es ist jedenfalls ein ganz übler und durch nichts zu rechtfertigender Eingriff in die Meinungsfreiheit, wenn Staaten oder der Überstaat EU den Menschen Gefühle vorschreiben oder ihnen die Äußerung bestimmter Gefühle verbieten wollen.

Noch übler und totalitärer ist es, wenn Staaten allen Bürgern vorschreiben wollen, was Wahrheit ist. Genau das bedeutet aber das Verbot, also die Zensur von "Falschinformationen".

Gewiss: Etwa rund um die Corona-Pandemie sind zahllose Unsinnigkeiten und haltlose Verschwörungstheorien durch die diversen Kommunikationsnetze gerauscht. Urheber vermutlich unrichtiger Aussagen waren allerdings nicht immer nur die Impfgegner. Auch unter Medizinern, unter Wissenschaftlern hat es so manche wilde Meinungsverschiedenheiten gegeben, wo ja logischerweise zumindest eine Meinung davon eine "Falschinformation" gewesen sein muss.

Freilich muss man sagen: Zum Glück hat es diese Differenzen gegeben. Denn oft kommt die wirkliche Wissenschaft nur durch Widerspruch, durch ein Die-Dinge-völlig-neu-Denken wieder ein Stück voran. Sie kommt umso weiter voran, je offener, je freier die Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden, ohne Rücksicht auf ein "Darf man das überhaupt sagen? Darf man das denken?".

Wie gefährlich es ist, einzelne wissenschaftliche Behauptungen von Staats wegen als richtig oder falsch zu stempeln, sollten eigentlich schon Kommunismus und Nationalsozialismus zur Genüge gezeigt haben. Und der ja ebenfalls mit Wahrheitsanspruch agierende und viele Fakten der Naturwissenschaft als "Falschinformation" verfolgende Islamismus zeigt dies erst recht (kann dies aber erstaunlicherweise im Unterschied zu den Impfgegnern ziemlich ungehindert tun).

Es ist wirklich zutiefst beschämend, dass jetzt auch die EU zu einer Institution geworden ist, die dekretieren will, was wahr und falsch ist.

Auch die Ausrede, es ginge ja nur um das, was "die Wissenschaft" als wahr und falsch bezeichnet, ist übel und dumm. Denn gerade echte Wissenschaft braucht immer wieder den offenen Widerspruch. Denn in ihr gibt es immer nur einen momentanen Konsens, der sich aber in praktisch allen Disziplinen vorandrängend immer wieder verschiebt, verändert, durch neue Beweise, durch neue Gegenbeweise, durch neue Erkenntnisse. Wer das bezweifelt, schlage nach bei Karl Popper.

Die Unklarheiten fangen schon damit an, wer von den vielen, die uns ständig mit neuen Aussagen überfluten, überhaupt legitimerweise als "Wissenschaftler" zu bezeichnen ist. Es scheint ja fast schon zu genügen, einmal als Student (und keineswegs "Studierender") durch eine Uni gegangen zu sein, um sich als "Wissenschaftler" zu bezeichnen oder von sympathisierenden Medien als solcher vorgestellt zu werden. Was natürlich nur dann geschieht, wenn sie sich mit seiner Sichtweise identifizieren.

  • So gibt es immer wieder "Wissenschaftler", die behaupten, die Verstaatlichung von Wirtschaftsunternehmen wäre richtig und sinnvoll. Dabei zeigen hundertfache empirische Bespiele, dass Verstaatlichungen regelmäßig die betroffenen Unternehmen und ganze Volkswirtschaften in den Abgrund geführt haben. Aber die Theorien des "wissenschaftlichen Sozialismus" glauben es eben besser zu wissen.
  • So gibt es ja immer wieder "Wissenschaftler", die behaupten, offene Grenzen für alle Migranten wären richtig und sinnvoll. Obwohl zahllose Beweise verheerende Folgen aufzeigen.
  • So haben jetzt "Wissenschaftler" unter großen medialen Trommelwirbel Alarm geschlagen, weil durch die Erderwärmung die Todesfälle zunehmen würden. Dabei zeigen sämtliche bekannten Sterbekurven, dass im Winter deutlich mehr Menschen sterben als im Sommer. Logik? Null. Aber kein Medium fragt danach.
  • So sind gerade jetzt in manchen Medien "Wissenschaftler" mit Kritik an Zelten für Migranten zitiert worden, was sich in Wahrheit aber als eine rein politisch-agitatorische Behauptung einiger Soziologen herausgestellt hat.

Solange man im Deutschen nicht einmal imstande ist, so wie im Englischen zwischen den – relativ – exakten Naturwissenschaften (also "Science") und den oft völlig willkürlichen und fast immer politisierten Sozial- und Geisteswissenschaften zu unterscheiden, ist das Argumentieren mit "Das ist ja wissenschaftlich" doppelt absurd. Aber auch bei dem, was "Science" umfasst, wäre ein Verbot von Kontroversen, von Gegenbehauptungen katastrophal.

Zurück zu Twitter. Manche versuchen die Zensur gegen diese und andere Plattformen mit irgendwelchen Beispielen dafür zu rechtfertigen, welche Infamien und Blödheiten dort verzapft worden sind. Diesen Zensurfreunden kann man nur entgegenhalten: Mit dieser Argumentation müsste man dann zuallererst das Telefon verbieten, oder dessen Benutzung nur unter Mithören eines Zensors (wie einst im "Reich") erlauben. Denn über das Telefon sind ja noch viel mehr Verbrechen, Gemeinheiten und Verschwörungstheorien gelaufen als über jedes andere Medium.

Gegen den europäischen Zensur-Anspruch tritt nun Elon Musk an. Man muss ihm die Daumen halten, dass das gelingt. Aber vorerst scheinen die Bataillone der EU stärker zu sein.

Musk kann nur dann gewinnen, wenn er wirklich zu einem anhaltenden Kampf gegen den Brüsseler Machtmoloch bereit ist. Denn sobald er sagt, er beuge sich nicht der Zensur, und sämtliche Infrastruktur aus Europa abzieht, auf die die Schergen der EU-Justiz zugreifen können, wird er vorerst gewaltige Umsatzeinbrüche erleiden. Als weitere Folge würde sich aber danach das Blatt wenden: Dann wird es wohl – hoffentlich – unvermeidbar sein, dass die EU endlich doch unter Druck ihrer Bürger kommt, dass diese gegen die so augenscheinlich gewordene Zensur aufbegehren.

Denn Tatsache ist: Wenn durch die Beschlüsse der EU die Europäer keinen Zugriff auf Twitter mehr haben, dann unterscheidet sich die Union nicht einmal mehr marginal von Russland, Nordkorea oder dem Iran. Das werden dann – hoffentlich – auch die geeichtesten rot-grün-gelben Feinde der Freiheit nicht durchstehen können.

Musk, derzeit der reichste Mann der Welt, ist sogar fast der einzige, der die Kraft dazu hätte, diesen Kampf auch wirklich aufzunehmen. Man kann nur wünschen und die Daumen halten, dass der Mann auch wirklich kämpfen wird. Ob er es freilich tatsächlich tun wird, bleibt vorerst offen. Denn er ist ein sprunghaftes Genie, der überdies von seinen Weltraumraketen bis zu den Tesla-Autos auch viel Geschäft mit dem EU-Europa laufen hat, das ihn erpressbar machen könnte.

Andererseits hat Musk jetzt schon mehr für die Freiheit der Ukrainer getan als irgendein EU-Europäer. Denn seine Starlink-Satelliten ermöglichen den Ukrainern nicht nur weiterhin von Moskau ungestörte Kommunikation, sie helfen ihnen auch militärisch bei ihrem Freiheitskampf.

Dieser Kampf wird jedenfalls von wirklich globaler Bedeutung sein. So hat etwa auch die Regierung des eigentlich demokratischen Indien in den letzten Monaten immer engere Regeln und Institutionen aufgestellt, um die freie Meinungsäußerung im Internet zu unterbinden ...

PS: Manche fragen, warum sich die klassischen Medien nicht für die Meinungsfreiheit engagieren. Das hat mehrere Gründe: Erstens sind sie in der eigenen Krise voll von Neid und Hass auf die steil aufstrebende elektronische Welt; zweitens glauben sie irgendwie, dass man die auch wirtschaftlich für sie verheerende Konkurrenz noch verbieten könnte; drittens sind sie eifersüchtig, weil sie durch die elektronischen Medien ihre Rolle als Gatekeeper verloren haben, der exklusiv steuern hat können, was die Menschen überhaupt erfahren; viertens haben sie aus ihrem kollektiven Gedächtnis die Erinnerung daran verloren, wie sehr sie selbst lange Opfer der Zensur waren; und fünftens fühlen sie sich heute als gleichwertiger Teil eines elitären Machtkonsenses aus Politik, Justiz und Medien, dem alles, was vom Volk kommt, im Grunde zuwider ist.

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