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Gut gemacht, schlecht gemacht

Gewiss kann einem die Regierung leidtun, weil ständig alle eines von ihr verlangen: exakte Daten und Parameter, wann welcher Teil des normalen Lebens endlich wieder möglich sein wird. Genau das ist aber nicht möglich. Gewiss können einem die Österreicher leidtun, weil sie jetzt zum rund zwanzigsten Mal in einem Jahr mit schon wieder komplett neuen Regeln eingedeckt werden, die dann wohl in wenigen Wochen wieder geändert werden. Genau das ist jetzt wieder passiert, obwohl ständig geänderte Regeln niemand mehr ernst nimmt. Gewiss ist es schon geradezu amüsant geworden, wie das ständige Hin und Her der Regeln zwischen österreichweiter Einheitlichkeit und regionaler Differenzierung den Bewegungen einer Ziehharmonika ähnelt. Genau das macht das Regelchaos ja noch komplizierter. Gewiss gibt es wohl keine einzige Frage rund um die Pandemie, in der nicht die eine Oppositionspartei in die exakt entgegengesetzte Richtung der anderen gehen will. Genau das passiert ständig – und macht es umso notwendiger, selbst ständig um ein richtiges Bild zu ringen. Gerade in Anbetracht der vielen absurden Gerüchte, Behauptungen und Verschwörungstheorien, die in fast allen Internetforen (leider auch in der dieses Tagebuchs) ohne seriöse Beweise kursieren, oder die Einzelfälle mit statistischen Fakten verwechseln.

Gewiss hat die Regierung etliches gelernt und macht etliches besser als vor elf Monaten – obwohl damals ihre Imagewerte deutlich besser gewesen sind:

  1. Dazu zählt, dass bei den Pressekonferenzen der Regierung die unsäglichen Polizeistaats-Auftritte des Innenministers in letzter Zeit weggelassen werden.
  2. Dazu zählt, dass bei diesen Inszenierungen, aber auch offensichtlich bei der Meinungsbildung jetzt ganz stark die Bundesländer eingebunden werden, mit denen eindeutig sachorientierter gearbeitet werden kann als mit den Oppositionsparteien. Allerdings bekommt man dabei derzeit das Gefühl, dem Vorarlberger Landeshauptmann ist ziemlich mulmig zumute, seit sein Verlangen nach einer vorzeitigen Öffnung für das westlichste Bundesland tatsächlich erfüllt worden ist. Denn bei den Details dieser Ländle-Öffnung scheint noch fast alles offen und extrem schwierig zu sein.
  3. Dazu zählt vor allem der ganz, ganz eindrucksvolle Erfolg Österreichs bei der auch international inzwischen schon oft bewunderten großen Zahl von Testungen, die man durch eine Fülle von Strategien erreicht hat, die von der Schule bis zu den Friseuren reichen. Ganz unbescheiden darf das Tagebuch sich dabei auch selbst zitieren, denn schon vor fast elf Monaten stand am 28. März 2020 hier zu lesen: "Was das Tagebuch seit Wochen schreibt, steht nun auch in einem deutschen Geheimpapier: Man solle dem Beispiel Südkoreas folgen: ,Die größtmögliche Erhöhung der Testkapazitäten sei überfällig‘."
  4. Dazu zählt, dass jetzt auch gleich zwei weitere Vorschläge des Tagebuchs realisiert werden, die im exakten Wortlaut gelautet haben:
    • "Warum wird das so erfolgreiche Konzept des Freitestens jetzt nicht auch auf weitere Bereiche ausgedehnt? Etwa auf Sportveranstaltungen im Freien, wo die Evidenz ja inzwischen überwältigend ist, dass im Freien die Ansteckungsgefahr sehr gering ist."
    • "Warum dürfen nicht wenigstens Schanigärten wieder für Getestete in Betrieb gehen? Da hätten die vielen Heizsonnen, die in den letzten Jahren aufgebaut worden sind, wenigstens einen wirklichen Sinn ..."

Gute Ideen setzen sich doch irgendwann durch - spät, aber doch.

Gewiss ist aber ebenso, dass auch jetzt noch viel schief geht:

  1. Dazu zählen die vielen Hinweise, dass Infizierte die Einhaltung der Quarantäne nur noch eher salopp befolgen und dass die Gesundheitsbehörden das auch kaum mehr zu kontrollieren verstehen. Das reduziert natürlich den Effekt des Testerfolges signifikant.
  2. Dazu zählt das anhaltende Chaos bei den Test- und Impfanmeldungen. Dazu zählt die Tatsache, dass die behördlichen Absonderungsbescheide bei den Infizierten oft erst lange nach(!!) Genesung von einer Infektion (wenn überhaupt) eintreffen. Fast jeder Österreicher – insbesondere in Wien – kann mittlerweile groteske Geschichten über skurrile Erlebnisse mit den überforderten Gesundheitsbehörden berichten und insbesondere über die Stunden, die er mit endlosen Telefonschleifen nach Wählen der Nummer 1450 verbringt, wo er von einem zum anderen weiterverbunden wird. Am Montag ist auch der Server des Impfservices in Wien zusammengebrochen, als die Impftermine für das Bildungspersonal freigeschaltet werden sollten, was vielen Lehrern stundenlange Internet-Wartezeiten beschert hat.
  3. Dazu zählt die Chuzpe der Vorarlberger, die mit Erfolg durchgesetzt haben, dass sie beim Öffnen vorpreschen dürfen, die aber gleichzeitig jammern, dass sie zu wenig Testkapazitäten haben – obwohl genau das immer schon in ihrer eigenen Verantwortung gelegen wäre. Dabei ist genau das "Freitesten" ein Eckstein jedes funktionierenden Konzepts. Dabei scheinen andere Bundesländer kein Problem mit den Testkapazitäten zu haben.
  4. Dazu zählt – so sehr auch der Mut der Regierung zu kleinen Öffnungsschritten anzuerkennen ist – das völlige Rätselraten ganz Österreichs, wieweit die jetzt plötzlich als Teil des Vorarlberger Öffnungspakets in den Vordergrund gerückten "Selbsttests" ein seriöser Weg sind und nicht die Lizenz zum Schwindeln, wenn sie auch als Möglichkeit des Freitestens verwendet werden sollen.
  5. Dazu zählt das Chaos um den Impfstoff von AstraZeneca, dessen Zulassung für ältere Mitbürger sich fast täglich ändert. Das verunsichert die Menschen überflüssigerweise so, dass sie lieber zu ihrem eigenen Schaden auf eine Impfung verzichten, obwohl sie wochenlang darauf gewartet haben.
  6. Dazu zählt, dass jetzt zumindest durch die "Financial Times" bekannt geworden ist, dass Bundeskanzler Kurz offenbar im Juni ein Angebot Israels aus dem Mai abgelehnt hat, Corona-Impfstoffe gemeinsam zu beschaffen. Hätte er doch nur! Dann wären wir vielleicht auch so weit wie Israel. Aber auch der einst gegen den EU-Mainstream schwimmende Kurz ist offenbar schon europahörig geworden und hat sich dem EU-Druck gebeugt, die Impfstoffe gemeinsam anzuschaffen.
  7. Dazu zählen die lächerlichen Aktivitäten der Datenschutzgegner, die immer schärfere Geschoße gegen den elektronischen Impf- und Testpass in Stellung bringen, den die EU jetzt nun erfreulicherweise doch zügig vorbereitet, und der voraussichtlich die beste Chance auf eine frühere Rückkehr des normalen Lebens bietet.
  8. Dazu zählen die wohl berechtigten Klagen von Rot und Pink, dass für Unternehmen totale Rechtsunsicherheit herrscht, ob diese bei einer Corona-bedingten Schließung Miete zahlen müssen oder nicht. Und dass ebenso unklar ist, wieweit die staatlichen Corona-Förderungen auch Mietzahlungen abdecken, wenn man sie vielleicht gar nicht zahlen hätte müssen. Aber vermutlich wären solche Unklarheiten längst beseitigt, wenn nicht die Speerspitze der Linksparteien in der Staatsanwaltschaft unter fadenscheinigen Vorwänden den Finanzminister lahmzulegen versuchen würde und sich dieser auf die wirklich wichtigen Angelegenheiten der Republik konzentrieren könnte.
  9. Dazu zählt vor allem eine Folge des ständigen Regel-Wirrwarrs: Niemand kennt mehr die Regeln wirklich. Niemand weiß mehr genau, was gilt. Wer das nicht glaubt, sollte einen Test machen (nicht in fremden Nasen bohrend, sondern andere Menschen befragend): Wer hat etwa eine Ahnung, ob eigentlich noch eine nächtliche Ausgangssperre gilt? Ich habe zehn Landsleute befragt, neun waren unsicher ….

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