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Die EU und die USA im Peinlichkeitswettlauf

Während der journalistische Mainstream noch immer krampfhaft versucht, die Heiligsprechung der EU und der neuen amerikanischen Regierung fortzusetzen, schlittern beide von einer internationalen Blamage in die nächste. Die Ursache dafür ist überall ähnlich: naive Ahnungslosigkeit und linkes Gutmenschtum, das glaubt, Rhetorik samt medialem Weihrauchschwingen könnten Logik und Substanz ersetzen. In Sachen Peinlichkeit kann Österreich freilich durchaus mithalten …

Beginnen wir aber bei den USA: Dort hat der neue Präsident Biden schon einen gewaltigen außenpolitischen Schaden angerichtet. Noch dazu ohne jede Not. Er hat nämlich vom ersten Amtstag an eine Rückkehr zum Atomabkommen mit dem Iran versprochen. Er hat damit einseitig seine Karten auf den Tisch gelegt, ohne die der Gegenseite zu kennen. Was – trotz Bidens Alter – ein schwerer taktischer Anfängerfehler ist.

Biden verkündete diesen Schritt wider die dringenden Bitten der um ihre eigene Sicherheit bangenden Israelis, die sich zweifellos tausend Mal mehr vor einer iranischen Atomrakete fürchten müssen als die weit entfernten USA. Deren Sachkunde ist daher ernster zu nehmen als die dumpfe Orientierung Bidens am Wunsch, alles nur ja anders zu machen als Vorgänger Trump, der ja auf Bitte Israels aus diesem Abkommen ausgestiegen ist.

Gleichzeitig ist Biden auch noch auch auf Distanz zum anderen wichtigen Verbündeten der USA im ganzen Nahen Osten gegangen: zu Saudi-Arabien. Er hat seinen Außenminister beauftragt, die Saudis massiv zu kritisieren und ihnen öffentlich die Verletzung von Menschenrechten vorzuwerfen. Biden hat auch ganz offiziell die Unterstützung für die Saudis im Jemen-Krieg gegen die dortigen Verbündeten des Iran zurückgezogen.

Wer geglaubt hätte, als Preis für diesen mehrfachen Affront gegen Israel und Saudi-Arabien (und damit auch gegen die mit den Saudis verbündeten gemäßigten Araber von den Emiraten bis Ägypten) hätten die USA wenigstens eine Annäherung mit Iran erzielt, der täuscht sich. Denn Irans oberster Machthaber Ayatollah Khamenei demütigt jetzt Biden, statt sich über seine Konzessionsbereitschaft zu freuen: Er verlangt, dass die USA zuerst alle Sanktionen gegen Iran aufheben, bevor der Iran irgendeinen Schritt unternehme. "Das ist die unwiderrufliche und endgültige Entscheidung."

Jetzt steht Biden blamiert da: Er hat Israel und das ganze gemäßigte Lager massiv provoziert, die von Donald Trump zu einer historischen Versöhnung gebracht worden waren. Und jetzt wird er als Dank dafür vom Iran vorgeführt. Das ist für einen knappen Monat im Amt ziemlich viel zerbrochenes Porzellan. Dabei ist ja der Elefant eigentlich das Symbol der US-Republikaner. Allerdings ist das Symbol der Demokraten – der Esel.

Um nicht missverstanden zu werden: Die Saudis sind zweifellos massive Menschenrechtsverletzer – nur sind das die Iraner mindestens ebenso. Gleichzeitig geht nur vom Iran und keineswegs von Saudi-Arabien die Gefahr eines größeren Kriegsausbruchs aus. Die Saudis kämpfen zwar im Jemen tatsächlich einen problematischen Krieg, iranische und iranisch finanzierte Verbände kämpfen hingegen nicht nur im Jemen auf der anderen, ebenso problematischen Seite, sondern auch in Libyen, im Libanon, in Syrien und im Irak. Und Israel, der weitaus älteste Verbündete der USA im ganzen Nahen Osten, fürchtet sich daher vor dem (leider auch von Europa unterstützten) Iran-Deal. Der israelische Energieminister Steinitz hat es sogar einzig auf die Trump-Sanktionen zurückgeführt, dass der Iran noch keine Atomwaffen hat: Der Austritt der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran habe diesen sehr geschwächt, lobte er erst vor wenigen Tagen.

Bidens Nahostbilanz nach wenigen Wochen: Er hat die USA dort komplett zwischen alle verfügbaren Stühle gesetzt. Eine erstaunliche Leistung. Insbesondere nach Trump, der seinen ganz großen – wenn auch einzigen – außenpolitischen Erfolg im Nahen Osten geschafft hat.

Noch in einer anderen Frage ist Bidens Außenpolitik – sagen wir höflich: erstaunlich. Nämlich in Sachen des atomaren Abrüstungsabkommens "New Start" zwischen Russland und Amerika. Donald Trump hatte – mit durchaus guten Argumenten – verlangt, dass auch das rasch aufrüstende China in Rüstungsbegrenzungen aufgenommen wird. Biden hat hingegen jetzt nach einem einzigen(!) Telefonat mit dem russischen Machthaber Putin das Abkommen mit Moskau um fünf Jahre unverändert verlängert. So wie es Putin verlangt hatte.

Man stelle sich nur vor, welch Entrüstungssturm in den USA losgebrochen wäre, wäre Trump nach einem einzigen Telefonat gegenüber Moskau eingeknickt. Dann wäre mit Gewissheit ein Gebrüll durch ganz Amerika gegangen, dass Trump sich damit endgültig als bestochener Lakai Moskaus erwiesen hat. Und die Demokraten hätten wohl ein neuerliches Impeachment-Verfahren losgetreten. In diesem Fall sogar mit einem echten Anlass.

Eine weitere peinliche Abfuhr hat sich Biden von Deutschland geholt. Trotz vieler liebevoller Worte von beiden Seiten, trotz der sofortigen Einstellung des von Trump angeordneten Truppenabzugs aus Deutschland hat Berlin klar gemacht, dass es Bidens einzigen Wunsch nicht erfüllt, den er (in diesem Fall in inhaltlicher Übernahme der Trump-Linie) an Deutschland hat: Berlin beharrt auf dem Weiterbau der russisch-deutschen Erdgasleitung Nord-Stream 2.

Aber auch in anderer Hinsicht kann Biden nur froh sein, dass die Medien weiterhin kaum die für ihn ungünstigen Fakten berichten. Dies gilt etwa für den Absturz des US-Dollars seit seiner Wahl: Sogar gegenüber dem Euro hat der Dollar seit November rund vier Prozent an Wert verloren.

Statt also internationales Vertrauen auszustrahlen, hat sich Biden auf linksradikale politische Inhalte konzentriert: Diese reichen von der Öffnung der Tore für die Legalisierung von Millionen illegaler Immigranten bis zur Erlaubnis, dass US-Soldatinnen künftig Pferdeschwänze und Lippenstift tragen dürfen.

Um solche offenbar wichtige Anliegen im Expresstempo durchzusetzen, hat Biden in seinen ersten Wochen doppelt so viel präsidentielle Verfügungen erlassen wie je einer seiner Vorgänger. Ganz am Parlament vorbei.

Nicht sonderlich demokratisch. Aber wurscht. Schließlich ist Biden ja ein Guter, da sind solche Kleinigkeiten doch egal.

Egal war offensichtlich den Biden-trunkenen Medien auch sein Versprechen, er würde die USA versöhnen. Biden tut jedoch das Gegenteil. Lässt er doch seine Demokraten weiterhin ungehindert die Lächerlichkeit eines zweiten Impeachment-Verfahrens gegen den abgewählten Donald Trump und damit die tiefe Spaltung der Nation vorantreiben, obwohl dieses Verfahren ebenso grundlos ist und erfolglos bleiben wird wie der erste diesbezügliche Versuch.

Eine peinliche Bilanz. Dennoch werden die USA an Peinlichkeit fast noch von der EU übertroffen.

Diese hat sich zuerst so lange in die Debatte über die Entwicklung von Impfstoffen verstrickt, dass sie es völlig übersehen hat, sich neben der Entwicklung auch um die darauffolgende Produktion der Impfstoffe zu kümmern, und rechtzeitig und kraftvoll Verträge dazu abzuschließen (was sie zum Teil jetzt erst jetzt im Februar tut!).

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss nun wehleidig zugeben, dass die EU-Staaten im Alleingang rascher an die Impfstoffe gelangt wären als der "Tanker" EU: "Aber was hätte das für unsere Einheit in Europa bedeutet? Diese Abkehr von unseren europäischen Werten hätte nicht wenige gestärkt, sondern alle geschwächt. Das wäre an die Grundfesten Europas gegangen."

Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Es ist also einer dieser ständig (vor allem bei der Demütigung von Staaten wie Ungarn) bemühten "europäischen Werte", dass viele Europäer später geimpft werden, als wenn ihre Heimatstaaten sich selbst um den Impfstoff bemüht hätten. So wie Israel, wie Großbritannien, wie die USA. Und wie Ungarn.

In Wahrheit hat die EU jenen – wirklichen – Wert mit Füßen getreten, der bei jeder europäischen Vertragsnovellierung auch immer hoch und heilig beschworen wird: nämlich das Prinzip der Subsidiarität. Das ist die im EU-Vertrag stehende zentrale Regel, dass die EU gar nicht aktiv werden darf(!), wenn die Mitgliedsstaaten und Regionen etwas besser auf ihrer Ebene erledigen können.

Nicht im Vertrag steht hingegen das Prinzip: Es muss ständig immer noch mehr Macht nach Brüssel gehen. Dieses Prinzip ist jedoch im wirklichen Leben der weitaus stärkste Handlungsmotor aller EU-Institutionen vom Parlament über die Kommission bis zum Gerichtshof.

Inzwischen ist sogar schon in der Türkei ein höherer Prozentsatz geimpft. Wir EU-Europäer werden hingegen wohl erst in größerer Zahl dann drankommen, wenn die Impfstoffe als Folge der diversen Virus-Mutationen wieder weniger wirksam geworden sind …

Aber als ob das der Peinlichkeiten nicht genug wären: Jetzt hat sich die EU von Russland in einer Art und Weise vorführen lassen, bei der einem absolut der Mund offen bleibt: Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da der EU-Außenbeauftragte Joseph Borrell – ein spanisch-katalanischer Sozialist – zu seinem ersten Besuch in Moskau weilt, wirft Russland  Diplomaten aus drei verschiedenen EU-Ländern (Deutschland, Polen und Schweden) hinaus. Und zwar nur, weil sie den Nawalny-Prozess und das Vorgehen der Prügelpolizisten gegen Demonstranten beobachtet haben.

Brutaler und verächtlicher kann man der EU gar nicht zeigen, für was man sie hält: nämlich für einen lächerlichen Flohzirkus.

Borrell war nicht einmal bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem russischen Außenminister zu einem starken Auftritt imstande. Wahrscheinlich taten ihm die Wangen noch zu weh von den Ohrfeigen, die er ohne Widerwehr eingesteckt hat.

Dabei hat die EU vorher noch angekündigt, dass Borrell dem russischen Regime jetzt kräftig die Meinung sagen werde: wegen der absurden Verurteilung des Oppositionspolitikers Nawalny zu einer mehrjährigen Strafe, nur weil er den verordneten Meldepflichten nicht nachgekommen war, nachdem er vom russischen Geheimdienst vergiftet worden ist und sich nur mit Not in deutschen Spitälern wieder erholen hat können; und wegen der Verhaftungen und Verprügelung Tausender Demonstranten.

Besonders peinlich und lächerlich wird das europäische Schwanzeinziehen gegenüber Russland angesichts des Imponiergehabes der gleichen Union gegenüber Staaten wie Kosovo oder Myanmar. Gegen Kleine ist die EU also auf einmal groß und herrisch.

Das Kosovo wird massiv bedroht (auch mit einem Abbruch der Beitrittsverhandlungen), nur weil es als erstes mehrheitlich muslimisches Land seine Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen will. Was im Gefolge der USA in den letzten Monaten ja mehrere Staaten gemacht haben. Dabei verdankt das Kosovo seine ganze Existenz nur dem einstigen amerikanischen Eingreifen gegen die serbischen Kriegsverbrechen.

Ähnlich stark ist die EU gegenüber Myanmar: Den Angehörigen der dortigen Streitkräfte wird sogar mit einer Beschlagnahme ihrer Vermögen in Europa und mit einer Einreisesperre gedroht.

Wenn sich die EU ernst nehmen will, dann wäre es viel wichtiger, solche Maßnahmen auch über alle Angehörigen der Polizei und Miliz von Russland und Belarus zu verhängen. Gehen diese doch – zumindest nach allen verfügbaren Fernsehaufnahmen – viel brutaler gegen die eigenen Mitbürger vor als die Bewaffneten in Myanmar. Und sind diese beiden Länder doch unmittelbare Nachbarn der EU.

Deshalb sollten uns EU-Europäer die Brutalitäten in diesen Ländern viel mehr interessieren als die im Tausende Kilometer entfernten Myanmar. Solche Maßnahmen Europas hätten auch die Prügelpolizisten von Moskau und Minsk viel eher persönlich beeindruckt als die Putschisten in Myanmar, die wohl nicht sonderlich viele Reisepläne Richtung Europa haben. Herr Putin wäre übrigens auch durch einen europaweiten Boykott von Sportveranstaltungen in Russland zu beeindrucken, durch den man zeigt, dass man mit einem solchen Land keine freundschaftlichen Beziehungen haben kann.

Wenn die EU aber meint, sie sei zu schwach, um gegen Belarus oder Russland etwas Wirkungsvolleres zu unternehmen, dann soll sie sich bitte auch nicht gegenüber Kleinen aufblasen. Das ist dann nur noch widerlich.

PS: Auch Ungarn, das sich bisher EU-intern als einziges Land relativ schützend vor Russland gestellt hat (was psychologisch freilich eine verständliche Reaktion auf das ständige Ungarn-Bashing durch die EU gewesen ist), sollte sich jetzt nicht mehr vor Putin stellen. Wenn es denn überhaupt noch wollte. Denn in Sachen Russland denkt Polen zu 180 Grad anders als Ungarn (siehe auch den Diplomatenhinauswurf). Polen und Ungarn sind sich aber zugleich gegenseitig die Rückversicherung, dass die EU – so sehr die Linken und getarnte Linke wie Othmar Karas und die Merkelianer es auch wollen – ihnen nicht viel antun können.

PPS: In Sachen Peinlichkeit sollte man sich als Österreicher freilich über niemanden aufregen. Denn der seit Tagen tobende Watschentanz zwischen Tirol und der Bundesregierung ist fast so skandalös wie jener zwischen Russland und der EU, wenn auch lustiger. Er erinnert lebhaft an die Pradler Ritterspiele. Und er wird wohl noch mehrere Akte haben. Der Tiroler Landeshauptmann führt gerade verbal eine neue wildromantische Berg-Isel-Schlacht gegen Wien und Bayern, während der Gesundheitsminister den Eindruck erweckt, als ob er jetzt im Kampf gegen eine neue Virus-Variante am liebsten das Bundesheer an die Tiroler Grenzen schicken könnte. Und während man vom sonst so präsenten Bundeskanzler nichts sieht und nur eine papierene Reisewarnung zu lesen bekommt, nur ja nicht das Feindesland zu betreten …

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