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Auch für uns war Krieg – wir Kriegskinder

Bis vor zirka zehn Jahren wurde meine Generation praktisch totgeschwiegen. Wir waren und sind halt ein Kollateralschaden des Zweiten Weltkriegs. Wir Kriegskinder, Bombenkinder, Kellerkinder ...

Wir waren weder Opfer noch Täter, wir waren kein Forschungsgebiet. Erst allmählich wurde unsere Generation für Erlebnisberichte und Bücher interessant.

Ab etwa drei Jahren bleiben bei Kindern Geschehnisse in der Erinnerung abgespeichert. So auch bei mir: Bombenalarm im finsteren, kalten Keller; den Kellerdurchbruch zum Nachbarhaus als weiteren Notausstieg (NA) fanden wir Kinder sogar lustig fürs Versteckenspielen; einmal unterwegs im Luftschutzkeller des "Blauen Hauses" beim Westbahnhof (das jetzt ein IKEA-Standort wird) Station gemacht, während oben die Bomber dröhnten; die schwarzen Papierrollos in den Zimmerfenstern zur Verdunklung; die mit blauer Farbe abgedunkelten Lampen in den Straßenbahnen; und der Tieffliegerangriff bei Friedberg in der Steiermark auf unseren Zug, in dem ich mich unter einer Sitzbank versteckt hielt. Der Lokführer konnte sich nicht mehr verstecken – ihn hat es erwischt, wie man das halt damals so nannte ...

Ein totes Pferd auf der Straße vor dem Wohnhaus gab etlichen Menschen Fleisch zum Essen, aber da war der Krieg auch schon aus. Die Russen kamen und gaben die Fässer der Vermouthkellerei zur Entnahme an die Nachbarn mit ihren Küberln frei. Sonst stellte man sich mit diesen Küberln bei der Milchfrau um ¼ Liter Milch an.

Die Russen kamen aber auch in unseren Keller mit der "Puska" in der Hand und dem Befehl "Uhra, Uhra!". Zum Glück sprach ein Nachbar etwas Russisch und brüllte den Rotarmisten derart an, dass dieser den Rückzug antrat. Dann kamen die Amis mit Kaugummi und Schokolade.

iPhones hatten wir nicht; uns genügte abends im Bett ein kleiner Detektorapparat mit einem längeren Stück Draht. In Wien hatten wir einen ganz besonderen Spielplatz, den Maurerberg mit einer ausrangierten Flak, die für uns ein herrliches Ringelspiel war.

Am Wilheminenberg spielten wir Räuber und Gendarm im Schirachbunker, von wo aus die "Kuckuck-Kuckuck"-Warnungen für Fliegerangriffe ausgegeben worden waren.

Nachdem ich amtlich als ‚unterernährt’ erklärt worden war, wurde ich zu Ostern 1946 zum ‚Auffüttern’ zur ganz lieben Bauernfamilie Lanschützer nach Mauterndorf im Lungau verschickt. Dort spielten wir bei der Burg, ahnungslos, dass es noch vor kurzer Zeit ein letzter Fluchtort des Ehrenbürgers Hermann Göring war ...

Dann kamen morgens im Radio die Durchsagen der langen Namenslisten von Heimkehrern, die am Süd- bzw. Ostbahnhof erwartet werden konnten. Eines Tages fuhr ich mit meiner Mutter auch hin – der Name eines Onkels war verlautbart worden. Er war aber nicht dabei. Irgendwo hatte er den Transport verpasst und stand dann am nächsten Tag glücklich vor unserer Wohnungstür.

Viele Frauen hatten ihre Männer und Kindesväter im Krieg verloren. Damals wurden sie nicht "Alleinerziehende" genannt; sie waren Kriegerswitwen, die mit dem Schicksal und ihren Kindern alleine fertig werden mussten.

Eines möchte ich den Nachgeborenen auch noch sagen: Wir Kellerkinder und unsere Eltern hatten keine Psychologen oder Lebensberater zur Seite. Ob eine psychologische Betreuung verhindert hätte, dass wir noch heute, 75 Jahre später, daran denken müssen und nachts davon träumen? Ich bezweifle es.

Dr. Günter Frühwirth, Jahrgang 1941, lebt in Wien und ist Jurist mit aktivem Interesse an Themen der Gesellschaftspolitik.

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