Neue Bundesverfassung erwünscht

Ich verfolge bereits seit Beginn das Unterberger-Tagebuch kombiniert mit dem Meinungsaustausch von kritischen Beobachtern des täglichen Geschehens in Politik und Wirtschaft. Die Tagesthemen werden dabei vom Blogbetreiber Andreas Unterberger meist bis ins Detail beschrieben beziehungsweise hinterfragt. Eigentlich kann man seiner Meinung nur zustimmen oder sie ablehnen. Dabei ist wesentlich mehr Kritik als Lob zu finden. Da fällt mit der alte Spruch "Jammern ist der Morgengruß der Kaufleute" ein. Es stellt sich daher die Frage, was so ein Forum für Änderungen herbeibringen kann. Gibt es schon Erfolgsmeldungen, dass Kritikpunkte von Parteien oder Regierungen beachtet und dementsprechend Korrekturen vorgenommen wurden?

Als langjähriger Beobachter komme ich immer wieder zu der Überzeugung, dass die in Österreich gepflegte Demokratie viele Nachteile aufweist. Damit meine ich nicht, dass Monarchie, Diktatur oder anderes besser wären, aber unsere Art der Demokratie gehört wesentlich verbessert. Die fast 100 Jahre alte Bundesverfassung, das Wahlsystem und die Vereinbarungen zur Europäischen Union zeigen derzeit mehr Nach- als Vorteile für die Bevölkerung und sind den heutigen Herausforderungen sowie unserer Zukunft nicht gewachsen. So werden immer wieder geforderte Reformen, die unter Umständen kurzfristig Einschränkungen bringen, von den Machthabern nicht in Angriff genommen, da sie damit bei der nächsten Wahl wenig Chancen haben, wiedergewählt zu werden. Auch die drei derzeit möglichen Initiativen Volksbegehren, Volksbefragung und Volksabstimmung sind mehr oder weniger nur Papiertiger, die kaum verwendet werden bzw. Änderungen erbringen.

Welche Möglichkeiten haben wir in unserer Demokratie, völlig neue Wege zu gehen? Dabei denke ich nicht an einen Volksaufstand oder Putschversuch. Auch die Gründung einer neuen Partei ist ziemlich mühsam geworden, denn heute kann man nur noch mit sehr viel Geld so etwas machen. Statt Streiks und Demonstrationen wäre die massive direkte Bearbeitung der gewählten Parteien und Mandatare durch moderne Kommunikationsmethoden der beste Weg, damit sich innerhalb der Parteien etwas bewegt. Auch die Medien hätten einige Macht, wenn diese nicht durch Förderungen von den Machthabern in ihrem Sinn beeinflusst würden. Die vernünftigen Leute in unserem Land sind leider in der Minderheit im Gegensatz zur Mehrheit, die nur die eigenen Interessen im Blickfeld hat, die es daher lieber beim derzeitigen Zustand belassen will.

Eine Verfassungsänderung wäre die einzig realistische Art, radikale Verbesserungen herbeizuführen. Damit verbunden wäre auch eine Wahlreform, die der Gewaltenteilung Legislative, Exekutive und Judikative besser gerecht wird. Damit müssten auch die Rollen des Bundespräsidenten, der zweiten Parlamentskammer und der föderalistischen Landesparlamente besser geordnet oder ersatzlos gestrichen werden. Ein Blick ins nahe und ferne Ausland zeigt, dass z.B. Teile der direkten Demokratie (Schweiz), Reorganisation der Verwaltungseinrichtungen (Skandinavien), andere Wahlsysteme (z.B. mehr Volksnähe der Mandatare in GB und USA) oder kürzere Legislaturperioden bzw. teilweise Erneuerung einer Kammer (wie in den USA) manche Vorteile bringen. Auch andere Staaten haben ganz gute Ideen in die Praxis umgesetzt. Natürlich sollte man nur das Gute übernehmen, denn es gibt auch in anderen Ländern viel Negatives.

Schließlich braucht es aber auch eine bessere Einstellung der Bevölkerung mit mehr Eigeninitiative und Selbstverantwortung, denn derzeit werden vielfach alle Verpflichtungen dem Staat übertragen, somit wird Eigeninitiative durch alle möglichen Sozialleistungen unterdrückt statt gefördert. Ich bin nicht der Ansicht meines früheren Uni-Professors: "In einer Demokratie entscheidet die Mehrheit … und die Mehrheit ist eben dumm". Es ist vielmehr eine Frage der Aufklärung. Daher ist schon unser Schulsystem gefordert, denkende Staatsbürger zu erziehen. Natürlich wird es immer Leute geben, die einseitigen (Partei-)Philosophien folgen.

Nur eine Verfassungsreform kann der Grundstein für alle möglichen positiven Entwicklungen in der Zukunft sein. Die Bezeichnung "Dritte Republik" hat vielleicht den Nachteil, dass schon vor vielen Jahren eine Partei eine solche gefordert hat, wobei aber damals unklar war, ob da nicht zu viele Machtbefugnisse einer Führungskraft zugeordnet werden würden. Das Jammern gehört daher höchstens zur Klagemauer in Jerusalem, hier sollten nach menschlichem Ermessen zusätzlich auch Taten (und für Christen auch Gebete) anstatt nur Worte geschehen. Positives Denken ist angesagt.

P.S.: Vom Österreich-Konvent (2003 bis 2006) zu einer Verfassungsreform wurde zwar ein 1.200-Seiten-Bericht für Bundeskanzleramt und Parlament erstellt. Aber lediglich die Reform der Verwaltungsgerichte wurde umgesetzt. Beim Wahlrecht hat sich (ausgenommen die Herabsetzung der Wahlmöglichkeit für Jugendliche ab 16 Jahre und die Möglichkeit der Briefwahl) noch nichts geändert. Wie die meisten erfolgreichen Volksbegehren ist auch dieses Dokument im Parlamentsarchiv verstaut ("schubladisiert") worden.

Gerhard-Otto Pascher (verheiratet und Vater von drei Kindern) wohnt in Niederösterreich. Er war Marketing Executive im In- und Ausland und ist interessierter Beobachter der österreichischen sowie internationalen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

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