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Deutsch-österreichische Imitationsversuche

Fast schon täglich grüßt das Murmeltier: Rund um das bayrische Amberg wiederholt sich haargenau die gleiche Groteske wie im Vorjahr im sächsischen Chemnitz, wie davor im rheinischen Köln. Zugleich versucht die deutsche Bundesregierung das Erfolgsgeheimnis der österreichischen zu wiederholen – übersieht dabei nur zehn scheinbar winzige, aber politisch entscheidende Unterschiede. Ein Nachahmungsversuch in die Gegenrichtung gelingt hingegen perfekt: Die SPÖ tritt exakt in die Fußstapfen der SPD – in denen es freilich ständig bergab geht.

In Amberg haben zu Jahresende vier jugendliche Asylwerber bei einem hassgetriebenen Amoklauf durch die Stadt zahlreiche Menschen so verprügelt, dass zumindest zwölf ins Krankenhaus mussten. Der einzige Unterschied zu Chemnitz: Dort war die Zahl der Opfer von gewalttätigen Migranten kleiner, dafür gab es sogar einen Toten.

Jetzt könnte man zwar diskutieren, welches Verbrechen schlimmer war. Eindeutig sind aber die sonstigen Parallelen: Neuerlich, so wie bei Chemnitz, so wie beim Kölner Silvester, so wie bei unzähligen anderen Vorfällen (zu Silvester jedenfalls auch in Leipzig, Cottbus oder Brüssel) haben die im politisch-korrekten Umerziehungs-Gleichschritt marschierenden Mainstream-Medien in der Berichterstattung versagt, lange überhaupt geschwiegen. Dann versuchten sie mehrfach die Vorfälle zu einem rechtsextremistischen Exzess umzufärben.

In Chemnitz haben ein paar Neonazis mit dem Hitlergruß posiert. Und es gab ein paar Sekunden eines verwackelten Videos aus unbekannter Quelle, das im Grund gar nichts zeigt (ein Unbekannter läuft ein paar Schritte einem anderen Unbekannten nach, bevor er gleich wieder umkehrt). Aber bis hinauf zur Bundeskanzlerin ist das sofort als ausländerfeindliche "Hetzjagd" verdammt worden. Der Chef des Verfassungsschutzes musste sogar zurücktreten, nur weil er offen sagte, dass es diese "Hetzjagden" gar nicht gegeben hat.

Und jetzt zu Amberg hat sich wieder fast die gesamte politmediale Machtszene – vorerst allerdings noch ohne Bundeskanzlerin – haargenau in die gleiche künstliche und grundlose Empörung versetzt. Wieder wird kaum das Gewaltverbrechen thematisiert, sondern nur eine im Grund völlig marginale Reaktion darauf. Rundum wird behauptet, dass nach der Gewaltorgie der Asylwerber angeblich eine rechtsradikale "Bürgerwehr" die Kontrolle über die Straßen der Stadt übernommen hätte.

In Wahrheit ist man neuerlich einer völlig marginalen Propagandaaktion der neonazistischen NPD auf den Leim gegangen. Diese hatte ein Video ins Netz gestellt, in dem kurz zu sehen war, wie ein paar Männer in den Straßen der Stadt Zettel verteilt haben. Ansonsten war nichts zu sehen, außer Jacken, auf denen stand: "Wir schaffen Schutzzonen". Das war alles.

Die kurze Verteilaktion ist auch offenbar niemandem in Amberg aufgefallen. Es ist jedenfalls deswegen kein einziger Anruf bei den Behörden eingegangen. Aber nach dem Video war in Politik und Sozialen Medien sofort die Hölle los. Die altbekannte linke Empörungshölle.

Die Deutschen, genauer: die Angehörigen der deutschen Machtelite sind schlicht nicht lernfähig. Lustvoll erregen sie sich wie programmiert über winzige Aktionen der NPD. Und begreifen dabei nicht:

  • dass sie genau mit diesen überzogenen Reaktionen nach allen Kausalitäten der politischen Psychologie den läppischen NPD-Aktionen überhaupt erst Öffentlichkeit verschaffen.
  • dass erst dadurch in manchen Wählern das Gegenteil des gewünschten Eindrucks entsteht. Viele denken sich jetzt insgeheim: "Die machthabende Elite spielt jedes Mal schlimme Gewalttaten der Migranten hinunter, offenbar weil sie ein schlechtes Gewissen wegen der eigenen Rolle beim Hereinlassen von mehr als einer Million 'Flüchtlinge' hat. Um davon abzulenken, erregt sie sich völlig überproportional über Zettelverteiler und Idioten, die (möglicherweise) den Hitler-Gruß gezeigt haben. Da kümmern sich ja AfD und NPD doch mehr um unsere Sorgen und Ängste."
  • dass 74 Jahre nachher praktisch niemand mehr lebt, für den Nationalsozialismus und Hitlergruß noch aus eigenem Erleben für das schlimmste und traumatischste Verbrechen der deutschen Geschichte stehen. Wenn jemand damit heute noch täglich Politik machen will, hat er eine andere versteckte Agenda.

Noch schockierender war für viele Deutsche die nächste Etappe: Es stellte sich nämlich heraus, dass aus rechtlichen Gründen kein einziger der vier afghanisch-iranischen Prügler jetzt abgeschoben werden kann. Aus Gründen, die vielleicht Juristen nachvollziehen können, aber nicht die normalen Bürger: "noch zu jugendlich"; "das Asylverfahren ist noch in Gang"; "Iran stellt keine Pässe aus, um solche Typen zurückzunehmen". Bla Bla Bla.

Für sehr viele einfache Menschen entsteht zwangsläufig das Gefühl: Wenn das der Rechtsstaat ist, der nur die Verbrecher, aber nicht uns schützt, dann pfeife ich doch auf den ganzen Rechtsstaat. Diese Menschen wissen sehr wohl, dass man Gesetze ja auch ändern könnte, rasch ändern könnte, was man in anderen weniger dringlichen Fragen ständig tut. Wenn die Elite nur wollte. Wenn sie nur endlich begriffe, dass sie zu handeln hätte, um sich nicht noch weiter von den Menschen zu entfernen.

Aber statt dessen sind schon wieder überall die Abwiegler unterwegs. Sogar der CSU-Vorsitzende Söder, der noch im Vorjahr ganz anders gesprochen hat, verlangt plötzlich "Besonnenheit". Er wolle keine Asyldebatte.

Erstaunlich. Glaubwürdigkeit hört sich jedenfalls anders an. Aber die AfD auf ihrem schier unaufhaltsamen Vormarsch und die "Freien Wähler" kann es nur freuen, wenn nun auch die CSU die eigene Glaubwürdigkeit zertrümmert.

Gleichzeitig versucht die bundesdeutsche Koalition aus CDU, SPD und CSU verzweifelt, ihr ständig schrumpfendes Image endlich wieder zu verbessern. Dabei blickt man neidvoll nach Österreich und auch Italien. In beiden Ländern strahlt die regierende Koalition seit ihrem Amtsantritt Geschlossenheit aus. Und ist da wie dort nach allen Umfragen erfolgreich. Das will man in Berlin jetzt nachahmen.

Diese Nachahmungsversuche können freilich nur dann erfolgreich sein, wenn man auch inhaltlich nach außen einig auftritt. Was in Rom wie Wien zumindest bisher gelungen ist. Was aber in Berlin aus gleich zehn Gründen scheitern wird:

  1. Inhaltlich sind die Regierungsparteien meilenweit auseinander, viel weiter als die österreichischen oder italienischen Koalitionspartner.
  2. Wenn die deutschen Parteien jetzt plötzlich einig aufzutreten versuchen – worauf die Wandlung von Herrn Söder hinweist –, dann kann das nach dem hasserfüllten Streit auf offener Bühne im Vorjahr nur bedeuten, dass zumindest eine der Parteien total ihre bisherige Identität aufgegeben hat.
  3. Wichtiger als ein alles erstickender künstlicher Konsens ist ganz eindeutig die Glaubwürdigkeit jedes Akteurs (das hat ja der Wahlerfolg des Sebastian Kurz bewiesen: Dieser war total glaubwürdig, jedoch ganz und gar nicht auf Konsenslinie mit dem damaligen Koalitionspartner Kern!).
  4. Bei manchen Koalitionen können aber gar nicht alle mitmachenden Parteien die eigene Glaubwürdigkeit bewahren. Noch dazu hat sich die SPD im letzten Jahr noch weiter nach links entwickelt, was das Konsensfinden für die Union zusätzlich schwierig macht.
  5. Die Koalitionspartner Kurz und Strache beziehungsweise Salvini und Di Maio haben zumindest derzeit ihre eigenen Parteien voll hinter sich.
  6. Sie sitzen auch alle als Premier oder Vizepremier in der Regierung.
  7. Hingegen sind die Parteichefs gleich aller drei deutschen Regierungsparteien keineswegs unumstritten.
  8. Noch schlimmer: Mittlerweile sitzt kein einziger der drei in der Regierung, dafür finden sich dort zwei nicht ganz freiwillig abgegangene Altparteichefs. Damit sind weiterer Dissens, Rivalität und Profilierungseitelkeit geradezu garantiert.
  9. In keinem dieser beiden nun von Berlin nachgeahmten Länder gibt es rechts der Koalition eine nennenswerte politische Konkurrenz. In Deutschland hingegen sehr wohl.
  10. In keinem einzigen Land Europas kann in den nächsten Jahren eine Regierung reüssieren, die Europa- und Migrations-Begeisterung ausstrahlt. Außer vielleicht im Steuerparadies Luxemburg …

All diese Faktoren sprechen dafür, dass die deutschen Versuche scheitern müssen, den Konsenserfolg von Wien oder Rom zu wiederholen.

"Erfolgreich" scheint hingegen die SPÖ bei der Nachahmung der Flussab-Strategie der deutschen Sozialdemokraten zu werden. Diese grundeln heute schon weit unter 20 Prozent herum. Aber auch als Schrumpfpartei ist man sich weder in der SPD noch in der SPÖ in den wichtigsten Eckpunkten einig. Weder da noch dort sind die als Chef amtierenden Frauen unangefochten.

Bei der SPÖ hat die neue Parteichefin "Pam" erstmals versucht, neben einem hübschen Gesicht, dem üblichen Regierungs-Bashing und leeren Phrasen auch einen eigenen inhaltlichen Akzent einzubringen, um das Gähnen aus den Gesichtern ihrer Zuhörer zu vertreiben. Jedoch löste dieser Versuch in der SPÖ sofort Entsetzen aus, und niemand unterstützte sie. Wie kann sie nur. Das geht doch auf keinen Fall!

Dabei hat "Pam", wie sie genannt werden will, inhaltlich eigentlich etwas ziemlich Logisches angestrebt: Sie wollte das Image der ewigen Steuererhöhungspartei ein wenig loswerden und gab kund, dass Erbschafts- und Vermögenssteuer für sie "derzeit" kein Thema seien. Dabei sagte sie das ohnedies nur total gewunden und in aller Unklarheit, indem sie sofort hinzufügte: "Ich stehe natürlich zu einer Vermögens- und Erbschaftssteuer."

Aber trotz dieses gewundenen und völlig wirren Herumredens – zwar schon und natürlich, aber halt derzeit irgendwie doch wieder nicht – fielen sofort öffentlich nach der Reihe die Parteigranden aus den Bundesländern über sie her. Offenbar ist die Forderung nach neuen Steuern für SPÖ-Funktionäre so heilig wie für Christen die Dreifaltigkeit (oder um einen näher bei der SPÖ liegenden Vergleich zu ziehen: wie für Moslems die Stadt Mekka).

Vermutlich hatten die Rendi-Wagner-Kritiker aber noch ein stärkeres Motiv für ihre Attacken als die linke Sucht nach immer noch mehr Steuern: Man hat damit der neuen Parteichefin sofort den Herrn gezeigt, hat ihr klargemacht, wo der Genosse den Spritzwein holt, hat ihr vermittelt, dass sie nicht geholt worden ist, um inhaltlich mitzureden, sondern nur um ihr nettes Gesicht für Wahlplakate herzugeben.

Da kann man nur sagen: Prosit 2019, Genossen! Man wird sich den Namen der SPÖ-Chefin genausowenig merken müssen wie den der diversen SPD-Chefs, von denen es seit der Jahrtausendwende nicht weniger als zehn gegeben hat, von denen jeder einzelne die Partei noch weiter abschwimmen hat lassen.

Man kann die sozialdemokratische Entwicklung aber auch positiv sehen: Wenigstens gibt es eine deutsch-österreichische Imitation, die funktioniert ...

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