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Maria und Josef bei der Brutpflege

Manche Zuhörer mögen den Satz nicht weiter beachtet haben: "Jesus darf in der Geborgenheit einer menschlichen Familie aufwachsen." Aber diese Feststellung einer Salzburger Theologieprofessorin im Rahmen der "Stille-Nacht"-Feierlichkeiten offenbart den innersten Kern der katholischen Soziallehre, wie ihn Papst Pius XII. Mitte des 20. Jahrhunderts umschrieb: Der einzige echte Fortschritt besteht in immer besseren Bedingungen für die Familien.

Geschmückte Christbäume, alte Bräuche und liebe Geschenke sind zum Weihnachtsfest schöne Zutaten, die wir nicht missen möchten. Doch im Mittelpunkt des Festes steht die Heilige Familie mit Jesus in der Krippe, und damit wird die Familie als Lebensmuster vorgegeben. Sie beruht schließlich auf einer natürlichen Grundlage und ist als vorstaatliches Element "das wichtigste Bauglied jeder menschlichen Ordnung" (Lexikonzitat). Daher funktioniert sie als einzige Einrichtung auch dann noch, wenn jede sonstige politische, soziale und andere gesellschaftliche Organisation versagt oder gänzlich ausfällt wie etwa in Kriegszeiten.

Nur in der Familie ist die Gruppensolidarität derart eng, dass sie den Menschen in seinen tiefsten Tiefen erreicht, schrieb einmal der Soziologe René König. Der Single ist vertikal und horizontal austauschbar. In der Familie, wenn er die Schwelle seines Heims überschreitet, wird der Mensch unverwechselbar und unersetzlich, hier braucht er keinen Personalausweis und keine Sozialversicherungsnummer. Und alle vorgebrachten Einwände gegen die Institution Familie richten sich selbst, denn nur weil es kranke Familien gibt, bleibt das Ideal der funktionierenden Familie dennoch unverzichtbar, wie ja auch niemand die Gesundheit missachtet, weil es Krankheiten gibt.

Vor Jahrtausenden lehrten die großen chinesischen Philosophen, dass man nur die Familien zerstören müsse, um eine Gesellschaft zu zerstören. Karl Marx, der 1848 das Gerede vom trauten Verhältnis zwischen Eltern und Kinder als "ekelhaft" und den Wegfall der Familie als natürliche Zukunftsvision empfand, wusste genau, wo er ansetzen musste. Das Rezept für die Umsetzung seiner Ideen lieferte sein Kampfgefährte Friedrich Engels 1884 in dem Buch "Vom Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates", also der drei marxistischen Feindbilder schlechthin: Der Staat muss den Eltern "die Aufzucht, Pflege und Erziehung" der Kinder entziehen.

Für die katholische Kirche waren einmal Josef, Maria und Jesus das Vorbild für "das wichtigste Bauglied jeder menschlichen Ordnung". Auf ihrem ideologischen Marsch nach links hat die Kirchenspitze mittlerweile Friedrich Engels eingeholt.

Für Theorie und Praxis ihrer Gesellschaftspolitik hat sich die Kirche eine offizielle Einrichtung geschaffen, die Katholische Sozialakademie (KSA), deren festgeschriebener Auftrag theoretisch die Verbreitung der Katholischen Soziallehre ist.

Manche Leser mögen den Satz nicht weiter beachtet haben: Die KSA-Direktorin Magdalena Holztrattner nannte in einem Interview ("Academia" April 2017) die familiäre Kindererziehung "Brutpflege". Dieses Wort trifft präzise die Vorstellungen von Karl Marx und Friedrich Engels und verzerrt das Wesen der Katholischen Soziallehre, die wörtlich festhält, dass die Erziehungsverantwortung primär bei den Eltern liegt. Unmissverständlich: Primär bei den Eltern. Aber diesen unmissverständlichen Grundsatz blendet die Katholischen Sozialakademie aus, deren festgeschriebener Auftrag – siehe oben – "die Verbreitung der Katholischen Soziallehre" ist und nicht eines lupenreinen Marxismus.

Die Christen singen im heuer jubilierenden "Stille Nacht" vom trauten heiligen Paar, das einsam über den holden Knab im lockigen Haar wacht. Die Katholische Sozialakademie singt das Lied des Friedrich Engels von der Aufzucht, Pflege und Erziehung durch das Kollektiv.

Brutpflege – welch unfassbarer Vorwurf gegenüber allen Müttern, die das traute Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nicht ekelhaft empfinden, sondern diese Beziehung spüren und diese Beziehung pflegen und diese Beziehung tagtäglich leben, oft auch unter Opfern. Eine Kirche und eine Bischofskonferenz, welche die Brutpflege-These dulden oder gar unterstützen, betreiben theologische Kindesweglegung, und die Gläubigen verstehen den Vorwurf der "Brutpflege" als Stich in das Herz der Gottesmutter.

Das "Brutpflege"-Interview hätte die rote Karte für die Katholische Sozialakademie und insbesondere für deren Leiterin bedeuten müssen. Doch die Bischofskonferenz schwieg, wie sie heute zu den drängenden Fragen der katholischen Messbesucher und Beitragszahler schweigt.

Wie auch Kardinal Schönborn zur Frage bisher geschwiegen hat, ob unter den Krippendarstellungen in Kirche und Heim, in Hochkultur, Volkskunst und auf Grußkarten nunmehr statt "Die Heilige Familie" die These der Katholischen Sozialakademie stehen wird: "Maria und Josef bei der Brutpflege."

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war Mitarbeiter der ÖVP-Politiker Gorbach, Klaus und Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der katholische Journalist publiziert zu zeitgeschichtlichen, lokalgeschichtlichen und volkskulturellen Themen.

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