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Von der A-Saga zum A-Sager

Den Namen Peter Turrini wird man sich merken müssen, vermutete man 1975, als der ORF die sechsteilige Fernsehserie "Alpensaga" plante, und dieses genialen Werkes wegen von den Medien gleich hochgelobt wurde. Was den damaligen Gutmenschen teuer war, sollte auf den Bildschirm kommen: der korrupte Offizier, der brutale Unternehmer, der kriegslüsterne Pfarrer, der blutrünstige Lehrer und vor allem die schwachsinnigen Bauern und überhaupt das Ärgernis einer nach durch und durch faschistischen, nämlich christlich-konservativen Landbevölkerung.

In der angekündigten "spannenden Spielhandlung" sollte es um Zuckerrüben gehen, bis ein alpenländischer Leitartikler einer noch nicht gleichgeschalteten Zeitung ätzte, das Werk heiße wohl deswegen "Alpensaga", "weil das Zentrum des österreichischen Zuckerrübenanbaues in den Alpen liegt – hier wachsen diese zarten Pflanzen an Felswänden und auf Almwiesen gleich neben Edelweiß und Enzian."

Man muss Nachsicht üben: Botanik und Geologie standen nicht auf dem Lehrplan der Wiener ORF-Mitarbeiter. Aber wenigstens einen des Lesens kundigen Redakteur hatte es gegeben, der nach dem Leitartikelspott die Zuckerrüben im alpinen Steilgelände verhinderte, und Turrini schrieb das Drehbuch um – auf Hopfen im weit von den Alpen entfernten Drehort im nördlichen Mühlviertel.

Spannender als der Text der "Alpensaga" sind die Anweisungen des Drehbuchs. "Etliche Bauern sind angetrunken", steht da, und der Held Alfons, dessen Name wohl nicht zufällig an Adolf erinnert, "ist schon ziemlich betrunken". Der kritische Leitartikler zitierte noch die Regievorgabe: "Man sieht das fassungslose Gesicht der jungen Bäuerin." Und folgerte im Schlusssatz: Sie muss das Drehbuch gelesen habe.

1988 ließ Turrini die "Arbeiter-Saga" folgen. Der kommunistische Putschversuch 1950 im besetzten Wien, der vor allem am Widerstand der Bau- und Holzarbeiter unter Führung des Gewerkschafters Franz Olah gescheitert war, wurde darin zum Verzweiflungsaufstand edler Proletarier, die von bezahlten Söldlingen des faschistisch-imperialistischen Kapitalismus niederkartätscht wurden. So sah eine Wiener Tageszeitung den Turrini-Text und urteilte: "Das ist einfach gefährlicher Unsinn." Der ORF strahlte die unsinnige "Arbeiter-Saga" nicht aus – im Gegensatz zur nicht minder unsinnigen "Alpensaga".

Sein Talent zum Umschreiben durfte Peter Turrini wieder 1992 in der unseligen Peymann-Ära am Wiener Burgtheater beweisen: Der ideologisch bekennende Direktor ließ ihn eine Shakespeare-Szene ändern, die dann nicht mehr von den Gedanken des großen englischen Dramatikers beseelt war, sondern von läppischer Parteipolitik.

Peter Turrini blieb sich selbst treu, was in diesem Fall nicht als Kompliment verstanden werden kann. Seit seiner jüngsten Attacke gegen Politiker, die sich erfrechten, Wahlen zu gewinnen, musste man sich wieder an ihn erinnern. Wie Fäulnisblasen aus dem sprachlichen Morast platzten in einer Festveranstaltung seine Formulierungen, die hier nicht länger verschwiegen werden können: Die österreichische Bundesregierung und deren demokratisch gewähltes Umfeld sind für ihn "Arschlochtum".

Man sieht, ohne überrascht zu sein: Peter Turrini hat seine literarische Lebensreise von der Alpensaga zum Arschloch-Sager durchmessen und ist an seinem Ziel angekommen. Eine solche Selbstpositionierung ist endgültig. Dass so unappetitliche Dimensionen politischer Auseinandersetzung niemandem weh tun, ist einerseits Turrinis Pech und andererseits das Problem des SP-Parlamentsklubs, der den Autor als Redner eingeladen hatte.

Turrini aber sollte sich vom geistigen und moralischen Standard jener nicht täuschen lassen, die sich ob solcher demokratischer Obszönität erst ihre Finger wund klatschen und dann alle Finger genussvoll abschlecken, weil der Redner seine Finger vermeintlich auf eine politische Wunde gelegt hat. Die Zuhörer in ihrem oppositionellen Jammerstüberl mögen den Arschloch-Sager als Krönung einer Literatensuada bejohlen. Er ist aber doch nur ein konsequenter Endpunkt einer beschattet gebliebenen Karriere.

Fassen wir zusammen: Peter Turrini versuchte sich 2018 wieder in Erinnerung zu bringen, schuf aber nur die Überzeugung: Diesen Namen braucht man sich künftig nicht mehr zu merken.

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war Mitarbeiter der ÖVP-Politiker Gorbach, Klaus und Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der katholische Journalist publiziert zu zeitgeschichtlichen, lokalgeschichtlichen und volkskulturellen Themen.

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