Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Prinzessinnen, Hochzeiten, Pferdekutschen

Die internationale Nachrichtenwelt wirkt derzeit, wie wenn sie den Märchenbüchern elfjähriger Mädchen entsprungen wäre: Ein sympathischer Enkel einer Königin heiratet ein hübsches Mädchen  aus kleinsten Verhältnissen. Angesichts der auch in allen halbwegs seriösen Medien und nicht nur die diversen goldenen Fake-Illustrierten überwältigenden Berichterstattung über die englische Prinzenhochzeit kann man durchaus legitim fragen: Hat die Welt keine anderen Sorgen als die Hochzeit eines Enkels einer eigentlich machtlosen Königin, der noch dazu weit weg von jeder Erbfolge ist? Aber man kann die Vorgänge auf der Insel auch durchaus mit großer Sympathie sehen. Und etliche interessante Beobachtungen dazu anstellen.

Die erste ist die schier überwältigende Sehnsucht nach einer heilen Welt. Diese Sehnsucht ist nicht absurd oder dumm, sondern durchaus verständlich. Irgendwann hat man einfach genug von messerstechenden Islamisten, von einem dank der Massenmigration kollabierenden Schulsystem, von der Einäugigkeit vieler Staatsanwälte, von der fast totalitär gewordenen Einschränkung der Meinungsfreiheit, von nach Atombomben gierenden Diktatoren, von überfüllten Spitälern, von in der Völkerwanderung eingeknickten europäischen Staatslenkern, von den Sorgen um eine zum Crash verurteilte Währungsunion, vom Wissen um ein nachhaltig nicht lebensfähiges Pensionssystem.

Da darf man sich ruhig einmal einer heilen Märchenwelt mit einer schönen Prinzessin, einem netten Prinzen, mit Pferdekutschen und lauter glücklichen Menschen hingeben. Die Welt der großen Probleme kommt ohnedies früh genug wieder zurück. Würde man rund um die Uhr an all die wahnsinnigen Entwicklungen dieser Welt denken, dann würde man sonst vielleicht irgendwann selbst wahnsinnig werden.

Der Mensch braucht einen Gegenpol. Selbst in schlimmen Kriegsjahren haben kitschige Filme und Operetten geblüht, ja sie haben gerade dann ihren größten Boom erlebt.

Die zweite Beobachtung: Eine Königsfamilie hat einen enormen identitätsbildenden Wert für ein Land. Das gilt auch dann, wenn der Monarch im Grund zur völligen Machtlosigkeit verurteilt ist. Die Königin bleibt für die Briten ihr zentraler Kristallisationspunkt. Ja, selbst viele einstige britische Kolonien haben sie noch als formelles Oberhaupt.

Längst sind die Zeiten wieder vorbei, da eine radikale britische Linke im Zuge der destruktiven 68er Bewegung die Abschaffung der Monarchie verlangt hat. Längst sind alle Parteien des Vereinigten Königreichs wieder völlig eindeutige Anhänger der Monarchie.

Dritte Beobachtung: Auch in Österreich hat sich die Anti-Habsburger-Stimmung gelegt, die vor hundert Jahren auf Betreiben der Sozialisten und der (ja ganz antihabsburgischen) Großdeutschen sogar zu einem Habsburger-Gesetz im Verfassungsrang geführt hat. Zu dieser Normalisierung hat gewiss auch Bruno Kreisky beigetragen, aber vor allem die langsam zurückgekehrte Erkenntnis, wie viel das heutige Österreich den Jahrhunderten der Habsburger zu verdanken hat, trotz aller schweren Fehler diverser Herrscher. Wie unbedeutend vor allem Wien ohne diese Familie wäre, ohne die durch ihren Magnetismus nach Wien gekommenen Komponisten und sonstigen Künstler. Die Stadt läge weit weg von der Spitze der touristisch attraktivsten Städte der Welt. Denn ein Jahrhundert roter Bürgermeister hat keinen einzigen attraktiven Punkt der Stadt geschaffen.

Dennoch gibt es noch immer jene Habsburgergesetze als anhaltende Schande. Eine Schande war auch lange der Umstand, wie mies und manipulativ mit der Familie nach ihrer Abdankung umgegangen worden ist. Noch ärger als das jahrzehntelange Einreiseverbot ist die Art und Weise, wie eine stramm linksgewendete Historikerzunft mit Otto Habsburg umgeht. Seine großartige Rolle während der Nazi-Zeit wird nämlich fast totgeschwiegen, obwohl Otto der weitaus wichtigste und viele westliche Türklinken putzende Kämpfer für das Wiedererstehen eines unabhängigen Österreichs gewesen ist. Das wird einfach nie erwähnt, weil es in das enge Klischee der Linkshistoriker nicht hineinpasst. Und weil die Nichtlinken die Geschichtsschreibung aus der Hand gegeben haben.

Diese Beobachtung ist noch kein Plädoyer für ein Zurück zur Monarchie. Ein solches Zurück wäre schon deshalb problematisch, weil manche Nachbarländer daraus den Wunsch nach einer auch sie betreffenden imperialen Renaissance ablesen könnten. Aber der schmerzliche Hinweis kann dennoch nicht unterdrückt werden, wie medioker und zum Teil peinlich sämtliche Bundespräsidenten gewesen sind, die seither in der Hofburg gehaust haben. Und jedenfalls hätte uns die Monarchie einen hasserfüllten Wahlkampf alle sechs Jahre erspart.

Die vierte Beobachtung führt uns neidvoll zurück ins Vereinigte Königreich:  Sie zeigt den gewaltigen Patriotismus, ja auch Nationalismus der Briten, der seit den 60er Jahren durch keinerlei Kolonialismus, durch keinerlei Chauvinismus zu Lasten anderer Völker belastet wird.

Dieser Patriotismus beschädigt sich heute lieber selber, indem er zum Austritt aus der EU führt. Das wird sich wirtschaftlich zwar negativ für die Briten auswirken. Aber sie haben in ihrem Nationalstolz mehrheitlich beschlossen, die EU zu verlassen, seit diese eine überaus problematische Entwicklung nimmt, seit diese in Sachen Massenmigration versagt, seit diese sich durch schikanöse Überregulierungen bei den Bürgern immer mehr verhasst  gemacht hat. Aber das Gefühl, von noch dazu schlecht regierenden Fremden beherrscht zu werden, haben sie ungefähr seit den Normannen nicht mehr ertragen. Right or wrong, my Country.

Freilich ist nicht sehr klar, wieweit die Monarchie für diesen Patriotismus entscheidend ist. Schließlich ist auch bei Amerikanern, Franzosen und Russen das Nationalgefühl ähnlich stark. Ausschlaggebend ist daher wohl eher der Umstand, dass diese Völker in beiden Weltkriegen auf der Siegerseite gestanden sind.

Im Grund ist ja nur in Deutschland und Österreich das Nationalgefühl nachhaltig beschädigt – besonders bei den Deutschen. Was man etwa am aktuellen Skandal sieht, dass die deutsche Fußball-"National"-Mannschaft mit zwei Spielern antritt, die sich nicht nur weigern, die deutsche Hymne mitzusingen, die vielmehr für den türkischen Diktator als "unseren Präsidenten" speichelleckerische Werbung machen. Jede Wette: Im britischen Team hätten die beiden Herren keine Chance.

Fünfte Beobachtung: Der britische Patriotismus schließt ganz eng auch die britische Armee ein. Diese ist in der britischen Öffentlichkeit hochgeschätzt – wegen ihrer Professionalität und eben weil sie den Briten Sicherheit vermittelt. Gerade der jetzt heiratende Prinz Harry war nicht nur selbst Soldat, sondern setzt sich auch jetzt noch für zahllose Initiativen zugunsten von Armee-Veteranen und -Invaliden ein. Kann sich in Österreich jemand vorstellen, ein Alexander van der Bellen würde das tun?

Sechste Beobachtung: Die Tatsache, dass die Braut und künftige Prinzessin auch schwarzafrikanische Vorfahren hat, ist in der britischen wie in der globalen Öffentlichkeit völlig irrelevant geblieben. Es wird schon stimmen, dass irgendwo ein paar Narren in irgendwelchen "Sozialen Medien" gemeine Botschaften gegen die Frau abgesetzt haben, dass diese Aggressionen nicht nur Erfindungen von Mainstream-Medien sind, damit sie sich jetzt politisch korrekt darüber aufregen können. Aber repräsentativ sind solche Rülpser in keiner Weise. Alle Welt freut sich über eine zumindest nach außen perfekt wirkende Frau: attraktiv, immer freundlich, mit perfektem Benehmen und humanitärem Engagement.

Siebente Beobachtung: Das Leben einer Königin – und ihrer ganzen Familie – ist alles andere als einfach. Sie muss im Grund fast jede Sekunde das tun, was Schauspieler bloß auf zwei oder drei Stunden müssen: eine perfekte Rolle spielen. Selbst bis – zum Gang aufs Klo. Ich durfte das vor Jahren beim Pferderennen in Ascot (ja mit Zylinder und so weiter verkleidet) einmal miterleben, als ich genau auf diesem Gang unbeabsichtigt in sie und ihre offenbar immer mehrköpfige Begleitung hineingerannt bin.

Achte Beobachtung: Während Pferdekutschen und Zeremonien rund um die Hochzeit den Eindruck erwecken, als ob im Königshaus die Zeit seit Jahrhunderten stehengeblieben wäre, zeigt ein anderes – kaum jemals öffentlich erwähntes – Detail, wie sehr sich die Dinge gewandelt haben. Es ist ja nur zwei Könige her, dass ein britischer Monarch noch zurücktreten musste, weil er eine geschiedene Frau geheiratet hat. Bei Meghan Markle wird der Umstand nicht einmal mehr erwähnt, dass sie schon einmal verheiratet gewesen ist – was freilich nach dem turbulenten Eheleben ihres künftigen Schwiegervaters auch kaum anders denkbar wäre.

Ebensowenig scheint es aufzufallen, dass die Braut weder – wie es einst selbstverständlich war – aus dem Hochadel kommt noch wie bei der Generation davor aus dem wohlhabend gehobenen Bürgertum, sondern eben aus wirklich einfachen Verhältnissen. Man erinnere sich als Kontrast nur, wie noch am Beginn des 20. Jahrhunderts in Österreich Franz Ferdinand wegen der Ehe mit einer Frau aus niedrigem Adel oft gekränkt worden ist. Obwohl er der Thronfolger war.

Allerdings scheinen einige Mitglieder der Familie der Neoprinzessin ziemlich problematisch zu sein. So haben sowohl Vater wie auch Halbschwester (diese noch dazu mit einem hasserfüllten Buch über die Braut) schon vor der Hochzeit begonnen, ihre neue Rolle in Geld umzuwandeln. Zumindest die Diskretion, die "stiff upper lip" ist nicht gerade ihre hervorragendste Eigenschaft.

Neunte Beobachtung: Dass die Braut eine Schauspielerin ist – war –, bedeutet für den Hochadel nichts Neues. Man denke etwa an den früheren Fürsten von Monaco, der sich den damals größten Star Hollywoods als Frau geholt hatte. Auch schon in früheren Jahrhunderten waren Schauspielerinnen bei Herrscherfamilien sehr beliebt. Freilich hatten Katharina Schratt und die durchaus realen "Mädels vom Ballett" nie Chancen auf einen Aufstieg in einen adeligen Ehestand gehabt. 

Zehnte, letzte und bedrückte Beobachtung: Auch diese Märchenhochzeit kann keineswegs die Zeiten ignorieren, in denen Europa im 21. Jahrhundert leben muss. Noch nie waren bei einem royalen Ereignis so dichte Sicherheitsmaßnahmen notwendig, noch nie ist jeder einzelne Zaungast gefilzt worden, noch nie hat man sich so ernsthaft mit den Bedrohungen durch islamistischen Terror auseinandersetzen müssen.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung