Die Grenzen des Humanismus

In der Asylfrage wurde es zuerst laut, inzwischen aber immer leiser, wenn man von einer toleranten offenen Haltung gegenüber Flüchtlingen sprach. Es wird berechtigt auf den Humanismus als weltweit akzeptiertes Menschenrecht, als wichtigsten Wert hingewiesen. In der Realität werden allerdings über die Medien andere Bilder vermittelt, das nehmen wir sehr wohl war. 

Paradoxerweise oder mit einem gerüttelten Maß positiver Berechnung wird in fast allen Medien den negativen Bildern mit Berichten über humanitäre Aktionen entgegengesteuert. Man bekommt statt der Brandherde des Krieges, aus dem Tausende Menschen flüchten, Bilder von freundlichen Menschen präsentiert, die in den Flucht-Zielländer durch ein Spalier von Willkommensbürgern schreiten und mit Freude versorgt werden. Man hat im Zeitalter von griffigen Wortschöpfungen die Willkomenskultur zum Synonym für eine wertgewandelte Welt kreiert, die allerdings mit der allgemeinen Stimmungslage nicht ganz in Übereinstimmung zu bringen ist.

Dass sich die Welt in Sachen Praktikum humanistischer Werte nicht sehr gewandelt hat, das zeigen individuelle Gräueltaten auf Kriegsschauplätzen, wo kollektiv ausgeübte Gewalt nicht nur Soldaten betrifft, sondern immer mehr die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft zieht. Wie soll man nun im Zusammenhang mit der Asylproblematik mit dem vor allem von der Politik propagierten und argumentierten Humanismus umgehen? Wem soll man glauben und in welcher Intention gegenüber asyl- und heimatsuchenden Menschen reagieren und agieren?

Im ersten Moment gibt es da angesichts der Not und Verzweiflung der an den Grenzen ankommenden Menschen keinen Zweifel: Helfen, helfen und nochmals helfen. Wenn jedoch die Helfer an den Grenzen an die Grenze ihrer Belastbarkeit stoßen, dann braucht es ein Um- aber vor allem Überdenken, wie Helfer und Asylsuchende zueinander stehen. 

Ursache und Wirkung analysierend gegenüber zu stellen, das kennt man aus der Physik. In der politischen Parteienentwicklung ist nicht nur in letzter Zeit ein stetig ansteigender Trend in Richtung Rechtsparteien zu beobachten. Hinzu kommen noch sich selbstorganisierende Bürgerbewegungen, die aktiv und nicht ohne Gewalt für das Recht auf eine fremdenfreie Heimat demonstrieren. 

Das große Fragezeichen ist trotz aller medialen Glättungsversuche, was in der breiten Bevölkerung vorgeht, wie die kollektive Seele in Sachen Fremdenfeindlichkeit tickt? Was durch die klassische Demoskopie nicht ans Tageslicht gefördert wird, kann man an den Biertischen und hinter vorgehaltener Hand in aller Deutlichkeit hören, nämlich dass der Humanismus, wenn es um die Angst um die Heimat geht, seine Grenze erreicht hat.

In ein anschauliches Bild gebracht: Der Druckkochtopf zeigt beim Dampfablassventil bereits den ersten roten Ring und es pfeift unüberhörbar, als Warnung davor, dass der Kochtopf uns allen um den Kopf fliegen wird. Es ist höchste Zeit, das zarte Pflänzchen wachsenden Humanismus nicht zu überfordern. Außer man will  Gefahr laufen, dass die Stimmung gegenüber den Asylanten, die als Fremde und Feindbilder gesehen werden, radikal kippt und dabei der gut geglaubte Humanismus mit Füßen getreten wird. Humanismus für alle Beteiligten muß mit Realismus so in die politische und soziale Praxis umgesetzt werden, dass kein Platz für mit Phantasie angereicherte Projektionen bleibt und Illusionen demagogische Freiräume für plumpe Populisten bleiben. 

Dr. Franz Witzeling: Psychologe und Soziologe

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