Von alten und neuen Kreuzzügen

Der Autor, Franz Uhle-Wettler, Historiker und Bundeswehroffizier a. D., stellt gleich eingangs klar, dass der Umfang des Themas eine bis in alle Einzelheiten gehende Aufarbeitung nicht zulässt und beschränkt sich daher auf „Landmarken“. Gestützt auf zahlreiche Zitate von Philosophen, Kirchenmännern, Historikern und Politikern, beschreibt er das Wesen des Krieges von der Vorzeit bis in die Gegenwart, um mit einem Ausblick auf mögliche künftige Entwicklungen zu schließen.

Nur sehr langsam bilden sich zu Beginn der menschlichen Zivilisation Regeln heraus, unter denen bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Gruppen stattfinden. Diese Regeln gelten allerdings zunächst nur im Krieg gegen solche Feinde, die dem gleichen Kulturkreis zugerechnet wurden, nicht im Kampf gegen „Barbaren“.

Unter dem Einfluss des Christentums entsteht die Idee vom „gerechten Krieg“, die über viele Jahrhunderte hin das Denken und Handeln bestimmt. Stets indes liegt die Beurteilung dessen, was als gerecht empfunden wird, im Auge des Betrachters. „Kreuzfahrerisches Denken“ – die Verabsolutierung des Werts der eigenen Sache und die Vorstellung vom Kampf des Guten gegen das Böse – führen zu den schlimmsten Grausamkeiten, die vor dem Gewissen nur allzu leicht zu rechtfertigen sind.

Erst das moderne Völkerrecht unterwirft den Krieg einer Regelung unter Gleichen. Die Einsicht, dass es Fälle gibt, in denen beide Kriegsparteien sich im Dienste einer guten Sache und auf Seiten des Rechts wähnen, führen zur Überwindung der Idee des gerechten Krieges.

Deren Wiederauferstehung erblickt der Autor mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als die späteren Sieger ihren Feinden das Menschsein absprechen. Führende Intellektuelle der Entente, nicht nur der spätere Literaturnobelpreisträger Rudyard Kipling, unterscheiden zwischen Menschen und Deutschen. Der Versailler „Friedensvertrag“ von 1919, wird – anders als alle anderen Friedensverträge in den Jahrzehnen zuvor – nicht unter Gleichen verhandelt, sondern einseitig diktiert und trägt alle Merkmale eines Strafurteils. Das ist neu – und sehr verhängnisvoll. Denn ein dauerhafter „Frieden ohne Gerechtigkeit“ ist nicht zu haben.

Seit 1914 wird Krieg wieder mit dem einseitigen Anspruch der Überlegenheit der eigenen, westlich-demokratischen Moral geführt. Zwischen Kriegern und Zivilisten wird – das ist der Verfügbarkeit und der unbekümmerten Verwendung moderner Massenvernichtungswaffen geschuldet, die einen selektiven Einsatz so gut wie nicht zulassen – kaum noch unterschieden. Für Neutralität im wiedererstandenen Kampf der Guten gegen die Bösen bleibt da überdies kein Platz. Ronald Reagans Rede vom „Reich des Bösen“ und Goerge W. Bushs Aussage „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, belegen diesen Rückfall in längst überwunden geglaubtes, manichäisches Denken.

Die Demokratie erfordert die Dämonisierung des Feindes, damit die Volksmassen erfolgreich mobilisiert werden können. Die Kriege von Königen sind folglich weit weniger verlustreich als die Kriege der Völker.

Die unserer Tage völlig einseitige Definition von Gut und Böse durch die Führungsmacht des Westens begünstigt die Ausbildung einer fragwürdigen Doppelmoral. Auch die Zunahme der Zahl „asymmetrischer“ Konflikte („Aufstände“, „Terrorismus“ und Bürgerkriege) wird daran in der nächsten Zukunft nichts ändern…

Der Krieg: Gestern – heute – und wie morgen?
Franz Uhle-Wettler
Ares Verlag
342 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-902732-30-9
24,90 Euro

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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