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Die Demokratie verbessern?

Ich habe mich bewusst bisher nicht zu den verschiedenen Vorschlägen für eine verfassungsrechtliche Neuordnung der Bundespräsidentwahl geäußert. Denn Österreich hat dutzendweise wichtigere Themen. Mit dieser Debatte lenkt die politisch-journalistische Klasse nur von den viel relevanteren, aber unangenehmeren Fragen ab. Da mich jedoch einige Partner zu einer Stellungnahme aufgefordert haben, will ich mich nicht drücken.

Wann immer man das Thema angreift, sollte jedenfalls als erstes das groteske Verbot für Angehörige der Familie Habsburg aufgehoben werden, als Bundespräsident zu kandidieren. Das würde Österreich ein großes Stück näher zu einer normalen Demokratie machen - auch wenn ich derzeit weit und breit keinen Habsburger sehe, den ich für ein politisches Spitzenamt für geeignet halte.

Würden auch auch die übrigen Habsburger-Gesetze entsorgt, würde Österreich im übrigen auch ein Stück näher zu einem normalen Rechtsstaat werden. Aber da haben die Sozialdemokraten panische Angst davor, dass man etwa der Familie die Schlösser um einen symbolischen Euro abkaufen müsste. Denn deren Erhaltung kann sich ohnedies kein Habsburger leisten - selbst wenn er auch die dazugehörigen Wälder bekäme.

Hochinteressant - wenn auch wenig diskutiert - ist der Vorschlag des steirischen Politikberaters Herwig Hösele, die Fristen der Briefwahl zu ändern. So wichtig deren - lange von der SPÖ verhinderte - Einführung war, so absurd ist es, dass die Briefwahlstimmen erst lange nach dem Wahltag abgeschickt und gezählt werden. Das ermöglicht Manipulationen. Das schafft vor allem eine Woche der lähmenden Ungewissheit, wie denn die Wahl nun wirklich ausgegangen ist. Es ist absolut zumutbar, dass jene Briefe schon am Wahltag eingelangt sein müssen.

Nicht ganz vom Tisch zu wischen ist der Vorschlag Heinz Fischers, die Wiederwahl abzuschaffen, und statt dessen eine achtjährige Amtsperiode einzuführen. Das ist zwar international eine absolut unübliche Länge - jedoch noch immer viel kürzer als die Regentschaft von Monarchen. Und bei denen behauptet ja auch niemand (mehr), dass ein Königtum mit den Regeln der Demokratie unvereinbar wäre.

Die Monarchie wieder einzuführen, wie ebenfalls schon vorgeschlagen, würde uns zwar vielleicht mutigere und weniger parteiische Staatsoberhäupter bescheren. Aber das würde angesichts der wirklichen Herausforderungen nur sinnlose Emotionen für ein totales Randthema aufwühlen, für das es sicher keine Mehrheit im Parlament gibt. Den Monarchisten steht vorerst jederzeit der Weg eines Volksbegehren frei, deren Ergebnis wäre immerhin ein Indiz für die Relevanz dieses Gedankens. Zuerst sollten sich die Proponenten übrigens einigen, was Österreich dann werden sollte: Ein Kaisertum? Das ist bei acht Millionen skurril. Ein Königtum? Das war Österreich nie. Ein Erzherzogtum wie einst? Ob das die nötige Autorität brächte und die offenbar erwünschte Attraktivität für Tourismus und Klatschspalten ausüben würde?

Da und dort wird auch von mehr Kompetenzen für den Präsidenten gesprochen. So lange sie im Rahmen etwa des Vorschlags von Rudolf Gehring bleiben, kann man darüber reden: Der wollte dem Bundespräsidenten das Recht zur Gesetzesinitiative geben, über die dann der Nationalrat zumindest abstimmen müsste. Ein noch viel spannendere Idee wäre es, dem Bundespräsidenten das Recht zu geben, zu heiklen Fragen eine unabhängige Kommission einzusetzen, die Vorschläge macht, über die dann das Parlament zu befinden hat: etwa über das Pensionssystem, die Neutralität, den Föderalismus oder die Finanzkrise. Jede dieser Kommissionen wäre besser als das parteipolitische Gezänk eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Wenig halte ich aber von allen Vorschlägen, die dem Bundespräsidenten ein echtes Vetorecht geben. In allen Staaten, in denen es ein solches Zweischlüsselsystem gibt, führt das oft zu langen Blockaden. Aber jedenfalls wäre der Bundespräsident schon ein sinnvollerer, billigerer und besser legitimierter Kandidat für den Besitz eines zweiten Schlüssels, als es etwa der Bundesrat ist. Eine solche Konstruktion würde übrigens auch im Gegensatz zum letzten Mal das Interesse aller Parteien wecken, auch wirklich einen Kandidaten aufzustellen.

Natürlich ist es grotesk, wenn die Parteien der drei angetretenen Kandidaten den nicht in Erscheinung getretenen Parteien die Schuld an der blamablen Wahlbeteiligung geben. Da keine einzige Partei zum Nichtwählen aufgerufen hat, liegt die Nichtbeteiligung wohl primär an der mangelnden Attraktivität der Drei, die nicht genug Wähler begeistern konnten. Und auch an der mangelnden Bedeutung des Amtes. Was aber ja an sich noch kein Grund sein kann, deswegen gleich das Amt aufzuwerten.

Grotesk ist diese Schuld-Debatte noch aus einem anderen Grund: Sie geht davon aus, dass der Großteil der Wähler sich von irgendeinem Parteisekretariat befehlen lassen würde, was sie am Wahltag zu tun haben. Das funktioniert nicht einmal bei linken Kaderparteien, bei bürgerlichen natürlich schon gar nicht.

Noch grotesker ist die Idee, wieder die Wahlpflicht einzuführen. Wir sollten vielmehr froh sein, dass wir nicht schon wieder neue Pflichten auferlegt bekommen, sondern einmal ein kleines Stück Freiheit errungen haben. Kann es da wer nicht ertragen, wenn die Bürger mit dieser Freiheit etwas anderes machen, als irgendeine Obrigkeit will? Wahrscheinlich sollten in dieser Vorstellungswelt die Wähler auch gleich singend im Gleichschritt und mit Fahnen vom Arbeitsplatz zur Wahlurne marschieren . . .

Richtig ist hingegen die Beobachtung, dass noch jeder amtierende Bundespräsident wiedergewählt worden ist. Das aber liegt weniger am Wahlrecht, sondern am österreichischen Byzantinismus, in dem das Nicht-Handeln des Staatsoberhaupts sechs Jahre lang nur devot begleitet wird.

In anderen Ländern wird hingegen immer seltener jemand im Amt wiedergewählt. Denn jeder Amtsträger wird ständig von Medien und Öffentlichkeit kritisch begleitet. Solange sich das nicht ändert, wäre es wohl besser und billiger, die Wiederwahl in die Bundesversammlung zu verlegen - allerdings nur, wenn der amtierende Präsident dort auch zwei Drittel der Stimmen bekommt. Ansonsten sollte jedenfalls das Volk entscheiden.

Wichtiger als all diese Ideen wäre es aber jedenfalls, wenn Österreich der direkten Demokratie ein Stück näherkäme. Wenn etwa die Bürger mitbestimmen könnten, ob Österreich Griechenland mit fast einer Milliarde beistehen soll. Oder ob das Finanzloch durch Sparen oder durch Steuern zu befüllen wäre.

Einen wahrscheinlichen Fortschritt im Funktionieren der demokratischen Institutionen brächte auch das Mehrheitswahlrecht. Es würde eher zu effizienten Regierungen führen, es würde klarere Verantwortungen herstellen.

Dennoch noch einmal: Auch diese interessanten Reformmöglichkeiten sollten derzeit in die zweite Reihe gestellt werden. Jetzt müsste es statt dessen jeden Tag um Verwaltungsreformen, um Einsparungen, um den Abbau föderalistischer Doppelgleisigkeiten gehen.

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