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Der Tod des Präsidenten und keine Unruhe

Der Tod des polnischen Präsidenten und fast der ganzen polnischen Elite sowie die Begleitumstände sind emotional so aufgeladen, sind so dramatisch, dass kein Filmdrehbuch mit diesem Inhalt angenommen würde. Es würde als allzu konstruiert abgelehnt. Aber dennoch kann man den ersten Reaktionen auf diesen Tod auch etwas Positives entnehmen: Die in früheren Jahrzehnten in dieser Situation mit absoluter Sicherheit entstehenden Verschwörungstheorien fehlen bisher.

Das ist ein absoluter Fortschritt. Das zeigt, dass sowohl Polen wie zum Teil auch Russen in den letzten Jahren eine weitgehend offene, aufgeklärte Gesellschaft geworden sind. Das zeigt, dass absolute und zeitunmittelbare Information über alle Details doch imstande ist, Vertrauen zu schaffen. Zumindest bisher.

Sonst würde vor allem Polen von wilden Verdächtigungen gegen den großen Nachbarn und alten Feind überschäumen. Ein Flugzeugabsturz über Russland mit dem streng antikommunistischen Präsidenten an Bord samt allen militärischen Oberbefehlshabern und viel sonstiger polnischer Prominenz: Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, hätten sich noch vor kurzem die meisten Polen gedacht. Insbesondere wenn dieses Flugzeug zu einer Gedenkkundgebung für die jahrzehntelang von den Russen geleugnete und den Deutschen in die Schuhe geschobene Ermordung der gesamten polnischen Armeespitze durch die Rote Armee in Katyn unterwegs war. Insbesondere wenn der tote polnische Pilot als einziger Schuldiger der Tragödie dasteht.

Bei aller verständlichen Trauer zeigen die polnischen Miteuropäer hier wirklich anerkennnenswerte Reife. Man muss nun sehen, wie weit der Tod Lech Kaczynskis auch innerpolnisch verdaut wird. Dann der Präsident stand ja in scharfem Antagonismus zum Ministerpräsidenten, konnte auch erst Tage nach Premier Tusk nach Katyn fliegen, der dort mit seinem russischen Kollegen Putin eine ergreifende Versöhnungsgeste gesetzt hatte. Die Polarisierung in Polen zwischen dem katholisch-konservativen Präsidenten und dem westlich-liberalen Premier hat das Land in den letzten Monaten ja oft schwer belastet.

Den Tagebuch-Autor erinnern die Umstände des Absturzes aber auch ganz persönlich an einen eigenen Sowjetunion-Flug in einer AUA-Sondermaschine Mitte der 80-er Jahre: An Bord Bundeskanzler Sinowatz und eine große österreichische Delegation. Spätabends Landung in Minsk (wo damals die Voest in der Nähe ein großes Stahlwerk gebaut hatte, das am nächsten Tag besucht werden sollte). Die Maschine ist schon tief unten, bevor sie wieder hochgerissen wird. Unruhe an Bord. Es spricht sich herum, dass das der falsche Flugplatz sei, jener für internationale Flüge. In Minsk gab es (gibt es?) aber auch einen zweiten, einen Inlands-Flugplatz, wo das Empfangskomitee wartet.

Nur: Dieser Flugplatz war geheim und auf keiner Karte eingezeichnet. Überdies konnte die Besatzung im dortigen Tower nur russisch. Daher musste der Dolmetscher des Bundeskanzlers - ein alter KPÖ-Veteran, der keine Ahnung vom Fliegen hatte - in die Kabine klettern und die russischen Informationen an den Piloten weiterleiten. Irgendwie war uns allen sehr mulmig zumute. Aber letztlich ging alles gut. Nur einige Herren aus Diplomatie, Protokoll und AUA-Management bekamen einige Unfreundlichkeiten zu hören ...

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