Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Nicht wählbar

Barbara Rosenkranz ist nicht wählbar. Genauso wie Heinz Fischer. Sollte nicht noch aus den derzeit um Unterstützungserklärungen ringenden Kleingruppen ein brauchbares Angebot kommen, dann gibt es für mich nicht mehr die vertraute demokratische Möglichkeit, nach dem jeweils kleineren Übel zu suchen. Es bleibt erstmals nur noch die traurige Alternative: nicht hingehen oder ungültig wählen.

An der Unwählbarkeit der niederösterreichischen Freiheitlichen ändert ihre jüngste „eidesstättige Erklärung“ rein gar nichts. Vielmehr ist eine solche Reaktion auf befehlenden Pfiff von Hans Dichand eher erst recht peinlich. Österreich braucht keinen Bundespräsidenten, der von einem Zeitungszaren Befehle entgegennimmt. Es braucht schon gar keine Kandidatin, die es hinnehmen muss, dass ihre Aussagen zuerst öffentlich vom eigenen Parteichef korrigiert werden, bis sie endlich mühsam selber eine Linie formuliert oder etwas von anderen Formuliertes vorträgt. Und dann tagelang feige vor allen Fragen flieht.

Wer zum Thema der nationalsozialistischen Verbrechen so herumredet, sich lediglich auf sein Schulwissen beruft, wie Rosenkranz bei ihren ersten Interviews, hat sich spätestens ab diesem Zeitpunkt für den Präsidentenjob disqualifiziert. Gleichgültig, ob die Reaktion der Kandidatin nun aus Dummheit oder aus einem unbewussten Rechtfertigungsdrang für die Hitler-Jahre so erfolgt ist. Wer heute noch eines der beiden großen totalitären Massenmord-Systeme des 20. Jahrhunderts so verwaschen kommentiert, muss für jeden Menschen mit Charakter  unwählbar sein.

Die Geschichte vom Naziland


Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Rot und Grün wie in Waldheim- oder Schüssel-Zeiten schon wieder mit den gleichen Denunziations-Maschinerien auffahren. Denn im Gegensatz zu den beiden Genannten gibt es bei Rosenkranz tatsächlich bedenkliche Haltungen. Die freilich nicht wirklich im Zentrum ihrer politischen Botschaft stehen – die aber nun für alle Welt so massiv thematisiert worden sind, dass die SPÖ-Kampagne mit Sicherheit dazu führen wird, dass die üblichen Auslandsjournalisten dann nach jedem Wahlergebnis die Geschichte vom Naziland an der Donau erzählen werden. Selbst wenn Rosenkranz nur auf 15 Prozent kommen sollte, was ja angesichts des Alternativenmangels sehr blamabel für sie wäre.

Daran ändert auch die Widerlichkeit einer  der von der SPÖ mit Steuergeldern am Leben erhaltenen Boulevardzeitung nichts, die alle Kinder Rosenkranzs in denunziatorischer Absicht abbildet.

Daran ändert auch die gleichzeitige Lächerlichkeit nichts, dass sich die SPÖ vor einem bisher völlig unbekannten Habsburger so fürchtet, dass sie dessen Kandidatur unter Berufung auf ein überholtes Verfassungsgesetz blockiert, das als normales Gesetz ja längst wegen Menschenrechtswidrigkeit entsorgt worden wäre.

Daran ändert auch die beschämende Tatsache nichts, dass eine ganze Reihe selbsternannter Tugendwächter oder staatlich finanzierter Kulturproduzenten sowie Journalisten auf dem linken Auge genauso blind ist, wie es Rosenkranz auf dem rechten ist. Daher wäre es eigentlich auch genauso erforderlich, dass ein Heinz Fischer seine einstigen Sympathie-Erklärungen für kommunistische Länder eidesstattlich zurücknimmt oder bedauert.

Die problematische Symmetrie zwischen den beiden Kandidaten zeigt sich übrigens auch an der Tatsache, dass weder Rosenkranz noch Fischer Mitglied einer Glaubensgemeinschaft sind. Oder daran, dass Rosenkranz kein einziges ihrer zahlreichen Kinder taufen hat lassen. Damit zeigen beide Kandidaten, dass sie nicht aus der geistigen Mitte Österreichs kommen, dass sie nicht dieselben kulturellen Wurzeln wie die Mehrheit der Österreicher haben. Da mag Fischer noch so innig beim jeweiligen Nuntius antichambrieren. Da mag der freiheitliche Parteichef noch so demonstrativ mit einem Kreuz vor Kameras herumwacheln.

Deutschnational oder nationalsozialistisch?


Viel Diskussion haben die demonstrativ germanischen Vornamen der Rosenkranz-Kinder ausgelöst. Das mag man sehen wie man will: deutschnational ist jedenfalls nicht automatisch identisch mit (neo-)nationalsozialistisch. Deutschnational waren ja im SPÖ-Lager fast alle bis zum Beginn des Weltkriegs (der später verfemte Franz Olah war diesbezüglich schon damals eine lobenswerte Ausnahme), etliche sogar noch nach 1945. Ein Indiz für den neuerdings von der FPÖ so lautstark vor sich hergetragenen Österreich-Patriotismus ist diese Namenswahl  jedoch sicher nicht.

Allerdings: Dass eines dieser Kinder dann auch noch „Wolf“ genannt worden ist, ist dann doch zu viel. Das war ja etliche Jahre der Alias-Name Adolf Hitlers, wenn er unerkannt irgendwo ein Hotelzimmer buchen wollte; das war auch der Name, den Hitler seiner Schwester aufgezwungen hatte, damit die in Wien lebende Frau nicht erkannt werde.

Last not least zu dem von Rosenkranz kurz angeschnittenen, dann wieder weggelegten Thema Verbotsgesetz. Ist dieses wie das Habsburger-Gesetz nicht schon historisch überholt? Zeugt es nicht von neurotischer Angst vor der eigenen Bevölkerung, wenn man auch noch 65 Jahre nachher einige geistig minderbemittelte Spinner mit drakonischen Strafen wie sonst fast nur blutige Gewalttäter bedroht? Durchaus legitime Fragen. In anderen Ländern sind neonazistische Anläufe erlaubt, verenden jedoch immer rasch in völliger Bedeutungslosigkeit.

In einer reifen Demokratie muss jedenfalls auch diese Diskussion möglich sein. Und keinesfalls kann es ein Delikt sein, die Änderung eines Gesetzes vorzuschlagen – auch wenn manche Autoren dies derzeit so darstellen. Sonst würde ja jede Gesetzesnovelle (= Änderung eines Gesetzes) auf einem Delikt fußen.

Abschaffung gefährliches Signal


Ich selber tendiere aber derzeit eher zu einer Aufrechterhaltung des Verbots. Natürlich ist es absurd, einige Halbstarke mit jahrelanger Haft zu bedrohen, weil sie halt in Nazi-Symbolen den einzigen Weg gefunden zu haben glaubten, um ihren dumpfen und meist alkoholschwangeren Pubertätsprotest zu artikulieren. Trotzdem wäre eine Abschaffung ein gefährliches Signal. Dazu waren doch zu viele in den letzten Jahren noch zu problematisch mit ihren Äußerungen; dazu ist von der Gegenseite die angebliche neonazistische Gefahr viel zu sehr übertrieben worden (meist zu Zwecken parteipolitischer Instrumentalisierung), als dass nicht doch allzu viele unreife Jugendliche nach dem krassesten Weg suchen würden, um die anderen Generationen zu provozieren. Dazu kommt noch die Tatsache, dass ein Teil der Neoösterreicher gewisse Sympathien für antisemitische Ideologien mit sich bringt.

Fürs Abschaffen bin ich hingegen  beim §3h des Verbotsgesetzes, mit dem – übrigens erst seit den 90er Jahren! – die Verharmlosung der NS-Verbrechen in einem Druckwerk mit ein bis zwanzig Jahren Haft bestraft wird. Denn das ist ein klassisches Meinungsdelikt, das zu bestrafen jedem liberalen Denken widerspricht.

Noch Bruno Kreisky hat davor gewarnt, dass man solcherart überflüssigerweise Märtyrer macht. Wir müssen doch wohl imstande sein, Wirr- und Dummköpfen wie auch böswilligen Lügnern anders entgegenzutreten als mit dem Strafrichter. Ganz im Sinne des großen französischen Aufklärers Voltaire: „Du bist zwar anderer Meinung als ich, aber ich werde dein Recht dazu bis in den Tod verteidigen.“

Wenn wir hingegen immer weiter von den Prinzipien der Aufklärung, von Toleranz und Freiheit (deren Wert sich ja immer nur in der Freiheit des Andersdenkenden zeigen kann!) abgehen, dann haben nachträglich die beiden großen Totalitarismen doch noch einen Sieg errungen. Dann fehlt uns auch die zentrale Werte-Basis, um dem neuen großen Totalitarismus gut verankert entgegenzutreten, nämlich dem Islamismus.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung