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Was würde Gerd Bacher sagen?

"Was wäre wenn?" ist immer ein lustiges, aber meist nur spekulatives Spielchen. Machmal kann man sich aber des Ergebnisses ziemlich sicher sein. Etwa wenn man sich fragt, welch donnerndes Gebrüll ein Gerd Bacher durch sämtliche Etagen der ORF-Zentrale angesichts der derzeit täglichen ZiB-Performance jagen würde, wäre er heute noch für den Gebührensender verantwortlich.

Statt Bacher kann man sich dieses Spielchen übrigens auch mit den Namen Nagiller, Besenböck oder Kunz vorstellen, also mit einem der einstigen Informations-Bosse, die noch primär von journalistischem Verantwortungsbewusstsein geprägt waren, die noch das Wort "objektiv" buchstabieren konnten. Selbst Helmut Zilk hätte sich mit großer Wahrscheinlichkeit mehr um Ordnung bemüht als die Herren Wrabetz, Oberhauser und Amon zusammen, die für die derzeitige Fernseh-Information verantwortlich sind.

Wobei sich Bacher überdies auch um den Hörfunk gekümmert und die unerträglich ahnungslosen Moderatoren der Hörfunk-Journale allesamt auf eine dreijährige Schulung in Journalismus und Allgemeinbildung geschickt hätte. Von den besonders schlechten und einseitigen Magazinen in Radio und Fernsehen sowie den Diskussionssendungen des Fernsehens wollen wir dabei gar nicht reden, die werden freilich ohnedies kaum mehr gesehen (nach dem Club 2 zu zehn Jahre Schwarz-Blau habe auch ich mir jedenfalls wieder eine halbjährige Abstinenz in Hinblick auf diese Uralt-68er-Propagandasendung verordnet).

Der Objektivität halber muss man freilich auch sagen, dass die Degeneration der Landes-Studios zum Landeshauptleutepartei-Fernsehen zum Teil schon unter Bacher angefangen hat. Und dass ein Teil der Korrespondenten (in Peking, Belgrad, Berlin, Brüssel, Jerusalem, Madrid, Moskau und teilweise Washington und Paris) noch immer Top-Qualität produzieren, wie es auch die Hörfunk-Innenpolitik und Teile der Wirtschaft in beiden Medien tun.

Nun meinen manche Poster, das Tagebuch solle sich nicht mehr mit dem ORF befassen, der ohnedies seit Jahren im Quoten-Sinkflug ist. Was zwar ein richtiger Hinweis ist. Dennoch hat der ORF noch immer eine Leitfiguren-Aufgabe. Dennoch müssen die Österreicher noch immer Pflichtabgaben für den Besitz eines Fernsehgeräts leisten, die vor allem dem ORF zugute kommen. Dennoch ist es wichtig, dass zumindest dieser kleine Blog noch ein kritisches Auge auf die ORF-Information wirft, da sich doch fast alle anderen Medien die Kritik weitgehend verbeißen. Sie tun dies wohl nur deshalb, damit sie gelegentlich in der Pressestunde ein paar Fragen stellen dürfen (wovon sie sich naiverweise eine Umkehr ihrer Leserverluste erwarten).

Daher wird es das Tagebuch weiterhin gelegentlich (ich verspreche aber: wirklich nicht täglich) verzeichnen, wenn es etwa in der ZiB wieder einmal allzu arg wird. Wie in den letzten Tagen.

Da sprach etwa ein ZiB1-Moderator von einem "Justiz-Skandal" in London, weil das Verfahren gegen den Waffenhändler Mensdorff eingestellt worden ist. Niemand im ORF fällt mehr auf, dass das ein massiv wertendes und kommentierendes Vokabel ist, welches zwar in einem Blog erlaubt ist (so hat  ja auch das Tagebuch Kritik an jenen Vorgängen geübt hat), welches aber dem öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF massiv widerspricht.

Da werden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen die Minister Fekter und Darabos von der gleichen Journalistin zum gleichen Thema befragt. Den Unterschied zwischen der Tonalität der beiden Interviews möchte ich Klavierspielen können, und ich würde statt der Tasten eines Computers die Tasten eines Steinway im Brahmssaal vor einem jubelnden Publikum betätigen. Der eine darf ausreden, die andere wird ständig unterbrochen und mit absichtlichen höhnischen Versprechern lächerlich gemacht. Dass Herr Darabos übrigens dennoch nicht gerade brillieren kann, liegt dann nur an seinen burgenländischen Sprech- und Argumentationsdefiziten (und daran, dass die SPÖ außer den Herren Schieder und Hundstorfer sowie Frau Burgstaller überhaupt niemanden mehr hat, den sie ohne Selbstbeschädigung in die Öffentlichkeit stellen kann).

Da wird über die extrem manipulative und dabei rechtlich völlig unverbindliche Wiener Volksabstimmung in den gesamtösterreichischen(!) Radio- und Fernsehprogrammen (etwa besonders in den Radio-Journalen) breiter berichtet als insgesamt über Landtagswahlen in irgendeinem anderen Bundesland, obwohl Landtagswahlen rechtlich und politisch viel wichtiger und vor allem verbindlicher sind. Ganz zu schweigen von der fast völlig totgeschwiegenen Wirtschaftskammer-Wahl oder der  ORF-Publikumsratswahl. Obwohl es bei beiden um gesetzlich normierte und gesamtösterreichische Urnengänge geht. Und selbstverständlich hängt diese unterschiedliche Behandlung mit der Konzeption der Wiener Volksabstimmung als Vorwahlkampf zur Rettung Häupls zusammen und das Totschweigen der anderen Wahlen damit, dass man geglaubt hat, dadurch könne eher der gut geschmierte SPÖ-Apparat zielgruppengerecht punkten und die Nichtlinken würden schlafen (was sich allerdings als Irrtum erwiesen hat).

Noch krasser war da die aufgeregte Korrespondentin aus London, die allen Ernstes davon sprach, dass die USA Krieg "gegen Afghanistan" führen. Solche Formulierungen war man bisher nur aus Al-Kaida-Werbefilmen gewohnt. Heute sind sie Teil der normalen ORF-Berichterstattung.

Aber dort ist ja heute alles schon völlig wurscht. Zumindest das Programm. Wichtig ist nur, dass man sich jetzt über die SPÖ, die in Kürze die ÖVP zweifellos durch Vergabe von ein oder zwei technokratischen Posten endgültig über den Tisch gezogen haben wird, fettes Steuergeld holt, um weiter sausen und brausen zu können. Und dass ansonsten die ORF-Gewaltigen weiterhin ungestört zu vielen Society-Terminen gehen können (wo sich etwa Wrabetz zum Unterschied von dem zehn Mal klügeren Bacher auch noch für den eigenen Sender abfilmen lässt).

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