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Reisen bildet - und verschafft Jobs

"Wer eine bestimmte Bildung will, muss reisen. Und wer eine bestimmte Arbeit will, findet die nicht immer vor der Haustür." Wenn Sozialdemokraten reisen, dann kommen ihnen die besten Erkenntnisse - über das Reisen und über andere Dinge. Die sie ihren eigenen Wählern daheim freilich nie so zu sagen wagen.

Der zitierte Satz stammt von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Formuliert wurde er auf seiner jüngsten Reise, am Rande einer UNO-Tagung in New York. Seine Hauptbotschaft: Er rühmte die viel größere Mobilität der Deutschen im Vergleich zu der seiner Landsleute. Die Deutschen seien bei der Arbeitswahl flexibler; sie haben, so der Minister „eine andere Einstellung zur Mobilität“, was sich in Österreich nur langsam herumspreche.

Wie recht er hat: Wenn einer aus Brandenburg in die Steiermark übersiedeln kann, um einen durchschnittlich bezahlten Tourismus-Job zu bekommen, dann muss auch die Reise von Wien in ein Tiroler Hotel möglich sein, so darf man den Minister konkretisieren. Und sei es nur für einen Saison-Job.

Herr Minister, danke für diese Aussagen. Jetzt müssten nur noch die Regeln dessen geändert werden, was das AMS für einem Arbeitslosen zumutbar halten kann und was ein solcher ungeniert ablehnen kann, ohne die Unterstützung zu verlieren.Bisher hat Hundstorfers Partei und vor allem seine Gewerkschaft ja bisher wenig Begeisterung gezeigt, die Arbeitslosen etwas härter anzufassen.

Hundstorfer verband diese wahre wie parteiuntypische Aussage mit einem sehr deprimierenden Ausblick auf die Entwicklung der Arbeitslosenzahl. Sie werde weiter steigen. Offenbar lässt diese Prognose manche alten Stereotype wanken.

Wie war das nur damals, als es unter anderen Regierungen ebenfalls Perioden mit wachsender Arbeitslosigkeit gegeben hat? Wer mag das nur gewesen sein, der da ständig von „sozialer Kälte“ und „Sozialraub“ gesprochen hat?

Wie auch immer: Freuen wir uns über die Lernfähigkeit zumindest des Sozialministers und lassen wir offen, ob in seiner eigenen Partei nicht weiter der Populismus mit unrealistischen Sozialträumen den Ton angeben wird.

Freilich ist auch Hundstorfer nur partiell aus dem schönen Traum erwacht. Verkündete er doch in New York gleichzeitig, dass das Modell des Sozialstaates durch die Krise weltweit einen ordentlichen Schub bekommen hätte und so gefragt sei wie noch nie.

Wo hat der gute Mann denn diese seltsame Erkenntnis her? Aus den vielen Staaten, die angesichts eines drohenden Staatsbankrotts Beamtengehälter und Pensionen kürzen müssen? Aus Griechenland oder Spanien, die besonders katastrophal dastehen, weil sie in den letzten Jahren total auf das bequeme Wohlfahrtsleben und die vielen Gelder der EU gesetzt haben und nicht auf die blöden liberalen Erkenntnisse, dass nur Leistung und Sparsamkeit zusammen die Basis eines funktionierenden Staatswesens sein können?

Nein, dort schaute Hundstorfer nicht hin. Seinen Beweis für den Erfolg des Sozialstaats will er ausgerechnet in Lateinamerika und China gefunden haben. Nun, die Wahrheit sieht anders aus: Lateinamerika träumt neuerdings zwar in der Tat vom Sozialstaat, hat aber noch keinerlei Beweise geliefert, dass das funktionieren könnte. Und China ist natürlich ein Beweis für das Gegenteil: nämlich für den wirtschaftlichen Erfolg, den ein mit Konsequenz, ja Fanatismus umgesetzter Kapitalismus pur bringt.

Und wenn in China etwas kritisch brodelt, dann ist es nicht die Sehnsucht nach dem Sozialstaat österreichischer Prägung, sondern nach dem Rechtsstaat, der dem einzelnen Bürger eine Chance gegen korrupte Funktionäre, gegen Zensur und gegen Umweltverschmutzer gibt.

Aber da Reisen bildet, besteht bei Hundstorfer zumindest Hoffnung, dass er eines Tages auch in die von ihm ziemlich ahnungslos genannten Regionen fährt und sich nicht nur bei ein paar linken Politologen darüber informiert. Hat er sich doch immerhin als nicht total weiterbildungsresistent erwiesen. Was man nicht von all seinen Parteifreunden sagen kann.

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