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Neun Fürstentümer und keine Republik mehr

So zerfällt eine Republik. Neun unheilige Floriani verwechseln das Zusammenleben in einem gemeinsamen Staat mit dem Herauszupfen der Rosinen aus dem Weihnachts-Striezel. Man nimmt sich nur das Angenehme und lässt das Unangenehme den anderen Bundesländern. Nur sind die auch nicht ganz blöd und nehmen ebenfalls das eine und lassen das andere.

Aktuelles und besonders drastisches Beispiel ist das Burgenland. Das im großkoalitionären Konsens als notwendig beschlossene neue Erstaufnahmezentrum für Asylwerber wird vom Burgenland abgelehnt. "Nicht bei uns." Eine Volksabstimmung im ganzen Südburgenland soll das von der Innenministerin vorangetriebene Projekt stoppen.

Wenn das Stoppsignal eine Mehrheit bekommt – was so gut wie sicher ist –, dann wird es bald darauf auch in Kärnten und der Steiermark, eventuell auch in Osttirol solche Referenden mit ähnlichem Ausgang geben. Motto: „Heiliger Sankt Florian, verschon unser Haus, zünds andre an.“ Und dann?

Dann wird die Regierung sagen: Na, vielleicht halt in Westösterreich. Was auch dort prompt Volksabstimmungen in Struwwelpeter-Manier auslösen wird: „Nein, keine Zentren mag ich nicht.“ Darauf werden noch die Nieder- und Oberösterreicher sagen: „Ja hallo, wenn das mit Volksabstimmungen so geht, dann machen wir auch eine über die Schließung der beiden vorhandenen Erstaufnahmezentren.“ Das Ergebnis darf ebenfalls schon jetzt als bekannt vorausgesetzt werden. Und dann?

Dann muss die Republik eigentlich zusperren. Denn sie ist völkerrechtlich verantwortlich für die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention, kann diese Pflicht zur Aufnahme von politisch oder sonstwie Verfolgten aber nicht einhalten, weil alle neun Bundesländer Nein gesagt haben. Und weil Österreich halt nur aus jenen neun Bundesländern besteht. Das war’s dann. Pech gehabt.

Konsequent wäre es wenigstens, wenn die Provinz-Florianis dann auch sagen würden: Treten wir halt aus der Genfer Flüchtlingskonvention aus, die zur Aufnahme von Asylwerbern verpflichtet. Das wagt aber keiner.

Das Verhalten des Burgenlandes ist besonders infam: Leben doch die Burgenländer seit 15 Jahren als größter Subventionsempfänger Österreichs („Ziel-1-Gebiet“) dick von den Geldern einiger europäischer Nettozahler und der restlichen Bundesländer. Im Burgenland scheint in den letzten Jahren alles neu gebaut worden zu sein, wenn man durch das Land fährt. Die Burgenländer haben es durchgesetzt, dass trotz Wegfall der EU-Außengrenze Präsenzdiener an der burgenländischen Grenze wachen müssen, obwohl die Kriminalität (für deren Bekämpfung das Bundesheer ja gar nicht zuständig ist) etwa im Raum Wien viel schlimmer ist.

Und nun wären die Burgenländer einmal an der Reihe, ihrerseits solidarisch zu sein. Prompt präsentieren sie einen läppischen Einwand nach dem anderen (was freilich nicht heißt, dass der von juristischen Partisanen unterwanderte Verwaltungsgerichtshof am Ende nicht doch einen dieser Einwände unterstützen wird). Einmal heißt es derzeit im Burgenland: Leider, leider der Flächenwidmungsplan erlaube das nicht (als ob es eine spezifische Flächenwidmung für „Erstaufnahmezentren“ gäbe); dann wieder wird das Fehlen eines Umweltgutachters als Grund für’s Nein genannt; und besonders oft wird die Schuld der Innenministerin zugeschoben, weil sie das Projekt – um den Populismus von Niessl & Co wissend – bis zur Erlassung eines Bescheids geheim betrieben hat.

Gleichzeitig machen aber alle burgenländischen Politiker (bis auf einen einsamen Bürgermeister) überraschend ehrlich klar, dass es auch bei voller Information kein solches Zentrum im Burgenland geben wird. Zugleich weiß jeder Rechtsexperte, dass formalistische Pitzeleien wie die nun von den Landespolitikern vorgebrachten gegen jedes Projekt, das je in Österreich gebaut wurde, konstruierbar sind. Und auch die aufs erste sinnvoll klingende Alternative, die Asylwerber in einer der kurz vor der Räumung stehenden Kasernen unterzubringen, wird mit einem brutalen Njet beantwortet – ohne weitere Begründung.

Freilich ist das Burgenland keineswegs einsamer Täter gegen den Geist eines solidarischen Zusammenlebens: So haben nicht weniger als sieben Bundesländer ihre staatsvertraglich festgelegte Quote für die Stationierung von Asylanten (also für jene Zeit, nachdem dieAsylwerber das Erstaufnahmezentrum durchlaufen haben) nicht erfüllt. Konsequenzen? Null.

So hat Niederösterreich bis heute verhindert, dass ein Tunnel durch den Semmering gebaut wird, obwohl der von allen Verkehrsexperten (außer jenen in St. Pölten) als das wichtigste große Bahnprojekt bezeichnet wird. So haben im Gegenzug Tirol (Brenner) und Kärnten (Koralm) zwei unsinnige, dafür sauteure Bahntunnels zumindest so weit durchgesetzt, dass mit ersten Vorarbeiten schon begonnen worden ist. So hat die Steiermark einmal fast die Stationierung von Abfängjägern in Österreich verhindert. So hat Kärnten durch eine abenteuerliche Politik die größte Bankpleite der österreichischen Geschichte verursacht, die nun die Republik auslöffeln muss.

So lähmt jede Landtagswahl in einem Bundesland auf Monate die Bundespolitik. So erpressen die Länder beim sogenannten Finanzausgleich vom Bund immer einen angesichts der zu bewältigenden Aufgaben viel zu großen Anteil – was dazu führt, dass der Bund ständig Sparpakete schnüren muss, während man solches aus den Ländern noch nie gehört hat. Zugleich machen sie dennoch deutlich mehr Defizite als eigentlich versprochen – wofür aber wieder der Bund und nicht die Länder gegenüber Brüssel haftet. Und vor allem verhindert eine geschlossene Phalanx der Länder jede sinnvolle Verwaltungsreform und damit Defizitreduktion. Sie glauben ja, dass sie das Bundes-Defizit nichts anginge.

Wenn ein Staat aus neun sich immer mehr souverän gebenden Ländern besteht, dann wird er zerfallen. So wie einst die Landesherrn das Heilige Römische Reich unterminiert und letztlich in den Untergang getrieben haben. So wie einst die Sowjetunion und Jugoslawien durch die regionalen Zentrifugalkräfte auseinandergerissen worden sind.

Offenbar sind solche Prozesse unvermeidbar, wenn man einmal zu oft nachgegeben hat, – auch wenn sie lange nur versteckt und schleichend vor sich gehen. Ein bisschen mehr Widerstandskraft hätte man sich vom Bund schon erwartet. Aber in jedem der genannten Fälle haben die Bundespolitiker – mit der einzigen rühmlichen Ausnahme nun von Maria Fekter – immer auf ihre Parteifreunde in den Ländern Rücksicht genommen und nachgegeben. Und von dem peinlichen Herumeiern des Bundespräsidenten zur Causa Burgenland sollte man gar nicht reden – wäre er nicht theoretisch der höchste Repräsentant jener Republik, die er eigentlich zusammenhalten sollte.

Glaubt eigentlich wirklich jemand von jenen ständig Kindergärten und Kreisverkehre eröffnenden Fürstenfiguren in den Bundesländern, dass sie ohne die Republik besser dastünden?

Noch einmal zurück zum Erstaufnahmezentrum: Der Vergleich mit dem von den Bürgern bejahten Schubhaftzentrum in Vordernberg hinkt gewaltig: Denn beim Schubhaftzentrum sind die Insassen eingesperrt, bei einem Erstaufnahmezentrum können sie sich frei bewegen. Was naturgemäß viele Ängste schürt.

Daher gibt es im konkreten Fall nur zwei Wege: Entweder der Bund zieht ein solches Projekt auch gegen den Willen eines Landes und eine Volksabstimmung durch. Oder Österreich kündigt die Flüchtlingskonvention. Was angesichts des relativ hohen Kriminalitätsanteils von Asylwerbern zwar innerösterreichisch sehr populär wäre. Was aber spätestens seit dem Lissabon-Vertrag wohl auch vom Europäischen Gerichtshof verhindert würde.

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