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Der abstiegsgefährdete Vorzugsschüler

Der Planet ist gerettet. Die Apokalypse ist noch einmal abgewendet. So und so ähnlich klang der offizielle Jubel nach der Pariser Klimakonferenz. Das passte gut in die weihnachtliche Stimmung, wo die Welt nach guten Nachrichten lechzt. In Europa haben die Menschen freilich – außerhalb der Medien-Politik-NGO-Blase – erstaunlich wenig Interesse für die Klimakonferenz gezeigt.

Aus vielerlei Gründen. Sei es, dass ein viel aktuelleres Thema – die Völkerwanderung – die Europäer mehr interessiert. Sei es, dass sie die These CO2-Treibhaus-Klimaerwärmung für zweifelhaft halten, weil es ja schon vor jeder Industrialisierung und CO2-Emission noch viel dramatischere Erwärmungen gegeben hat. Sei es, dass sie zweifeln, dass Computersimulationen die Zukunft richtig voraussagen können. Sei es, dass es ihnen absurd vorkommt, dass eine politische Konferenz behauptet, auf halbe Grade genau fixieren zu können, wie hoch die Temperatur in einem halben Jahrhundert sein wird.

Aber auch wenn man all diese Bedenken beiseite lässt, ist man verwirrt. Denn niemand weiß so richtig, was die Pariser Beschlüsse eigentlich konkret bedeuten. Denn es sind in Wahrheit nur Ziele vereinbart worden. Es ist jedem einzelnen Land – beziehungsweise der EU – überlassen worden, wie diese Ziele erreicht werden. Und vor allem: Es gibt keinerlei Konsequenzen, wenn ein Land diese Ziele nicht erreicht haben wird.

Es sind ja auch schon bisher Beschlüsse vieler internationaler Konferenzen nie realisiert worden. Diktaturen werden das Nichterreichen der Pariser Ziele einfach ignorieren. Andere werden sagen: So ein Pech, jetzt ist uns diese Krise, diese Katastrophe dazwischen gekommen. Wieder andere werden im Widerspruch zu Paris eiskalt die Vorteile des auf ein Drittel gesunkenen Ölpreises lukrieren. Und in Amerika wird man es überhaupt als Schwachsinn abtun, was da einst Präsident Obama am US-Kongress vorbei (also nach US-Recht völlig unverbindlich!) versprochen hat.

Einige werden jedoch die Pariser Beschlüsse nach Punkt und Beistrich zu realisieren versuchen, selbst wenn sich inzwischen etliches als falsch oder unerreichbar herausgestellt haben sollte. Das wird vor allem die EU tun. Damit aber wird sich wiederholen, was schon nach Kyoto passiert ist: Nur Europa hat sich an die dort gehaltenen Beschlüsse zu halten versucht – und hat sich damit selbst den schwersten wirtschaftlichen Schaden der ganzen Nachkriegszeit zugefügt. Bis auf Deutschland ist heute überall die Arbeitslosigkeit weit höher als damals. Industrielle Investitionen werden immer mehr aus Europa abgezogen und dorthin verlagert, wo die Regulierungen nicht so würgend sind.

Europa sollte daher dringend darauf schauen, dass es sich selbst künftig nur so weit selbst limitiert, wie das auch alle anderen Regionen tun. Eine zweite einsame Vorzugsschüler-Periode wäre für die EU tödlich. Und würde das Weltklima dennoch kaum beeinflussen. Wenn dieses überhaupt beeinflussbar sein sollte.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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