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Merkels Abgesang drucken

Griechenlandkrise, Flüchtlingskrise, Brexit – das ehemalige CDU-Mitglied Bernd Lucke führt alle drei auf „historische Fehlentscheidungen“ der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück. In einem Kommentar für Focus Online kommt der Wirtschaftsprofessor und EU-Abgeordnete zu einem vernichtenden Urteil: „Es fällt schwer, einen deutschen Bundeskanzler zu nennen, der in ähnlicher Weise Fehlentscheidungen zu verantworten hat wie Angela Merkel.“ 

Tatsächlich ist Merkels Agieren in allen drei von ihr mitverursachten Krisen symptomatisch für die Art und Weise, wie sie – und auch andere europäische Spitzenpolitiker – heute Entscheidungen fällen. Oder besser gesagt: nicht fällen. Der immergleiche Modus operandi Merkels: zuerst jahrelanges Ignorieren von Fakten und Warnungen. Also: autistisches Verhalten, fehlgeleitet vom Irrglauben, auf uns zukommende Probleme ließen sich aussitzen – und vorher muss man ja noch Wahlen gewinnen. 

Dann, nachdem die sich ankündigenden Probleme zu brennenden Problemen geworden sind, wenn es also eigentlich bereits fünf nach zwölf ist, wird die am wenigsten unpopuläre Maßnahme gefällt, die den geringsten Gegenwind in den Medien zu erwarten hat, die jedoch das Problem nicht löst, sondern mittel- und langfristig nur verschlimmert. Leider hat Merkel im Falle eines Scheiterns ihrer Vorhaben keinen Plan B, mehr noch: Es gibt nicht einmal einen durchdachten Plan A; von Organisation und Planung keine Spur. 

So ging Merkel in allen drei Krisen vor. Vielleicht liegt darin ihre einzige Prinzipientreue. Beginnen wir mit Griechenland. 

Griechenland-Krise 

Dass die griechischen Haushaltsdaten gefälscht waren, wusste man seit Jahren. Beständig warnte der Internationale Währungsfonds in aller Öffentlichkeit vor der gravierenden Verschlechterung der Schuldensituation und vor einem Bankrott der griechischen Banken. Merkel steckte den Kopf in den Sand. Vorausschauendes Vorgehen hätte ihr unangenehme Entscheidungen abverlangt. Möglich gewesen wären eine geordnete Staatsinsolvenz Griechenlands, eine Rekapitalisierung der griechischen Banken, ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. Staatsbankrotte sind keine Katastrophe. Das Beispiel anderer Länder, etwa Argentiniens, zeigt: Nach einer harten Phase von ein bis zwei Jahren wächst die Wirtschaft wieder. Doch Merkel wollte Wahlen gewinnen. Also geschah nichts. 

Als im Jahr 2010 Griechenland tatsächlich vor dem Staatsbankrott mit negativen Folgen für weitere EU-Länder stand, stimmte Merkel anstandslos dem Bruch der Nichtbeistandsklausel im Maastricht-Vertrag zu – eine absurde Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen für andere EU-Länder. Anfang der 1990er Jahre war es noch Deutschland gewesen, das aus gutem Grund auf jene Klausel gedrängt hatte: Denn so schloss man eine Haftung der Europäischen Union und aller ihrer Mitgliedstaaten für einzelne Mitgliedstaaten aus. Die Regelung im Maastricht-Vertrag sollte einzelne Staaten zu Haushaltsdisziplin bewegen und verhindern, dass sie auf Kosten anderer über ihre Verhältnisse leben. 

Im Falle Griechenlands ist nun genau das eingetreten, was man eigentlich verhindern wollte. Auch wenn es die meisten Medien nicht interessiert: Griechenlands Schuldenproblem ist weiter denn je davon entfernt, gelöst zu sein. Allein im vergangenen Jahr stiegen die öffentlichen Schulden von rund 170 Prozent der Wirtschaftsleistung (301 Milliarden Euro) auf 180 Prozent (315 Milliarden Euro). 

Doch nicht nur der Staat ist hoffnungslos überschuldet, sondern auch die griechischen Bürger und Unternehmen stehen bei der öffentlichen Hand mit 91,6 Milliarden Euro knietief in der Kreide. In Wahrheit dürfte die Verschuldung in Ermangelung einer funktionierenden Finanzverwaltung noch höher sein. Konsequenz: Ständige Milliardentransferzahlungen aus anderen EU-Ländern verhindern – vorerst – den griechischen Staatsbankrott. Der deutsche Ökonom Hans Werner Sinn nennt das „Konkursverschleppung“. 

Flüchtlingskrise

Ähnlich fahrlässig war Merkels Agieren in der Flüchtlingskrise. Seit 2011 funktionierte das Dublin-System nicht mehr: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte untersagte damals den EU-Staaten, Asylwerber nach Griechenland zurückzuschicken. Die Begründung: Die Asylverfahren sowie die Unterbringung von Asylbewerbern in Griechenland verstoßen gegen die Menschenwürde. Fortan schob Griechenland Migranten ganz einfach weiter in den EU-Raum, von wo sie nicht mehr zurückgeschickt werden konnten. 

Gleichzeitig brach der Syrien-Krieg aus, der riesige Flüchtlingsströme in den Libanon, nach Jordanien und in die Türkei zur Folge hatte. Dass bald Scharen von Flüchtlingen ungehindert über Griechenland nach Mitteleuropa ziehen werden, muss jedem auch nur halbwegs weitblickenden EU-Politiker klar gewesen sein. Doch Merkel selbst erklärte kürzlich glatt: „Die Situation im Sommer 2015 traf mich und meine Bundesregierung eher unvorbereitet.“ Kann es sein, dass europäische Politiker im 21. Jahrhundert die am schlechtesten informierten Menschen sind?

Merkel hätte während der Eurokrise die menschenunwürdige Behandlung von Asylwerbern sehr leicht zum Gegenstand der Verhandlungen mit Griechenland machen können. Doch der Katalog ihrer Reformforderungen an Griechenland berührte das Thema nicht. 

Brexit

Wie es zum Austritt Englands aus der EU kam, ist Inhalt des nächsten Trauerspiels. Auch hierzu gibt es einen Prolog. Anfang 2013 kündete der britische Premierminister David Cameron das EU-Referendum an. Gleichzeitig forderte er eine Reform der EU – weniger Bürokratie, mehr Freiräume für die Mitgliedsstaaten. Dass Frankreich und Italien dem nicht viel abgewinnen konnten, war klar. Aber gerade Deutschland hätte sich dem britischen Vorschlag anschließen können – zur Freude vieler Deutscher und vieler anderer EU-Staaten. Vereint hätten Deutschland und Großbritannien eine längst überfällige EU-Reform umsetzen können und England wäre heute noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Teil dieser EU. 

Doch Angela Merkel igelte sich lieber mit den anderen EU-Staaten ein, kam Cameron nicht einmal ansatzweise entgegen, brüskierte ihn viel mehr und signalisierte so den Engländern, dass selbst jede Hoffnung auf ein Reförmchen vergebens ist. Heute hat die EU eines ihrer wichtigsten Mitgliedsländer verloren, befindet sich in ihrer schwersten Krise und hat dafür mal wieder keinen Plan B. Deutschland hat mit England einen wichtigen Wirtschaftspartner und einen bedeutenden Nettozahler verloren. 

Ausblick

Merkels Versagen in diesen drei Krisen ist dramatisch. Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer und Charles de Gaulle konnte Europa anscheinend nur in der Nachkriegszeit hervorbringen. Danach ist das politische Niveau mit jeder neuen Politikergeneration kontinuierlich weiter hinuntergesunken. Am Ende steht die Generation Merkels, deren vorrangige Leistung es zu sein scheint, innerparteiliche Konkurrenten auszutricksen, Probleme durch Ignorieren so lange wie möglich auszusitzen, die Bekanntgabe unangenehmer Wahrheiten anderen Parteikollegen zu überlassen, und wichtige Entscheidungen möglichst gar nicht zu fällen, um ja keine Fehler zu begehen. 

Sollte dieser Politikertypus dank Merkel mit der jetzigen EU-Krise endlich abgedankt haben, wäre dies das einzig Positive an Europas jetzigem Zustand. 

Johannes Knob ist das Pseudonym eines bekannten Journalisten, der bei einem anderen österreichischen Medium beschäftigt ist, wo er diesen Text leider nicht veröffentlichen kann. 

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Der Konventionspass - Lizenz zum Terror drucken

Erinnern Sie sich noch an die Blendgranate, welche die Regierung – und allen voran Sebastian Kurz – Anfang des Jahres geworfen hat, als uns erzählt wurde, dass Asyl ab sofort nur noch für drei Jahre gewährt und dann neu überprüft wird?

Bekanntlich sind Asylberechtigte den Österreichern komplett gleichgestellt. Egal ob es um den Arbeitsmarkt oder um Sozialleistungen wie Mindestsicherung oder Wohnbeihilfen geht. Diese Gleichstellung birgt auch den Luxus der Reisefreiheit inklusive eines eigenen Reisepasses. Das sieht die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) so vor.

Doch sie bestimmt keine Gültigkeitsdauer. Logisch wäre es also, wenn Österreich einen solchen Pass für eine Dauer von maximal drei Jahren ausstellt, doch in der Regel werden diese Pässe für fünf Jahre vergeben. Ebenso sieht die GFK nicht vor, dass neben anerkannten Flüchtlingen, auch subsidiär Schutzberechtigte solche Pässe ausgehändigt bekommen. Doch Österreich macht das. Beide können fünf Jahre lang quer durch die Welt reisen, finanziert durch die vom österreichischen Steuerzahler gespendete Mindestsicherung.

Ein solcher Konventions- oder Fremdenpass gilt nur im Herkunftsland nicht. Um dort einzureisen, müssen sie ihre ursprünglichen Papiere vorweisen. Jene Papiere, welche sie an der österreichischen Grenze gerade nicht finden konnten. Dieses Modell birgt ein extremes Sicherheitsrisiko, welches schlussendlich Österreich die Möglichkeit bieten würde, gar keine Pässe an Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte auszustellen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Überprüfung des Asylstatus nach drei Jahren laut Gesetz nur dann stattfinden soll, wenn die zuständige Behörde zu dem Ergebnis kommt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Wenn das geprüft und bejaht wurde, dann erst wird ein individuelles Überprüfungsverfahren zur Aberkennung des Asylstatus eingeleitet, welches bekanntlich sehr lange dauern kann.

Sollte der bis dahin Asylberechtigte die Sorge haben, dass ihm der Status aberkannt werden könnte (was wohl nie passieren wird), dann kann er dank seines Reisepasses noch immer überall in Europa untertauchen.

Wird ein solches Verfahren nicht eingeleitet oder für den Asylberechtigten positiv abgeschlossen, so erwirbt er nach sechs Jahren rechtmäßigen Aufenthalts einen Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft. Dadurch werden in den nächsten Jahren 50.000 bis 60.000 Syrer und Afghanen zu Österreichern werden. Tendenz steigend. Das Schleimen bei Asylwerbern durch Rot und Grün kann also nicht nur durch grenzenlose Naivität, sondern vielmehr durch das Schielen auf neue, zukunftssichere Wählergruppen erklärt werden.

Aber zurück zum Konventionspass: Diesen können die Träger natürlich auch jederzeit „verlieren“ und in Wahrheit postalisch an Familie und Freunde in Somalia und Co schicken, welche damit nach Europa nachziehen können. Der Verlustanzeiger kann sich um 75,90 Euro einen neuen Pass holen.

Klarerweise ermöglicht er auch eine Reise in die Türkei oder in weiterer Folge nach Syrien. So geschehen beim terrorverdächtigen Syrer Al-Bakr, welcher sich durch Freitod in einem Leipziger Gefängnis der Justiz entzogen hat. Bei solchen Reisen können sich Terroristen weit weg von heimischen Behörden vernetzen und Anschlagspläne schmieden. Mit dem Konventionspass lassen sich Schusswaffen und Sprengstoff weitaus leichter nach Europa schmuggeln als ohne.

In der Schweiz wurde dieses Problem im Frühjahr erkannt. Eine große Anzahl an asylberechtigten Eritreern reiste in die Heimat zu einer Unabhängigkeitsfeier. Also zurück in jenes Land, wo sie angeblich persönliche Verfolgung, Folter und den Tod fürchten müssen. Diese sollen nun ihren Asylanspruch verlieren. In Österreich scheint sich kein Regierungsmitglied dieses Problems annehmen zu wollen.

Auch in Deutschland wird diese Problematik nun diskutiert. Absurderweise erfasst man aber auch dort nicht einmal statistisch, wie viele Asylberechtigte in ihre Heimatländer reisen. Dabei würde  eine solche Heimreise aufgrund von europäischen Regelungen erlauben, dass man die Asylberechtigung entzieht, wenn der Berechtigte in den Verfolgerstaat reist. Dennoch hat man bisher keinerlei Konsequenzen gezogen.

Arbeitslose Flüchtlinge müssen – gleich wie heimische Arbeitslose – Auslandsreisen melden. In Deutschland beim Jobcenter, in Österreich beim AMS. Nicht jedoch muss angegeben werden, wohin die Reise geht. Sollte die Behörde dennoch Kenntnis davon erlangen, dass der Asylberechtigte beispielsweise nach Syrien reist, so gibt sie diese Information unter dem Deckmantel des Datenschutzes nicht an andere Behörden weiter. Daraus ist zu schließen, dass der Datenschutz eines möglichen Terroristen nun schon über der nationalen Sicherheit steht. Die Information über die Syrienreise eines Asylberechtigten könnte Anschläge verhindern und somit lebensrettend sein.

Die Ausstellung eines Konventions- oder Fremdenpasses an Asylberechtigte gefährdet aus den genannten Gründen die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung. Aus diesem Grund wäre es Österreich nach Art 28 GFK möglich, gar keine solchen Pässe mehr zu genehmigen.

Zudem besteht keine sachliche Notwendigkeit, einem Flüchtling einen Reisepass auszustellen. Sollte der anerkannte Flüchtling beispielsweise in Deutschland Verwandte besuchen wollen, so könnte man die Möglichkeit schaffen, dass er diese Reise unter genauer Angabe der Reisedaten bei der Behörde beantragt und eine Reiseerlaubnis nur für diese beantragte Reise erhält. Selbstverständlich müssten auch die Behörden jenes Landes informiert werden, in welches der Antragssteller reisen möchte.

Der für fünf Jahre gültige Pass muss abgeschafft werden, wenn die österreichische Regierung an der Sicherheit des Landes interessiert ist.

Klemens Resch arbeitet als Klubreferent im freiheitlichen Wiener Rathausklub und ist Bezirksrat in Wien Döbling.

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Trübe Aussichten und Rückzugsgefechte drucken

 Die Meinungsfreiheit steht dieses Jahr im Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse. Die deutsche Buchbranche hat deshalb die europäischen Politiker aufgefordert, sich für ebendiese in der Türkei „kompromisslos“ einzusetzen. Dieser Apell bringt zwar angesichts der realen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen der EU und Sultan Erdogan nicht viel, klingt aber besorgt und engagiert. Und um das geht es ja in erster Linie.

Solche hohlen Rituale, standardisierten Appelle, so ein „mutiger“ Einsatz für Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit gehören zu dieser geistigen Leistungsshow, wie leicht bekleidete Damen zu einer Tuningmesse.

Eine besonders ausgeprägte Eigenschaft des Juste Milieus ist es, Engagement und Tatkraft stets von anderen einzufordern. Dafür ist die Buchmesse eine ideale Bühne. Über den erbärmlichen Zustand der Meinungsvielfalt im eigenen Land machen sich die Verleger, Autoren und Intellektuellen bei ihrem Bücher-Jamboree hingegen kaum Gedanken. Warum auch? Schließlich haben sie die richtige und von der politischen Elite akzeptierte Meinung. Schließlich sind die Protagonisten dieser Szene Teil jener Elite, die die Meinungsrichtung vorgibt und die Grenzen des Akzeptablen absteckt.

Außerdem sind die riesigen Ausstellungshallen mit den vielen tausenden Buchtiteln ohnehin so bunt und abwechslungsreich gestylt. Man täuscht einen wahren Dschungel an Ansichten und Perspektiven vor. Denn vielfältig sind nur die Verpackungen, der Wortschatz und Inszenierungen. Was hier so stolz an Inhalten präsentiert wird, bewegt sich alles im seit Jahrzehnten gleichen Meinungsspektrum, hat mehr oder weniger die gleiche ideologische Aus- und Zielrichtung.

Hier gilt die Devise: Alle dürfen unserer Meinung sein. Kritisches, Neues, Mutiges, Innovatives sucht man vergebens. Was hier präsentiert wird, ist abgestanden und ranzig. Nur ganz wenige Verlage, um genau zu sein nicht einmal eine Handvoll (das ist wörtlich gemeint), die nicht in dieses vorgegebene Schema passen, sind unter den hunderten Ausstellern vertreten.

Doch selbst diese Einsprengsel werden von den Hütern der Buchmesse und der poltisch-korrekten Moral bestenfalls geduldet. So erzählte mir Dieter Stein, der Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, dass sein Messestand kurzfristig von den Verantwortlichen vom angemieteten Platz unter einem fadenscheinigen Vorwand in eine hintere Ecke einer Messehalle verbannt wurde. Der böse konservative Mief sollte offenkundig die bunte linke Meinungsvielfalt nicht zu sehr verpesten.

In so einem Umfeld fühlen sich Politiker wie Martin Schulz besonders wohl. Zur Eröffnung der Buchmesse fordert er lautstark einen Aufstand der Anständigen, zu denen er sich offensichtlich selbst zählt: „Das europäische Gesellschaftsmodell muss gegen die ‚Feinde der Freiheit‘ verteidigt werden.“

Die Feinde der Freiheit. Große Worte, zumal es Sozialisten wie Schulz niemals um Freiheit geht, sondern lediglich um die Erhaltung jenes Systems, von dem Schulz und seine Brüsseler Kumpane so prächtig leben. Aber in Frankfurt kommen solche Sprüche immer gut an, schließlich sitzt man im selben Boot, hat mehr der weniger dieselben Interessen, Ziele und Gegner.

Doch die goldenen Zeiten sind vorbei. Das weiß Schulz, das wissen die Verleger und Autoren. Man spürt die Verunsicherung, die sich in diesem Milieu angesichts der politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen breitmacht, überall auf der Buchmesse. Hier herrscht keine Aufbruchsstimmung mehr, hier werden keine neuen Ideen, keine Innovationen mehr präsentiert, man spielt Normalität, verkauft Meinungen, Ansichten und Lösungen, die immer weniger Menschen interessieren. Überall ideologische Ladenhüter. Man versucht den Niedergang und das Absinken in die Bedeutungslosigkeit nur noch zu verlangsamen.

Ein Umdenken, ein Paradigmenwechsel ist nicht möglich, zu sehr sind die Strukturen verkrustet, zu eng und verfilzt das Netz an Abhängigkeiten, zu tief eingefressen das Weltbild. Vereinzelt finden sich zwar kritische Werke abseits des linken Meinungsmainstreams auch bei den etablierten Verlagen, doch sie sind nur das berühmte Feigenblatt, um im Bedarfsfall sagen zu können: Seht her, wir haben ja ohnehin…

Es ist eine seltsame Welt, die sich da in Frankfurt leicht verunsichert präsentiert. Man ist nach wie vor eine verlässliche Stütze des schulzschen Geschäfts-, pardon Gesellschaftmodells, gibt sich tolerant, couragiert, innovativ, kritisch und weltoffen und ist doch nur opportunistisch. Man hetzt gegen seine Kritiker und kämpft um sein Plätzchen im immer instabiler werdenden politischen System.

Seit Jahrzehnten werden die immer gleichen linken Binsenweisheiten verkauft, mit abnehmenden Erfolg. Man setzt sich für Meinungsfreiheit in fernen Ländern (Indonesien) ein, arbeitet die Vergangenheit auf, leugnet gleichzeitig die rezenten Fehlentwicklungen in Europa und hetzt gegen alle, die diese Probleme benennen und nach echten Lösungsansätzen suchen. Es ist eine sich selbst genügende Scheinwelt, die Jahr für Jahr ein wenig schrumpft und immer mehr an Außenwirkung verliert, weil sie mit der realen Welt und ihren Problemen kaum noch etwas gemein hat, kaum noch etwas verbindet.

Dieser Umstand zeigt sich, wenn man die abgegrenzte und gut bewachte Frankfurter Buchwelt – in diesem Fall sind Grenzen ausnahmsweise nicht böse – verlässt, und in sein Hotel in einem grindigen Frankfurter Multikultiviertel fährt. Augenscheinlicher könnte der Unterschied nicht sein. Auf der einen Seite die adretten, belesenen, weißen Frauen und Männer, mit ihren aufgesetzten Weltrettungs-Attitüden, auf der anderen Seite, oder besser außerhalb dieses kleinen geschützten Bereiches, die neue sich überall rasant ausbreitende europäische Multikulti-Realität mit all ihren unschönen Folgen.

Hier prallen zwei Welten aufeinander. Wer bei diesem Clash als Sieger hervorgehen wird, scheint ziemlich klar zu sein, außer für jene, die in dieser Blasenwelt leben.

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Kürzlich sind seine neuen Bücher „Die Feinde der Freiheit“ und „Das Phänomen Conchita Wurst: Ein Hype und seine politischen Dimensionen“ erschienen.

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Staaten, Völker, Nationalitäten: Anmerkungen zur Europäischen Minderheitenpolitik drucken

Mehr als ein Vierteljahrhundert ist verstrichen, seit mit der Öffnung des Drahtverhaus an der ungarisch-österreichischen Grenze die Friedhofsruhe der Völker, die unter der Pax Sovietica lebten, beseitigt wurde. Was bis 1989/90 mehr oder weniger mit der Ideologie vom neuen, dem sowjetischen Menschen zusammenzuschweißen versucht worden war, brach danach unter (zum Teil kriegerischem) Lärmen auseinander.

Da der marxistisch-leninistische „Internationalismus“ wich, meldeten sich Nationen und Völker(teile) zu Wort, die es eigentlich gar nicht mehr hätte geben dürfen, wenn das kommunistische Weltbild vom Aufgehen in einer neuen, friedliebenden und angeblich allen zwischennationalen Hader hinter sich lassenden Menschengemeinschaft den Sieg davongetragen hätte. Dass dem nicht so war/ist, führ(t)en zum Teil kriegerische Nationalitätenkonflikte zwischen Mare Balticum und Ochotzkischem Meer vor Augen.

Nationale Frage

Mit der Auflösung des russisch dominierten Sowjetimperiums und seines ihm ideologisch verbunden gehaltenen Vorhofs entstanden ebenso neue Nationalstaaten wie dort, wo unter serbischer Dominanz die balkanische Spielart des Stalinismus, der titoistische Jugoslawismus, Völker und Volksgruppen zu assimilieren trachtete. Dass die „nationale Frage" in Europa virulent ist, zeigten just die mit Waffengewalt ausgetragenen Sezessionskonflikte des nach Titos Tod rasch erodierenden südslawischen Staatsgebildes.

In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion legten zunächst die moldauisch-transnistrischen, die georgisch-ossetischen sowie die armenisch-aserbaidschanischen Auseinandersetzungen blutige Nationalitätenkonflikte offen. Wenngleich derartige Konflikte im Baltikum, im Transkaukasus und in den vorwiegend orientalisch-muslimisch geprägten zentralasiatischen Staaten der Betrachtung von außen meist nur unterschwellig ins Auge fallen, sind sie von nicht minderer Brisanz. Dass dabei stets auch russische Interessen im Spiel waren/sind, zeigten die beiden Tschetschenienkriege und offenbaren die Vorgänge rund um die Annexion der Krim.

Am Verhalten einiger westeuropäischer Regierungen gegenüber den Selbständigkeitsbestrebungen der Slowenen und Kroaten, aber auch der Esten, Letten und Litauer (vor der völkerrechtlichen Anerkennung ihrer staatlichen Gemeinwesen, ja mitunter danach auch noch) war augenfällig geworden, dass die Furcht vor Separatismus im eigenen Lande das Handeln bestimmte. Dies rührte von der sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst verbreitenden Zuversicht her, wonach im Zuge der Europäisierung die Nationalstaaten allmählich verschwänden und somit die „nationale Frage" gleichsam als Erscheinung des 19. Jahrhunderts überwunden würde.

Vor allem die (westeuropäische) Linke – aber nicht nur sie – leistete mit der theoretisch-ideologischen Fixierung auf die Projektion der „multikulturellen Gesellschaft" einer geradezu selbstbetrügerischen Blickverengung Vorschub, indem man glaubte, mit deren Etablierung sei die infolge zweier Weltkriege entgegen dem Selbstbestimmungsrecht erfolgte willkürliche Grenzziehung quasi automatisch aufgehoben. Dabei hatte just die machtpolitische Ignoranz historisch-kulturräumlicher Bindung, ethnischer Zusammengehörigkeit sowie von Sprachgrenzen insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg zu spezifischen Minderheitensituationen geführt, deren Konfliktpotential bis in unsere Tage fortwirkt.

Während sich im Westen die Nationalstaaten überlebt zu haben schienen, sind die Völker Mittelost-, Ost- und Südosteuropas noch immer dabei, Sowjetismus und Titoismus abzustreifen. Der Denkfehler in der westlichen Welt bestand darin, zu glauben, staatliche Gebilde wie die „Jugoslawische Föderation" oder die „Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" hätten sogleich etwas gemein mit der Europäischen Gemeinschaft, sobald man sich dort der Fesseln des Kommunismus entledigt habe. Anstatt dies zu unterstützen oder wenigstens Sympathie dafür aufzubringen und vor allem den „kleinen Völkern“, als die die in fremdnationaler Umgebung beheimateten Minderheiten bisweilen genannt werden, Gehör zu schenken, zeigt(e) sich zuvorderst in den Hauptstädten der zentralstaatlich geprägten Länder Westeuropas, dass die Sorge vor dem möglichen Aufbegehren der eigenen Minoritäten das Verhältnis zu den Eigenständigkeit einfordernden und zwischen Selbstverwaltung, Autonomierechten, Unabhängigkeit bis hin zu (klein)staatlicher Souveränität changierenden Nationen und Volksgruppen im Osten und Südosten des Kontinents bestimmt(e).

Zentralstaaten als Bremser

Frankreich gilt bisher geradezu als Verkörperung des Zentralismus. Weshalb viele der 370.000 Bretonen mit Sympathie die nach dem mehrheitlichen Brexit-Votum im Vereinigten Königreich wieder vernehmlicher werdenden Töne der schottischen Unabhängigkeitsbewegung verfolgen, welche im Referendum 2014 nur knapp gescheitert war.

Ähnliches gilt für die 150.000 Korsen, wobei die Nationalpartei PNC (Partitu di a Nazione Corsa) nicht unbedingt für die Unabhängigkeit Korsikas eintritt, was das Ziel bisweilen bombender Extremisten war/ist. Sie verlangt aber doch mehr Selbständigkeit anstatt politischer Steuerung durch Paris. Im Elsass sowie in Lothringen begnügt man sich hingegen offenbar mit einigen Zuständigkeiten in (sprach)kulturellen Angelegenheiten. Wenngleich nicht wenige der 978.000 deutschsprachigen Elsässer und Lothringer gegen die Verschmelzung ihrer Provinzen mit der Champagne und den Ardennen zur Region Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine protestierten, welche seit 1. Oktober 2016 kurz „Région Grand Est“ heißt.

In Spanien bekunden besonders die gut 10 Millionen Katalanen (in Katalonien, Valencia und Andorra) sowie 676.000 Basken (im Baskenland und in Navarra) immer wieder machtvoll ihren Willen, die Eigenstaatlichkeit zu erlangen. Davon wäre naturgemäß auch Frankreich betroffen, denn jenseits der Pyrenäen, im Pays Basque, bekennen sich gut 55.000 Menschen zum baskischen Volk. Der 2015 von der baskischen Regionalregierung verabschiedete Plan „Euskadi Nación Europea" enthält das Recht auf Selbstbestimmung und sieht ein bindendes Referendum vor.

In Belgien hat sich der (nicht nur sprachliche) Konflikt zwischen niederländischsprachigen Flamen und französischsprachigen Wallonen seit den 1990er Jahren zu einer latenten institutionellen Krise ausgewachsen und kommt einer Staatskrise ziemlich nahe. Von den 5,8 Millionen Flamen (52,7 Prozent der Bevölkerung), die sich ökonomisch gegen die Alimentierung der „ärmeren“ Wallonie (3,9 Millionen Wallonen; 35,8 Prozent der Bevölkerung) wenden und zunehmend für die Eigenstaatlichkeit eintreten, sprechen sich die wenigsten für den Erhalt des belgischen Zentralstaats aus. Die deutschsprachige Gemeinschaft, ein von 87.000 Menschen (0,8 Prozent der Bevölkerung) bewohntes Gebilde mit autonomer politischer Selbstverwaltung, eigenem Parlament und eigener Regierung, entstanden auf dem nach Ende des Ersten Weltkriegs abgetretenen Gebietes Eupen-Malmedy, gehört zwar territorial zur Wallonie, hält sich aber aus dem flämisch-wallonischen Konflikt weitgehend heraus. Dasselbe gilt für die 13.000 Luxemburger/Lëtzebuerger (0,1 Prozent) und 1.166.068 Ausländer (10,6 Prozent), die in Belgien leben.

Norditalien – unterschätzte Sprengkraft

Außerhalb Italiens werden die Unabhängigkeitsverlangen im Norden des Landes meist unterschätzt und zumindest in der Wissenschaftspublizistik weitgehend ausgeblendet. Die politische Klasse in Rom muss hingegen angesichts regionaler Erosionserscheinungen befürchten, dass Bestrebungen, sich von Italien zu lösen, an Boden gewinnen. So beteiligten sich im März 2014 im Veneto 2,36 Millionen Wahlberechtigte (63,2 Prozent der regionalen Wählerschaft) an einem Online-Referendum zum Thema Unabhängigkeit Venetiens, von denen 89,1 Prozent - das waren immerhin 56,6 Prozent aller Wahlberechtigten - auf die Frage „Willst Du, dass die Region Veneto eine unabhängige und souveräne Republik wird?", mit einem klaren „Ja“ antworteten. In unmittelbarer lombardisch-„padanischer“ Nachbarschaft zündelt die Lega Nord immer wieder mit Unabhängigkeitsverlangen und strebt ein aus der Lombardei, Piemont und Venetien zu bildendes Unabhängigkeitsbündnis an.

Nebenan, in der mit Sonderstatut, wie sie die Lega für die Lombardei anstrebt, versehenen Region Trentino-Alto Adige, ist in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol (520 000 Bewohner; davon 62,3 Prozent Deutsch(sprachig)e; 23,4 Prozent Italiener; 4,1 Prozent Ladiner und 10,2 Prozent Personen, die sich bei der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung nicht den genannten Autonomiestatuts-Ethnien zugehörig erklärten) seit zwei Landtagswahlperioden die verstärkte Hinwendung von deutschtiroler Wählern zu den deutschtiroler Oppositionsparteien zu registrieren. Dies rührt, neben unübersehbaren Abnutzungserscheinungen der seit 1945 dominanten Regierungspartei SVP und deren Aufgabe ihrer gut sechs Jahrzehnte gewahrten Äquidistanz zu den römischen Parteien, auch von den vielfältigen Maßnahmen Roms seit einigen Jahren her, sozusagen scheibchenweise die ansonsten international als Vorbild gerühmte Autonomie auszuhöhlen und damit zu entwerten. Dies könnte sich mit der anstehenden, auf noch mehr Zentralismus hinauslaufenden Staats- und Verfassungsreform, welcher die SVP-Kammerabgeordneten – wider die Warnungen der Opposition und von ehedem langjährigen politischen Verantwortungsträgern der eigenen Partei – zustimmten, noch weiter verstärken.

„Los von …“

Angesichts dessen ist es nicht allzu verwunderlich, dass die Befürworter des „Los von Rom“ in Südtirol Zulauf erhalten. Und sich, wie der 2014 in Meran sowie im Mai 2016 in Bruneck vom Südtiroler Schützenbund initiierter „Unabhängigkeitstag“ erwies, mit den politischen Kräften jener Bewegungen verbünden, welche das „Los von London, Madrid, Paris, Brüssel …“ für sich beanspruchen, sowie die Gewährung und Ausübung des Selbstbestimmungsrechts verlangen.

Warum hat die EU keine substantiellen Volksgruppen-Schutzmaßnahmen ergriffen? Weil zentralistisch organisierte Staaten wie Frankreich, Italien, Spanien, Rumänien, um nur die ärgsten Bremser zu nennen, deren Begehr prinzipiell ablehnend gegenüberstehen. Hinsichtlich Rumäniens ist beispielsweise darauf zu verweisen, dass das Verlangen der ungefähr 1,4 Millionen ethnischen Ungarn – und insbesondere der ca. 700.000 Szekler – nach Autonomie von der gesamten politischen Klasse des Staatsvolks sofort als Sezessionsbegehr (Stichwort: Trianon) gebrandmarkt wird.

Gemengelage

Was Inguschen sind oder Tschetschenen, Tataren oder Gagausen, Georgier (Grusinier) oder Abchasen, Osseten respektive Tscherkessen/Adygen unter den mehr als 100 kaukasischen und transkaukasischen Völkerschaften, das ist aufmerksamen Medien-„Konsumenten“ und politisch interessierten Zeitgenossen in den letzten 25 Jahren immer wieder durch Nationalitätenkonflikte bis hin zu kriegerischen Handlungen bekannt geworden. Doch viele der zahlreichen europäischen Minderheiten – wie beispielsweise in Russland Agulier, Awaren, Balkaren, Baschkiren, Bessermenen, Darginer, Ingrier/Ischoren, Kabardiner, Karatschaier, Karaimer, Kalmücken, Karelier, Lakken, Lesgier, Lipowenr, Mordwinen, Nogaier, Permjaken, Rutuler, Udmurten, Syrjänen, Tabasaraner, Taten, Tscheremissen, Tschurier, Tschuwaschen und Wepsen; und auf dem Balkan beispielsweise Aromunen/Wlachen, Arvaniten, Bunjawatzen, Goranen und Lasen – sind dem Namen nach oder der Zugehörigkeit zu Staaten oder Sprach(familie)n nach allenfalls Spezialisten bekannt.

Dies führt ein soeben in überarbeiteter und aktualisierter Auflage erschienenes „Volksgruppen-Handbuch“ deutlich vor Augen. (Christoph Pan, Beate Sibylle Pfeil, Paul Videsott: Die Volksgruppen in Europa, Wien; Verlag Österreich / Berlin; BWV- Berliner Wissenschafts-Verlag 2016; XLIX, 477 Seiten, gebunden; 88,-- €, Buch bei Amazon) Die umfassende Bestandsaufnahme fußt auf der Auswertung aller relevanten Volkszählungsergebnisse der Jahre 2009 bis 2014 und ruht analytisch auf jahrzehntelanger Arbeit des in Bozen ansässigen Südtiroler Volksgruppen-Instituts.

Demnach leben zwischen Atlantik und Ural 768 Millionen Menschen in 47 Staaten und 100 größeren oder kleineren Völkern. Jeder siebte Bewohner Europas fühlt sich einer Minderheit zugehörig, denn ein Siebtel aller Europäer, nämlich gut 107 Millionen Menschen, sind Angehörige größerer respektive kleinerer Minderheiten. Europa ist überaus reich an Kulturen und Sprachen; sie sind sozusagen konstitutives Element des Kontinents. Dabei sind ausweislich der klaren und präzisen Zu- sowie Einordnung die meisten der „38 minderheitenrelevanten Staaten Europas als Nationalstaaten konzipiert“, wenngleich sie tatsächlich „ethnisch inhomogen und in Wirklichkeit multinationale Staaten mit traditionellen Volksgruppen bzw. nationalen oder ethnischen Minderheiten sind, deren Bevölkerungsanteil von einigen wenigen Prozent bis zu 48 Prozent (z.B. Montenegro) reicht.“

Daher auch wird festgestellt: „Ethnische Homogenität in einem Staat, wie z.B. in Island oder San Marino, ist also die auf einige Zwergstaaten beschränkte Ausnahme und keinesfalls die Regel. Das hieraus sich ergebende Spannungsverhältnis zwischen nationalstaatlichem Organisationsmodell und dem soziologischen Phänomen Ethnizität markiert einen wichtigen Gesichtspunkt dessen, was unter dem herkömmlichen Begriff Nationalitätenkonflikt die europäische Entwicklung bis zur Gegenwart nachhaltig beeinflusst.“

Die beeindruckende Publikation möge zur Selbstvergewisserung dienen. Politischen Entscheidungsträgern in (und zwischen) den Nationalstaaten sei es geradezu als „Handwerkszeug“ empfohlen. Insbesondere die „Denkanstöße“ im Kapitel „Kollektiver Volksgruppenschutz und Separatismus“ seien ihnen nachdrücklich ans Herz gelegt.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

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Butter statt Palmöl drucken

Wer Malaysia oder Indonesien bereist, kennt das Bild: Kilometer um Kilometer zieht sich die Straße durch Plantagen niedrig wachsender Palmen. Auf die beiden Länder entfällt fast 90 Prozent der weltweiten Palmöl-Produktion. Und diese hat sich seit 2001 von 25,6 Millionen auf 60 Mllionen Tonnen mehr als verdoppelt. Allein zwischen 1990 und 2005 haben die beiden südostasiatischen Staaten auf fast 5 Millionen Hektar neue Plantagen angelegt; zum großen Teil dort, wo früher Regenwälder wuchsen.

Palmöl wird nicht nur als Biokraftstoff sowie in der Produktion von Kosmetika und Reinigungsmitteln eingesetzt, sondern kommt aufgrund des butterähnlichen Geschmacks auch bei der Herstellung von Margarine, Schokolade, Karamell, Chips, Erdnussflocken und Backwaren sowie bei Fertiggerichten und Saucen zum Einsatz. 6,7 Millionen Tonnen Palmöl hat die EU im Jahr 2015 importiert, zwei Drittel davon entfielen auf die Lebensmittelindustrie. Dem steht eine EU-Buttererzeugung von 2,4 Millionen Tonnen gegenüber. Der oberösterreichische Nationalratsabgeordnete Leopold Steinbichler (Team Stronach) hält fest, dass der europäische Kuhbestand verdoppelt werden müsste, würde man das gesamte importierte Palmöl durch Butterfett ersetzen. Doch Butterfett ist mehr als dreimal so teuer wie Palmöl.

An dieser Differenz hat sich wenig verändert, seit die Milchpreise nach dem Ende der Milchquote im letzten Jahr stark gefallen sind. 2014 konnten die heimischen Bauern noch bis zu 40 Cent pro Liter Milch erlösen, heute sind es in Österreich nur mehr 28 Cent und in Norddeutschland oft nicht einmal mehr 20 Cent. Zu diesen Preisen kann aber kein Landwirt mehr produzieren: Die durchschnittlichen Kosten für die Milcherzeugung liegen im Alpenraum bei 35 bis 40 Cent und bei den Großbetrieben in den Gunstlagen sogar bei 30 bis 35 Cent pro Liter. Der Preisverfall ist fatal, denn ein Ende der flächendeckenden Milchwirtschaft im Alpenraum würde nicht nur unsere Ernährungssicherheit in Krisensituationen gefährden und uns von Milchimporten aus Irland oder Milchpulver aus Übersee abhängig machen. Auch die offene Kulturlandschaft mit ihren Weiden, Wiesen und Almflächen würde nicht mehr weiterbestehen, großflächige Aufforstungen wären die Folge, die Attraktivität der Berggebiete für Urlauber und Ausflügler würde massiv abnehmen.

Nicht nur ökonomisch, auch ökologisch droht damit ein Gau: Kühe fressen Grünfutter von Flächen, auf denen wegen ihrer Hang- oder Höhenlage kein Ackerbau möglich ist. Die Milch von Kühen, die vor allem Gras und Heu fressen, ist für uns besonders gesund, weil ihr Anteil an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren hoch ist. Außerdem ist ihre Energiebilanz deutlich positiv.

Man kann messen, wie viel von auch menschlich verwertbaren Nutzpflanzen verfüttert werden muss, um eine bestimmte Menge an tierischem Eiweiß zu produzieren. Bei getreidebasierten Rindermastsystemen, wie sie etwa in Großbritannien vorherrschen, wird nur ein Sechstel der verfütterten essbaren Energie in Form von Fleisch wiedergewonnen. Heimische Heumilchbetriebe produzieren dagegen ein Vielfaches der eingesetzten, theoretisch verwertbaren pflanzlichen Energie in Form von tierischem Eiweiß. Selbst in der heimischen Rindermast ist die Energiebilanz noch positiv, wenn das Grünland die überwiegende Nahrung bietet und nur verhältnismäßig wenig Kraftfutter (meist in Form von Getreide-Eiweißmischungen) zugefüttert wird.

Einen Ausweg aus der existenzgefährdenden Krise der Milchbauern könnte tatsächlich in einer teilweisen Zurückdrängung des Palmölanteils in Lebensmitteln liegen, wofür sich auch die bayrische EU-Parlamentarierin Ulrike Müller einsetzt. Sie fordert die Wiedereinführung der Beihilfe für die Verwendung von Butter in Lebensmitteln, wie sie die EG im Jahr 1988 gewährt hat. Ein ähnlich gerichteter Vorstoß von Landwirtschaftsminister Rupprechter im Agrarministerrat der EU blieb allerdings erfolglos.

Auch eine Anhebung der europäischen Importzölle für Palmöl von derzeit 3,8 Prozent ist wegen des GATT-Abkommens kaum machbar.

Realistischer ist da Steinbichlers Forderung nach einer Besteuerung von Palmöl, wie Frankreich es bereits praktiziert. Mit dieser Steuer soll eine Lebensmittelkennzeichnung finanziert werden, damit in Zukunft auch der Palmölanteil von Nahrungsmitteln auf der Packung steht. Die österreichische Fachzeitschrift „Landwirt“, die dem Thema in ihrer Ausgabe vom 1. Oktober einen umfassenden Bericht gewidmet hat, zitiert abschließend Steinbichlers Hoffnung auf eine politische Mehrheit für seinen Vorstoß: „Wir sehen ja bei der Allergen-Verordnung, welch sinnlose Regelungen geschaffen werden können. Da wird es auch möglich sein, einmal etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen.“

Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker ist Verleger des Leopold Stocker Verlags und Eigentümer der Landwirt Agrarmedien GmbH.

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Wahlen vorverlegt – cui bono? Wem nützt das? drucken

Wahlen in Frankreich - April / Mai 2017
Wahlen in Deutschland - Herbst 2017
Wahlen in Österreich - auf 2017 vorverlegt – warum Wohl?

Zur Umsetzung einer Zentralisierung der EU brauchen die EU-Führer keine Wahlen. Wahlen stören die Pläne der EU-Nomenklatura. Das Fünf-Präsidenten-Papier von Kommissionspräsident Juncker, EZB-Präsident Draghi, EU-Ratspräsident Tusk, Eurogruppenleiter Dijsselbloem und EU-Parlamentspräsident Schulz liegt in der Schublade. Es beinhaltet Pläne zu einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftsregierung, zu einer Fiskalunion, zu einer Bankenunion mit gemeinsamer Europäischer Einlagensicherung, zu einer Verteidigungsunion, zu einer Sozialunion und zur Demokratisierung der EU.

Nein, es liegt nicht nur in der Schublade, es wird bereits stückweise hinter dem Rücken der europäischen Bürger umgesetzt. Müsste nicht am Anfang die Demokratisierung stehen? Nach Ablehnung der europäischen Verfassung 2005 durch die französischen und niederländischen Bürger sind die Pro-Zentralisierungseuropäer vorsichtiger geworden. Das darf nicht nochmal passieren.

Solche verfassungsändernden Umwälzungen erfordern zwingend in Österreich eine Volksabstimmung. Auch der ESM (Europäische Stabilitätsmechanismus) hätte einer Volksabstimmung bedurft. Man begnügte sich jedoch mit der Zwei-Drittel-Mehrheit der gewählten Nationalratsabgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grüne. Um ein positives Ergebnis abzusichern, werden schon im Vorfeld durch die Juncker-Kommission Fakten geschaffen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Diese Pläne sind eine Hauptursache für den Brexit und die Abwehraktionen der Oststaaten gegen Souveränitätsabgaben. Alles andere ist leeres Getöse, um die Bürger vom Wesentlichen abzulenken.

Kommissionspräsident Juncker sagte in seiner Rede zur Lage der EU kürzlich in Bratislava:

  1. „Die europäische Integration dürfe aber „nicht zulasten der Nationen forciert“ werden.“ „Die Brechstange ist kein Instrument der europäischen Einigung“, „Europa darf nicht zum Schmelztiegel, zum farblosen uniformen Integrationsmagma werden“, „Die Kommission hat nicht vor, die Nationalstaaten platt zu walzen“.
  2. „Europa auf dem Weg der Verstaatlichung“, aber „es darf und wird nie ein Einheitsstaat werden. Aber all zu oft entstehen Brüche, Fragmentierungen dort, wo wir eine Union bräuchten. Das eröffnet dem galoppierenden Populismus Räume, in dem es kein Miteinander geben kann. Populismus löst keine Probleme, im Gegenteil schafft er Probleme. Dagegen müssen wir uns wehren.“
  3. Dazu merke ich an, dass Verstaatlichung nicht Renationalisierung ist. Verstaatlichung ist Verschieben der Koordinaten vom Privaten zum Staatlichen. Hier hat er tatsächlich Recht. Die EU ist keine freie soziale Marktwirtschaft, die EU entwickelt sich in Richtung lobbygetriebener Planwirtschaft und französischem Etatismus (siehe den Ankauf von Zügen durch den französischen Staat, welche die staatliche kontrollierte Eisenbahngesellschaft SNCF gar nicht braucht, um einen Standort von Alstom zu retten). Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass bei den beiden konkurrierenden Wirtschaftsmodellen Marktwirtschaft versus Etatismus sich das gescheiterte französische Modell EU-weit durchsetzen soll.

  4. „Europa sich stärker beweisen muss. Das gilt vor allem für die Verteidigungspolitik“. Dabei „müssen wir gemeinsam den Schutz unserer Interessen in die Hand nehmen“. Notwendig dafür sei eine „beständige Struktur“ in voller Komplementarität zur NATO. „Mehr europäische Verteidigung bedeutet nicht weniger Verteidigung und Solidarität auf transatlantischer Ebene.“ Es gehe um die „Bündelung der militärischen Ressourcen“.

Die Verteidigung werde „20 bis 100 Milliarden pro Jahr kosten“. Er schlage deshalb vor, bis Jahresende einen europäischen Fonds für Verteidigung einzurichten, um aktiv Forschung und Innovation anzuregen. „Der Vertrag von Lissabon gibt den Staaten die Möglichkeit, die Verteidigungskapazitäten zu bündeln. In Form einer strukturierten ständigen Zusammenarbeit. Ich denke, jetzt ist die Zeit gekommen, diese Möglichkeit zu nutzen“.

Dazu merke ich an: Im Englischen heißt Junckers „ständige Struktur“:  „Military headquarters to work towards a common military force.“ Das klingt schon a bisserl anders als „beständige Struktur“. Gemeinsame EU-Armee traute sich Juncker nicht zu erwähnen. Noch ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass der grüne Abgeordnete Pilz über die Dienstwagenaffäre des Verteidigungsministers Klug (private Reise mit dem Dienstwagen nach Frankreich) zwar großes Geplärre veranstaltete, aber keiner sich fragte, ob er wirklich ganz „privat“ nach Frankreich“ reiste, sich niemand fragte, ob dies nicht eine verdeckte Reise zu dem gemeinsamem Europäischen Ziel einer „ständigen Struktur“ war. Dasselbe Theater machte man mit einer „privaten“ Reise mit dem Dienstauto nach Italien.

Was sagen unsere EU-Parlamentsvertreter zu Junckers Plänen?

Othmar Karas (ÖVP) fordert die Verantwortung der Mitgliedsstaaten ein. Es müsse endlich „Schluss mit Vetos und Nationalegoismen sein“.
Evelyn Regner (SPÖ) würdigte das Bekenntnis Junckers gegen Sozialdumping.
Ulrike Lunacek (Grüne) vermisste einen Plan Junckers, wie man aus dem "Teufelskreis nationaler Blockaden, die zur europäischen Lähmung führen, herauskommt". Ohne eine klare Ansage an den Rat (im Rat sind die gewählten Vertreter der Nationalstaaten) könne die europäische Disharmonie nicht aufgelöst werden.

Schlussfolgerung: Wir sollten erkennen, warum die Wahlen vorverlegt werden sollen! Wir sollten schon im Vorfeld unseren Volksvertretern auf die Finger schauen. Wir sollten uns das Recht auf eine Volksabstimmung nicht nehmen lassen.

Mag. Elisabeth Weiß, Betriebswirt, Mitinitiator von "Echo der himmelschreienden Diskriminierung des österreichischen Steuerzahlers" - www.conwutatio.at

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Die Abrissbirne macht weiter drucken

Ist Angela Merkel die Abrissbirne Europas? Millionen europäischer Bürger befürchten, dass unter ihrer "Regentschaft" der europäische Kontinent womöglich in seiner tausendjährigen Kultur vernichtet wird und haben unter dieser „Wir schaffen das Sturheit" Angst um Europa und Österreich.

Angela Merkel auf einer Abrissbirne sitzend, die die EU-Sterne zertrümmert, dazu der Schriftzug "Fast geschafft"

Der zweimalige Staatspreisträger für Werbung & Marketing verpackt nun, nach 35 Jahren Kampagnenshooting, seine Botschaften in Cartoons. Gezeichneter Humor als treffende Antwort und listige Notwehr dem Alltag gegenüber. „Für mich auch Hilfe um halbwegs unversehrt an Gemüt und Seele durch Bad News zu kommen“ meint er dazu. Als Golfer, Jäger und Gourmet entstehen aber auch witzige Cartoons für diese Zielgruppen. Nach ihren Wünschen lässt Lutz Nowotny Bilder mit Pointen, auch als Geschenke, entstehen.

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Kann man zwischen guten Moslems und bösen Islamisten unterscheiden? drucken

Islam ist gut. Islamismus ist schlecht.

Diese schlichte Formel wird von politisch korrekten Medien, Kirchenmännern und Parteien ständig in nur leicht voneinander abweichenden Variationen wiederholt. Sie klingt gut. Sie hat nur einen Haken: Sie ist unbrauchbar, denn dabei wird überhaupt nicht klar definiert, was eigentlich Islamismus ist, wie er sich in erkennbarer Form vom Islam unterscheidet.

Ich habe bei vielen offiziellen wie privaten Diskussionen mit Exponenten des Islams nach einer erkennbaren Unterscheidungslinie geforscht, nach einer nachvollziehbaren Definition. Ich bin aber auf keine gestoßen. Und empirisch hat sich in den letzten Jahren immer dasselbe abgespielt: Offizielle Islam-Exponenten haben sich stets erst dann von Mitmoslems als „Islamisten“ distanziert, wenn diese bei einer Gewalttat erwischt worden sind. Es gibt aber immer nur Ex-Post-Kritik. Ich kenne praktisch keine Hinweise aus islamischen Organisationen, die schon VOR einer terroristischen Tat öffentlich und konkret auf noch nicht den Behörden bekannte Islamisten hingewiesen hätten. Das macht diese Organisationen überaus suspekt.

Es wird dennoch in Leitartikeln, in Politiker-Interviews weiterhin ständig behauptet, dass man zwischen guten Moslems und bösen Islamisten unterscheiden müsse und könne. Es gibt aber Null Klarheit, geschweige denn Konsens darüber, wie man denn diese Unterscheidung vornehmen soll, an welchen Haltungen oder Aussagen man als Nicht-Moslem denn einen Islamisten erkennen kann, bevor er eine strafbare Handlung gesetzt hat.

Das ist freilich auch schwierig

  • bei einer Religion, die in ihrem heiligen Buch zahlreiche Tötungsaufrufe gegen "Ungläubige" enthält;
  • bei einer Religion, bei der ein guter Teil der Gläubigen der Überzeugung ist, dass dieser Koran wörtlich zu nehmen ist;
  • bei einer Religion, die – zum Unterschied etwa zum Katholizismus – zumindest unter den Sunniten keine klare Hierarchie kennt, welche die Religion verbindlich interpretieren könnte;
  • bei einer Religion, die für viele Gläubige eine Belohnungsgarantie für Gewaltausübung enthält, sobald sie diese als „Heiligen Krieg“ bezeichnen;
  • bei einer Religion, bei der die von ihr geprägten Staaten heute durchwegs wirtschaftlich und naturwissenschaftlich absolut rückständig sind und deren Bevölkerung daher zu den ärmsten der Welt zählen – sofern nicht Erdöl oder Erdgas (vorübergehend) gekauften Luxus ermöglicht haben. Dabei hatte insbesondere die nahöstliche Region in den Zeiten vor dem Islam einen der kulturellen Höhepunkte der Menschheit gebildet;
  • bei einer Religion, in deren Einflussbereich beziehungsweise Eroberungszonen seit vielen Jahren mehr Kriege und Konflikte toben als im Rest der Welt zusammen.

Die Folge des Fehlens klarer Trennlinien ist bekannt: Für die Mehrheit der politisch-medialen Propaganda-Klasse sind a priori alle Moslems auf der guten Seite einzuordnen, für die Mehrheit der Bürger sind sie alle Islamisten.

Es gibt sehr eindrucksvolle Exponenten des Islams, wie den Göttinger Politikwissenschaftler Bassam Tibi oder den Wiener Religionspädagogen Ednan Aslan, die den mutigen Schritt zu einem Euro-Islam wagen. Sie haben ein Verständnis von ihrer Religion, das durchaus mit dem Christentum nach der Aufklärung vergleichbar ist. Auch im Christentum ist die Aufklärung anfangs ja vehement abgelehnt worden, inzwischen ist aber für die Kirche die Vernunft absolut kompatibel mit dem Glauben – auch wenn das manche Christen nicht akzeptieren wollen.

Sie bekennen sich zu einer echten Religionsfreiheit, zur vollen Gleichberechtigung von Mann und Frau, zum Vorrang der staatlichen Gesetze und natürlich erst recht zum Verzicht auf Gewalt.

Das ist sehr eindrucksvoll und sympathisch. Aber als ich Aslan fragte, für wie viele Moslems denn seine – eindeutig nicht islamistische – Glaubensauffassung repräsentativ sei, bekam ich eine sehr ernüchternde Antwort: Aslan will jetzt eine entsprechende Gemeinde gründen. Eine erste. Nach einer relevanten oder gar Mainstream-Auffassung innerhalb des heutigen Islams klingt das also ganz und gar nicht. Aslan deutet wohl auch zu Recht an, dass er selbst sich mit seinen Haltungen mehr vor Anschlägen islamistischer Fundamentalisten fürchten muss als etwa Christen.

Nichtmoslems – Christen, Juden, Atheisten, Agnostiker – ebenso wie Staat und Behörden sind bei der Begegnung mit dem Islam mit einer unglaublichen Bandbreite konfrontiert, in der sie sich nicht orientieren können. Wo verläuft da die Grenze zwischen Gut und Böse? Wovor müssen sich die europäischen Gesellschaften fürchten? Wogegen sollten sie sich verteidigen? Wen kann man integrieren?

Auch tiefschürfende Koran-Interpretationen helfen da nicht weiter. Denn im Koran findet man für absolut jede Sichtweise Belegstellen. Daher sollte ein ganz anderer Weg eingeschlagen werden.

Wir sollten bei der Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus nicht von einer komplizierten Koranologie ausgehen, sondern selbstbewusst von unseren europäischen Gesellschaftswirklichkeiten und Rechtsordnungen. Denn diese und nur diese sind bei aller Detailkritik für einen Großteil der Europäer positiv und verteidigenswert. Sie sind das Produkt der christlich-jüdischen Prägung, des antiken Erbes und der laizistischen Aufklärung. Diese drei Wurzeln des Abendlandes haben in den letzten Jahrzehnten – nach vielen Konflikten der Vergangenheit – zu einer gut funktionierenden und für die Menschen lebenswerten Basis geführt. Zum erfolgreichsten Staatssystem der Geschichte.

Und jeder Moslem, jeder Buddhist, jeder Moslem, der diese Basis voll akzeptiert, sei auch selbst voll akzeptiert. Aber nur der. Denn wer versucht, hier eine multikulturelle Zusatzebene einzuführen, wird scheitern, muss scheitern, weil Europa sonst in den Abgrund stürzt oder zumindest in eine Wiederholung der schweren Konflikte der Geschichte.

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Die Politik, die Medien, die NGOs und die Fakten zur Landwirtschaft drucken

Die Ernährung der Menschen ist global die wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft. Für rund 7 Milliarden Menschen (2011) wachsen auf rund 4,9 Milliarden Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche nicht genug Lebensmittel. 900 Millionen sind quantitativ und qualitativ unterernährt, weitere 2 Milliarden haben zwar täglich 3.070 kcal, aber in schlechter Qualität.

2040 werden auf unserem Planeten vermutlich 8,8 Milliarden Menschen leben wollen. Wenn die Landwirtschaft weltweit die kaum vermehrbare landwirtschaftliche Nutzfläche nicht besser nutzen wird, werden es dann 2,7 Milliarden Menschen zuviel sein. Die Landwirtschaft kann für genügend Nahrungsmittel sorgen, wenn sie nach den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen wirtschaften darf und nicht von selbsternannten Experten grüner NGOs und deren politischen Anhängern daran gehindert wird.

Rund 1,4 Prozent Boden kann man dem Regenwald noch ohne schlechtem Gewissen abtrotzen, aber nicht um dort Palmöl zu produzieren. Mögliche Ertragssteigerungen, wie wir sie bei uns seit vielen Jahren bereits erreicht haben, machen eine Flächenvermehrung um weitere 25 Prozent überflüssig. Weitere rund 7 Prozent Ackerflächen können eingespart werden, wenn die tierische Urproduktion und die Energienutzung entsprechend zurückgefahren wird. In diesem Umfang kann man eine Produktivitätssteigerung auf bestehenden Agrarflächen – auch nach Studien von OECD und FAO – ohne Gefährdung der Umwelt und der Nachhaltigkeit der Urproduktion auf unserem Planeten leisten. Es wird gelingen müssen, die Differenz zwischen Ertragspotenzial und den tatsächlichen erzielten Erträgen zu verringern (zum Beispiel in Afrika).

Produktivitätssteigerung und Nachhaltigkeit - die Welt braucht beides zusammen für die Sicherung der zukünftigen Nahrungsmittelversorgung.

Die nachhaltige Ertragssicherheit der Ackerböden ist für Bauernfamilien, die auf eigenem Grund und Boden seit Generationen leben und arbeiten, schon immer das wichtigste Ziel. So wie eine Kuh oder ein Schwein Nährstoffe brauchen, um die erwartete Leistung zu erbringen, muss auch dem Boden ersetzt werden, was die Pflanzen für ihr Wachstum brauchen und dem Boden entnehmen.

So sind neben unzähligen Mikronährstoffen vor allem Nitrat, Phosphat und Kalium essentielle Elemente, ohne die weder Pflanzen- noch Tierzucht möglich ist. Der Nährstoff Nitrat kann von Pflanzen nur in mineralischer Form aufgenommen werden. Dieser Nährstoff muss in der Wachstumsphase vorgelegt werden, eine witterungsbedingte Verlagerung in tiefere Bodenschichten lässt sich leider nicht ganz vermeiden. Tatsache ist aber, dass bei 90 Prozent der Messungen des Grundwassers der Grenzwert von 45 mg nicht erreicht wird. Außerdem ist die Stickstoffdüngung nicht der einzige Grund für die Nitratbelastung des Grundwassers.

Neben den Düngemitteln spielt der effiziente Einsatz der Pflanzenschutzmittel eine enorme Rolle für die Sicherung der Erträge. Pflanzenkrankheiten verursachen weltweit Ausfälle zwischen 26 Prozent und 40 Prozent des möglichen Erntepotentials; ohne Pflanzenschutz würden sich die Ausfälle verdoppeln.

Pflanzenzucht, großflächige Verbreitung von Saatgut, das für Groß- und Kleinbetriebe leistbar sein muss, und große Investitionen in die Biotechnologie sind Schlüssel zur Nachhaltigkeit, weil neue Technologien ressourcenschonend sind. Der Klimawandel mit den erwarteten höheren Temperaturen und der Änderung der Niederschlagsmuster führen zu Um- und Neuverteilung des Lebensraumes der Schädlinge. Die Verluste durch diese Schädlinge betragen jährlich weltweit 130 Milliarden Dollar.

Deshalb sind züchterische Erfolge bei der Schädlingsresistenz besonders vordringlich und erwünscht. Die dadurch eingesparte Verwendung von Pflanzenschutzmitteln schont wiederum die Umwelt.

Weltweit wird bereits auf 148 Millionen Hektar Biotech-Saatgut angewendet. Dadurch werden einerseits die Inputkosten reduziert und andererseits die Einnahmen der Landwirte durch höhere und stabilere Erträge erhöht.

Für den Konsumenten bringen High-Biotech-Pflanzen auch durch einen direkten Einbau nützlicher Eigenschaften, mehr Vitamine, gesunde Öle oder mehr ungesättigte Fettsäuren in die Nahrungsmittel.

Die Behauptung von „Grünexperten“, dass diese biotechnischen Errungenschaften krebserregend seien, gilt offensichtlich nur für die Europäer. In Nord- und Südamerika regen sich diese NGOs nicht über Gentechnik auf und verhindern mit ihren Greenpeace-Warriors auch nicht den Export „krebserregenden“ Agrarprodukte nach Europa. Ob dabei „Spenden“ von George Soros und seinem Found Management eine Rolle spielen? 

Österreich und die Agrarförderungen

Im März 1994 veröffentlichte der damalige Minister Franz Fischler das Ergebnis der EU-Agrarverhandlungen vor dem EU-Beitritt. Die wichtigsten Verhandlungsziele Österreichs waren

  • die Sicherung der flächendeckenden Bewirtschaftung und die Wahrung von                       Einkommensmöglichkeiten für die Bauern. Angesichts der Angleichung der Agrarpreise auf das im Durchschnitt um 17 Prozent niedrigere Preisniveau der EU stand die Einkommenssicherung im Vordergrund der Beitrittsverhandlungen.
  • die Schonung der Lebensgrundlagen und die Erhaltung der Bäuerlichkeit.
  • die Wahrung der Chancen für die Lebensmittelindustrie sowie der Zugang zu den               Märkten.
  • die Bewältigung des Übergangs in den Binnenmarkt und die Marktöffnung.

 Die notwendigen Mittel wurden von der Europäischen Union und Österreich bereitgestellt und die Auszahlung an die österreichischen Landwirte in Form von Kulturpflanzenausgleichszahlungen (KAP), Tierprämien, Bergbauernförderungen, Förderungen für Umweltmaßnahmen (ÖPUL) der Agrarmarkt Austria (AMA) – quasi die „Asfinag“ des Lebensministeriums – übertragen. Im Beitrittsjahr 1995 betrug die Förderung der österreichischen Landwirte 2.022 Millionen Euro (davon 960 Millionen Beitrag der EU).

Nach dem zuletzt veröffentlichten Grünen Bericht (September 2015) wurden 2014 für den ländlichen Raum in Österreich 2.057 Millionen Euro (EU + Bund + Länder) gezahlt. Davon wurden den Landwirten 1.625 Millionen Euro für Marktordnung, ländliche Entwicklung und sonstige Maßnahmen ausbezahlt. Von der ländlichen Entwicklung gingen 189 Millionen Euro und von den sonstigen Maßnahmen 242 Millionen Euro nicht an die Landwirte.

In der Transparenzdatenbank für EU-finanzierte Beihilfen im Agrarbereich sind für 2014 und nun auch schon für 2015 die Einzelförderungen abrufbar.

Im zuletzt veröffentlichten Jahr 2015 haben 970 Zahlungsempfänger mehr als 100.000 Euro von den Agrarförderungen erhalten. Diese wurden auszugsweise folgenden Gruppen zugeordnet:

Ämter („Selbstbedienung“): die AMA nimmt sich knapp 29 Millionen Euro, sechs Landesregierungen für diverse „Kompetenzzentren“ zusammen etwa 6 Millionen Euro.

Landwirtschaftliche Interessenvertretungen:  (z.B. Biene Wien, Bio Austria, BV Urlaub am Bauernhof usw.) zusammen gut 8 Millionen Euro.

Sonstige Interessenvertretungen: A1-Telekom 19,5 Millionen, Genussregion Marketing GmbH 2,5 Millionen, ein Hochwasserschutzverband in Gutau 2 MillionenEuro.

Naturschutz - „Management“: das Umweltbundesamt, der Umweltdachverband, der Biosphärenpark Wienerwald, 23 weitere National- und Naturparks, Umweltbildung Austria (Grüne Insel), der Umweltverband WWF, Birdlife (Vogelkunde) etc. –  21 MillionenEuro.

Tourismus- und Regionalentwicklung: Verbände und GmbH’s in Österreich bekommen 2015 rund 17 Millionen Euro von den Agrarsubventionen.

Aus- und Fortbildung: 10 ländliche Fortbildungsinstitute und das Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald bekommen von den Agrarförderungen mehr als 14 Millionen Euro.

LEADER - Aktionsgruppen (??):  3,5 Millionen.

Energieversorger (-versorgte): B3-Energie GmbH, Energie AG Oberösterreich Data GmbH, EVN Wärme GmbH, Kelag Wärme GmbH, Linz Gaswärme GmbH, Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation und  48 weitere Bioenergie- und Nahversorger erhielten zusammen knapp 36 Millionen Euro.

„Politische Sonderlinge“ (schwer zuzuordnen): ERP -Fonds, Arge Heiraten im Salzkammergut - sag ja im Salzkammergut, Stadt Wien (MA 45) Wiener Gewässer, Land Impulse (Tulln), Landentwicklung Steiermark, Verein zur Förderung des steirischen Vulkanlandes, Österr. Straßenbahn- und Lokalbahnbetriebsmuseum, Verein zur Förderung des Musikwettbewerbes Intermusica und weitere 11 Vereine bekommen mehr als 8 Millionen Euro.

2014 waren es 708 Empfänger von Agrarförderungen über 100.000 Euro mit zusammen 218 Millionen, ein Jahr später 970 mit zusammen 316 Millionen Euro. Herausragend die Steigerung bei den „Naturschützern“ um 68 Prozent, bei den Sonstigen Interessenvertretungen (wie zB A1 Telekom) um 1.500 Prozent, bei den Wärme-, Energieversorgern von 1 Million auf fast 36 Millionen Euro und bei den Touristikern um 150 Prozent.

Wie es den „leibeigenen“ Landwirten – im Jargon der Politiker, Interessenvertreter und Raiffeisenbanker sind das „unsere Bauern“ – geht, kann man jährlich dem Grünen Bericht entnehmen. Eine unabhängige Buchführungsgesellschaft analysiert nach den üblichen Bilanzregeln rund 2.200 landwirtschaftliche Betriebe, alle Betriebsarten in allen Bundesländern.

2014 haben die ausgewerteten Betriebe mit durchschnittlich 43 Hektar ein Gesamteinkommen je Betrieb von 47.000 Euro. 14 Prozent davon verdienten sie mit ihrer Arbeit im Stall, auf dem Feld und im Wald. 36 Prozent waren Förderungen (AUT und EU), 36 Prozent brachten außerbetriebliche Tätigkeiten und 14 Prozent sogenannte Sozialtransfers. Die Jahre davor waren abgesehen von witterungsbedingten Schwankungen nicht anders. Der „Ausgleich“ für die ungenügenden Erlöse war der Verkauf von Grund und Boden.

Von 1999 bis 2013 gaben täglich 11 Landwirte ihren Betrieb auf und warfen das Handtuch. In derselben Zeitspanne wurden täglich 22 Hektar verkauft und sind für die landwirtschaftliche Urproduktion für immer verloren.

Dass diese Verluste nicht immer dem sogenannten freien Markt geschuldet sind, sei an zwei Beispielen erläutert:

Getreide: von 2011 bis 2014 wurden im Durchschnitt 1.189.000 Tonnen exportiert und 1.748.000 Tonnen importiert (Importüberhang 47 Prozent). Der erzielte Ertrag beim Export war 321,50 Euro/Tonne. Der Durchschnittspreis für die importierte Ware lag bei 238,10 Euro/Tonne. In diesen 4 Jahren hat ein landwirtschaftlicher Ackerbaubetrieb im Durchschnitt 159,31 Euro/Tonne für seinen Weizen bekommen.

Mais: Im gleichen Zeitraum werden 412.000 Tonnen um durchschnittlich 393,32 Euro/Tonne exportiert und 416.000 Tonnen um 225,69 Euro/Tonne importiert. Ein Landwirt bekam für seinen abgelieferten Mais unter Berücksichtigung der Trocknungskosten vom Lagerhaus rund 157,47 Euro/Tonne.

Mit der exportierten Menge Getreide hat der Agrarhandel 193.000.000 Euro jährlich lukriert.  Mit der exportierten Menge Mais 97.000.000 Euro, zusammen also 290.000.000 Euro im Jahr.

Sieht danach aus, dass man von der Landwirtschaft sehr gut leben kann, wenn man nicht selbst der Landwirt ist.

Über den Verlust an Bauern und landwirtschaftlichen Flächen sollte sich der Konsument auch in Österreich Gedanken machen und nicht zusehen wie sich Spekulanten und Investoren die freiwerdenden Agrarflächen unter den Nagel reißen. Die „Heuschrecken“ werden sicher nicht pflügen und säen und damit für den gedeckten Tisch sorgen, sondern wollen vom steigenden Wert der immer weniger werdenden Agrarflächen profitieren.

Dipl.Ing. Hermann Kulterer ist kein „Experte“ à la Greenpeace oder Global 2000; er weiß „nur“ im Rahmen seiner akademischen Ausbildung und seiner im eigenen Landwirtschaftsbetrieb (160 ha, seit mindestens 370 Jahren im Familienbesitz) gemachten langjährigen Erfahrung Bescheid. 

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Brexit as an Opportunity - all will be well! drucken

The European Union: Its Development and Inner Constitution, its Power Agenda, its Crisis and our Opportunity for Change.

1. The thunderclouds have passed.

A certain time interval having elapsed since the British vote to leave the European Union, it is appropriate to consider the present status of the EU, its transported political agenda, Europe’s crisis and the possibilities for the renewal of Europe which could catalytically follow from Brexit.

The period immediately following the Brexit referendum was clouded by the surprise which the Brexit advocates experienced following their own victory, by the fears stirred up in the populations of England and other EU states and by the defamation, disinformation and threats with which the powerful in the EU opposed England, presumably to nip in the bud any effect which might serve as a proactive example for other EU member states. Meanwhile, "the markets" have largely calmed again, Britain has clarified its high-level policy on personnel and has dissipated all collective fantasies about a repeat of the plebiscite or of a possible refusal to implement the referendum.

2. What are "European elites"?

The EU-powerful and their national vassals will long be remembered for their anger over the election outcome and how they showed their ugly, deformed faces, thereby providing an insight into their true intentions.

We owe to the European Union a complete change in meaning of an important sociological concept anchored in all European languages. Just a few years ago the word "elite" stood for that social minority who were distinguished for their especially excellent attributes and were prepared to apply these distinctions for the benefit of the community. The definitional range of the concept of an “elite” has always combined aspects of superior education and wealth of knowledge with moral integrity, consciousness of responsibility and dedication; and all this in conjunction with a certain formal status. Also the characteristics of modesty and willingness to make sacrifices were included generally within the precincts of the concept of an elite.

Those who use the word “elite” today really mean almost the exact opposite; only the fact that this group is a minority in possession of a formal status of power and influence is still congruent with the old meaning. Otherwise the “elite” of today stand for a reality-detached, arrogant ruling class who believe themselves entitled to force immature subjects, even against their will, into a new order of society, inclusive of an entire continent; they are an elite alleged to be somehow morally superior and functionally more effective and irreplaceable in the light of the irreversible developments of this world.

This elite not only consider themselves to be among the decision makers and functionaries of the EU and its member states, but also believe themselves among those entitled to the right of disposition over great economic syndicates and assets, including system-relevant media and other parts of the consciousness industry. Also included among the elites, therefore, are specifically intellectuals and university instructors, artists, entertainment specialists and the so called ‘creative minds’ of all kinds, insofar as they feel called to support the agenda of total transformation of the European society, including the implementation of a metapolitical [1], universal ideology, or to at least make it possible in the first place.

Since this project is understood as a struggle of absolute “good” against absolute “evil”, the members of the new elite feel justified in securing their dominance and power of disposition over societal resources by means which are incompatible with democracy and the principles of a constitutional state. For the members of the new elite their recourse to a bloated and hedonistic lifestyle is also characteristic, one in which their self-understanding consists in the exclusive we-feeling of the social avant-garde.

What is understood today as “elite” is therefore much closer to what under Soviet Communism was characterised as the “nomenklatura”: the totalitarian powerful and their ramified, virtual household.

3. Unprecedented Ignorance and Detachment from Reality

The elites themselves have not yet grasped that the word that designates them has undergone semantic change. On June 22, the German Federal President, Joachim Gauck, had the presumption to make the following astonishing assessment: "The elites are not at all the problem; the populations are the problem at the moment."

Following the clear 52-48 decision of the British people in favour of a withdrawal from the EU, the former EU Commissioner, Franz Fischler, allowed his indignation and horror free reign: he could not at all understand how the population could violate reason to such an extent, despite the entire elite having pronounced themselves in favour of remaining in the EU. In between these two manifestations of elitist self-understanding lay not only the Brexit decision itself, but also an entire bevy of aggressive attack torpedoes with which the representatives of pure (EU) doctrine attacked the supposed treachery of the Britains.

The Austrian scene was not spared the ambient noise from these torpedoes. In the Sonntags-"Presse", for example, after Brexit-day (June 26), [former Austrian chancellor] Wolfgang Schüssel, [deputy president of the European Parliament and Green] Ulrike Lunacek, the EU Lobbyist Gerald Knaus, and the well-subsidized writer, Lydia Mischkulnig, came to an agreement on a strong stance against separatism and EU deviationism. Schüssel denounced the Brexit decision as the sprouting up of the "dragon's teeth" of those who for years wanted only to avow a "Yes, but"-Europe. Consistently with that, Mischkulnig defines the "wrong Brexit decision" as the "product of demagogues and populists" whose "Führer-parties" had marshalled in "national partitioning" with "fascist symbols" which "the mob" would need.

By contrast, Lunacek’s attack on the "extremely dangerous nationalisms" has a virtually harmless appearance – especially if one takes into account that a "functioning mechanism for monitoring European values" after the manner of thought-police with special powers belongs to her European political self-concept (cf. Paneuropa Austria, May 2016). To the EU-critics, Knaus imputes "narrow-mindedness", "scapegoat-thinking" and the much-quoted "belief in simple solutions". He is thus a representative of the decades-long, monotonic lyre, an agent of the always continuously flogged, thought-killing phrases which function to immunise the EU against any criticism.

4. Uncertainty through Propaganda Bluff

In the style of feel-good propaganda – "Together instead of alone" – against petty statism, insularity, division, etc., the elite have for decades successfully prevented any constructive engagement with the deficiencies of the EU and have therefore sabotaged corrections to the concept at a time when these might still have been possible.

Thus Brexit voters too, and likewise all Britons sweepingly, were stigmatized in countless articles as wreckers of the sacred order. Immediately after the results were announced, the henchmen of the Eurocracy deliberately generated uncertainty: the British, 

,shocked over the results of their decision, radically changed their opinion within hours; a repetition of the vote would produce a very different result. Within a single night, 420 billion euros were wiped out — as a result of plebiscitary wrong decision. The British, after having damaged the EU, must henceforth be radically punished by being made to feel, during the course of the exit negotiations, the maximum effect of their "isolationist and selfish politics". A parliamentary implementation of the exit from the EU must be refused; the English members of parliament must shoulder their responsibility for the EU as a whole – in particular, since the British had changed their mind again anyway. And referenda of this kind are generally to be prohibited in future. "What are elected representatives for when things get serious?" (Schüssel)’

5. Anti-Democratic Elite

In the attempt to delegitimise the Brexit referendum, the members of the elite have proved, and are proving, their radical anti-democratic attitude. But there is still more to it: many of them are showing on this occasion that the basic patterns of fascist thinking are anchored in their own minds and not in those of their opponents:

'The uneducated, the elderly, the economically unsuccessful or "progress-losers" have voted for Brexit, and a clear urban-rural differential shows the "provincialism" of EU-sceptics.

In contrast, 60 percent of the youth, as well as the educated and successful, voted with a clear majority for remaining in the EU. (Naturally it was not mentioned in this respect that altogether only 24 percent of the under thirty-year olds had taken part in the ballot); it is clear, therefore, where the future lies.’

For the first time since the Second World War the idea is blatantly being floated that the votes of particular population groups are worth less than those of others. Can it be denied that this inhuman attitude is very close to the dictum of "Untermenschen"?

Given all of the venom with which the elites persecute their critics, it is high time to hold the discussion which has been avoided for years concerning the true nature of the EU, its deficiencies and its future, and in a manner proportionate to the degree of complexity of the subject matter. The EU proponents have refused this until now under the mantra-like intoning of primitive advertising slogans and propaganda clichés. They, not the critics, are the ones who put forward "easy solutions" in the face of circumstances which are difficult to penetrate.

6. The Nature of the "EU Building”

The EU does not speak the truth about itself. It is no peace, freedom and prosperity project; not any longer. Its foundation myth is at best still a facade. Behind this facade is a building which was acquired by occupants who formulated the purpose of the building and its expansion in dramatic departure from the original plans of its architects. This does not mean that the building in its original conception would not have been suitable for the intended usage of its new owner; quite the contrary. It is true that the concept of a building and its practical use are initially two quite different things. But with continued habitation, the physical plant and the life that unfolds in it flow into one another seamlessly. A building for specific use continually emanates the genius loci, and this receives its form and characteristic expression through its habitation.

If this is not understood, then the nature of the EU and its specific situationality [Zuständlichkeit] in the present will not disclose itself. The deliberations which follow are not to be understood simply as a chronology or classification of events which have led to the structure of the EU in its present form; rather, they seek to grasp the EU and its formation in terms of a theoretical model; in other words, to place the completed steps toward integration, which have unfolded in chronological succession, into a functional connectedness that makes the EU recognisable as a quasi-self-moving formation. The purpose is to highlight the model of the EU in its distinctive wholeness by projecting the following central thesis: The EU is a product of planning, or rather, of a construction [2] and at the same time a product of the stepwise exploitation by a spirit which has spread and become established independently of the EU during the twentieth and twenty-first centuries. It is the outcome of the interplay between planned objectives and rampant growth, and this artefact is suffused with an ideological agenda which is the result of the centuries old revolts against the Christian religion and the rational and cultural fabric which it brought forth.

7. The Founding Fathers and their Plans

The EU in its existing form was not planned or intended by any of its founding fathers. It is true, that Jean Monnet in particular (and with him Schuman, de Gasperi, among others) strove for a syndicalist interlocking of the economies of Europe, upon which an irreversible political community formation was to be superimposed little by little. It is equally true that Winston Churchill strove for a "United States of Europe" with transatlantic connectivity. But as surely as both had a unitary superstate in mind, it is just as certain that there is no evidence to suggest that they intended to prosecute a social and politico-cultural revolution of the type which today makes up the main agenda of the EU.

8. Delors' Plan: the Monetary Union and the Maastricht Treaty

Up to the time of the Maastricht Treaty (1992), "European Integration" could have developed in a completely different direction from the one it has in fact taken. And even after this caesura, with which the Economic Community was changed into a political union, there were significant forks in the road at which Europe could have taken on a significantly different organisation than it shows today.

In the European Council meeting in Hannover in 1988, the monetary future of a united Europe was determined. The mainstream concept of the then Commission President, Jacques Delors, according to which a single currency was supposed to be implemented over the course of a three-stage convergence phase, won through. But there had also been an alternative proposal for the formation of a harmonious European currency zone. Margaret Thatcher’s Chancellor of the Exchequer, Nigel Lawson, had in previous years already been supporting a concept, "which was based on the brilliant ideas of the Austrian Nobel Prize laureate, Friedrich August von Hayek" (Lawson), and which envisaged stable and efficient media of exchange through supply on the part of private issuers who were in mutual competition.

The socialist Delors prevailed over Lawson, and thus the monetary management of Europe arose by way of a centralized, unsecured single currency, the money supply of which has since then been expanded without restraint for political motives, and which represents the foundation for a continental redistribution. Europe owes not only a hapless banking and transfer union to the results of this mistaken decision, but also the germ of the still forthcoming greatest economic crisis of all time.

After that, the "monetary union" also became an explicit component of the Maastricht Treaty (1992), although all relevant decision makers denied – especially with a view to the then current candidates for admission (including Austria) – that the surrender of the national monetary autonomy became an obligatory component of EU membership.

Nevertheless, "Maastricht" was still by no means the formal basis of a superstate. The treaty concept envisioned entirely different intensities of co-operation. And it reveals – rather only upon subsequent reading – and then merely in hints and in a rudimentary way, the possible objective of eliminating the sovereignties of nation states. The famous 3-pillar model envisages – besides the classical, mandatory European Community sphere (1st pillar) – the sphere of Common Foreign Policy and Security Policy CFSP (2nd pillar) and the sphere of Co-operation in the Internal Policy and Judicial (3rd pillar). For the second pillar a mixed responsibility was defined; for the third pillar, a final responsibility and discretionary competence of the member states was explicitly set out.

The sphere of social policy was conceived only as a declaration of intent or as basic guiding principles within the framework of a supplementary protocol, the cultural sphere being addressed only in a non-binding way. In particular, the sections on family/family Policy, religious law, immigration, education policy/training and criminal law remained exempted from the "European harmonization". Since these areas are the decisive political determents of the cultural order, they were not yet conclusive in setting the course for a continent-wide cultural revolution.

This situation was to change dramatically with the EU treaties of the following years.

9. The Amsterdam Treaty as Ideological Milestone

The Treaty of Amsterdam (1997) established in its famous Article 13 an all-encompassing "anti-discrimination agenda". From now on, all “discrimination based on sex, racial or ethnic origin, religion or belief, handicap, age or sexual orientation” had to be combatted. With the dogmatisation of the term "discrimination", a powerful weapon was put in place for the destruction of any cultural tradition, which rests on what is and on what has grown in an inherently organic way [auf dem Bestehenden und Gewachsenen 3], on established normalcy, on majority opinion, on differentiation and objective inequality as well as on the diversity and non-equivalence of economic performance contributions and social or cultural consequences of behaviour.

Discrimination, as it is understood, does not simply refer to the unequal treatment of what is the same. Rather, this term incriminates the differentiated viewpoint, assessment and treatment of what is objectively unequal, insofar as inequality itself is defined as politically undesirable. The prohibition of discrimination forbids seeing and treating politically undesired inequality as unequal. The anti-discrimination agenda is not a socio-politically neutral concept such as, for example, the juridical principle of equality before the law. It is rather a normative concept for the implementation of social and cultural changes according to the ideal of those powers who wish to overcome the cultural fabric which has grown up in an inherently organic way.

The European Court of Justice (ECJ) in its grounds for judgement has repeatedly described the prohibition of discrimination as a "leitmotif of the EU Treaty" (see European Court of Justice, C-303/06, C-54/07, C-43/75, C-177/88, C-14/83, Council of the European Union 2000/43/EC, 2000/78EC, 2002/73/EC and 2004/113/EC).

This has dramatic and lasting consequences for the dynamics of the cultural and socio-political transformation of EU-Europe. The anti-discrimination agenda has proven to be the turbo for the propagation and implantation of Islam; for the worsening of immigration pressure; for the promotion of the interests of asylum seekers and economic and social migrants; and has proved as well to be an instrument for injuring the family and for accelerating the homosexual lifestyle.

10. The Amsterdam Treaty as Substratum for the Cultural Revolution

Besides the anti-discrimination dogma, the Amsterdam Treaty has cemented additional supporting pillars for the Cultural Revolution:

In order to "establish progressively an area of freedom, security and justice”, the areas of “asylum, immigration and safeguarding the rights of nationals of third countries” (Art. 73 I) are to be communitised.

Further, the treaty urges "promoting a balance of effort between Member States in receiving and bearing the consequences of receiving refugees and displaced persons" (Art. 63).

In addition, the fight against "racism and xenophobia" is to be made the subject of joint police and judicial co-operation (Art. 29).[4]

11. The Treaty of Nice and the Structural Determinants of the EU

The Treaty of Nice (2001) was the next step in the development of the EU. After implementation of the radical ideological positions in the Amsterdam Treaty, the formal and institutional conditions for a further strengthening of "horizontal and vertical integration" were in place from then on. Council, Commission and Parliament were enlarged or changed in their voting weights. In particular, the principle of unanimity was largely suppressed in favour of "decisions with qualified majority voting" so that countries, or rather, governments which are no longer willing to support a further de-nationalization are in future completely unable to mount a blockade. To increase pressure on the Member States, a mechanism for the application of sanctions against insubordinate countries was also established (Art. 6) after it had emerged that the then scandalous “sanctions of the EU-14 against Austria" (January to September, 2000) had been devoid of any legal basis. The EU therewith considered itself fit for the next round of admission of further candidate countries.

12. The Lisbon Treaty and the Comedy of its Ratification

The Lisbon Treaty was another step in social, cultural and political transformation.

Even its historical genesis must be seen as almost bizarre and understood as the point of culmination of the anti-democratic nature of the EU. Under Valéry Giscard d'Estaing a "Constitutional Convention" worked out a "Treaty establishing a Constitution for Europe". This was planned as the final and irreversible transition from the confederation of states to the superstate, for to have a constitution is definitively the exclusive property of a state.

While most member states carried out this substantial change simply within the framework of parliamentary decisions, the ratification initially foundered on the referenda in France and Holland. In 2007, the treaty was brought forward for signing in Lisbon, after a "period of reflection", and without any participation of the people of Europe. However, the Member States had to ratify this Act, which, with a single exception, they put into effect through their national parliaments. This exception was Ireland, which refused approval in the referendum of 2008. After intense international pressure and the propaganda offensive of the Irish ruling elite, this vote was repeated in 2009, and it brought the result which EU-Europe desired.

An integral component of the de facto constitution was the Charter of Fundamental Rights worked out under Roman Herzog (1999/2000), which was cautiously and "solemnly proclaimed" as early as 2000.

From the perspective of legal doctrine, the Fundamental Rights Charter differs in many respects from the historical collections of fundamental rights and freedoms. The latter took into account the protection of citizens’ freedom and private autonomy against tendencies of a state to abuse power and resource utilisation. The EU Charter, on the other hand, justifies this omnipotent claim to power simply by way of "social rights". And it dresses its socio-cultural policy intentions of transformation in so-called "European values", stylising them as the foundation of the Community, and in this way all doubt is supposed to be eliminated.

The principle of non-discrimination is expanded to include the criterion of citizenship, whereby the Charter creates the foundation for the project aimed at treating foreigners as equivalent to citizens, not only as regards legal interests, but also in respect of social and economic matters. (Art. 21/2). By elevating the so-called “diversity of cultures, religions and languages” — which is by no means limited to affiliation with the European cultural sphere — to a European supreme value, the way is cleared for the dictatorship of relativism and the phantasm of the "Multicultural society".

13. Lisbon Treaty and Superstate

The Lisbon Treaty itself definitively initiates the final stage of the emergence of a unitary superstate which marks the implementation of a very specific state objective. It takes account of this concept both institutionally as well in the formulation of the Union's objectives and competencies. The Lisbon Treaty did not yet take the originally planned final step to the "United States of Europe" because the ratification crisis had shown that the objective and subjective conditions for it were still not at hand

To take the wind out of the sails of those who feared the dictate of a European centralised state, Article 3a of the treaty even incorporated a formulation purporting to protect the integrity of nation states:

"It (the EU) shall respect their essential State functions, including ensuring the territorial integrity of the State, maintaining law and order and safeguarding national security. In particular, national security remains the sole responsibility of each Member State." [From English language version, Consolidated Treaty on European Union]

This formula contradicts a series of other, vastly more operative passages in this treaty (cf., for example, legislative competencies of the EU on the subjects of justice, domestic policy and immigration, as well as Article 205-227 on the "The Union’s External Action"). But it makes the overall text acceptable to many and precludes potential resistance to the ultimate act of fusion.

The Lisbon Treaty grants the EU its own legal personality. With the "permanent President of the Council" and the “High Representative for Foreign Affairs and Security Policy", the treaty's institutional reform brought in two additional symbolic figures of an obviously quasi-national power structure. And the establishment of the Union’s objectives and competencies shaped in advance the agenda to be followed in the future: the treaty mentions fundamental social rights, social progress and social justice to the same extent as the objectives of full employment, economic growth, and the state-objective of providing public services and the security of supply in the energy sector.

14. EU-Superstate and Excess Agenda

For the correct assessment of the hierarchy of objectives and the EU structure of competencies, it is necessary to make the following observation: No state or state system of modern times has defined its state objectives and competencies in its Constitution with a similar breadth and in a similar density and depth as the European Union. In any case this applies in a particular way to classical liberal constitutional states and democratic republics, namely, that they always, almost exclusively, limit themselves to the description of the political institutions, the structure and the procedures of political decision making, the formal preconditions for exercise and limitation of power and to the definition of basic civil liberties. It applies, however, also to the Communist dictatorships, whose constitutions, while they speak in general terms, and with pathos, of proletarian folklore, collective prosperity and social progress, they never reached the level of the European Union in respect of laying-down the organisation of social and cultural reality.

The EU is by no means a mere functional construct. Much more than that, under the cipher of the so-called community of shared values, it configures a compact, ideologically and clearly focussed model of social coexistence, containing a series of important key decisions in favour of a particular idea of man and view of history, a particular view of the nature of culture and of human coexistence and a particular idea of justice and the common good, based on assumptions which are mostly unspoken. This "spirit of the EU" produces – like any community spirit – a directed, operative dynamic in alignment with a particular societal ideal.

15. The component elements of the European Union

The social, cultural and economic model, the implementation of which the European Union has prescribed, can only be disclosed and understood if one brings the content stipulations scattered throughout the constitutive treaties of the EU into relationship and reconstructs their synthesis as these pertain to regulatory policy. Out of all the declarative padding and the wadding surrounding the relevant determinants, there emerges with perfect transparency a concept of state, or the agenda for a state, having the following structural elements:

  1. The EU strives for a paternalistic welfare state, which mandates, politically, the most important ways and means of social security and support (Art. 34) as well as health and other public services (Art. 35), and carries through their provision politically. "Social rights", as well as the right to access public services, are always addressed to the superstate as the grantor, which must be endowed with corresponding power. The infrastructural framework of the economy serves not only the safeguarding of its productivity, but also the goal of continent-wide consolidation of integration in particular: transnational energy networks interlock the former "national economies" and make them dependent; digitization and globally oriented communication technology create a single "data space". [For the English Language version of these references: Charter of Fundamental Rights of the European Union]
  2. The EU economy is not a market-economy system in the proper sense, and therefore does not constitute "capitalism". The EU-typical "harmonization of economic law" favours multinational corporations, which are mutually interconnected and clocked politically to the EU. They are syndicates, controlled politically in manifold ways by the economic, monetary and personnel policy of the EU, in which private participating interests are of subsidiary importance, which is why the term “neo-syndicalism” recommends itself for the classification of the EU economy.
  3. Insofar as the term "social market economy" is used in the EU documents, the adjective "social" refers not to a distinctive trait of the market economy but to the cultural and socio-political objectives of the EU. "Market economy" is not understood as a co-operative model of free and self-determining people, but as a method of releasing those productive forces necessary for the implementation of the “social”, or rather, the ideological objectives of the EU’s social and cultural policy.
  4. The subsidiary standing of the so-called market economy manifests itself in an especially clear way, for example, everywhere where it is a matter of implementing the EU-characteristic gender ideology. This is nothing less than another conceptual instrument for making man and woman equivalent [Gleichstellung] which is what gender ideology claims to do. Genderism flows directly from the association between anti-discrimination dogma and an image of man committed to the dissolution of tradition and biology. It only remains now for the economy to release those forces necessary to dissolve the traditional family concept and nationalise the raising  of children.
  5. The cultural and social texture of the EU is that of a "multicultural and multi-religious society". "Cultural diversity" is defined as the parallel co-existence of identities, showing the highest diversity in their essential character, but of equal value no matter whether these are of European or of non-European origin. "Freedom of religion" is purposefully defined (Art. 10) without reservation of statutory powers; and as a result, ritual performances incompatible with European cultural and legal traditions are also accepted. The specific tolerance concept of the EU and the regime of anti-discrimination produce, almost automatically, a doctrinaire morality, which is to say, an ethical relativism which is to radically vanquish the organically grown Christian life-form of European everyday life.
  6. The constitutive criterion of every state is, among other things, the constitutive people. Since the EU superstate does not initially possess anything like this, then the necessity arises, from its standpoint, for deliberate population exchange. To the transformation agenda of the EU belongs the targeted elimination of the population substrate of the nation states and their replacement by a rootless and culturally mixed, supposedly indeterminate population. The working together of several basic elements of the constitutional order of the EU produces the artificial constitutive people almost as a by-product:
    • the right of "free crossing of internal borders" (Schengen, 1985, etc.);
    • the "freedom of movement and of residence" (Charter, Art. 45);
    • the "right to asylum" (Charter, Art. 18);
    • expediting measures pursuant to "immigration policy measures";
    • the ubiquitous prohibition against discrimination, and
    • the requirement for "balance of effort ... in receiving and bearing the consequences of receiving refugees ..." (Art. 63).

These points considered in combination, in the event of non-European crises, will of necessity lead to mass immigration and will result in the widespread incapacity of states and their officials to deal restrictively with migrants, or rather, with occupiers.

16. The EU: An Order Closed in upon Itself

One searches in vain through the constitutive foundations of the EU for an expression of the highest European traditional values, such as private initiative, individual accomplishment and initiative, personal responsibility, Christian work ethic, entrepreneurial creativity, inventive genius and practical charity in the immediate circle of personal relationships etc. Thus the definition lacks anchor points, from which a possible correction of the baseline of the EU edifice could be carried out — at any time whatsoever.

The building components 1-6, therefore, constitute a seamless order, which restricts the distinguishing characteristics of the EU to a centralistically homogenized, constructivistically [2] and arbitrarily decreed, neo-socialistically managed and anti-Christian deculturated mass society. Nowhere in its entire structure does the primary law permit of a different development or another content-related design.

Contrary to its lavish propaganda rhetoric, the EU is a system closed in upon itself, in which there is no manoeuvering room for later decisions that deviate from the predetermined direction. This fundamental lack of influence is true even for the workings of the mandataries and political functionaries of the EU, and even more for the citizens themselves.

17. Structural Determinism and Incapacity for Democracy

In addition to sketching the content stipulations of the present and future order of the EU, it is necessary to point to the institutional and formal determinants underlying the structuring of the European Union. The fabric of relationships among the institutions and the structure of the decision-making processes are by no means content by way of the content and value judgments which EU policy produces at all its levels and incorporates societally. Rather, there exists a strong institutional determinism, whose mode of operation and its consequences can only be adumbrated within the framework of this small paper, although they carry extraordinary implications.

The structural relationship between the EU bureaucracy – a structure whose acting nomenklatura-community of EU members of parliament are without any connection to their homelands – and the EU Council – which is under pressure from Commission and the laws of group dynamics – necessarily and without any alternative produces a radical, culturally-socialist project of societal transformation. This necessarily arises from the complete unrelatedness of the Brussels and Strasbourg EU-events to public opinion in the member states; from the complete failure to publically justify massive, ideologically relevant projects; and from the mechanics which pursue and set in motion high-criteria, socio-political objectives, implemented in seemingly harmless individual steps and amidst a confusing division of labour among the EU institutions.

All these structural elements favour, on their own terms, artificial and constructivist projects, with which an elite, divorced from reality and closed in upon themselves, work labouriously on the planned elimination of a traditional and organically grown order which they do not understand and therefore consider inferior, an order that was brought forth in Europe through the inculturation of Christianity.

One of many examples of the numerous, formal structural elements, which together fall into a rigid institutional determinism, is the legislative procedure laid down pursuant to Article 294 in the Lisbon Treaty. Those who are seriously studying the reciprocal interconnection among the Commission, Parliament and Council, will have no difficulty in recognising that this is a closed system in which only those elements that support the fundamental thrust of the EU’s transformation agenda and do not call it into question are authorised to take initiative and make relevant decisions.

This process substantiates Ralf Dahrendorf`s insight which he formulated decades ago, according to which there can be no democracy above the level of nation states. From this principle, and a series of other formal and functional principles with a similar construction, there arises in particular, an effective mechanism of transmission which ensures that the above mentioned six design principles are reduplicated and implemented at all levels of the EU, even if the result in each case is rejected by the majority of the population.

18. EU Transmission Mechanism and the Omnipresence of Realpolitik

The following components of this transmission mechanism can be identified:

  1.  The EU secondary legislation;
  2.  the so-called reports of the parliament and its committees;
  3.  the target-directed operations as they are frequently carried out by the EU Council or the Commission, and with major outlay;
  4.  the agreements with third countries or regions outside the EU;
  5.  the large number of agencies and similar bodies, which receive endowments from the EU budget;
  6.  as well as – seemingly very "low-threshold" – the communications of the Commission

A few examples will illustrate the events which are taking place in this connection:

  1.  The anti-discrimination agenda (secondary legislation) was implemented alike in four EU directives, including the most famous, 2000/73/EC.
  2.  The Estrela report on "Sexual and Reproductive Health and Related Rights" (2013/2040(INI)) of the European Parliament, among other things, called for the "safe and legal termination of pregnancy" as well as mandatory sex education in schools. (for the time being, not accepted).
    There was the Lunacek report for the “combatting of homophobia and discrimination on grounds of sexual orientation or gender identity” (2013/2183 (INI)).
  3. The "Barcelona objectives" of the EU Council in connection with a report of the Commission on “the development of childcare facilities for young children in Europe with a view to sustainable and inclusive growth” (2002), by which the raising of children is to be transferred from the care of the family to the competence of the public domain [Quoted directly from original English language source: Barcelona objectives].
  4. The so-called free trade agreements with the USA and Canada, TTIP and CETA , which was secretly negotiated by the EU, by which the principle of non-discrimination is to be extended to the globalised flow of international merchandise.
  5.  There is the activity of bodies such as the "European Commission against Racism and Intolerance (ECRI)" or the "European Union Agency for Fundamental Rights (FRA)". With these institutions, the EU implements its targets of this policy segment "primarily through the drawing up of country reports, the publication of general policy recommendations and through co-operation with the civil society, especially non-governmental organisations".
  6. The "Action Plan against Racism” (Commission Communication, 25 March 1998) (where under “racism”, “Islamophobia” is also to be understood), by which “ethnic and cultural diversity is one of the defining characteristics of "European" civilization and must be cherished as a positive and enriching factor".

In order to make intelligible the comprehensive compactness of the transmission mechanism between the EU-primary law and the political and social reality, and to show the claim to totality with which the design principles of the EU are applied, only one passage out of the last example (The "Action Plan against Racism") need be quoted directly:

"The action plan against racism consists of four main strands:

[...]

Mainstreaming the fight against racism: the sectors which could make a particularly useful contribution are employment strategy, the Structural Funds, education, training and youth, the information society, justice and home affairs, communication, audiovisual and culture, public procurement, research and external relations. The Commission will continue to apply the principles of non-discrimination in its own policies and internal practices; an inter-service group will be established as a tool for promoting the fight against racism as a mainstreaming principle across its policies.”

With the doubtless somewhat unwieldy presentation of the foregoing points, it should be apparent how the “spirit of the EU”, as it emanates from the constitutional documents or treaties of the Union, fights its way, with a directed, operative dynamic, in the direction of a specific ideal of society.

19. The Spirit of the EU and Radical Cultural Socialism

This social ideal rests firmly on the six component parts which have been brought to light above as the foundation of the EU. And it is just this social ideal which converges to a very high degree with the old left-wing phantasm of cultural revolutionary world redemption.

Socialism has failed dismally as an economic model and social system. But as an anti-traditionalist counterculture it has found in the EU a substrate, the force and efficacy of which has until now admitted of no serious opponents. Therefore, the EU has become the mature love of the Left from all backgrounds and denominations. In the EU, everything is incarnated which has always defined from the very beginning the earthly religion of cultural socialism:

  • Hedonistic materialism and a present-oriented consumerism. Radical amoralism. Present-oriented disinhibition and short-term satisfaction of sexual desire. Dissolution of sexual identity and cultural homosexuality.
  • A "one world" ideology and "global village"-globalism, institutionally supported through supranational institutions. Global economic egalitarianism through worldwide redistribution mechanisms ("developmental assistance", "climate protection programmes", "fall of trade barriers")
  • Ideology of the "autonomous personality" or the arbitrary choice of a cultural identity. Multiculturalism or cultural relativism. Systematic uprooting from organically emergent cultural orders. Anti-nationalism and anti-regionalism.

Cultural socialism and its fundamental positions set out here exist, of course, outside the EU also and independently of it. This ideology has a long and ramified history of origin and development, which cannot be outlined even allusively within the framework of this short essay.

But it is important to understand that the concept of cultural socialism is not a product of the EU, but represents a spiritual reality in its own right, which in the course of many decades has taken possession of the metapolitics [1] and public opinion in most countries of this world. Educational institutions, cultural and entertainment industries, and in particular the most important media and other enterprises of the consciousness industry have to a great extent allowed themselves to be enlisted by the mainstream of world-wide cultural socialism. Through the mechanisms of metapolitics and the consciousness industry, cultural socialism could be fed into the design process of the Union. Of course the Union for its part, as outlined above, also projected its influence retroactively on cultural socialism by giving the latter a home, as well as providing a many-faceted and lavish financing for the material subsidies of its protagonists and operating authorities.

20. Social Evolution and the Unreformability of the EU

The structural nature of the relationship between the EU and cultural socialism is a massive interference process: both entities influence each other reciprocally and thereby indirectly act back upon their own development. Essential sequences of such a process can not be planned and therefore bear the characteristic traits of a spontaneous, evolutionary process.

The quasi-organic complexity [quasiorganische Komplexität], with which the Leviathan of the European Union confronts us, is therefore, in many respects not planned, but is grown [gewachsen 5], for which reason the EU cannot be characterised in its entirety as a product of conspiracy. This insight is of paramount practical importance. It means no more and no less than that the EU in principle is not reformable. It means, furthermore, that the EU cannot be placed in the service of other goals and agendas than those which now fuel it; that means, a correction in the direction of its effective influence is impossible. For if the goals and agendas are incorporated organically into the EU’s structural edifices and frameworks of authority, their commissioning for fundamentally different political contents and objectives than the ones up to now is impossible.

That the EU cannot, in its totality, be described as a product of conspiracy, does not mean, conversely, that nothing about it is a product of a conspiracy. In fact, the almost uniquely distinctive methods for the consolidation of European integration and the guarantee its effective irreversibility are the expression of a deliberate conspiracy of the EU-elites against their own populations. Between a more or less loose treaty community acting explicitly on mutual interests and an omnipotent superstate with a comprehensive authority over the agenda, there was a succession of apparently harmless individual steps, the final consequences of which were discernible only to the participants and to the initiated

The point in this succession at which the qualitative leap from mere co-operation to subordination took place can at best be established with a certain amount of legitimacy after the fact. Only one thing is certain, that in the course of the purposeful, continent-wide systemic change, the European people were not involved in the decisions; not at any single point during this metamorphosis, not even partially. And that means that the superstate construct of the European Union does not posses the least democratic legitimacy; not its individual projects, not its agenda as a whole.

For a super-union whose founding myth is rooted in the collective oath of "Never again Fascism", that is particularly remarkable; but in the face of excessively cultivated rituals of anti-fascist folklore, apparently it does not particularly attract attention.

21. Succession of Undemocratic Changes in Course

What is certain in any case is that this succession of undemocratic changes in course did not just happen, but key persons of the European nomenklatura consciously pushed it forward.

Giulio Amato, former Italian Prime Minister and later Vice President of the European Constitutional Convention, proclaimed on several occasions that it was necessary to proceed slowly in order "to destroy the sovereignty (of member states) little by little".

On this point, the long-standing chief ideologist for the ÖVP (Österreichische Volkspartei, Austrian People’s Party) and later candidate for the federal presidency, Andreas Khol, thought that in the chronology of individual decisions it is impossible to fasten on that decisive step at which a "total change of the Austrian federal Constitution" would occur, and therefore, the referendum which is supposed to be held in the event of a "total change", is not necessary.

Jean Claude Juncker was the bluntest in his description of the EU methods addressed here:

"We decide something, float it broadly and wait a while for something to happen. If there is no outcry and there are no rebellions, because most people do not understand what has been decided, then we go forward, step for step, until there is no turning back". (Spiegel from December, 27th,1999)

22. The Crisis of Europe and the Harm to Individuals and Peoples

A point of no return has long since past for the European Union. It has led the continent into the worst crisis in its history. By launching that agenda, which is indelibly incorporated in its innermost essence, it has implemented projects which are inflicting a harm on this continent and its peoples and which are well-nigh past the point reversibility:

  • In the "welcoming culture" vis-à-vis so-called refugees – the immediate product of cultural relativism, the anti-discrimination regime and the desire to create an "EU-Volk" – an all-encompassing material and ideational dispossession of the indigenous populations is being carried out. Entire cultural landscapes are on the point of disappearing.
  • The EU policy has pushed through the Islamisation of the continent in a downright brutal fashion. The greatly cherished "values" of "pluralism", "diversity" and "enrichment", and the phantasm of the "multicultural society" which corresponds to them, have supplied the underpinnings to Islamisation as much as has the EU-typical aversion to the organically emergent Christian order of the old Europe. The price of Islamisation ranges from the diminution of the average labour productivity, the spread of illiteracy and the lowering of the level of education to the emergence of parallel societies through to the dramatic deterioration in the security situation in the countries of Europe.
  • The EU-specific gender mania and the establishment of the homosexual lifestyle have injured the classical family and in many ways have pressed it to the brink of the possibility of existence; they have dramatically lowered fertility; they have driven forward the "culture of death" with their hospitable accommodation to abortion, by violating the limits of reproductive medicine and by "open discussion of euthanasia"; they have damaged the psychological equilibrium of many children through compulsory early sexualisation; they have enforced a comprehensive and extensive state control of education and have forced the socialization of the young generation.
  • The single currency of the euro has added a new dimension to the concept of Fractional Reserve Banking and has brought the "creation of money out of nothing" to an unprecedented order of magnitude. The imposition of European monetary prerogatives has led to a redistribution of wealth, which has brought about the widespread extinction of the middle class, has caused many misallocations in real economic terms and has brought about the misdirection of investment decisions as well as an intensification of the imbalance among the economies of the European countries. This monetary regimen has been kept alive artificially at the cost of manifold and time-spanning breaches of the EU's own law, and the deformation phenomena which it has evoked are so dramatic (see currently, for example, Italy), that sooner or later an inevitable economic collapse on the scale of a thermonuclear holocaust must be feared.

23. The Criticism of the EU and its Totalitarian Counter-Reaction

All these mega-projects have been undertaken and pushed through against the will of the overwhelming majority of the European populations. They possess – as in the design of the Union organism itself – no democratic legitimacy and are thus manifestations of classic foreign domination. Ever growing segments of the European populations are currently becoming aware of this, for the problems resulting from the implementation of the power projects of the elite are breaking through into everyday life in ever more evident ways.

With increasing mental distress, there is an insight gaining ground which is best formulated after the manner of Ronald Regan: the EU is not the solution to our problem, the EU IS the problem. Accordingly, not only is criticism forming up everywhere, but also systematic opposition.

This triggers, as is usual with autocratic ruling systems, corresponding reactions of the ruling nomenklatura and their apparatus. The EU generates its effect in this regard in two different spheres of activity:

  • Division of society: Daniel Cohn-Bendit, veteran founder and respected guiding intellectual force of the EU, a few days after Brexit said ‘Europe needs more and not less independent sovereignty. Today there is no longer any left-right conflict, but merely an unbridgeable dividing line between Pro-Europeans and EU opponents.’ With this friend-foe schema the EU stigmatises their critics as evaders of reality and as enemies of peace, progress, prosperity and humanity. In order to marginalise the latter, they rally by various means a "coalition of the willing" around the hard-core of centralised-state fanatics and EU-functionaries. Brought into relationship with one another in several concentric circles and taken on as coalition partners are "Gutmenschen” (refugee aid workers!), ideologues, those who commit criminal offenses out of conviction, fellow-travellers, accomplices, profiteers, pragmatists and "realists". The enlisting of potential combatants is carried out within the framework of an enormous battle of matériel, in which the progress winners – frequently, kept-lodgers at the flush feeding troughs of the Union – are brought into position against uneducable “progress losers” who must suffer themselves to be represented as untutored Philistines with bad breath and rotten teeth. In the meantime, the societies of Europe are in fact deeply split, and one wonders who will one day bear the responsibility for this incalculable damage.
  • Targeted elimination of freedom and the persecution of critics and political opponents: Martin Schulz, SPD politician and President of the European Parliament, said: "Even freedom of expression within the European Parliament must have a limit as soon as it calls the political objectives of the EU into question." None of the classical dictatorships of the twentieth century ever saw the inviolability of their agenda in any other way. The elimination of freedom came insidiously; but now, it is not only becoming very efficient on many fronts, but is also being pursued quite overtly. Speech prohibitions, newspeak, regulations, falsification of history, the reversal of meaning and taboos attached to prescribed doctrines dominate public discourse everywhere. "Indignation", "fear" as well as "rage and grief" are hurled like anathemas at the insubordinate if they do not adhere to the laws of political correctness. Even criminal law is brought efficiently into action: "incitement" and "denigration of religious doctrine" (always meaning Islam) are punished with imprisonment. Meanwhile, standing plans exist which are far-reaching and on the point of implementation; these pertain to the prosecution of “hate speech”, by which “Islamophobia” and xenophobia in particular are meant, but also the “emotional” speech of EU-critics is understood. In a manner befitting the EU, its Member States, under its direction, have already established a fully developed network of informers and a system of surveillance. This is still half-heartedly justified with the necessity of a "war on terror", as happened in Austria in respect of the "Police State Protection Act" which just became law. But this alibi is dropped in practice when it is a matter of harassing the real enemy. On 12 July 2016 the German Federal Criminal Police Office conducted raids on sixty (60) residences of "members of a secret Facebook group"; the raids were justified officially with the necessity for a "sensitisation of the citizens in dealing with Right-leaning statements on social networks".

24. "Stagnation is Regression" – Forward at all Costs

The more reality-detached, the more perverse and the more inoperable the project agenda is, the more totalitarian the dictatorship has to be in order to push it through. Therefore, EU-greats like Juncker, Merkel, Tusk and Schultz, on the day after Brexit, began to take the bull by the horns and secure a rapid finalisation of the elimination of all remnants of the nation-state structure of Europe, so that the "Sovereign State of Transeuropa" is not jeopardised on the home stretch.

The German Foreign Minister, Frank Walter Steinmeier, distinguished himself uniquely, for example, when at a meeting of the Visegrád states he presented a concept which

'transfers, as soon as possible, criminal law, the right to levy taxes, control over interior borders, the right to raise an army and the distribution of refugees to the competence of the EU, which is to be consolidated in its capacity as permanent debt and transfer union.'

In addition, the EU High Representative of the European Union for Foreign Affairs, Federica Mogherini, a few days later called for a close co-operation between the EU and NATO, which she said was necessary in order to support the security interests of the member states and their mutual solidarity. As if to sprinkle the final seasoning over it, Jean-Claude Juncker, almost at the same time, trumpeted that the EU institutions naturally have the right to enter into binding trade agreements, such as with the TTIP, without the member states having a hand in the matter, because the states have transferred their sovereignty to the EU.

25. Opposition to the EU Leviathan

A growing number of citizens of all Member States are no longer allowing themselves to be impressed by strong-arm swaggering of this kind. And all available data show that the vast majority will no longer allow the EU Leviathan and its reality-detached ruling elite to dictate what policy they are must accept when it comes to "refugees", to the question of continental redistribution mechanisms, to the project of cultural transformation and to matters relating to the private sphere. Brexit, which Great Britain has adopted and will implement calmly from now on, must be working work like a catalyst for resolving the paralysing anxiety which individuals and peoples have built up whilst faced with the supremacy of the EU Leviathan over the recent decades.

Given the many daily adversities which the people increasingly recognise to be the product of an errant superstate collectivism, the potential for opposition is growing in all countries with every passing day. Soon the people will be ready to come to terms with real alternatives to the EU. And it is only a question of the circumstances under which the EU will be replaced by another form of European co-operation.

It is not yet possible to predict whether the EU will first suffer an economic collapse or an institutional one; or alternatively, whether it will fall victim to the cultural disintegration which it itself has caused. Decision-makers who are worried about the crisis should in any case be prepared for every possible variation.

26. Brexit as Catalyst for the Renewal of Europe

Brexit is an opportunity to work out constructive concepts for the renewal of Europe and bring them up for discussion. ÖXIT after Brexit? - Nonsense. Why? One does not withdraw from a dying union until the questions of the allocation of assets and the matter of succession are resolved satisfactorily. But particularly Austria, on grounds of her historical experiences, her structure of international relations and her prestige as well as her location in the heart of Europe would predestine her to take on a leading role in the renewal of Europe.

27. Principles of a new European Community Framework

These may be characterised by the following guidelines:

  • Nation-states are a harbourage and protector of peoples and their citizens. Citizenship must bestow the privilege of exclusive utilisation of a range of state benefits.
  • The future European framework of co-operation is to be purposefully built upon the Christian cultural bedrock to which Europe owes her essence and her civilisational superiority.
  • Within the legal hierarchy, national law must always stand above supranational law.
  • The legal relations between states are of a contractual and multilateral nature and do not constitute a new level of law.
  • An Europe of the future must be a Europa à la carte.[6] Each state is to choose the level of intensity with which it strives to co-operate with other states or with the organisations they have jointly founded.
  • Supranational institutions are to be so configured institutionally that a gaining of independence on the part of the bureaucracy is impossible. In this way pathologies are to be avoided, such as they arise today, for example, with commissioners (actually mere employees of the member states) presuming to set the agenda for policy.
  • A possible harmonization of law must from the outset remain restricted to commercial law.
  • A legally binding transfer of authority to negotiate on the matter of contracts with third countries is strictly inadmissible.
  • Stipulations about content pertaining to a specific area of policy are inadmissible. In particular, so-called values have no place at the supranational level. Values are the main media for individuals and are the object of protection for the homeland.
  • Elimination without replacement of the anti-discrimination regime and elimination of its power agenda. Reinstatement of private autonomy and of discretionary competence of self-responsible individuals.
  • Restoration of civic freedom. Elimination of all elements of opinion adjudication and criminalisation of thought.

28. A Christian Core Europe [Kerneuropa 7]

These and similar guidelines of a new order cannot be implanted in lockstep with all the countries of Europe. Countries and groups of countries have variable traditions and experiences respecting their conceptions about institutions. The initial endeavour would aim for a co-operative association (Verbund) of a Christian Core Europe.

The following countries recommend themselves as candidates: Austria (provided it can renew itself civically); the Visegrád states; the Baltic states; the so-called Western Balkans, Romania and Bulgaria; and the Balkan states of Slovenia and Croatia, whereby an expansion to Serbia, Macedonia and Montenegro would also be conceivable. And perhaps also Northern Italy and the southern part of Germany would desire to join, which would not constitute a problem for the sovereignty of their homelands because the new supranational order would only be a function-sharing association.

These countries could and should also enter into privileged partnerships with countries outside the present EU territory in order to strengthen the economic gravitational force of the community structure. Eligible for this would be Russia, Ukraine and Belarus to name some examples.

The suggestions outlined here do not, of course, constitute a fully worked out concept and they require detailed operational definition and evaluation. But they could function as a pathfinder for a vision which Europe urgently needs in view of the fact that the European Union is approaching the end of its life cycle.

Also urgently needed is a spiritual liberation from the defeatism by which the current multifaceted crisis in Europe is regarded as the normal condition. A project of renewal is possible as long as Europe still draws strength from her Christian cultural tradition, from her superior productivity and from the order of her cultural landscapes.

Optimism is a duty (Popper). The European peoples should not hesitate to press the "reset button" and tackle continental integration from new perspectives.

BREXIT: All will be well.

 

Translator’s Endnotes

[1]. "...included among the elites are notably the intellectuals ... insofar as they feel called to support ... the implementation of a metapolitical universal ideology...."

Metapolitics (Gk. meta, beyond, or behind) is mentioned three times in this essay in context of an ideology having a very high degree of social penetrance. Metapolitics is a political strategy for establishing that penetrance. The Italian Communist, Antonio Gramsci, developed the theory of metapolitics, which was to be used to establish "cultural hegemony". The establishment of a metapolitical foundation is also the thrust behind the "long march through the institutions" of the Frankfurt School's Critical Theory. Thus metapolitics establishes a new infrastructure of “values” to replace the self-evident moral fabric of the old-culture. Examples are multiculturalism and gender ideology, the "metapolitics behind party politics" (Thor von Waldstein).

“Political domination seizes upon psychological support of the masses, upon a cultural power distributed among the masses. Whoever wants political change must first conquer this cultural citadel.” (Thor von Waldstein)

For a more comprehensive treatment of metapolitics, see Thor von Waldstein’s “Metapolitics and Party Politics” at Gates of Vienna

[2] "The EU is at once a product of planning, or rather, of construction":

“Constructionism”, as the phrase suggests, is akin to social or societal engineering, which is to say “planning”. Being a conscious manipulation, Constructionism contrasts with “das gewachsene Kulturgefüge” or the organically emergent (unconsciously naive) cultural fabric, which is Christianity in this case. This contrast is a leitmotif in the essay.

[3] Das bestehende und das Gewachsene (that which IS, the existent; and that which has grown):

"discrimination", a powerful weapon was put in place for the destruction of any cultural tradition resting on what is [auf dem Bestehenden] and what has grown [auf dem Gewachsenen] in an inherently organic way.

"Das Gewachsene", or the inherently organic growth of a culture contrasts with Constructionism --- here, conscious social "planning" --- as a leitmotif in this essay.

"das Gewachsene" is the substantive form of the verb wachsen, “to grow”, and the adjective, gewachsen, is used six times in this essay. Duden lists organisch (organic) as a synonym of the adjectival form, giving its meaning as "following a certain (natural) lawfulness (Gesetzmäßigkeit)" (einer bestimmten [natürlichen] Gesetzmäßigkeit folgend) Hence gewachsen" when referring to the Christian European old-culture implies the characteristics of a living organism (an organum).

Culture emerges plant-like (Spengler) in a people, metaphorically speaking and without the implication of biologism.

The ruling concept behind "das gewachsene Kulturgefüge" (Zeitz), the cultural fabric which has grown up in an inherently organic way, is the unconscious unfolding implied by its organicity, the culture is a naive product proper to itself, or negatively expressed, it is unconstructed. Culture simply IS (das Bestehenede). A culture's surface elements, for example its moral principles, are therefore felt as self-evident, as simply natural, and absolute.

Constructionism, being a planned, conscious artefact, is the antithesis of culture, for it calls into question every principle of self-evident “established normalcy” (Zeitz).

[4] An English language version of the quotations from the Treaty of Amsterdam can be found in Consolidated Version of the Treaty Establishing the European Community. A fuller English language version of the Treaty can be found in Treaty of Amsterdam Amending the Treaty on European Union.

[5] “The quasi-organic complexity [quasiorganische Komplexität], ... is therefore, in many respects not planned, but grown [gewachsen]”.

This statement expresses a leitmotif in the essay, which contrasts genuine organic culture with its replacement by "product of a construction", which is at the same time the "product of the stepwise exploitation by a spirit" (cultural socialism).

Here the term “gewachsen” (organic in growth) is applied to a “constructionist” form, rather than to culture itself (cf. meaning of "gewachsen" in endnote 3). Using the meaning of gewachsen, natural growth, as a point of reference, "quasi-organic complexity" expresses an imitation of culture, an ersatz culture with corresponding spontaneous attributes. Therefore Christian Zeitz qualifies this "planned" complexity as “quasi-organic”. It is a top-down construction which 'takes on a life of its own', a kind of parody of a true organic cultural phenomenon.

[6] The significance of Christian Zeitz' expression “Europa a la carte”, while not part of the section on a Christian Core Europe of his last section, it nevertheless fulfils its meaning against the background of the similar expression "Europe a la carte" [sic] which Lamers and Schäuble used in their 1994 paper entitled “Überlegungen zur europäischen Politik” (“Reflections on European Policy”) (See also endnote 7).

For Christian Zeitz, "Europa a la carte" is a desirable feature of the broader post-EU Europe, because it expresses the autonomy of each individual nation. The "Europe a la carte" of Lamers and Schäuble is undesirable from their standpoint, because it refers to the practise of individual member states accepting willy-nilly some aspects of the aquis (accumulated legislation and court decisions of the EU) and not others.

[7] "A Christian Core Europe": A "Christian Core Europe" will for many German speakers evoke the concept of "Core Europe" [Kerneuropa] as used by Karl Lamers and Wolfgang Schäuble in their 1994 paper entitled "Überlegungen zur europäischen Politik" ("Reflections on European Policy"), which appears not to be available in English on the Internet. Lamers and Schäuble (currently the German Minister of Finance), wrote of a "Core Europe" [Kerneuropa] which would include a "solid core" of "five to six countries" including France, Germany, Italy, Spain and Great Britain.

 
Original German language source: Andreas-Unterberger.at (21 July 2016)
Translated by Christian Zeitz

Christian Zeitz is scientific director of the Institute for Applied Political Economy.

 

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Herrn Kerns kurz-sichtige Politikübungen drucken

Leider sind die schrillen Töne der Türkei gegenüber Österreich alles andere als ein Zeichen dafür, dass Christian Kern mit seiner Ansage, diesem Land die EU-Beitrittsperspektive aufzukündigen, alles richtig gemacht hat. Im Gegenteil.

Nach seinem ersten Europäischen Rat witzelte Bundeskanzler Kern zur Freude mancher Bewunderer, dass er für solche Veranstaltungen Geduld lernen müsse. Ihm gehe da alles zu langsam. Als Macher aus der (staatsnahen) Wirtschaft ist man natürlich anderes gewöhnt. Wenn man dort das sagt, was der Gewerkschaft passt, geht alles schnell. Und dafür zahlen müssen ohnehin die Steuerbürger.

Freilich: Wenn man in der EU etwas durchsetzen will, dann geht das nicht so einfach. Schließlich gibt es da 28 selbstbewusste Partner, die zu einer gemeinsamen Linie kommen müssen. Und wenn ein Land etwas bewegen will, dann empfiehlt es sich nicht, den Partnern dies über die Medien auszurichten.

Christian Kern will also im nächsten Europäischen Rat dafür sorgen, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abgebrochen werden. Würde er das politische Handwerk verstehen, hätte er das nicht via Interview angekündigt, sondern im Vorfeld Allianzen geschmiedet, Argumente vorbereitet, Überzeugungsarbeit geleistet. So hat er bereits deutlichen und erwartbaren Widerspruch geerntet und die Chance auf eine Durchsetzung wohl vertan, obwohl sicher einige andere Regierungschefs ähnlich denken und der Errichtung der Erdogan-Diktatur nicht mehr tatenlos zuschauen wollen.

Verstünde Herr Kern etwas von dem Beruf, für den wir ihn hoch bezahlen, dann hätte er in seiner Begründung nicht auch noch haarsträubend falsch argumentiert. Denn: Ja, die ausgerufene „Säuberung“ nach dem Putsch, die Massenverhaftungen, die Enteignungen, die Repressionen gegen Künstler und Medien – das alles macht einen EU-Beitritt der Türkei unmöglich. Sicher aber nicht die von Kern angeführte Tatsache, dass „die Volkswirtschaft der Türkei so weit weg von einem europäischen Durchschnitt" sei. Dann dürfte es auch keine Beitrittsverhandlungen mit Serbien geben, hätte es sie nie mit Rumänien oder Bulgarien geben dürfen.

Noch viel verhängnisvoller aber ist sein Irrglaube, dass die Beitrittsverhandlungen – wie er sagte – „nichts mit dem Flüchtlingsdeal“ zu tun hätten. Nicht, weil dieser Deal so großartig wäre. Angela Merkel hat mit dem fragwürdigen Abkommen die EU in eine schwache Position hineinmanövriert. Es wird sich kaum nachweisen lassen, wie viel es Europa an Entlastung vom Flüchtlingsstrom gebracht hat, aber immerhin hat es bisher verhindert, dass ein weiterer Massenexodus Richtung Europa in Bewegung gesetzt wurde.

Damit das auch dann nicht geschieht, wenn die EU die Türkei dorthin verweist, wohin sie  gehört – nämlich weit weg von einer Gemeinschaft von Rechtsstaaten -, muss die EU endlich für einen effektiven Schutz ihrer eigenen Außengrenzen sorgen. Und sie darf sich auch nicht länger – wie Außenminister Kurz sagt – vor hässlichen Bildern an solchen gut geschützten Grenzen fürchten. Auch dafür müssten vor dem Europäischen Rat, in dem Kern für einen Abbruch der Gespräche sorgen will, Allianzen der Klardenkenden geschmiedet, Pläne entwickelt, Alternativen vorbereitet werden. Angela Merkel wird es den anderen nicht leicht machen.

Auch Politik muss man können, besonders auf der internationalen Ebene.
Freilich: Seit Wolfgang Schüssel hat kein österreichischer Kanzler mehr gewusst, wie auch ein kleines Land in der EU viel bewegen kann. Und dieses politische Unvermögen an unserer Staatsspitze hat Österreich nicht gerade gut getan.

Im Fall Kern kommt noch dazu, dass sich hier einer in der Politik übt, der seit seinem Amtsantritt stolz von sich behauptet, kein Politiker zu sein. Würde eigentlich irgendjemand einen Installateur wollen, der stolz darauf ist, kein Installateur zu sein?

Warum aber dilletiert einer, der auszog, die SPÖ zu retten, ausgerechnet auf dem sensiblen Gebiet der Außenpolitik? Schon die Ungarn-Fehltritte Kerns haben Österreich geschadet und die Bemühungen der Regierungs-Realos Kurz, Doskozil und Sobotka gefährdet. Warum also jetzt wieder und auf noch schwierigerem Terrain?

Dahinter steckt der Versuch, den einzigen Rivalen aus den Reihen des Koalitionspartners auszuhebeln – nämlich Sebastian Kurz. Zuerst hatte Kern gemeint, über die Berufung der Staatssekretärin mit Migrationshintergrund, Muna Duzdar, den jungen Integrationsminister zu konterkarieren. Die Dame wäre zwar für Beamte zuständig, erklärt aber ständig, wie Integrationspolitik zu funktionieren habe. Ihr „Wissen“ bezieht sie übrigens ausschließlich aus ihrer persönlichen Erfahrung und den Parolen der linken Wiener Willkommenskultur. Der jungen Dame gelang es verständlicherweise nicht, Kurz verblassen zu lassen.

Noch vor dem Sommer war von einem angeblich „kometenhaften“ Aufstieg des damals frisch gekürten SP-Chefs bei der Kanzler-Frage zu lesen: 34 Prozent würden ihn direkt zum Kanzler wählen wollen, den Herausforderer Strache nur 22, Reinhold Mitterlehner überhaupt nur 15 Prozent. Was freilich von den Inserate-heischenden Postillen nicht berichtet wurde: Weit vor Kern in der Umfragegunst lag (und liegt) ein noch hypothetischer Kanzler-Kandidat – Sebastian Kurz.

Diesen Konkurrenten durch schlecht vorbereitete Ausritte auf dem außenpolitischen Parkett bekämpfen zu wollen, ist nicht nur unklug und ungeschickt. Das schadet Österreich.  

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Putsch in der Türkei - gab es ein geheimes Drehbuch? drucken

Es ist schon ein erstaunlicher Vorgang, wenn nach einem niedergeschlagenen Putschversuch in der Türkei bereits 24 Stunden später neben 2.500 verhafteten Soldaten (nachvollziehbar) auch 2.400 Richter aus ihren Ämtern geworfen werden. Präsident Recep Tayyip Erdo?an, der zweifellos die Unterstützung der Mehrheit seines Volkes inne hat, hat den Putschversuch als ein „Geschenk Gottes“ bezeichnet. Nun kann er endlich schalten und walten, wie er will.

Nachdem er bereits einen Teil des türkischen Parlaments in diesem Jahr per Mehrheitsbeschluss zu Straftätern erklären liess, räumt er nun auf, „säubert“, wie er das selbst nennt. Machen wir uns nichts vor: die Türkei ist kein Land mehr, das zu den Staaten der EU auch nur ansatzweise passen könnte. Wenn die EU Rückgrat hat – und das erwarte ich vom aktuellen Brüssel leider nicht – sollten Kommission und EU-Parlament noch in dieser Woche die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei formell für gescheitert erklären. Nach dem Brexit täte es auch gut, mal durchzuzählen, wer noch zum EU-Club dazugehören will. Die Mitgliedschaft ist ja freiwillig. Wer gehen will, soll gehen. Und wer sein Land von einer im Grundsatz demokratischen Gesellschaft zu einem Polizeistaat entwickelt, kann ganz sicher nicht dazu gehören. Und das ist für Europa ein Problem und für die NATO auch. Die Türkei spielt eine überaus wichtige Rolle im westlichen Verteidigungsbündnis, quasi als Frontstaat an den Grenzen zum Wahnsinn. Und sie soll gegen Milliarden aus Brüssel und Berlin das Flüchtlingsproblem Europas, nein, das Flüchtlingsproblem Deutschlands, Österreichs und Schwedens im Griff behalten.

Bleibt die Frage nach der großen Verschwörung. Hat Erdogan den Putsch selbst inszeniert? Gab es vielleicht ein Drehbuch, nach dem der gescheiterte Putsch bis heute von Erdogan und seinen Leuten entwickelt wird? Auch als Nicht-Verschwörungstheoretiker muss ich leider sagen: Man kann diesen Gedanken nicht ausschließen. Erdogan hat die Skrupellosigkeit, die Mittel und die Macht, um so ein Schmierenstück vor den Augen des globalen Publikums aufzuführen. Und es gab natürlich in der Historie solche Verschwörungen. Nicht der Blödsinn, den uns heute die sogenannten „Truther“ präsentieren, über 9/11 und die angeblich nicht stattgefundene Mondlandung und die Chemtrails, die uns alle kirre machen. Denken Sie an den Überfall auf den Sender Gleiwitz am 31. August 1939. Unter dem Tarnnamen „Unternehmen Tannenberg“ inszenierte die SS diesen Angriff. Der „Völkische Beobachter“, das NS-Propagandablatt schlechthin, schrieb darauf unter der Überschrift „Der unerhörte Bandenüberfall auf den Sender Gleiwitz“, dass sich „die polnische Meute“ dazu habe „hinreißen lassen, die Reichsgrenze zu überschreiten, einen deutschen Sender zu überfallen, und die Kriegsfackel an ein Pulverfaß zu legen, dessen Existenz vor der Geschichte die Polen einmal zu verantworten haben werden.“ Was darauf folgte, ist bekannt: Am 1. September 1939 kündigte Hitler an, nun werde „zurückgeschossen“, und der Zweite Weltkrieg begann. Am Ende waren 50 Millionen Menschen rund um den Erdball tot.

Oder nehmen wir den sogenannten „Tonkin-Zwischenfall“ Anfang August 1964. Vor der Küste Nordvietnams griffen damals nach Angaben der US-Marine nordvietnamesische Schnellboote zwei amerikanische Kriegsschiffe mehrmals ohne Anlass an. US-Präsident Lyndon B. Johnson setzte daraufhin die „Tonkin-Resolution“ durch, was zum direkten Eingreifen der USA in den Vietnam-Krieg führte. Erst 1971 enthüllte die „New York Times“, eine der angesehendsten Zeitungen der Welt – oder wie man heute sagt „Lügenpresse“ – die „Pentagon-Papers“, ein geheimes Dokument aus dem US-Verteidigungsministerium. Aus dem ging hervor, dass der Kriegseintritt der USA lange vorher geplant wurde. Die Angriffe auf US.Kriegsschiffe hatte es gar nicht gegeben.

Ja, es gibt politische Verschwörungen, die den Lauf der Weltgeschichte dramatisch verändert haben. Und es gibt den Putschversuch in der Türkei. Hat Erdogan ihn selbst inszeniert? Ich weiß es nicht. Würde ich es ihm zutrauen? Ja.

Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.

 

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Der Brexit als Chance - alles wird gut! drucken

Die Gewitterwolken haben sich verzogen. Mehr als drei Wochen nach dem Votum der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union ist es angemessen, grundsätzliche Überlegungen zum derzeitigen Status der EU, zu den von ihr transportierten politischen Agenden, zur Krise Europas und zu den Möglichkeiten, die sich katalytisch aus dem Brexit für eine Erneuerung Europas ergeben könnten, anzustellen.

Die unmittelbare Zeit nach der Brexit-Abstimmung war vernebelt vom Überraschungszustand der Brexit-Befürworter aufgrund ihres eigenen Sieges, von geschürten Ängsten der Bevölkerungen Englands und der anderen EU-Staaten und von Verächtlichmachung, Desinformation und Drohungen, mit denen die EU-Gewaltigen England entgegengetreten sind, wohl auch, um jede Vorbildwirkung für andere EU-Mitgliedstaaten im Keim zu ersticken. Inzwischen haben sich „die Märkte“ wieder weitgehend beruhigt, hat England personalpolitische Klarheit an seiner Spitze geschaffen und haben sich sämtliche Phantasien über eine Wiederholung der Volksabstimmung oder eine mögliche Verweigerung der Umsetzung des Volksentscheides in Luft aufgelöst.

Was sind „Europäische Eliten“?

Lange in Erinnerung bleiben wird aber das Verhalten der EU-Mächtigen und ihrer nationalen Vasallen, die im Ärger über den Wahl-Ausgang ihre hässliche Fratze gezeigt haben und damit einen Einblick in ihre wahren Absichten gegeben haben.

Der Europäischen Union verdanken wir einen vollständigen Bedeutungswandel eines wichtigen, in allen europäischen Sprachen verankerten soziologischen Begriffs: Noch vor wenigen Jahren stand das Wort „Elite“ für jene gesellschaftliche Minorität, die sich durch besonders vorzügliche Eigenschaften hervorheben würde und diese Vorzüge auch zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen bereit wäre. Das Begriffsfeld der „Elite“ verband stets Aspekte der überlegenen Bildung und des Kenntnisreichtums mit moralischer Integrität, Verantwortungsbewusstsein und Einsatzwillen, und all dies in Verbindung mit einem gewissen Formalstatus. Auch die Eigenschaften der Bescheidenheit und der Opferbereitschaft gehörten gemeinhin zum Weichbild des Elitebegriffs.

Wer heute das Wort „Elite“ benutzt, meint eigentlich beinahe das gerade Gegenteil: Einzig, dass es sich bei dieser Gruppe um eine Minderheit handelt, die einen formalen Status von Macht und Einfluss besitzt, ist mit der alten Bedeutung noch deckungsgleich. Ansonsten steht die „Elite“ heute für eine abgehobene, dünkelhafte Herrscherklasse, die sich berechtigt fühlt, die unmündigen Untertanen auch gegen deren Willen zu einer Neuordnung der Gesellschaft und des ganzen Kontinents zu zwingen, von der behauptet wird, dass sie irgendwie moralisch überlegen, funktional leistungsfähiger und angesichts der unumkehrbaren Entwicklungen dieser Welt alternativlos sei.

Dieser Elite fühlen sich nicht nur politische Entscheidungsträger und Funktionäre der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, sondern auch Verfügungsberechtigte großer wirtschaftlicher Syndikate und Vermögenswerte sowie der systemrelevanten Medien und anderer Teile der Bewusstseinsindustrie zugehörig. Dazu zu zählen sind somit insbesondere auch Intellektuelle und Hochschullehrer, Künstler, Unterhaltungsspezialisten und sogenannte Kreative aller Art, insoweit sie sich berufen fühlen, die Agenda der Totaltransformation der europäischen Gesellschaften mit der Durchsetzung einer metapolitischen Universalideologie zu unterstützen beziehungsweise erst möglich zu machen.

Da dieses Projekt als ein Kampf der absolut „Guten“ gegen die absolut „Bösen“ begriffen wird, fühlen sich die Angehörigen der neue Elite berechtigt, ihre Herrschaft und ihre Verfügungsgewalt über die Ressourcen der Gemeinschaft auch mit Mitteln abzusichern, die mit demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar sind. Für die Angehörigen der neuen Elite ist weiters die Inanspruchnahme eines prallen und hedonistischen Lebensstils charakteristisch, in dem sie sich durch das exklusive Wir-Gefühl der gesellschaftlichen Avantgarde verbunden wissen.

Was sich heute als „Elite“ begreift, ist also viel eher das, was im Sowjetkommunismus als „Nomenklatura“ bezeichnet wurde: Die totalitären Mächtigen und ihr verzweigter virtueller Hofstaat.

Beispiellose Ignoranz und Abgehobenheit

Die Elite selbst hat den Bedeutungswandel des Wortes für ihre eigene Bezeichnung noch nicht begriffen. Am 22. Juni verstieg sich der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck zu folgender verblüffender Einschätzung: „Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem.“

Nach der klaren 52:48-Entscheidung der britischen Bevölkerung zugunsten eines Austritts aus der EU ließ der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler seiner Entrüstung und seinem Entsetzen freien Lauf: Er könne gar nicht verstehen, wie die Bevölkerung sich so sehr gegen die Vernunft vergehen konnte, wo sich doch die gesamte Elite für den Verbleib in der EU ausgesprochen hätte. Zwischen diesen beiden Manifestationen elitären Selbstverständnisses lag nicht nur die Brexit-Entscheidung selbst, sondern ein ganzes Geschwader aggressiver Angriffstorpedos, mit denen die Vertreter der reinen (EU-)Lehre den vermeintlichen Verrat der Briten angriffen.

Von den Nebengeräuschen dieser Torpedos blieb auch die österreichische Szene nicht verschont. In der Sonntags-„Presse“ nach dem Brexit-Tag (26. Juni) beispielsweise verständigten sich Wolfgang Schüssel, Ulrike Lunacek, der EU-Lobbyist Gerald Knaus und die wohlsubventionierte Schriftstellerin Lydia Mischkulnig auf eine scharfe Gangart gegen Separatismus und EU-Abweichlertum. Schüssel brandmarkte den Brexit-Entscheid als das Aufgehen der „Drachensaat“ jener, die sich jahrelang nur zu einem „Ja, aber“-Europa bekennen wollten. Konsequenterweise definiert Mischkulnig die „Brexit-Fehlentscheidung“ als „Produkt von Demagogen und Populisten“, deren „Führerparteien“ die „nationale Abschottung“ mit „Fascho-Symbolen“ eingewinkt hätten, die „der Mob“ benötigen würde.

Dagegen nimmt sich Lunaceks Attacke gegen die „brandgefährlichen Nationalismen“ geradezu harmlos aus – besonders, wenn man in Rechnung stellt, dass ein „funktionierender Mechanismus zu Überwachung der Europäischen Werte“ im Stil einer Gesinnungspolizei mit Sondervollmachten zu ihrem europapolitischen Selbstverständnis gehört (vgl. Paneuropa Österreich, Mai 2016). Knaus unterstellt den EU-Kritikern „Engstirnigkeit“, „Sündenbock-Denken“ und den vielzitierten „Glauben an einfach Lösungen“. Er ist damit ein Repräsentant der jahrzehntelangen, phantasielosen Leier der immer und immer wieder gedroschenen Totschlag-Phrasen zur Immunisierung der EU gegen jedwede Kritik.

Verunsicherung durch Propaganda-Bluff

Im Stile der Wohlfühl Propaganda „Gemeinsam statt einsam“, gegen Kleinstaaterei, Engstirnigkeit, nationalen Egoismus, Spaltung usw., hat die Elite seit Jahrzehnten jede konstruktive Auseinandersetzung mit den Defiziten der EU erfolgreich unterbunden und damit Korrekturen des Konzepts sabotiert, als diese vielleicht noch möglich gewesen waren.

So wurden auch Brexit-Wähler, und pauschal gleich alle Briten, in zahllosen Beiträgen als Zerstörer der geheiligten Ordnung stigmatisiert. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses haben die Büttel der Eurokratie gezielt für Verunsicherung gesorgt: Die Briten hätten, geschockt über die Folgen ihres Fehlverhaltens, innerhalb von Stunden ihre Meinung radikal geändert; eine Wiederholung der Abstimmung würde ein ganz anderes Ergebnis zeitigen. Innerhalb einer Nacht wären 420 Milliarden Euro vernichtet worden – als Folge der plebiszitären Fehlentscheidung. Die Briten müssten, nachdem sie sich an der EU vergangen hätten, nunmehr radikal bestraft werden, indem man sie im Zuge der Austrittsverhandlungen die maximalen Folgen ihrer „isolationistischen und egoistischen Politik“ spüren lassen müsse. Eine parlamentarische Umsetzung des EU-Austritts sei zu verweigern, die englischen Abgeordneten müssten ihrer Verantwortung für das europäische Ganze gerecht werden – insbesondere, da die Briten ihre Meinung sowieso schon wieder geändert hätten. Und Volksabstimmungen dieser Art seien in Zukunft generell zu verbieten. „Wozu gibt's gewählte Volksvertreter, wenn's ernst wird?“ (Schüssel)

Antidemokratische Elite

Im Versuch der Delegitimierung des Brexit -Volksentscheids bewiesen und beweisen die Angehörigen der Elite ihre radikal antidemokratische Grundhaltung. Aber noch viel mehr: Viele von ihnen zeigen bei dieser Gelegenheit, dass die Grundmuster faschistischen Denkens in ihren eigenen Köpfen verankert sind und nicht in denen ihrer Gegner. Für den Brexit hätten doch die Ungebildeten, die Alten, die wirtschaftlich Erfolglosen bzw. die „Fortschrittsverlierer“ gestimmt, und ein klares Stadt-Land-Gefälle zeige den „Provinzialismus“ der EU-Skeptiker.

Demgegenüber hätten die Jungen zu 60 Prozent sowie die Gebildeten und Erfolgreichen mehrheitlich und eindeutig für den Verbleib in der EU votiert. (Gesagt wurde dabei natürlich nicht, dass überhaupt nur 24 Prozent der Unter-Dreißig-Jährigen an der Abstimmung teilgenommen hatten). Klar, wo daher die Zukunft liegen würde.

Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wird hier unverblümt mit der Idee gespielt, dass die Stimmen aus bestimmten Bevölkerungsgruppen weniger wert wären, als die aus anderen. Kann man abstreiten, dass diese menschenverachtende Einstellung ganz nah am Diktum vom „Untermenschen“ dran ist?

Angesichts all des Geifers, mit dem die Eliten ihre Kritiker verfolgen, ist es hoch an der Zeit, die seit Jahren verweigerte Diskussion über das wahre Wesen, die Gebrechen und die Zukunft der EU in einer dem Komplexitätsgrad der Materie angemessenen Weise zu führen. Diese wurde bis jetzt von den EU-Befürwortern unter gebetsmühlartigem Absingen primitiver Reklamesprüche und Propagandafloskeln verweigert. Sie, nicht die Kritiker sind es, die angesichts schwierig zu durchschauender Zusammenhänge mit „einfachen Lösungen“ aufwarten.

Das Wesen des „EU-Gebäudes“

Die EU sagt nicht die Wahrheit über sich selbst. Sie ist kein Friedens- Freiheits- und Wohlstandsprojekt. Sie ist es nicht mehr. Ihr Gründungsmythos ist bestenfalls noch Fassade. Hinter dieser Fassade steht ein Gebäude, das von Bewohnern bezogen wurde, die den Gebäudezweck und seinen Ausbau in dramatischer Abweichung von den ursprüngliche Plänen seiner Architekten ausgestaltet haben.

Das heißt nicht, dass das Gebäude von seiner Anlage her nicht für den Nutzungszweck seiner neuen Besitzer geeignet gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Zwar sind das Konzept eines Gebäudes und die Praxis seiner Nutzung zunächst durchaus zwei verschiedene Dinge. Aber mit der Fortdauer seiner Bewohnung rinnen die Gebäudesubstanz und das Leben, das sich in ihr abspielt, fugenlos ineinander. Ein spezifisch benutztes Gebäude strahlt stets den genuius loci aus und dieser erfährt seine Form und Ausprägung durch seine Behausung.

Wenn man das nicht versteht, erschließt sich einem das Wesen der EU und ihre spezifische Zuständlichkeit in der Gegenwart nicht. Die EU ist gleichzeitig ein Planungs- bzw. Konstruktionsprodukt und ein Produkt der schrittweisen Indienstnahme durch einen Geist, der sich unabhängig von ihr während des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts ausgebreitet und etabliert hat. Sie ist das Ergebnis eines Wechselspiels von geplantem Vorhaben und wildwüchsigem Wachstum, und dieses Artefakt ist durchflutet von einer ideologischen Agenda, die aus der jahrhundertealten Revolte gegen die christliche Religion und das von ihr hervorgebrachte Vernunft- und Kulturgefüge resultiert.

Gründerväter und ihre Pläne

Die EU wurde in der heute bestehenden Form von keinem ihrer Gründerväter geplant oder so gewollt. Es ist richtig, dass insbesondere Jean Monnet (und mit ihm Schuman, de Gasperi u.a.) eine syndikalistische Verzahnung der Wirtschaften Europas anstrebte, auf der schrittweise eine unumkehrbare politische Vergemeinschaftung aufgesetzt werden sollte. Ebenso stimmt es, dass Winston Churchill die „Vereinigten Staaten von Europa“ mit transatlantischer Anbindung anstrebte. Aber ebenso sicher wie beide einen einheitlichen Superstaat im Auge hatten, ist es, dass es keine Belege gibt, die dafür sprechen, dass sie damit eine gesellschafts- und kulturpolitische Revolution in der Art betreiben wollten, die heute die Hauptagenda der EU ausmacht.

Delors-Plan, Währungsunion und Maastrichter Vertrag

Bis zum Zeitpunkt des Maastrichter Vertrages (1992) hätte sich die „Europäische Integration“ in eine völlig andere Richtung entwickeln können, als sie es tatsächlich hat. Und selbst nach dieser Zäsur, mit der die Wirtschaftsgemeinschaft in eine politische Union übergeführt wurde, hätte Europa an bedeutenden Weggabelungen eine signifikant andere Ausgestaltung erfahren können, als es heute aufweist.

In der Ratskonferenz von Hannover 1988 wurde die monetäre Zukunft des vereinigten Europas festgelegt. Das Mainstream-Konzept des damaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors, mit dem eine einheitliche Währung im Zuge einer dreistufigen Konvergenzphase durchgesetzt werden sollte, setzte sich durch. Doch es hatte auch einen alternativen Vorschlag für die Gestaltung eines harmonischen europäischen Währungsraumes gegeben. Margret Thatchers Schatzminister Nigel Lawson setzte sich bereits in den Jahren davor für ein Konzept ein, „das auf den genialen Ideen des österreichischen Nobelpreisträgers Friedrich August von Hayek beruhte“ (Lawson) und das stabile und leistungsfähige Zahlungsmittel durch die Bereitstellung seitens privater, zueinander in Konkurrenz stehender Emittenten vorsah.

Der Sozialist Delors setzte sich gegen Lawson durch, und so entstand die monetäre Bewirtschaftung Europas durch eine zentralistische, ungedeckte Einheitswährung, deren Geldmenge seither aus politischen Motiven hemmungslos ausgedehnt wird und die die Basis einer kontinentalen Umverteilung darstellt. Europa verdankt den Folgen dieser Fehlentscheidung nicht nur eine unglückselige Banken- und Transferunion, sondern auch den Keim der, noch bevorstehenden, größten Wirtschaftskrise aller Zeiten.

Die „Währungsunion“ wurde dann auch expliziter Bestandteil des Maastrichter Vertrages (1992), obwohl es – besonders mit Blickwinkel auf die damals aktuellen Beitrittskandidaten (auch Österreich) – von allen relevanten Entscheidungsträgern in Abrede gestellt wurde, dass die Aufgabe der nationalen monetären Autonomie obligatorischer Bestandteil der EU-Mitgliedschaft wurde.

Dennoch war „Maastricht“ noch keineswegs die formale Grundlage eines Superstaates. Das Vertragskonzept sah völlig unterschiedliche Intensitäten der Zusammenarbeit vor und lässt – eher nur bei nachträglicher Lektüre – bloß in Andeutungen und Ansätzen die mögliche Zielsetzung einer Beseitigung nationalstaatlicher Souveränitäten erkennen. Das berühmte 3-Säulen-Modell sieht neben dem klassischen, verbindlichen EG-Bereich (1. Säule) die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GASP (2. Säule) und die Zusammenarbeit im innenpolitischen und Justizbereich (3. Säule) vor. Für die zweite Säule wurde eine gemischte Verantwortung, für die dritte Säule ausdrücklich eine Letztverantwortung und Entscheidungskompetenz der Mitgliedsstaaten definiert.

Der Bereich Sozialpolitik wurde nur als Absichtserklärung beziehungsweise Grundsatzleitlinie im Rahmen eines Zusatzprotokolls erfasst, der Kulturbereich nur unverbindlich angesprochen. Insbesondere die Segmente Familie/Familienpolitik, Religionsrecht, Einwanderung, Schulpolitik/Ausbildung sowie das Strafrecht blieben von der „europäischen Harmonisierung“ ausgenommen. Nachdem diese Bereiche die entscheidenden politischen Determinanten der Kulturordnung sind, waren damit die Weichen einer kontinentübergreifenden Kulturrevolution vorerst noch nicht endgültig gestellt.

Dies sollte sich mit den EU-Vertragswerken der darauffolgenden Jahre dramatisch ändern.

Der Amsterdamer Vertrag als ideologische Wegmarke

Der Vertrag von Amsterdam (1997) etablierte in seinem berühmten Artikel 13 eine alles umfassende „Antidiskriminierungsagenda“. Bekämpft werden sollten ab sofort alle „Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder des sexuellen Ausrichtung“. Mit der Dogmatisierung des Begriffs „Diskriminierung“ wurde eine mächtige Waffe zur Zerstörung jeder Kulturtradition in Stellung gebracht, die auf dem Bestehenden und Gewachsenen, auf etablierter Normalität, auf Mehrheitsmeinung, auf Differenzierung und objektiver Ungleichheit sowie auf der Unterschiedlichkeit und Ungleichwertigkeit von wirtschaftlichen Leistungsbeiträgen und sozialen bzw. kulturellen Handlungsfolgen beruht.

Unter Diskriminierung wird nicht einfach die Ungleichbehandlung des Gleichen verstanden. Vielmehr wird mit diesem Begriff die differenzierte Sicht, Einschätzung und Behandlung des objektiv Ungleichen inkriminiert, soweit die Ungleichheit selbst als politisch unerwünscht definiert wird. Das Diskriminierungsverbot verbietet es, das politisch unerwünschte Ungleiche ungleich zu sehen und zu behandeln. Die Antidiskriminierungsagenda ist kein gesellschaftspolitisch neutrales Konzept wie beispielsweise das juristische Prinzip der Rechtsfolgengleichheit. Sie ist vielmehr eine normative Konzeption zur Durchsetzung gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen nach dem Wunschbild jener Kräfte, die das gewachsene Kulturgefüge überwinden wollen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinen Urteilsbegründungen mehrfach das Diskriminierungsverbot als „Leitmotiv des EU-Vertrages“ bezeichnet (siehe Gerichtshof der Europäischen Union, C-303/06, C-54/07, C-43/75, C- 177/88, C-14/83, Rat der Europäischen Union 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG).

Dies hat dramatische und nachhaltige Konsequenzen für die Dynamik der kulturellen und gesellschaftspolitischen Umgestaltung EU-Europas. Die Antidiskriminierungsagenda hat sich als Turbo für die Ausbreitung und Einwurzelung des Islam, für die Verstärkung des Zuwanderungsdrucks und die Beförderung der Interessen von Asylwerbern, Wirtschaftsflüchtlingen und Sozialmigranten sowie als Instrument zur Beschädigung der Familie und zur Forcierung des homosexuellen Lebensstils erwiesen.

Der Amsterdamer Vertrag als Grundlage der Kulturrevolution

Neben dem Antidiskriminierungsdogma hat der Amsterdamer Vertrag weitere Grundpfeiler der Kulturrevolution einzementiert:

Zum „schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit der Sicherheit und des Rechts“ sollen die Bereiche „Asyl und Einwanderung sowie der Schutz der Rechte von Staatsangehörigen dritter Länder“ (Art. 73 i) vergemeinschaftet werden. Weiters wird die „Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen und vertriebenen Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten...“ (Art 63) urgiert. Ferner soll der Kampf gegen „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ zum Gegenstand einer gemeinsamen polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit gemacht werden (Art. 29).

Der Vertrag von Nizza und die Strukturdeterminanten der EU

Der nächste Schritt in der Entwicklung der EU wurde mit dem Vertrag von Nizza (2001) vorgenommen. Nach der Implementierung radikaler ideologischer Positionen im Amsterdamer Vertrag wurden nunmehr die formalen und institutionellen Voraussetzungen für eine weitere Verstärkung der „horizontalen und vertikalen Integration“ grundgelegt. Rat, Kommission und Parlament wurden vergrößert bzw. in ihren Stimmgewichtungen verändert. Insbesondere wurde das Einstimmigkeitsprinzip zugunsten von „Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit“ weitgehend zurückgedrängt, um Ländern bzw. Regierungen, die eine weitere Entnationalisierung nicht mehr mittragen wollen, künftig keine Möglichkeit einer Blockade mehr zu geben. Um den Druck auf die Mitgliedsstaaten zu erhöhen, wurde auch ein Mechanismus zur Anwendung von Sanktionen gegen unbotmäßige Länder etabliert (Art 6), nachdem sich herumgesprochen hatte, dass die seinerzeitigen, skandalösen „Sanktionen der EU-14 gegen Österreich“ (Jänner bis September 2000) jeder Rechtsgrundlage entbehrt hatten. Die EU fühlte sich damit fit für die nächste Runde der Aufnahme weiterer Beitrittskandidaten.

Der Lissabonner Vertrag und die Komödie seiner Ratifizierung

Ein weiterer gesellschafts- und kulturpolitischer Transformationsschritt wurde mit dem Lissabon-Vertrag vorgenommen. Bereits seine Entstehungsgeschichte muss als geradezu bizarr und als Kulminationspunkt des antidemokratischen Wesens der EU begriffen werden. In einem „Verfassungskonvent“ unter Valéry Giscard d'Estaing wurde ein „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ ausgearbeitet. Dieser war als ultimativer und unumkehrbarer Übergang vom Staatenbund zum Superstaat geplant, denn eine Verfassung zu besitzen, ist definitiv die exklusive Eigenschaft eines Staates.

Während die meisten Mitgliedstaaten diese substantielle Veränderung einfach im Rahmen von Parlamentsbeschlüssen vollzogen, scheiterte die Ratifizierung zunächst an den Referenden in Frankreich und Holland. Diese wurde, nach einer „Reflexionsphase“, zunächst ganz ohne Beteiligung der Völker Europas, 2007 per Vertragsunterzeichnung in Lissabon widerstandslos einbegleitet. Allerdings musste dieser Akt von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden, was mit einer Ausnahme durch die nationalen Parlamente erfolgte. Diese Ausnahme war Irland, wo die Zustimmung in einer Volksabstimmung 2008 verweigert wurde. Nach großem internationalem Druck und nach einer Propagandaoffensive der irischen Herrschaftselite wurde diese Abstimmung 2009 wiederholt, und sie brachte das von EU-Europa erwünschte Ergebnis.

Integraler Bestandteil der de-facto-Verfassung wurde die unter Roman Herzog ausgearbeitete (1999/2000) Grundrechte-Charta, die bereits 2000 vorsorglich „feierlich proklamiert“ worden war.

Die Grundrechte-Charta weicht in vielerlei Hinsicht rechtsdogmatisch von den historischen Sammlungen der Grund- und Freiheitsrechte ab. Diese stellten auf den Schutz der Freiheit und Privatautonomie des Bürgers vor einem zu Machtmissbrauch und Ressourcenverbrauch tendierenden Staat ab. Die EU-Charta hingegen begründet diesen Allmachtsanspruch geradezu durch „soziale Rechte“. Und sie kleidet ihre gesellschafts- und kulturpolitischen Umgestaltungsabsichten in sogenannte „europäische Werte“, die sie zur Gemeinschaftsgrundlage stilisiert und die damit jedem Zweifel entzogen werden sollen.

Das Prinzip der Nichtdiskriminierung wird um das Kriterium der Staatsangehörigkeit ausgeweitet, womit die Grundlage für das Projekt geschaffen wird, Fremde mit Staatsbürgern nicht nur in rechtlichen, sondern auch in sozialen und wirtschaftlichen Belangen gleichzusetzen. (Art. 21/2) Indem die sogenannte „Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen“, die keineswegs auf ihre Zugehörigkeit zum europäischen Kulturkreis beschränkt werden, zu einem europäischen Höchstwert hochstilisiert werden, wird der Diktatur des Relativismus und dem Phantasma der „Multikulturellen Gesellschaft“ die Schneise gebrochen.

Lissabon-Vertrag und Superstaat

Der Lissabon-Vertrag selbst leitet definitiv das finale Stadium der Entstehung eines einheitlichen Superstaates ein, der der Durchsetzung eines ganz spezifischen Staatszieles denominiert ist. Diesem Konzept wird sowohl in institutioneller Hinsicht als auch im Hinblick auf die Formulierung der Unionsziele und Unionskompetenzen Rechnung getragen. Der Lissabon-Vertrag hat den ursprünglich geplanten allerletzten Schritt in die „Vereinigten Staaten von Europa“ noch nicht vorgenommen, weil die Ratifizierungskrise gezeigt hatte, dass die objektiven und subjektiven Bedingungen dafür noch nicht vorhanden waren.

Um denjenigen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die das Diktat eines europäischen Zentralstaates fürchteten, wurde mit dem Artikel 3a sogar eine Formulierung aufgenommen, die den Anschein des Schutzes nationalstaatlicher Integrität erweckt: „Sie (die EU, Anm.) achtet die grundlegenden Funktionen des Staates; insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der nationalen Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung einzelner Mitgliedstaaten.“

Diese Formel widerspricht einer Reihe anderer, weitaus operativerer Passagen in diesem Vertrag (siehe beispielsweise die gesetzgeberischen Kompetenzen der EU zu den Themen Justiz, Innenpolitik und Zuwanderung sowie Art. 205-227 über das „Auswärtige Handeln der Union“). Aber sie macht den Gesamttext für viele annehmbar und beseitigt potentiellen Widerstand gegen den allerletzten Akt der Verschmelzung.

Der Lissabon-Vertrag macht die EU zur eigenen Rechtspersönlichkeit. Seine Institutionenreform brachte mit dem „ständigen Präsidenten des Rates“ und dem „Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik“ zwei weitere Symbolfiguren eines offensichtlich quasistaatlichen Herrschaftsgefüges. Und die Festlegung der Unionsziele und Unionskompetenzen präformieren die Agenda, die in Zukunft betrieben werden soll: Von sozialen Grundrechten, sozialem Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit ist hier ebenso die Rede wie vom Ziel der Vollbeschäftigung und des Wirtschaftswachstums sowie vom Ziel der staatlichen Daseinsvorsorge und der Versorgungssicherheit auf dem Energiesektor.

EU-Superstaat und Agenda-Exzess

Zur richtigen Bewertung des Ziel- und Kompetenzgefüges der EU ist folgende Feststellung erforderlich: Kein Staat oder Staatsgefüge der Neuzeit hat die Staatsziele und -kompetenzen in seiner Verfassung in einem ähnlichen Umfang und in einer ähnlichen Dichte und Tiefe definiert wie die Europäische Union. Das gilt sowieso und in besonderer Weise für klassische liberale Verfassungsstaaten und demokratische Republiken, die sich stets fast ausschließlich auf die Beschreibung der politischen Institutionen, auf das Gefüge und die Prozeduren politischer Entscheidungsfindung, auf die formalen Voraussetzungen der Ausübung und Begrenzung von Herrschaft und auf die Definition der staatsbürgerlichen Grundrechte beschränkten. Es gilt aber auch für kommunistische Diktaturen, deren Verfassungen zwar allgemein und im Pathos der proletarischen Folklore von kollektivem Wohlstand und sozialem Fortschritt sprachen, im Hinblick auf die Festlegung der Ausgestaltung der gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeit niemals das Niveau der Europäischen Union erreichten.

Die EU ist keineswegs ein bloßes Funktionsgebilde. Vielmehr konfigurierte sie unter der Chiffre einer sogenannten Wertegemeinschaft ein kompaktes, ideologisch klar ausgerichtetes Modell des gesellschaftlichen Zusammenlebens, das eine Reihe wichtiger Grundentscheidungen zugunsten eines bestimmten Menschen- und Geschichtsbildes, einer bestimmte Ansicht vom Wesen der Kultur und des menschlichen Zusammenlebens und eine bestimmte Vorstellung von Gerechtigkeit und Gemeinwohl zur meist unausgesprochenen Voraussetzung hat. Dieser „Geist der EU“ erzeugt – wie jeder Gemeinschaftsgeist – eine gerichtete operative Dynamik in Richtung eines bestimmten Gesellschaftsideals.

Die Bauelemente der Europäischen Union

Das Gesellschafts-, Kultur- und Wirtschaftsmodell, dessen Durchsetzung sich die Europäische Union verschrieben hat, kann nur erschlossen und verstanden werden, wenn man die über die konstitutiven EU-Verträge verstreuten inhaltlichen Festlegungen zueinander in Beziehung bringt und ihre ordnungspolitische Synthese rekonstruiert. Aus all dem deklaratorischen Füllmaterial und der Watte, die die relevanten Determinanten umgeben, tritt dann völlig klar eine Staatskonzeption bzw. Staatsagenda mit folgenden Bauelementen hervor:

  1. Die EU strebt einen paternalistischen Versorgungsstaat an, der die wichtigsten Modalitäten der sozialen Sicherheit und Unterstützung (Art. 34) sowie der gesundheitlichen und sonstigen Daseinsvorsorge (Art. 35) politisch verfügt und ihre Bereitstellung politisch durchsetzt. Adressat „sozialer Rechte“ sowie des Rechts auf Zugang zu Dienstleistungen (Art. 36) ist stets der Superstaat, der mit entsprechender Macht ausgestattet sein muss. Der infrastrukturelle Rahmen der Wirtschaft dient nicht nur der Absicherung ihrer Produktivität, sondern besonders auch dem Ziel der kontinentübergreifenden Vertiefung der Integration: Transnationale Energienetze verzahnen die ehemaligen „Volkswirtschaften“ und machen sie abhängig, Digitalisierung und mondial ausgerichtete Kommunikationstechnologie erzeugen einen einheitlichen „Datenraum“.
  2. Die EU-Ökonomie ist keine marktwirtschaftliche Ordnung im eigentlichen Sinn und daher kein „Kapitalismus“. Die EU-typische „Harmonisierung des Wirtschaftsrechts“ begünstigt multinationale Unternehmungen, die miteinander verzahnt sind und EU-politisch getaktet werden. Sie sind durch die Wirtschafts-, Geld und Personalpolitik der EU vielfach politisch gesteuerte Syndikate, in denen private Beteiligungen von untergeordneter Bedeutung sind, weswegen sich für die Klassifikation der EU-Ökonomie der Begriff „Neo-Syndikalismus“ empfiehlt.
  3. Soweit in den EU-Dokumenten der Terminus „soziale Marktwirtschaft“ verwendet wird, bezieht sich das Adjektiv „sozial“ nicht auf einen Wesenszug der Marktwirtschaft, sondern auf die kulturellen und gesellschaftspolitischen Ziele der EU. „Marktwirtschaft“ wird nicht als ein Kooperationsmodell freier und selbstbestimmter Menschen begriffen, sondern als Methode der Freisetzung jener Produktivkräfte, die zur Durchsetzung der „sozialen“, d.h. der ideologischen Ziele der EU-Gesellschafts- und Kulturpolitik erforderlich sind.
  4. Die subsidiäre Qualität der sogenannten Marktwirtschaft offenbart sich beispielsweise besonders deutlich überall dort, wo es um die Verwirklichung der EU-charakteristischen Gender-Ideologie geht. Diese ist nichts weniger als ein anderes Begriffsinstrument für die Gleichstellung von Mann und Frau, für die sie sich ausgibt. Genderismus resultiert unmittelbar aus der Verbindung des Antidiskriminierungsdogmas mit einem Menschenbild, das der Auflösung von Tradition und Biologie verpflichtet ist. Die Wirtschaft hätte nun jene Kräfte freizusetzen, die notwendig sind, um das traditionelle Familienkonzept aufzulösen und die Sozialisation der Kinder zu vergesellschaften.
  5. Das Kultur- und Gesellschaftsgefüge der EU ist das einer „Multikulturellen und Multireligiösen Gesellschaft“. „Kulturelle Vielfalt“ wird als gleichwertiges Nebeneinander von Identitäten unterschiedlichster Wesenheit definiert, ganz gleich, ob diese europäischer oder außereuropäischer Herkunft sind. „Religionsfreiheit“ wird gezielt ohne Gesetzesvorbehalt definiert (Art. 10) und akzeptiert folglich auch Ritualvollzüge, die mit der europäischen Kultur- und Rechtstradition nicht vereinbar sind. Der spezifische Toleranzbegriff der EU und das Antidiskriminierungsregime erzeugen quasi automatisch einen doktrinären moralischen bzw. ethischen Relativismus, der die gewachsene christliche Lebensform des europäischen Alltags radikal überwinden muss.
  6. Konstitutives Kriterium eines jeden Staates ist unter anderem sein Staatsvolk. Da der EU-Superstaat etwas derartiges zunächst nicht besitzt, ergibt sich aus seiner Sicht die Notwendigkeit eines gezielten Bevölkerungsaustausches. Zur Transformations-Agenda der EU gehört die gezielte Beseitigung des Bevölkerungssubstrats der Nationalstaaten und ihres Ersatzes durch eine wurzellose und kulturell vermeintlich nicht festgelegte Mischbevölkerung. Das Zusammenwirken einiger Grundelemente der konstitutionellen Ordnung der EU erzeugen das artifizielle Staatsvolk quasi als Nebenprodukt:
  • Das Recht des „freien Überschreien der Binnengrenzen“ (Schengen, 1985 etc.),
  • die „Freizügigkeit in Bezug auf den Aufenthaltsort“, (Art. 45),
  • das „Recht auf Asyl“ (Art.18),
  • die Forcierung „einwanderungspolitischer Maßnahmen“,
  • das ubiquitäre Diskriminierungsverbot
  • und die Forderung nach „ausgewogener Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen ... verbunden sind“ (Art. 63).

Diese Punkte sorgen in ihrer Kombination im Fall außereuropäischer Krisen notgedrungen für Masseneinwanderung und für die weitgehende Unfähigkeit von Staaten und ihrer Amtsträgern, mit Migranten beziehungsweise Okkupanten restriktiv umzugehen.

EU – eine in sich geschlossene Ordnung

Eine Manifestation traditioneller europäischer Höchstwerte, wie Privatinitiative, individuelle Leistung und Initiative, persönliche Verantwortung, christliches Arbeitsethos, unternehmerische Kreativität, Erfindergeist und tätige Nächstenliebe im Nahkreis der persönlichen Beziehungen etc. sucht man im konstitutiven Fundament der EU vergeblich. So unterbleibt die Definition von Ankerpunkten, von denen eine allfälligen Korrektur der Grundlinien des EU-Gebäudes – zu welchem Zeitpunkt auch immer – vorgenommen werden könnte.

Die Bauelemente 1-6 konstituieren deshalb eine bruchlose Ordnung, welche die Wesenszüge der EU auf eine zentralistisch homogenisierte, konstruktivistisch gewillkürte, neo-sozialistisch wirtschaftende und antichristlich entkulturierte Massengesellschaft festlegen. Der gesamte Aufbau des Primärrechts lässt eine andere Entwicklung bzw. inhaltliche Ausgestaltung nicht zu.

Entgegen der üppigen Propaganda-Rhetorik ist die EU ein geschlossenes System, in dem es keinen Spielraum für spätere Entscheidungen gibt, die von der festgelegten Entwicklungsrichtung abweichen. Diese prinzipielle Einflusslosigkeit gilt selbst für das Wirken von Mandataren und politischen Funktionären der EU, und noch viel mehr für die Bürger selbst.

Struktureller Determinismus und Demokratieunfähigkeit

In Ergänzung zur Skizzierung der inhaltlichen Festlegungen der gegenwärtigen und zukünftigen EU-Ordnung muss auf die institutionellen und formalen Bestimmgründe der Ausgestaltung der Europäischen Union hingewiesen werden. Das Beziehungsgefüge der Institutionen und die Struktur der Entscheidungsfindungsprozesse sind nämlich keineswegs neutral im Hinblick auf die Inhalte und Werturteile, die die EU-Politik auf all ihren Ebenen hervorbringt und gesellschaftlich inkorporiert. Vielmehr besteht ein starker institutioneller Determinismus, dessen Wirkweise und dessen Folgen im Rahmen dieser kleinen Arbeit nur angedeutet werden können, obwohl sie von außerordentlicher Tragweite sind:

Die Beziehungsstruktur zwischen der EU-Bürokratie, einer ohne jede Verbindung zu den Heimatländern agierenden Nomenklatura-Gemeinschaft von EU-Parlamentsabgeordneten und einem unter Kommissionsdruck und den Gesetzen der Gruppendynamik stehenden EU-Rat erzeugt notwendig und alternativenlos ein radikal kultursozialistisches gesellschaftliches Transformationsprojekt. Dies ergibt sich zwingend aus der völligen Beziehungslosigkeit des Brüsseler und Straßburger EU-Geschehens zu öffentlichen Meinung der Mitgliedsländer, aus dem völligen Mangel, große ideologisch relevante Projekte öffentlich zu legitimieren, und aus der Mechanik, in der hochkriterielle gesellschaftspolitische Endziele in vermeintlich harmlosen Einzelschritten und in unübersichtlicher Arbeitsteilung zwischen den EU-Institutionen betrieben und durchgesetzt werden.

All diese Strukturmomente begünstigen aus sich heraus artifizielle und konstruktivistische Projekte, mit denen sich eine abgehobene, in sich geschlossene Elite an der geplanten Beseitigung einer von ihr nicht verstandenen und daher als minderwertig betrachteten traditionellen und gewachsenen Ordnung, die in Europa durch die Inkulturation des Christentums hervorgebracht wurde, abarbeitet.

Eines von vielen Beispielen für die zahlreichen formalen Strukturmomente, die gemeinsam einen rigiden institutionellen Determinismus performieren, ist das Gesetzgebungsverfahren nach Artikel 294 des Lissabon-Vertrags. Wer die wechselseitige Verschränkung von Kommission, Parlament und Rat ernsthaft studiert, erkennt unschwer, dass es sich dabei um ein in sich geschlossenes System handelt, in dem ausschließlich solche Kräfte initiativberechtigt und entscheidungsrelevant tätig sind, die die grundsätzliche Stoßrichtung der EU-eigenen Transformationsagenda mittragen und nicht etwa in Zweifel ziehen.

Dieser Vorgang ist ein aussagekräftiger Beleg für die bereits vor Jahrzehnten von Ralf Dahrendorf formulierte Einsicht, nach der es oberhalb der Ebene der Nationalstaaten keine Demokratie geben kann. Aus diesem und einer Reihe ähnlich konstruierter Formal- und Funktionsprinzipien ergibt sich nämlich ein effektiver Transmissionsmechanismus, der für eine Reduplikation und Implementierung der oben genannten sechs Bauprinzipien auf allen Seinsebenen der EU sorgt, auch wenn das jeweilige Resultat von der Bevölkerungsmehrheit abgelehnt wird.

EU-Transmissionsmechanismus und realpolitische Omnipräsenz

Folgende Bestandteile dieses Transmissionsmechanismus sind identifizierbar:

  1. Das Sekundärrecht der EU
  2. Die sogenannten Berichte des Parlaments und seiner Ausschüsse
  3. Die Zieloperationalisierungen, wie sie häufig vom EU-Rat oder der Kommission in aufwendiger Form vorgenommen werden
  4. Die Abkommen mit Drittländern bzw. Regionen außerhalb der EU
  5. Die große Zahl an Agenturen und ähnlichen Einrichtungen, die aus EU-Budgets dotiert werden
  6. sowie schließlich – scheinbar sehr „niederschwellig“ - die Mitteilungen der Kommission.

Einige wenige Beispiele sollen die in diesem Zusammenhang stattfindenden Vorgänge bebildern:

ad 1. Die Antidiskriminierungsagenda wird gleich in vier EU-Richtlinien (Sekundärrecht) umgesetzt, darunter die bekannteste, 2000/73/EG.

ad 2. Der Estrela-Bericht über „sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte“ (2013/2040(INI)) des Europäischen Parlaments forderte u.a. die "sichere und legale Schwangerschaftsunterbrechung" sowie einen obligatorischer Sexualkundeunterricht in Schulen. (vorerst nicht angenommen)

Der Lunacek-Bericht zur „Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität“ (2013/2183(INI)).

ad 3. Die „Barcelona-Ziele“ des EU-Rates in Verbindung mit einem Bericht der Kommission zum „Ausbau der Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder in Europa mit dem Ziel eines nachhaltigen integrativen Wachstums“ (2002), womit die Kindererziehung von der Obhut der Familie in die Kompetenz der Öffentlichkeit übertragen werden soll.

Ad 4. Die von der EU geheimverhandelten sogenannten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und CETA, mit denen das Prinzip der Nichtdiskriminierung auf die globalisierten Ströme des internationalen Warenhandels ausgedehnt werden soll.

Ad 5. Die Tätigkeit von Einrichtungen wie der „Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI)“ oder der „Europäischen Agentur für Grundrechte FRA“, mit denen „vor allem durch die Erstellung von Länderberichten, die Veröffentlichung von allgemeinen politischen Empfehlungen und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, insbesondere Nichtregierungsorganisationen“ EU-Ziele aus diesem Politiksegment durchgesetzt werden.  

Ad 6. Der "Aktionsplan gegen Rassismus" (Mitteilung der Kommission vom 25. März 1998 ) (wobei unter „Rassismus“ ausdrücklich auch „Islamophobie“ verstanden werden soll), mit dem „die ethnische und kulturelle Vielfalt als eines der typischen Merkmale "europäischer" Zivilisation begreifbar gemacht und als positiver und bereichernder Faktor“ durchgesetzt werden müsse.

Um die umfassende Kompaktheit des Transmissionsmechanismus zwischen dem EU-Primärrecht und der politisch-gesellschaftlichen Realität begreifbar zu machen und den Totalitätsanspruch zu zeigen, mit dem die Bauprinzipien der EU angewendet werden, soll bloß eine Passage aus dem letzten Beispiel (f. Der "Aktionsplan gegen Rassismus") direkt zitiert werden.

„Der Aktionsplan gegen Rassismus besteht aus vier Teilen.
[…]
- 2. Einbeziehung des Kampfes gegen Rassismus in die Gemeinschaftsprogramme und -politiken: Dazu könnten beitragen: die Beschäftigungsstrategie, die Strukturfonds, die allgemeine und berufliche Bildung sowie Jugend, die Informationsgesellschaft, die Justiz und die inneren Angelegenheiten, die Kommunikation, der audiovisuelle Sektor, die Kultur, das öffentliche Auftragswesen, die Forschung und die Außenbeziehungen. Die Kommission wird in ihren Programmen und Politiken weiterhin den Grundsatz der Nichtdiskriminierung anwenden. Es wird eine interdirektionale Gruppe geschaffen werden, deren Aufgabe es sein wird, den Kampf gegen Rassismus in alle Politiken zu integrieren.“

Mit der – gewiss etwas sperrigen – Vorführung der letzten Punkte sollte gezeigt werden, wie sich der „Geist der EU“ ausgehend von den konstitutionellen Dokumenten bzw. Verträgen der Union mit gerichteter operativer Dynamik seinen Weg in Richtung eines bestimmten Gesellschaftsideals bahnt.

Der Geist der EU und der radikale Kultursozialismus

Dieses Gesellschaftsideal ruht fest auf den sechs Bauelementen, die oben als das Fundament der EU freigelegt wurden. Und eben dieses Gesellschaftsideal konvergiert hochgradig mit dem alten linken Phantasma einer kulturrevolutionären Welterlösung.

Der Sozialismus ist als Wirtschaftsmodell und Gesellschaftsform kläglich gescheitert. Aber als antitraditionalistische Gegenkultur hat er in der EU ein Substrat gefunden, dessen Wucht und Wirkmacht bis jetzt keinen ernstzunehmenden Gegner zugelassen hat. Deshalb ist die EU die reife Liebe der Linken aller Herkünfte und Denominationen geworden. In ihr ist alles inkarniert, was seit jeher die Diesseitsreligion des Kultursozialismus definiert:

  • Hedonistischer Materialismus und gegenwartsbezogener Konsumismus. Radikaler Amoralismus. Gegenwartsbezogene Enthemmung und kurzfristige Lustbefriedigung. Auflösung der Geschlechteridentitäten und kulturelle Homosexualität.
  • „Eine Welt“-Ideologie und „Weltdorf“-Globalismus, institutionell getragen durch supranationale Einrichtungen. Weltumspannender ökonomischer Egalitarismus durch mondiale Umverteilungsmechanismen („Entwicklungshilfe“, „Klimaschutz-Programme“, „Fall von Handelsschranken“)
  • Ideologie der „autonomen Persönlichkeit“ bzw. der beliebigen Auswahl einer kulturellen Identität. Multikulturalismus bzw. Kulturrelativismus. Konsequente Entwurzelung aus gewachsenen Kulturordnungen. Anti-Nationalismus und Anti-Regionalismus.

Der Kultursozialimus und seine hier umrissenen Grundpositionen existieren selbstverständlich auch außerhalb der EU und unabhängig von ihr. Diese Ideologie hat eine lange und verzweigte Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, die im Rahmen dieses kleinen Aufsatzes nicht einmal andeutungsweise konturiert werden kann.

Wichtig ist es aber zu verstehen, dass das Konzept des Kultursozialismus kein Produkt der EU ist, sondern eine ganz eigene geistige Wirklichkeit darstellt, die im Laufe vieler Jahrzehnte von der Metapolitik und der öffentlichen Meinung der meisten Länder dieser Welt Besitz ergriffen hat. Bildungseinrichtungen, Kultur- und Unterhaltungsbetriebe sowie insbesondere die wichtigsten Medien und andere Unternehmungen der Bewusstseinsindustrie haben sich weitgehend vom Mainstream des mondialen Kultursozialismus in Dienst nehmen lassen. Über die Mechanismen der Metapolitik und der Bewusstseinsindustrie konnte der Kultursozialismus in den Gestaltungsprozess der Union eingespeist werden. Freilich hat auch die Union ihrerseits, wie oben skizziert wurde, auf die Stärkung und Weiterentwicklung des Kultursozialismus zurückgewirkt, indem sie diesen behaust sowie vielfach und überreich für die Finanzierung der materiellen Subsidien seiner Protagonisten und Betreiber sorgt.

Soziale Evolution und die Unreformierbarkeit der EU

Das strukturelle Wesen der Beziehung zwischen der EU und dem Kultursozialismus ist das eines massiven Interferenzprozesses. Beide Entitäten beeinflussen einander wechselseitig und wirken damit indirekt auf ihre eigene Entwicklung zurück. Wesentliche Sequenzen eines solchen Vorganges sind nicht planbar und tragen daher die Wesenszüge eines spontanen, evolutionären Prozesses.

Die quasiorganische Komplexität, mit der der Leviathan der Europäischen Union uns entgegentritt, ist daher in vielerlei Hinsicht nicht geplant, sondern gewachsen, weshalb man die EU nicht in ihrer Ganzheit als Verschwörungsprodukt bezeichnen kann. Diese Einsicht ist von eminenter praktischer Bedeutung. Sie bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass die EU im Prinzip nicht reformierbar ist. Sie bedeutet ferner, dass die EU nicht für andere Ziele und Agenden in Verwendung genommen werden kann, als diejenigen, die jetzt mit ihr betrieben werden, d.h. eine Korrektur der Richtung ihrer Wirkungseffekte ist unmöglich. Denn wenn die Ziele und Agenden auf organische Weise im Struktur- und Kompetenzgefüge der EU inkorporiert sind, ist ihre Indienstnahme für grundsätzlich andere politische Inhalte und Ziele als die bisherigen unmöglich.

Dass die EU nicht in ihrer Ganzheit als Verschwörungsprodukt bezeichnet werden kann, bedeutet umgekehrt nicht, dass nichts an ihr das Produkt einer Verschwörung ist. Tatsächlich sind insbesondere die geradezu einzigartig charakteristische Methode der Verdichtung der europäischen Integration und die Sicherstellung ihrer faktischen Unumkehrbarkeit Ausdruck einer gezielten Verschwörung der EU-Eliten gegen ihre eigenen Bevölkerungen. Zwischen einer mehr oder weniger losen Vertragsgemeinschaft zur Betreibung explizit gemeinsamer Interessen und einem omnipotenten Superstaat mit umfassender Agenda-Kompetenz fand eine Sukzession scheinbar harmloser Einzelschritte statt, deren finale Konsequenzen nur Beteiligten und Eingeweihten erkennbar waren.

An welcher Stelle dieser Sukzession der Qualitätssprung von der bloßen Kooperation zur Subordination stattfand, lässt sich mit einer gewissen Berechtigung bestenfalls nachträglich feststellen. Fest steht nur, dass die europäischen Völker in den gezielten kontinentalen Systemwechsel an keinem einzigen Punkt dieser Metamorphose in die Entscheidungen auch nur ansatzweise eingebunden waren. Und das bedeutet, dass das superstaatliche Gebilde der Europäischen Union, seine Projekte im Einzelnen und seine Agenda im Gesamten, nicht die mindeste demokratische Legitimation besitzen.

Das ist für ein Unionsgebilde, dessen Gründungsmythos im gemeinsamen Schwur des „Nie wieder Faschismus“ begründet ist, besonders bemerkenswert, fällt aber angesichts der exzessiv gepflegten rituellen antifaschistischen Folklore offenbar nicht sonderlich auf.

Sukzession undemokratischer Weichenstellungen

Sicher ist jedenfalls, dass diese Sukzession undemokratischer Weichenstellungen nicht einfach passiert ist, sondern von den Schlüsselpersonen der europäischen Nomenklatura bewusst betrieben wurde. Drei einschlägige Aussagen mögen dafür als Beweis vorerst reichen:

Giulio Amato, der frühere italienische Ministerpräsident und spätere Vizepräsident des Konvents für die europäische Verfassung, proklamierte mehrfach, dass es notwendig sei, langsam vorzugehen, um „die Souveränität (der Mitgliedsstaaten) Stück für Stück zu zerschlagen“.

Dazu meinte der langjährige ÖVP-Chefideologe und spätere Bundespräsidentschaftskandidat Andreas Khol, dass es unmöglich sei, in der Chronologie der Einzelentscheidungen jenen entscheidenden Schritt zu festzumachen, mit dem eine „Totaländerung der Österreichischen Bundesverfassung“ eintreten würde. Daher sei die im Fall einer „Totaländerung“ abzuhaltende Volksbefragung nicht erforderlich.

Am Unverblümtesten beschrieb Jean Claude Juncker die hier angesprochene EU-Methode: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ (Spiegel vom 27.12.1999)

Die Krise Europas und der Schaden für Menschen und Völker

Ein „Zurück“ gibt es für die Europäische Union in der Tat schon längst nicht mehr. Sie hat den Kontinent in die schlimmste Krise seiner Geschichte geführt. Indem sie jene Agenda entfaltet hat, die in ihrem innersten Wesenskern unauslöschlich inkorporiert ist, hat sie Projekte umgesetzt, die diesem Kontinent und seinen Völkern kaum mehr wiedergutzumachenden Schaden zufügen:

  • In der „Willkommenskultur“ gegenüber sogenannten Flüchtlingen – das unmittelbare Produkt von Kulturrelativismus, Antidiskriminierungsregime und dem Wunsch nach Schaffung eines „EU-Volkes“ - wird eine flächendeckende materielle und ideelle Enteignung der autochthonen Bevölkerungen vollzogen. Ganze Kulturlandschaften sind im Begriff zu verschwinden.
  • Die EU-Politik hat die Islamisierung des Kontinents auf geradezu brutale Weise vorangetrieben. Die mit größtem Aufwand gepflegten „Werte“ der „Vielfalt“, „Diversität“, und „Bereicherung“ und das ihnen korrespondierende Phantasma der „Multikulturellen Gesellschaft“ haben dazu ebenso das Unterfutter geliefert wie die EU-typische Aversion gegen die gewachsene christliche Ordnung des alten Europa. Der Preis der Islamisierung reicht von der Herabminderung der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität, der Ausbreitung von Analphabetismus und der Absenkung des Bildungsniveaus über die Entstehung von Parallelgesellschaften bis zur dramatischen Verschlechterung der Sicherheitssituation in den Ländern Europas.
  • Der EU-spezifische Genderwahn und die Etablierung des homosexuellen Lebensstils haben die klassische Familie beschädigt und vielfach an der Rand ihrer Existenzmöglichkeit gedrängt, die Fertilität dramatisch gesenkt, die „Kultur des Todes“ durch Abtreibungsfreundlichkeit, reproduktionsmedizinische Grenzüberschreitungen und „offene Euthanasiediskussionen“ vorangetrieben, den psychischen Zustand vieler Kinder durch zwangsweise Frühsexualisierung beschädigt und die weitgehende flächendeckende Verstaatlichung der Erziehung und Sozialisation der jungen Generation erzwungen.
  • Die Euro-Einheitswährung hat dem Konzept des Fractional Reserve Banking eine neue Qualität verliehen und die „Geldschöpfung aus dem Nichts“ in eine bisher nie dagewesene Größenordnung geführt. Die Oktroyierung der europäischen Geld-Prärogative hat eine Umverteilung von Vermögen, die weitgehende Auslöschung des Mittelstandes, zahlreiche realwirtschaftliche Fehlallokationen und die Fehlleitung von Investitionsentscheidungen sowie eine Verstärkung des Ungleichgewichts zwischen den Volkswirtschaften der europäischen Länder bewirkt. Sie wurde um den Preis des mehrfachen und dauerhaften Bruchs des eigenen EU-Rechtes künstlich am Leben erhalten. Die Deformationserscheinungen, die dieses monetäre Regime hervorgerufen hat, sind so dramatisch (siehe dzt. z.B. Italien), dass ein früher oder später unumgänglicher wirtschaftlicher Zusammenbruch in der Dimension eines thermonuklearen Holocaust befürchtet werden muss.

Die Kritik an der EU und ihre totalitäre Gegenreaktion

All diese Großprojekte sind gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der europäischen der europäischen Bevölkerungen in Angriff genommen und vorangetrieben worden. Sie besitzen – wie die Ausgestaltung des Unionsorganismus selbst – keinerlei demokratische Legitimation und sind daher Manifestationen einer klassischen Fremdherrschaft. Diese wird derzeit von immer größer werdenden Teilen der europäische Bevölkerungen auch als solche wahrgenommen, denn die Probleme, die aus der Durchsetzung der Herrschaftsprojekte der Elite resultieren, schlagen im Lebensalltag immer deutlicher durch.

Mit zunehmendem Leidensdruck setzt sich auch die Einsicht durch, die sich am besten in Anlehnung an Ronald Reagan so formulieren lässt: Die EU ist nicht die Lösung des Problems, sondern sie selbst IST das Problem. Dementsprechend formiert sich allerorten nicht nur Kritik, sondern auch systematische Opposition.

Dies löst, wie in autokratischen Herrschaftssystemen üblich, entsprechende Reaktionen der herrschenden Nomenklatura und ihrer Apparate aus. Die EU entfaltet ihre diesbezügliche Wirkung auf zwei verschiedenen Aktionsfeldern:

  • Spaltung der Gesellschaft. Daniel Cohn-Bendit, Alt-Gründer und angesehener EU-Vordenker, wenige Tage nach dem Brexit: Europa brauche mehr und nicht weniger eigenständige Souveränität. Heute gäbe es keinen links-rechts-Konflikt mehr, sondern bloß eine unüberbrückbare Trennlinie zwischen Proeuropäern und EU-Gegnern. In diesem Freund-Feind-Schema stigmatisiert die EU ihre Kritiker als Realitätsverweigerer und als Feinde von Frieden, Fortschritt, Wohlstand und Humanität. Um diese zu marginalisieren, schart sie mit unterschiedlichsten Mitteln eine „Koalition der Willigen“ um den harten Kern der Einheitsstaats-Fanatiker und EU-Funktionäre. In mehreren konzentrischen Kreisen werden „Gutmenschen“ (Flüchtlingshelfer!), Ideologen, Gesinnungstäter, Mitläufer, Mittäter, Profiteure, Pragmatiker und „Realisten“ zueinander in Beziehung gebracht und als Koalitionäre gewonnen. Die Indienstnahme potentieller Kombattanten wird im Rahmen einer gewaltigen Materialschlacht vorgenommen, in der die „Fortschrittsgewinner“ – häufig Kostgänger an den prallen Futtertrögen der Union – gegen die unbelehrbaren „Fortschrittsverlierer“ in Stellung gebracht werden, die sich als ungebildete Banausen, mit Mundgeruch und schlechten Zähnen, darstellen lassen müssen. Inzwischen sind die Gesellschaften Europas tatsächlich tief gespalten, und man fragt sich, wer für diesen unabsehbaren Schaden dereinst die Verantwortung übernehmen wird.
  • Gezielte Beseitigung der Freiheit; Verfolgung von Kritikern und politischen Gegnern. Martin Schulz, SPD-Politiker und EU-Parlamentspräsident: „Auch die Meinungsfreiheit innerhalb des Europäischen Parlaments muss eine Grenze haben, sobald diese die politischen Ziele der EU in Frage stellen.“ Keine der klassischen Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Unantastbarkeit ihrer Agenda je anders gesehen. Die Beseitigung der Freiheit kam schleichend, wird aber inzwischen an vielen Fronten nicht nur sehr effizient, sondern auch ganz unverhohlen betrieben. Allerorten beherrschen Sprachverbote, Neusprech, Reglementierungen, Geschichtsklitterungen und -umdeutungen sowie Tabuisierungen von verordneten Glaubenssätzen den öffentlichen Diskurs. „Empörung“, „Angst“ sowie „Wut und Trauer“ werden den Unbotmäßigen als Bannstrahl entgegengeschleudert, wenn sie sich nicht an die Gesetze der Political Correctness halten. Auch das Strafrecht wird effizient zum Einsatz gebracht: „Verhetzung“ und „Herabwürdigung religiöser Lehren“ (gemeint ist immer der Islam) werden mit Gefängnisstrafen geahndet. Inzwischen bestehen weitreichende und unmittelbar vor der Umsetzung stehende Pläne zur Verfolgung von „Hassdelikten“ („hate speech“), worunter besonders „Islamophobie“ und Fremdenfeindlichkeit, aber auch der „emotionale“ Vortrag von EU-Kritik gemeint ist. Standesgemäß haben die EU-Mitgliedsstaaten unter der Regie der Union bereits ein ausgebautes Spitzel- und Überwachungssystem etabliert. Dies wird noch halbherzig mit der Notwendigkeit eines „Kampfes gegen den Terror“ gerechtfertigt, wie dies in Österreich betreffend das soeben in Kraft getretene „Polizeiliche Staatsschutzgesetz“ passiert. Doch dieses Alibi wird in der Praxis fallengelassen, sobald es gilt, den wahren Feind zu kujonieren. Am 12.7.2016 wurden vom deutschen Bundeskriminalamt Razzien in sechzig (60) Wohnungen der „Mitglieder einer geheimen Facebook-Gruppe“ vorgenommen, die offiziell und wörtlich mit der Notwendigkeit einer „Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger beim Umgang mit rechtsgerichteten Äußerungen in sozialen Netzwerken“ begründet wurden.

„Stillstand ist Rückschritt“ - vorwärts um jeden Preis

Je abgehobener, widernatürlicher und funktionsunfähiger eine Projektagenda ist, desto totalitärer muss die Diktatur sein, die erforderlich ist, um sie durchzusetzen. Deshalb haben EU-Größen wie Juncker, Merkel, Tusk und Schultz am Tag nach dem Brexit begonnen, die Flucht nach vorne anzutreten und eine rasche Finalisierung der Beseitigung aller Restbestände des nationalstaatlichen Gefüges Europas sicherzustellen, damit der „Souveräne Staat Transeuropa“ nicht noch in der Zielgeraden gefährdet wird.

Besonders hervorgetan hat sich beispielsweise der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier, der beim Treffen der Visegrad-Staaten ein Konzept vorgelegt hat, in dem das Strafrecht, die Steuerhoheit, die Kontrolle über die Binnengrenzen, das Recht zur Haltung einer Armee und die Flüchtlings-Verteilung ehebaldigst in die Kompetenz der EU verlegt wird, die in ihrer Eigenschaft als dauerhafte Schulden- und Transferunion auszubauen sei.

Ergänzend hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wenige Tage danach eine enge Verschränkung der EU mit der NATO gefordert, die notwendig sei, um die Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten und ihre wechselseitige Solidarität zu befördern. Quasi zum Drüberstreuen hat Jean-Claude Juncker fast zeitgleich hinausposaunt, dass die EU-Organe selbstverständlich das Recht hätten, bindende Handelsabkommen, wie das TTIP, ohne jedes Zutun der Mitgliedstaaten abzuschließen, weil die Staaten ihre Souveränität auf die EU übertragen hätten.

Opposition gegen den EU-Leviathan

Eine wachsende Zahl von Bürgern aller Mitgliedsstaaten lässt sich von derartigen Kraftmeiereien nicht mehr beeindrucken. Und alle verfügbaren Daten zeigen, dass sich die weitaus überwiegende Mehrheit vom EU-Leviathan und seiner abgehobenen Herrschaftselite nicht mehr vorschreiben lassen will, welche Politik sie in der „Flüchtlings“politik, in der Frage kontinentaler Umverteilungsmechanismen, im Hinblick auf das Projekt der Kulturtransformation und in vielen, die Privatsphäre betreffenden Angelegenheiten zu akzeptieren hätten. Der Brexit, den Großbritannien beschlossen hat und nunmehr in aller Ruhe umsetzen wird, muss wie ein Katalysator zur Lösung der Angststarre wirken, die die Menschen und Völker angesichts der Übermacht des EU-Leviathan in den letzten Jahrzehnten aufbauten.

Angesichts der vielen, alltäglichen Widrigkeiten, die die Menschen zunehmend als Produkte eines fehlgeleiteten superstaatlichen Kollektivismus wahrnehmen, wächst das oppositionelle Potential in allen Ländern mit jedem Tag. Bald werden die Menschen bereit sein, sich mit realen Alternativen zur EU auseinanderzusetzen. Und es wird nur noch eine Frage der Umstände sein, unter denen die EU durch eine andere Form der europäischen Zusammenarbeit ersetzt wird.

Es ist noch nicht absehbar, ob die EU zuerst einen ökonomischen oder einen institutionellen Kollaps erleiden wird, oder aber, ob sie der von ihr selbst verursachten Kulturzerrüttung zum Opfer fallen wird. Verantwortungsträger, die angesichts der Krise in Sorge sind, sollten jedenfalls auf jede mögliche Variante vorbereitet sein.

Der Brexit als Katalysator der Erneuerung Europas

Der Brexit ist eine Chance, konstruktive Konzepte zur Erneuerung Europas auszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen. ÖXIT nach dem Brexit? – Unsinn. Wozu? Aus einem sterbenden Verein tritt man nicht aus, bevor die Frage der Vermögensaufteilung und der Nachfolge nicht befriedigend geklärt ist. Aber speziell Österreich wäre aufgrund seiner historischen Erfahrungen, seines internationalen Beziehungsgefüges und seines Ansehens sowie seiner Lage im Herzen Europas prädestiniert, eine führende Rolle in der Erneuerung Europas zu übernehmen.

Grundzüge einer neuen europäischen Gemeinschaftsordnung

Diese sollte durch folgende Eckpunkte gekennzeichnet sein:

  • Die Nationalstaaten als Herberge und Schutzherr der Völker und ihrer Bürger. Die Staatsbürgerschaft muss zur exklusiven Inanspruchnahme einer Reihe von staatlichen Leistungen privilegieren.
  • Im Stufenbau des Rechts muss nationales Recht immer über supranationalem Recht stehen.
  • Die Rechtsbeziehungen zwischen den Staaten sind vertraglicher und multilateraler Natur und bilden keine neue Qualität des Rechts aus.
  • Ein Europa der Zukunft muss ein Europa a la carte sein. Jeder Staat soll sich aussuchen, welches Ausmaß an Intensität er in der Kooperation mit anderen Staaten oder den von ihnen gemeinsam gegründeten Organisationen er anstrebt.
  • Supranationale Einrichtungen sind institutionell so zu konfigurieren, dass eine Verselbständigung der Interessen der Bürokratie unmöglich ist. Damit sind Pathologien zu vermeiden, wie sie sich derzeit beispielsweise ergeben, indem Kommissare (eigentlich bloße Dienstnehmer der Mitgliedstaaten) die Agenda der Politik vorgeben.
  • Eine mögliche Harmonisierung des Rechtes muss von vornherein auf das Wirtschaftsrecht beschränkt bleiben.
  • Eine rechtsbindende Übertragung eines Verhandlungsmandates betreffend Verträge mit Drittstaaten ist grundsätzlich unzulässig.
  • Inhaltliche Festlegungen einer bestimmten Ausrichtung von Politikfeldern sind unzulässig. Insbesondere haben sogenannte Werte auf der supranationalen Ebene nichts verloren. Werte sind Leitmedien für Individuen und Schutzobjekte von Vaterländern.

Ein christliches Kerneuropa

Diese und ähnliche Eckpunkte einer neuen Ordnung werden nicht im Gleichschritt mit allen Ländern Europas eingepflanzt werden können. Die Länder und Ländergruppen Europas haben unterschiedliche Traditionen und Erfahrungen im Hinblick auf institutionelle Konzepte. Anzustreben wäre zunächst der Verbund eines Christlichen Kerneuropas.

Als Kandidaten hierfür wären folgende Staaten denkbar: Österreich (sofern es ihm gelingt, sich bürgerlich zu erneuern), die Visegrad-Staaten, die Baltischen Staaten, die sog. Westbalkanländer Rumänien und Bulgarien, die Balkanländer Slowenien und Kroatien, wobei auch eine Ausdehnung auf Serbien, Mazedonien und Montenegro denkbar wäre. Und vielleicht haben auch Norditalien und südliche Teile Deutschlands Lust, sich anzuschließen, was kein Problem mit der Souveränität ihrer Vaterländer wäre, weil die neue supranationale Ordnung ja nur ein Funktionsverbund wäre.

Dieser könnte und sollte auch privilegierte Partnerschaften mit Ländern außerhalb des derzeitigen EU-Gebiets eingehen, um die wirtschaftliche Gravitationskraft des Gemeinschaftsgebildes zu stärken. In Frage hierfür kämen beispielsweise Russland, die Ukraine und Weißrussland.

Die hier getätigten Andeutungen sind natürlich kein ausgegorenes Konzept und bedürfen der ausführlichen Operationalisierung und Evaluierung. Aber sie könnten die Richtung einer Vision abgeben, die Europa angesichts der Tatsache, dass sich die Europäische Union dem Ende ihres Lebenszyklus annähert, dringend benötigt.

Dringend geboten ist auch eine geistige Befreiung aus dem Defätismus, mit dem die multiple Krise in Europa derzeit als Normalzustand betrachtet wird. Ein Erneuerungsprojekt ist möglich, solange Europa noch Kraft aus seiner christlichen Kulturtradition, aus seiner überlegenen Produktivität und aus der Ordnung seiner Kulturlandschaften bezieht.

Optimismus ist Pflicht (Popper). Die europäischen Völker sollten nicht zögern, die „Reset-Taste“ zu drücken und die kontinentale Integration nach neuen Gesichtspunkten in Angriff zu nehmen.

BREXIT. Alles wird gut.

Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie.

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Brexit als Spitze des Eisbergs - Der Euro bleibt das Hauptproblem drucken

Viele politische Analysten hatten nach der Entscheidung der Briten für den Austritt aus der EU den Eindruck erweckt, als würden jetzt schreckliche Hungersnöte über das Land hereinbrechen und die britischen Inseln umgehend im Atlantik versinken. Kommentar überflüssig. Außerdem hatten sie kritisiert, dass sich die Initiatoren des Austritts durch Flucht ins Privatleben ihrer Verantwortung entziehen würden. Nach Bekanntgabe der neuen britischen Regierungsmannschaft durch die neue Premierministerin Theresa May kann auch davon keine Rede mehr sein.

Immerhin fungiert der ehemalige Bürgermeister Londons, eine der treibenden Kräfte der Austrittsbewegung, Boris Johnson, ab sofort als Außenminister. Viel mehr Verantwortung als in dieser Position könnte er kaum tragen. Die Personalentscheidung macht jedenfalls deutlich, dass es der britischen Regierung mit dem Austritt todernst ist. Die beiderseits des Ärmelkanals gehegten Hoffnungen, es werde doch noch anders kommen, werden sich wohl nicht erfüllen.

Wie dem auch sei – von den Katastrophen, die von Eurokraten und deren Presseherolden prophezeit wurden, ist bislang nichts zu sehen. Die zunächst in Unruhe geratenen Finanzmärkte haben sich wieder beruhigt und die Londoner Börse hat anfängliche Verluste wieder wettgemacht. Sie liegt – übrigens im Gegensatz zur deutschen – verglichen mit dem Niveau vor dem Brexit-Referendum – sogar schon wieder im Plus.

Im Schatten der für die Nomenklatura desaströsen Entscheidung der Briten schwelen indes andere, in den Nachrichten bislang eher vernachlässigte Brände, die dem Politbüro der EU noch erhebliches Kopfzerbrechen bereiten werden. Dass Griechenland schon wieder am Rande des Staatsbankrotts steht und weitere Milliardenhilfen benötigt, Spanien in die Unregierbarkeit abgleitet und beide iberischen Länder ihre Haushaltsdefizite nicht in den Griff bekommen, sind noch nicht einmal die gefährlichsten davon.

Als deutlich schlimmeres Problem erweist sich vielmehr die von der EZB betriebene Geldpolitik, die auf der durch den Brexit als Schimäre demaskierten Annahme beruht, die Union werde politisch immer stärker zusammenwachsen. Diese Illusion muss jetzt zu Grabe getragen werden, auch wenn Witzfiguren wie Schulz und Juncker das Gegenteil behaupten.

Die italienischen Banken haben gewaltige Summen an faulen, nicht wertberichtigten Krediten in ihren Büchern. Dementsprechend dramatisch entwickeln sich die Börsenwerte der Banken nach unten – übrigens nicht nur die der italienischen. Die Kapitalausstattung der Geldinstitute sinkt. Der Chefökonom der Deutschen Bank, Folkerts-Landau, beziffert den akuten Finanzbedarf der europäischen Banken mit 150 Milliarden Euro und sieht schwarze Wolken über Euroland aufziehen. Die von der EZB seit Jahren betriebene expansive Geldpolitik habe jedenfalls – außer weiteren Staatsschulden – nichts gebracht.

Während das Wachstum Italiens knapp ein Prozent beträgt, verschuldet sich das Land ums Dreifache dieses Wertes. Die Verbindlichkeiten, die bereits bei rund 135 Prozent des BIP liegen, werden dadurch noch weiter steigen. Anstatt auf keynesianische Wirtschaftspolitik könnte man mit gleicher Aussicht auf Erfolg auch auf Geisterbeschwörung setzen. Den Markt einfach in Ruhe zu lassen, kommt für die politische Klasse ja bekanntlich nicht in Frage – leider nicht nur in Italien.

Der liberale deutsche Ökonom Thorsten Polleit: „Die Not der Euro-Banken ruft die Europäische Zentralbank (EZB) auf den Plan. […] Mit ihren Aktionen sorgt die EZB für eine gewaltige Monetisierung. Sie kauft schon jetzt Anleihen in Höhe von etwa 80 Milliarden Euro pro Monat. Allein dadurch wird die Euro-Basisgeldmenge im Bankensektor bis März 2017 auf über 1,7 Billionen Euro ansteigen. Wenn die EZB dazu übergeht, die Anleihen, die die Euro-Banken ausgegeben haben, zu refinanzieren, könnte die Euro-Basisgeldmenge – im Zeitablauf, nach und nach – um zusätzliche etwa 3,8 Billionen Euro anschwellen.“

Was eine derart gewaltige Ausweitung der Geld- und Kreditmengen mittel- bis langfristig bedeutet, wird man aus dem Munde beamteter Wirtschaftsforscher zwar niemals hören, kann es aber durch einem Blick in die Geschichtsbücher selbst in Erfahrung bringen: (Hyper-)Inflation und Währungsreform.

Schon macht das bei Politikern und Geldsozialisten so ungemein beliebte Wort von der „Ansteckungsgefahr“, der nun entschlossen begegnet werden müsse, die Runde. Als nächstes, darauf darf man risikolos wetten, wird dann wieder die „too-big-to-fail“-Keule hervorgeholt, mit der die Steuerzahler weichgeklopft werden, um die Rekapitalisierung der – natürlich gänzlich unverschuldet – notleidenden Banken zu schultern.

Der Fluch der bösen Tat: Wer in einem kapitalistischen, marktwirtschaftlich organisierten System unternehmerisches Handeln von Haftung und Verantwortung trennt, stiftet auf folgenschwere Weise Schaden. Jeder kleine Gewerbebetrieb muss für seine Verbindlichkeiten geradestehen. Gewinnaussicht und Verlustrisiko gehen Hand in Hand. Weit und breit steht niemand bereit, der dem Betriebseigner im Fall eines Problems, gleich ob selbst herbeigeführt oder nicht, Geld schenkt.

Das ist auch gut so, denn entsprechend umsichtig wird er agieren. Wirtschaftet er gut, darf er sich eines Gewinns erfreuen. Wirtschaftet er schlecht, macht er Miese oder verschwindet vom Markt. Sein möglicher Nutzen, sein Problem. Das ist die Essenz eines arbeitsteiligen, auf Privateigentum beruhenden Wirtschaftssystems.

Ganz andere Regeln haben sich – der Symbiose von Big Government und Big Money sei Dank – für die großen Geldhäuser eingebürgert: Was auch immer deren Vorstand tut – er kann sicher sein, dass Verluste sozialisiert werden, während Gewinne beim Unternehmen verbleiben. Solange diese Form des Geldsozialismus nicht beseitigt ist, wird die Krise des Kapitalsystems nicht enden.

Der Untergang des großen US-Bankhauses Lehman im Jahr 2008 hat gezeigt, dass die Welt in einem solchen Fall nicht untergeht. Der entscheidende Fehler der Politik lag darin, nicht zuzulassen, dass andere Geldhäuser dasselbe Schicksal teilen, was zweifellos stark disziplinierend auf die gesamte Branche gewirkt hätte. So aber war und ist dem „moral hazard“ Tür und Tor geöffnet. Unverantwortliche Spielertypen avancieren zu Meistern aller Klassen. Seriös agierende Geschäftsleute und Bankiers dagegen sind nur noch Verlierer und armselige Trottel. Unter solchen Voraussetzungen kann eine Wirtschaft langfristig nicht funktionieren.

Das Platzen einer Blase und die damit einhergehende Vernichtung papierener Geldbestände ist nicht dasselbe wie eine, etwa infolge kriegerischer Handlungen eintretende Zerstörung realer Werte. Die Vernichtung von durch nichts als Schulden gedecktem Geld bedeutet keine Apokalypse.

Wenn Europa sich nicht von dem durch die EZB immer weiter vorangetriebenen Schuldenkult befreit, kann keine Genesung eintreten. Man darf nie vergessen, dass die Basis für das Erfolgsmodell des Kapitalismus das Kapital bildet und nicht der Kredit. Dessen eingedenk sollten unsere einst (lang, lang ist´s her!) marktwirtschaftlich organisierten Staaten nach Jahrzehnten der Schulden(miss)wirtschaft und des Geldsozialismus endlich wieder mehr Kapitalismus wagen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Ignorierte nationale Minderheiten - Crux der EU drucken

Seit sich Engländer und Waliser wider Schotten und Nordiren mehrheitlich für die Verabschiedung des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union entschieden, sind quer über den Kontinent Gründe und Folgen geradezu auf inflationäre Weise erörtert worden. Auffällig ist, dass dabei ein Thema gänzlich außer Acht geriet, nämlich Lage, Dasein und Bedürfnisse einer Gruppe von Minderheiten. Dies korreliert mit dem Stellenwert, den diese in EUropa einnehmen.

Es ist eine Crux, dass sich die EU nie auf eine eigentlich wünschenswerte, weil notwendige Minderheiten-Politik eingelassen hat. Ich meine damit nicht „neue“, sondern „alte“ Minderheiten, nationale Minoritäten (in – aufgrund vielerlei historischer Gründe – fremdnationaler Umgebung). Es gibt deren viele, auch in EU-Europa, und einige, deren stete „Erfolglosigkeit“ im Ringen um mehr Autonomie/Selbstverwaltung  Sprengstoff  birgt. Warum hat die EU keine substantiellen Volksgruppen-Schutzmaßnahmen ergriffen? Warum haben ihre Gremien und Institutionen stets auf den – vergleichsweise machtarmen – Europarat verwiesen, bei dem die nationalen Minderheiten angeblich gut aufgehoben seien?

Zentralstaaten als Verweigerer

Die traditionell zentralistisch aufgebauten und organisierten Nationalstaaten – Frankreich, Italien, Spanien, Rumänien, um nur die ärgsten Bremser zu nennen – stehen dem Begehr der Minderheiten prinzipiell ablehnend gegenüber. Hinsichtlich Rumänien ist beispielsweise darauf zu verweisen, dass das Verlangen der ungefähr 1,4 Millionen ethnischen Ungarn – und insbesondere der ca. 700.000 Szekler – nach Autonomie von der gesamten politischen Klasse des Staatsvolks sofort als Sezessionsbegehr (Stichwort: Trianon) gebrandmarkt wird.

Ein anderes Beispiel gefällig? Frankreich (am 7. Mai  1999) und Italien (27. Juni 2000) haben zwar die am 5. November 1992 vom Europarat verabschiedete und  – bezogen auf die realen Auswirkungen  für die jeweiligen Staatsnationen – relativ harmlose „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ unterzeichnet; ratifiziert und inkraft gesetzt wurde sie bis zur Stunde von beiden Staaten nicht.

Solange das Manko aufrecht ist, dass die „kleinen Völker“ respektive „kleinen Nationen“, als die sich nationale Minoritäten/Volksgruppen gerne nennen, weil sie sich als solche verstehen, in jenen Staaten, in denen sie daheim sind, der kollektiven Schutzrechte entbehren, so lange werden sie für diese ein nicht zu unterschätzender Unruhefaktor sein. Maßlos enttäuscht sind sie indes von der EU, von der sie sich in gewisser Weise „Erlösung“ erhoff(t)en. Denn abgesehen vielleicht von dem vergleichsweise kompetenzarmen „Ausschuss der Regionen der EU“, der allenfalls als Feigenblatt taugt, hat just das „supranationale Gebilde“ EU gänzlich ihre Bedürfnisse ignoriert.

Schotten und Iren

Just im Gefolge des Brexit dürften sie sich daher neuerlich und umso vernehmlicher Gehör verschaffen. Die Schotten erstreben die Unabhängigkeit und den Verbleib in der EU. Mit einem weiteren, höchstwahrscheinlich erfolgreicheren Referendum ist zu rechnen.

Und für die Nordiren, zumindest deren katholischen Bevölkerungsteil, scheint die Gelegenheit günstig, die Vereinigung mit der Republik Irland anzustreben, wogegen sich die Protestanten gewiss konfliktträchtig zur Wehr setzen werden. Sollte sich das brexit-geschwächte London gegen die manifesten Aufbegehrensmomente nördlich des Hadrianswalls und drüben in Ulster wehren, wogegen auch die Klammer United Kingdom (trotz großer Sympathie für die sie verkörpernde, aber nicht ewig lebende Königin) letztlich wenig Wirkung entfalten dürfte, so ist dort mit vernehmlichen Erschütterungen zu rechnen.

Die genannten Zentralstaaten müssen eine derartige Entwicklung jenseits des Kanals fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Denn sie hätte Signalwirkung für nationale Minderheiten auf ihrem Territorium und/oder im Grenzraum zu Nachbarstaaten. Weder von der EU-Kommission, noch vom Rat sind indes Initiativen zu erwarten, welche auf einen längst überfälligen „EUropäischen Rechtsrahmen für nationale Minderheiten“ hinauszulaufen hätte. Und im Europaparlament würden – gesetzt den Fall, es käme dort dazu – die jeweiligen nationalstaatlichen Bremser in den Reihen von Sozialisten/Sozialdemokraten und EVP dafür sorgen, dass darauf gerichtete Versuche ins Leere liefen.

Katalanen und Basken

Was für Schotten und Nordiren gilt, gilt umso mehr für Katalanen und Basken. Nicht die Katalanen, die sich in – von Madrid nicht anerkannten – Referenden bisher am weitesten vorwagten, sondern die Basken waren die ersten, die – anfangs und über Jahre hin mit blutigen Anschlägen – die Trennung von Spanien und den eigenen Staat zu erreichen hofften.

Davon wäre naturgemäß auch Frankreich betroffen, denn jenseits der Pyrenäen, im Pays Basque (in baskischer Sprache „Iparralde“ = „Nordseite“), bekennen sich gut 100.000 Menschen zum baskischen Volk. Im Baskenland stellte Regierungschef Íñigo Urkullu – „Wir müssen auf die Ereignisse in Katalonien reagieren" – 2015 seinen Plan „Euskadi Nación Europea" vor. Er enthält das Recht auf Selbstbestimmung und sieht ein bindendes Referendum vor.

Bretonen und Korsen

Die Medien der Grande Nation geben zwar vor, das Geschehen auf den britischen Inseln habe auf Separatisten in Frankreich keine Auswirkung. Dem steht der Augenschein entgegen. Insbesondere in der Bretagne verfolgt man die schottische Unabhängigkeitsbewegung sehr genau. Viele Bretonen begleiten die Entwicklung dort mit Sympathie. Wenngleich in der Bretagne das Verlangen nach Abspaltung von Frankreich wenig ausgeprägt ist, so hört man doch gar nicht so selten, das schottische Vorpreschen werde auch anderen Volksgruppen in Europa – nicht zuletzt den Bretonen selbst – mehr Gehör und politische Eigenständigkeit verschaffen. Immerhin und wohl nicht von ungefähr sind die aufmüpfigen Bretonen bei der von Präsident Hollande initiierten großen Gebietsreform – Reduktion der Zahl der (festländischen, nicht der überseeischen) Regionen von 22 auf 13 – ungeschoren davongekommen.

Dasselbe gilt für die Korsen, wenngleich man auch die Insel Korsika, die nicht als Region, sondern als Gebietskörperschaft gilt, einer festländischen Verwaltungseinheit – etwa Provence-Alpes-Côte d’Azur – planerisch hätte zuschlagen können. Die Nationalpartei PNC (partitu di a Nazione Corsa) tritt nicht unbedingt für die Unabhängigkeit Korsikas ein, was das Ziel bisweilen bombender Extremisten war/ist, verlangt aber mehr Selbständigkeit anstatt politischer Steuerung durch Paris.

Im Elsass begnügt man sich hingegen offenbar mit einigen Zuständigkeiten in (sprach)kulturellen Angelegenheiten. Wenngleich nicht wenige Elsässer gegen die Verschmelzung ihrer Provinz mit Lothringen, der Champagne und den Ardennen zur Region Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine protestierten, welche vom 1. Oktober dieses Jahres an kurz „Région Grand Est“ heißen wird.

Flamen und Wallonen

In Brüssel, wo oft die am weitesten wirksam werdenden Entscheidungen für die EU getroffen werden, scheint der Staat, dessen Hauptstadt es ist, stets unmittelbar vor seiner Auflösung zu stehen. Der Konflikt zwischen holländischsprachigen Flamen und französischsprachigen Wallonen in Belgien währt schon lange und ist seit zehn Jahren deutlich stärker geworden. Von den Flamen, die sich ökonomisch gegen die Alimentierung der „ärmeren“ Wallonie wenden und zusehends für die Eigenstaatlichkeit eintreten, sprechen sich die wenigsten für den Erhalt des belgischen Zentralstaats aus.

Die deutschsprachige Gemeinschaft, ein von 80.000 Menschen bewohntes Gebilde mit politischer Selbstverwaltung, eigenem Parlament und Regierung, entstanden auf dem nach Ende des Ersten Weltkriegs abzutretenden Gebietes Eupen-Malmedy,  gehört zwar territorial zur Wallonie, hält sich aber aus dem flämisch-wallonischen Konflikt weitgehend heraus.

Im Norden Italiens

Außerhalb des Landes werden die Unabhängigkeitsverlangen im Norden Italiens unterschätzt und medial weitgehend ausgeblendet. Die politische Klasse in Rom muss hingegen im Blick auf die möglichen Folgen des Brexit und angesichts wachsender regionaler Erosionserscheinungen eine Art „Dominoeffekt“ befürchten.

Bestrebungen, sich von Italien zu lösen, gewannen letzthin besonders im Veneto an Boden. In einem Online-Referendum zum Thema Unabhängigkeit Venetiens, an dem sich seinerzeit 2,36 Millionen Wahlberechtigte (73 Prozent der Wählerschaft der Region) beteiligten, antworteten 89 Prozent auf die Frage „Willst Du, dass die Region Veneto eine unabhängige und souveräne Republik wird?", mit einem klaren „Ja“.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Veneto ergriff die Lega Nord in der Lombardei eine ähnliche Initiative. Die Schlacht um die Unabhängigkeit sei wieder aktuell, sagt daher Lega-Chef Matteo Salvini. Und fügte am Tag nach dem Brexit-Volksentscheid hinzu: „Es lebe der Mut der freien Briten. Herz, Verstand und Stolz besiegen die Lügen, Drohungen und Erpressungen. Danke UK, jetzt kommen wir dran“. Die Gegnerschaft zu seinen Bestrebungen sieht er in Rom und Brüssel. Rom macht er für hohe Steuern und Abgaben verantwortlich. Zudem spricht er sich für den Austritt Italiens aus der Euro-Zone aus.

Gegen Rom und Brüssel könne man nur gewinnen, wenn sich Lombardei, Piemont und Venetien zusammenschlössen, sagt Salvini. Die von seinem Stellvertreter Roberto Maroni geführte Mitte-Rechts-Koalition im lombardischen Regionalparlament verlangt die Umwandlung der Lombardei in eine Region mit Sonderautonomie, einen Status, den die Autonome Region Trentino-Alto Adige innehat, in welcher die Provinzen Trient und Bozen-Südtirol seit Ende des Zweiten Weltkriegs (zwangs)vereint sind. Doch just diese „Privilegien“ sollen gemäß der (Staats- und Verfassungs-)Reform des italienischen Regierungschefs Matteo Renzi beseitigt werden, womit die bestehenden (Sonder-)Autonomien zwangsläufig gekappt würden. Ob die „Schutzklausel“, die Renzi den Südtirolern zugesichert hat, das Papier wert ist, auf dem sie – nicht eindeutig auslegbar – fixiert ist, muss sich erst noch erweisen.

Die römischen Parlamentarier der seit Ende des Zweiten Weltkriegs zwischen Brenner und Salurner Klause dominanten Südtiroler Volkspartei (SVP) haben alle Warnrufe – der Deutschtiroler Oppositionsparteien und selbst jene von ehedem langjährigen politischen Verantwortungsträgern der eigenen Partei – in den Wind geschlagen und dem Reformvorhaben zugestimmt, über das die Italiener im Herbst abstimmen sollen. Die SVP hat sich damit aus selbstgewähltem Koalitionszwang mit dem Südtiroler Ableger von Renzis Partito Democratico (PD) politisch eindeutig positioniert; eine Festlegung, die sie – als „Minderheiten-Partei“ – aus gutem Grund, nämlich der Äquidistanz zu allen italienischen Parteien, gut sechs Jahrzehnte nie traf.

Möglicherweise zeitigt das Experiment „Autonomiekonvent“, auf welches sich die SVP – wiederum, um ihrem Koalitionspartner PD in Bozen und dessen Vormann Renzi in Rom zu willfahren – eingelassen hat, noch fatalere Folgen. Dieser „Konvent“ soll die Vorgaben liefern, mit denen das Zweite Autonomiestatut des Jahres 1972, auf welchem die politischen, ökonomischen und sozialen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der selbstverwalteten Provinz Bozen-Südtirol fußen, den „veränderten Gegebenheiten“ angepasst werden soll. 

Faktum ist indes, dass Italien die autonomen Befugnisse des ihm nach dem Ersten Weltkrieg zugeschlagenen südlichen Tiroler Landesteils seit dem mit der österreichisch-italienischen Streitbeilegungserklärung im völkerrechtlichen Sinne beendeten Südtirol-Konflikt 1992 mittels gesamtstaatlicher, das heißt römischer „Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis“ und spürbarem Finanzmittelentzug, auf den sich die SVP einließ, sukzessive entwertete. Faktum ist zudem, dass die nicht zu leugnende, aber – wiederum wider Mahnungen von Opposition und „Altpolitikern“ der Partei – von der jetzigen SVP-Führung ignorierte Gefahr besteht, dass die Ergebnisse des „Konvents“ in ein „Drittes Autonomiestatut“ münden, dessen politischer und – vor allem rechtlicher – Rahmen bei weitem hinter jenem des Zweiten zurückbleiben dürfte.

„Los von…“

Angesichts dessen muss man sich nicht wundern, dass die Befürworter des „Los von Rom“ in Südtirol immer mehr Zulauf erhalten. Und sich, wie unlängst der in Bruneck veranstaltete „Unabhängigkeitstag“ erwies, mit den politischen Kräften jener Bewegungen verbünden, welche das „Los von London, Madrid, Paris, Brüssel…“ für sich beanspruchen, sowie die Gewährung und Ausübung des Selbstbestimmungsrechts verlangen. Hätte sich die EU beizeiten auf eine vernünftige Politik zum Schutz der „alten“ Minderheiten eingelassen und einen verlässlichen kollektiven Rechtsrahmen zum Schutz der „kleinen Nationen“ und Volksgruppen geschaffen, so wären die zwischen Hebriden und Po-Ebene dräuenden Fliehkräfte mutmaßlich nicht so stark angewachsen. Und erhielten auch nicht zusätzlichen Auftrieb durch den britischen Exit.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

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Mission accomplished - Respekt vor Nigel Farage drucken

Nigel Farage hat am Montag, dem vierten Juli, seinen Rücktritt als Parteichef der EU-kritischen UKIP (United Kingdom Independent Party) bekanntgegeben. Die Reaktionen der heimischen Politlandschaft darauf fielen erwartungsgemäß aus. Von ganz weit links (Robert Misik via Twitter) bis Mitte links (Claudia Gamon via Facebook) war etwa die Rede von „Geisterfahrerflucht“. Othmar Karas gab gar zu Protokoll: „Die Zündler schleichen sich davon. […] Erst richten Sie (gemeint sind die Brexit-Befürworter, Anm.) einen Scherbenhaufen an und dann wollen sie sich an den Aufräumarbeiten nicht beteiligen“. In den Kommentaren der Onlinezeitungen liest man von Verantwortungslosigkeit, von einem Paradebeispiel eines Rechtspopulisten der sich nicht der Aufgabe stellen würde und der, nun, da er Chaos verursacht habe, das Weite suche.

Ich sehe den Sachverhalt völlig anders geartet. Zwar bedauere ich den Verlust eines charismatischen Politikers, der sich entschieden gegen diese Form der EU ausgesprochen hat, der fast wie eine Galionsfigur der europaweiten EU-kritischen Bewegungen wirkte, aber in erster Linie habe ich großen Respekt vor seiner Entscheidung. Respekt davor, dass ein Politiker nicht am Futtertrog kleben bleibt, sondern sich nach getaner Arbeit von der politischen Bühne (zumindest weitestgehend) verabschiedet. Zwei Aussagen Farage's hiezu sind bemerkenswert: „Ich habe meine Mission erfüllt“ und „Ich war noch nie und wollte auch nie ein Karrierepolitiker sein“. Derartige Statements sind mittlerweile sehr selten geworden, im politischen Alltag der Sesselkleber und Berufspolitiker, vielleicht rühren die heftigen Reaktionen darauf auch daher.

Nun mag man vom sogenannten „Brexit“ halten was man will, Nigel Farage hat jedenfalls tatsächlich seine Mission weitestgehend erfüllt. Lange Zeit bestenfalls belächelt, war er letztlich, zusammen mit Boris Johnson und Iain Duncan Smith das Gesicht und die treibende Kraft der Brexit-Befürworter. Die Unkenrufe, es sei doch feige, sich jetzt zurück zu ziehen und er solle zu seiner Verantwortung stehen, gehen ins Leere. Nigel Farage bekleidet weder ein Regierungsamt noch sitzt er im britischen Parlament. Es ist auch völlig unrealistisch, dass ihm die verfeindeten Tories plötzlich ein solches Amt anbieten werden. Er ist also schlichtweg nicht in der Position, um etwa federführend die Austrittsverhandlungen zu leiten oder ähnliches zu tun.

Im EU-Parlament, hingegen, hat er nach wie vor ein Mandat inne und er hat auch angekündigt, von dort aus „wie ein Falke“ genau beobachten zu wollen, ob das Austrittsverfahren auch ordnungsgemäß ablaufen wird. Zudem hat er in Aussicht gestellt bei Verhandlungen zum Austritt mitwirken zu wollen, so seine Hilfe benötigt werde. Was kann er also noch mehr tun, als, seiner Funktion entsprechend, das Beste geben um den Austritt zu gewährleisten?

In Wahrheit nicht viel. Das „Problem“, das sich nach dem Brexit stellt, ist vielmehr, dass die britische Regierung nun ein Votum umsetzen muss, von dessen Ergebnis sie selbst nicht überzeugt ist und gegen das sie massiv geworben hat. In Österreich, dem Land, in dem „Haltung“ (was nur ein Euphemismus für „Sturheit“ oder „ideologischen Starrsinn“ ist) so populär zu sein scheint, ist so etwas kaum vorstellbar. 

Dabei könnte eine derartige Situation geradezu eine Sternstunde der Demokratie werden. Politiker könnten beweisen, dass sie in erster Linie gewählt worden sind, um den Willen des Volkes umzusetzen und eben keine narzisstische Selbstdarsteller sind, die sich selbst und ihr Weltbild zu wichtig nehmen und getreu dem Motto handeln: L'État, c'est moi (Der Staat bin ich)! Wir werden sehen, wie weit die Briten in dieser Hinsicht sind.

Martin Holzmann ist 26 Jahre alt und studiert an der BOKU in Wien Forstwirtschaft. Er hat zwei Jahre Beiträge für die Rubrik "Meinjung" der Salzburger Nachrichten geschrieben.

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Nur dagegen sein ist zuwenig drucken

Nach dem Ex-Bürgermeister von London, Boris Johnson, ist nun auch Nigel Farage, der Chef der britischen EU-Austrittspartei UKIP, zurückgetreten. Das enthüllt eine ziemlich erbärmliche Situation jenes Lagers, das eigentlich das britische EU-Austrittsreferendum gewonnen hat. Das ändert freilich überhaupt nichts an der ebenso erbärmlichen Lage auch der anderen, der europäischen Seite. Wo ebenfalls eine Reihe von Rücktritten – und vor allem politische Kursänderungen fällig wären.

Der Abgang von Farage und Johnson lässt das Brexit-Lager in der Stunde seines größten Triumphes völlig führungslos zurück. Es zeigt sich: Das Nein-Lager hat nur in einem einzigen Punkt zusammengefunden, dem Nein zu der EU, wie sie sich heute präsentiert. Über den nächsten Schritt, das „Was dann?“, hat man dort aber überhaupt nicht nachgedacht.

Das wurde auch durch die Rücktrittsworte von Farage deutlich: Er habe mit dem Votum für den Austritt Großbritanniens aus der Union seine „Aufgabe erfüllt“, nun wolle er „sein Leben zurückhaben“. Das ist zynischer Egoismus. Nur dagegen zu sein ist eine jämmerliche politische „Aufgabe“. Blamabel.

Damit scheint aber auch klar, dass ein halbwegs intelligenter Deal mit der EU bei jedem weiteren Referendum von den Briten akzeptiert würde. Das wäre auch eine tolle Chance für ALLE 28 Mitgliedsstaaten. Der einzig vorstellbare intelligente Deal wäre die Möglichkeit einer EU-Vollmitgliedschaft mit einigen signifikanten Einschränkungen bei der Personenfreizügigkeit, insbesondere aber auch bei der verkorksten Asylpolitik Marke Merkel/Juncker/Gerichtshöfe. Eine Möglichkeit, die natürlich künftig nicht nur Großbritannien offenstehen dürfte.

Trotz dieses Zerfallens des Austrittslagers wäre es fatal, wenn die EU nicht begreifen würde, wie sehr sie selber schuld daran ist, dass die im vorigen Jahrtausend noch so große Zustimmung, ja vielerorts Begeisterung für das Projekt in fast allen EU-Ländern zerbröselt ist. Eine abgehobene und machtgierige Führungselite in Brüssel und Berlin, im Straßburger EU-Parlament und im Luxemburger EU-Gerichtshof hat den Kontakt mit den Bürgern Europas verloren. Diese Elite hat wie einst der Feudaladel geglaubt, dass sie ohnedies selbst am besten wisse, was gut für die Bürger ist.

Die Irrwege der EU im 21. Jahrhundert

Auf einer ganzen Reihe von Feldern ist das inhaltlich aber total schief gegangen. Sie sind hier auch immer wieder aufgezählt worden, daher nur in aller Kürze:

  1. Die nicht nur im Falle Griechenlands immer wieder auf (gigantische) Kosten der anderen Europäer tolerierte Nichteinhaltung von Verträgen, vor allem, aber nicht nur rund um den Euro;
  2. die strenge Beschränkung der Kreditvergaben durch viele EU-Beschlüsse in den letzten Jahren wegen des mit jedem Kredit naturgemäß verbundenen Risikos, was viele Unternehmen killt und Investitionen verhindert;
  3. die völlig dazu im Widerspruch stehende uferlose Geldproduktion der Zentralbank, die mit dem Wunsch einer Erhöhung der Kreditvergaben an Unternehmen begründet wird, die aber in Wahrheit nur die Schuldnerstaaten in all ihrer Verantwortungslosigkeit durchfüttert;
  4. die Beihilfe durch die EU („Rettung“) bei der Schleusung von Völkerwanderungsmassen durch islamische Gangsterbanden übers Mittelmeer;
  5. die an Diktaturen gemahnende Absicht, die hereingekommenen Millionen aus Afrika und Asien allen Mitgliedsstaaten aufzuzwingen, die deren Hereinkommen immer abgelehnt haben;
  6. die europäische Asyl-Judikatur (EuGH und EGMR) samt den entsprechenden Richtlinien (Kommission, Rat und dem sich für demokratisch haltenden EU-Parlament), die Europa immer mehr für jeden von der Gratiswohlfahrt angezogenen Migranten geöffnet haben;
  7. die enorme Überregulierung bis hin zur Ebene von Heizthermen, Staubsaugern und Glühbirnen im Dienste der grünen CO2-Hysterie, über die die ganze restliche Welt nur lacht;
  8. die Aufnahme von Staaten ohne volle Kontrolle über ihr Staatsgebiet (Zypern);
  9. ebenso wie die Aufnahme von Neutralen, die sich vom gegenseitigen Sicherheits-Beistand in einer Union absentieren (die letzten beiden Themen waren allerdings in den letzten Jahren weniger im Zentrum der Aufmerksamkeit, sind aber dennoch ein grundlegendes Problem).

Wenn es jetzt nicht auf all diesen Feldern einen dramatischen Richtungswechsel gibt, werden sich die Bürger Europas weiter immer mehr von dem Projekt abwenden. Für einen solchen Wechsel ist zweifellos ein Auswechseln der versagt habenden zentralistischen Führungsgarnitur Juncker, Schulz, Merkel, Hollande und Draghi unumgänglich. Nur ein Köpferollen (so unwahrscheinlich es für die unmittelbare Zukunft auch ist) bei Fortsetzung der gleichen Politik würde jedoch keinesfalls reichen.

Wollen wir dennoch auf das Unwahrscheinliche hoffen. Denn die EU, ihr Binnenmarkt und das außen- wie sicherheitspolitische Zusammenwirken sind notwendiger denn je. Aber eben wie in den ersten Jahrzehnten als Projekt liberaler Freiheit, Eigenverantwortung und Kooperation, jedoch nicht als ökosoziale Diktatur der Verantwortungslosigkeit.

Ganz sicher sind im Übrigen der jämmerliche Zerfall und die Ratlosigkeit des Brexit-Lagers kein Argument gegen die direkte Demokratie, wie es jetzt gerne von der Machtelite nach dem überheblichen Motto „Das Volk ist zu dumm“ behauptet wird. Es ist nur ein – starkes – Argument gegen den Missbrauch der direkten Demokratie durch die Elite selbst, wie ihn der britische Premier Cameron verschuldet hat (der aus rein parteitaktischen Gründen ein Austrittsreferendum veranlasst hat, aber dann bei diesem gegen den Austritt geworben hat). Eine direkte Demokratie nach Schweizer Muster, die vom Volk, nicht der Regierung ausgeht, wäre diesem britischen Modell hingegen weit überlegen. Und der europäischen Elitenrealität noch viel mehr.

Europas Völker lassen sich im 21. Jahrhundert nicht mehr von feudalen Machtstrukturen unterjochen.

PS: Es ist ja nicht sehr und nicht mehr lange wichtig, was die Herrn Kern und Mitterlehner zur EU sagen, aber dennoch ist es erstaunlich, dass sie bei ihren lustigen Zwillingsauftritten keinen Millimeter Kritik an der EU-Politik äußern. Das schafft nur Außenminister Kurz.

 

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Klamauk-Juncker und die österreichische Demokratie drucken

Laut Medienberichten replizierte Jean-Claude Juncker auf österreichische Vorschläge in Bezug auf das CETA-Procedere wie folgt: „Hören Sie mir mit dem österreichischen Klamauk auf, so zu tun, als ob ich mich an der österreichischen Demokratie vergreifen würde – ich respektiere sie.“

Schon vor 16 Jahren, im Februar 2000 hat Juncker die österreichische Demokratie alles andere als respektiert, indem er sich ruck-zuck den weder juristisch begründeten noch moralischen „Sanktionen“ gegen Österreich angeschlossen hat.

Prof. Dr. Herbert Kaspar war langjähriger Herausgeber und Chefredakteur der ACADEMIA. Der Beitrag ist sein aktueller Gastkommentar in der Juli-Ausgabe der ACADEMIA

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Zwei spanische Lehren für ganz Europa drucken

Spanien ist für mich eines der liebenswertesten Länder Europas, in dem ich mich vor allem in jüngster Zeit immer sicherer und wohler gefühlt habe als an vielen Wiener Brennpunkten. Spanien steht aber politisch heute am Rand der Unregierbarkeit. Das wird auch für den Rest Europas gefährlich, auch wenn es dort im Brexit-Schock noch nicht so richtig begriffen wird. Das hat zwei klare Ursachen, die auch der Rest Europas erkennen und die richtigen Lehren daraus ziehen sollte.

Die eine Ursache ist das ungelöste Katalonien- und Basken-Problem. Zwei Völker im Nordosten werden vom kastilisch-andalusischen Spanien in imperialistisch-nationalistischer Zwangshaft gehalten und an der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts gehindert. Das hat nicht nur zum jahrelangen baskischen Terrorismus geführt. Das ist auch eine Hauptursache der Blockade im spanischen Parlament.

Der nun schon zweite spanische Wahlgang im Abstand weniger Monate führt zum gleichen Ergebnis: Beide Male haben weder die zwei linken noch die zwei rechten Parteien eine Mehrheit errungen. Aber sie schaffen es auch nicht, irgendwie zusammenzukommen. Denn jedes Mal verhindern es die Mandate der autonomistischen/sezessionistischen Parteien aus dem Nordosten, dass einer der beiden Seiten die Mehrheit erringt.

Das ist eine der vielen dummen Folgen des Beharrens der spanischen Mehrheit auf der staatlichen Einheit um jeden Preis. Diese argumentiert mit der Verfassung. Als ob der Buchstabe von Gesetzen und der Mythos historischer Staatsgrenzen wichtiger wäre als der Wille der Bürger und das Funktionieren von Gesellschaften.

Ganz ähnlich dringend sollte auch die EU – will sie überleben – lernen, das Recht an diese beiden obersten Prioritäten auszurichten. Und nicht an zentralistische Gestaltungswut und Machtgier der Elite.

Selbstbestimmung wirkt fast immer positiv

Einige Beispiele zeigen, dass Spanien wohl ewig Probleme haben wird, wenn es nicht das friedliche und rechtlich geordnete Selbstbestimmungsrecht akzeptiert, dass dessen Anwendung fast immer klug ist – oder gewesen wäre:

  • Es ist in den letzten 70 Jahren in der ganzen Dritten Welt umgesetzt worden und hat viele blutige Befreiungskriege beendet (auch wenn es – siehe etwa Zimbabwe – nicht alle Staaten geschafft haben, dass es ihnen heute besser geht als zuvor).
  • Es hätte in der Dritten Welt noch viel besser funktioniert, wären die einst bei Diplomatenkonferenzen in Europa machtpolitisch gezogenen Kolonialgrenzen nicht für sakrosankt erklärt worden.
  • Es hat im Falle der einstigen Tschechoslowakei hervorragend und völlig reibungslos funktioniert; und es hat Tschechen und Slowaken nach der Trennung zu ganz engen Freunden gemacht.
  • Es hätte im Fall Jugoslawien bei rechtzeitiger, freiwilliger und geordneter Anwendung viele blutige Bürgerkriege erspart.
  • Es ist im Falle der Sowjetunion zwar durch einen historischen Zufall teilweise umgesetzt worden und findet heute in den 14 dabei neu entstandenen Staaten auch große Zustimmung. Es wird nur vom heute imperialistisch-militaristisch denkenden Russland leider nicht akzeptiert und hat von Georgien bis zur Ukraine und Moldawien zu blutigen militärischen Aggressionen durch Russland geführt.
  • Es hätte auch der Ukraine etwa in Hinblick auf die Krim viel erspart.
  • Es hätte auch Österreich und Europa zwei furchtbare Weltkriege und zwei furchtbare Totalitarismen erspart (sowie den Südtirolern ein Jahrhundert der Fremdherrschaft und Millionen Deutschen die Vertreibung nach 1945), hätte man es schon vor 1914 auch regional angewendet.

Aber immer haben nationaler Stolz und Hybris – oder individuelle Machtgier der Herrschenden die Selbstbestimmung verhindert. Dabei weiß heute nicht nur jeder Österreicher, dass man letztlich viel besser dasteht, wenn man die Regionen und Länder nicht mit Gewalt hält, die gehen wollen. Heute geht es ja vielfach den kleinen Staaten besser als den großen (wenn man die relativen Erfolgsgeschichten USA und Deutschland einmal ausklammert).

Der Stolz des Mariano Rajoy

Individueller Stolz ist aber auch die zweite Ursache der spanischen Malaise. Und das ist im Konkreten der Stolz von Mariano Rajoy, dem Ministerpräsidenten und Chef der konservativen Partido Popular. Er ist zwar zweimaliger Wahlsieger – aber nur relativer, nicht mehr absoluter wie früher. Und manches deutet darauf hin, dass unter seiner Person eine Regierungsbildung nicht gelingen kann, aber sehr wohl mit und unter seiner Partei. Trotz der Problematik der baskischen  und katalonischen Abgeordneten (die eben wegen ihres kastilisch-andalusischen Sezessionsstrebens quasi automatisch Opposition sind).

Da wäre es jetzt der richtige Zeitpunkt für Rajoy, im Interesse seines Landes abzutreten. Er könnte das mit erhobenem Haupt und dem Lorbeerkranz eines relativen Siegers, der seine Karriere für das Vaterland opfert. Statt stolz verbissen auf der persönlichen Machtausübung zu beharren.

Es gibt halt bisweilen Situationen, wo ein Politiker im Dienste seines Landes besser freiwillig abtritt. Wieder einige Beispiele:

  • Eines der vielen lobenswerten Exempel war der Verzicht Kurt Waldheims auf eine zweite Kandidatur, weil einfach der (wenn auch zutiefst verlogene und opportunistisch von der SPÖ ausgegangene) internationale Widerstand gegen ihn zu groß und letztlich unüberwindlich war (dass der Nachfolger in anderer Hinsicht problematisch wurde, ist wieder eine andere Geschichte).
  • Ein Gegenbeispiel ist hingegen Angela Merkel, die aus persönlichem Stolz nicht zugeben will, welch schweren Fehler sie in der Migrationspolitik verschuldet hat, der Europa in seine schwerste Krise gestürzt hat.
  • Ein weiteres Gegenbeispiel ist EU-Kommissionschef Juncker, der nach dem britischen Referendum nur die Wahlsieger emotional zu beschimpfen vermag, der sogar Gespräche mit den Briten verbietet und als „Geheimverhandlungen“ denunziert, der aber offenbar aus Stolz (oder Intelligenzmangel?) keinerlei eigenen Fehler zuzugeben bereit ist.
  • Und das krasseste Gegenbeispiel war Adolf Hitler, der auch dann noch einen Krieg weitergeführt und Millionen Menschen in Tod und Elend gestürzt hat, als die (für uns, aber nicht für ihn erfreuliche) Niederlage des Nationalsozialismus längst allen klar war, er aber selbst lieber Deutschland zerstört sehen wollte, als sein eigenes Scheitern einzugestehen.

 

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Die EZB darf Schwarz für Weiß erklären drucken

Jetzt ist auch Karlsruhe umgefallen. Neuerlich. Das ist erwartbar gewesen, aber dennoch katastrophal. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat zwar wie schon in etlichen früheren Urteilen massive „Bedenken“ gegen europäische Entscheidungen und Machtanmaßung geäußert. Es fühlt sich aber offenbar hilflos gegen die verderblichen Handlungen der Europäischen Zentralbank, mit denen die Euro-Schuldnerstaaten auf Kosten der Sparer vor dem Bankrott bewahrt werden. Das Gericht knirscht zwar vernehmlich mit den Zähnen. Es wagt aber nicht die Kampfansage an Europa und weist letztlich alle Klagen gegen die Staatsfinanzierung durch das EZB-Gelddrucken ab.

Das Kleingedruckte, die „Bedenken“ Karlsruhes, ist völlig irrelevant. Die EU-Behörden lesen nur: Wir dürfen. Wir dürfen letztlich alles.

Das wird die EU-Begeisterung außerhalb der Finanzministerien und der Schuldnergewerkschaft Italien&Co freilich nicht gerade heben. Und es dürfte in Großbritannien die Brexit-Stimmung noch einmal wiederbeleben (obwohl die Briten ja gar nicht beim Euro dabei sind).

Dieses Sich-für-hilflos-Erklären eines deutschen Höchstgerichts ist zweifellos auch für Österreich dramatisch. Und es ist langfristig viel wichtiger als die Wahlanfechtung der hiesigen Präsidentenwahl. Wie auch immer sie ausgehen wird.

Das Urteil auf ein einfaches Gleichnis gebracht: Die europäischen Instanzen (EuGH und EZB) erklären Schwarz für Weiß. Denn Schwarz wäre verboten, Weiß aber ist erlaubt. Und auch dem stärksten EU-Staat, wo sich ein Gericht (im Gegensatz beispielsweise zum österreichischen VfGH) mit dieser Ungeheuerlichkeit wenigstens zu befassen wagt, bleibt nichts anderes über, als diese Absurdität zu schlucken.

Oder juristischer: Die EZB darf zwar eigentlich ganz eindeutig nicht Staatsfinanzierung betreiben. Weder durch Gelddrucken noch durch ständigen gigantischen Ankauf von Staatsanleihen. Die Staaten brauchen eine solche externe Finanzierung angesichts ihrer ständigen Schuldenpolitik aber. Und daher finanziert die leider keineswegs geistig unabhängige und leider nicht nur auf die vertraglich vorgeschriebene Stabilität beschränkte EZB die Staaten auch. Sie erklärt einfach im Gegensatz zur Wirklichkeit, dass ja gar keine Staatsfinanzierung stattfände. Sondern nur Geld- und Währungspolitik. Und sie hat dabei Rückendeckung durch den ebenfalls von Vertretern der Schuldnerstaaten kontrollierten EuGH bekommen.

Wir lernen: Durch juristische Behauptungen kann man in Europa alles. Auch über Wasser gehen. Und Wasser zu Wein machen. Nationale Verfassungsgerichte können das zwar für seltsam, für bedenklich erklären, sind aber letztlich machtlos. Oder feige.

Das Opfer sind alle Sparer, deren Geld durch die EZB schon seit Jahren ständig entwertet wird, ohne dass sie Zinsen bekämen. Und das zweite Opfer sind die künftigen Generationen, auf deren Schultern immer höhere Lasten abgelagert werden.

Einer der zentralen Tricks der EZB dabei ist das Gerede vom „zweiprozentigen Inflationsziel“, das sie in den letzten Jahren entwickelt hat. Aus der einstigen Einschätzung von Ökonomen, die auch ins EZB-Recht übernommen worden ist, dass die Inflation unter zwei Prozent gehalten werden soll, weil sie spätestens bei diesem Wert gefährlich werden könnte, hat die EZB das Ziel gemacht, die Inflation auf zwei Prozent hinauf zu treiben.

Sie hat dazu ein düsteres Gespenst an die Wand gemalt: Die angebliche Katastrophe einer Deflation. Dabei gibt es bei den normalen Produkten des Lebens – von Lebensmitteln über die Wohnkosten bis zu den Dienstleistungen – eine durchaus ordentliche Inflation. Aber durch die Entwicklung des Ölpreises (und einiger anderer Rohstoffe) steigen die Preise in Summe und im Schnitt nur kaum.

Vor wenigen Jahren noch hat man gewusst, dass sinkende Ölpreise ein Segen für die Wirtschaft sind. Heute behauptet man einfach das Gegenteil. Und die Regierungen jubeln alle insgeheim, die durch die EZB-Politik nun ihre riesigen Schulden und Defizite zum Zweck der Wählerbestechung ungestraft (eben zinsenlos und jederzeit durch die EZB finanziert) jederzeit fortsetzen können.

Und das „Recht“? Wir lernen: Recht besteht nur aus Worten. Und Worte sind im EU-Europa beliebig dehnbar geworden.

 

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Frankreich ist anders drucken

Knapp vor der Fußball-Europameisterschaft ist der absolut ideale Zeitpunkt: Nie ist die Erpressungsmacht von Gewerkschaften größer als zu einem solchen Zeitpunkt. Nie ist es leichter, eine ohnedies schwache und schwankende Regierung unter Druck zu setzen. Das haben wir ja auch schon vor zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft in Brasilien gesehen.

In Brasilien war und ist die Rolle des Fußballs so dominierend, dass dann zumindest während der Spiele Ruhe und Konzentration auf den Sport einkehren konnten (was freilich nichts daran geändert hat, dass die Spiele für das brasilianische Team mit einem Debakel geendet haben). Ob das in Frankreich auch so sein wird, ist hingegen eher ungewiss. Noch dazu, wo das Land angesichts des islamistischen Terrors und der in Europa besonders großen Hooligan-Massen während der Spiele ohnedies bis zum letzten angespannt sein wird.

Das alles wissen die in Frankreich ohnedies immer besonders radikalen und gewaltfreudigen Gewerkschaften. Sie haben daher bis zum letzten gegen die geplante Arbeitsmarktreform der Regierung gekämpft. Mit Streiks, mit Demonstrationen, mit Blockaden.

Dieser Kampf wurde psychologisch noch dadurch intensiviert, dass die regierenden Sozialisten alles andere als wild entschlossen schienen, die Reform auch wirklich mit Punkt und Beistrich durchzuziehen. Prompt hat die Regierung einige Punkte zurückgezogen und sich auch bei den anderen verhandlungsbereit erklärt. Der verbliebene Rest ist keineswegs mehr dramatisch.

Umso dümmer ist es von der Regierung gewesen, sich mit der endgültigen Fixierung der Arbeitsmarktreform bis zur Periode der Fußball-Spiele Zeit zu lassen, wo sie doppelt verwundbar ist. Diese Reform hätte nach allen Regeln der politischen Taktik längst vorher beschlossen werden müssen. Und nicht erst ein Jahr vor der Wahl. Aber Sozialisten brauchen offenbar solange, um wenigstens ein paar der wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu begreifen. In der Sache kann es freilich keine Zweifel geben, dass diese Reform und vor allem noch einige weitere, weit darüber hinausgehende notwendig sind. Denn:

  1. Frankreich ist ein wirtschaftlich im Europavergleich besonders kritisch dastehendes Land.
  2. Es ist noch dazu nicht wie Griechenland eines der kleinen EU-Mitglieder, dessen Last Deutschland&Co gleichsam nebenbei schultern könnten. Es ist vielmehr das zweitwichtigste Land Europas (das sich selbst sogar für das wichtigste hält).
  3. Alljährliche Defizite zwischen 3 und 4 Prozent widersprechen sämtlichen Pflichten und Verpflichtungen.
  4. Die Staatsverschuldung schrammt ganz knapp an der Dreistelligkeit.
  5. Der Außenhandel ist defizitär.
  6. Die Arbeitslosigkeit beträgt über zehn Prozent.
  7. Viele europäische Wirtschaftsexperten machen sich aus der Summe dieser Gründe um Frankreich mehr Sorgen als um jedes andere EU-Land.

Die Schwierigkeiten für Frankreich sind ganz ähnlich zu vielen anderen EU-Staaten. Der immer gleiche Kern: Der Sozial- und Wohlfahrtsstaat ist viel zu teuer ausgebaut worden, als dass er noch finanzierbar wäre, als dass unter seinen Rahmenbedingungen jemals wieder ausreichendes Wachstum entstehen könnte. Aber nur ein sattes Wachstum könnte jemals die Arbeitslosigkeit und die ständige Neuverschuldung wieder reduzieren. Deshalb kann keine Sanierung ohne Einschnitte ins Sozial- und Wohlfahrtssystem gelingen.

Solche Einschnitte aber treffen die Gewerkschaften ins Herz. Haben diese doch lange geglaubt, jeder Ausbau dieses Sozialsystems wäre eine irreversible historische Errungenschaft und absolut gerechtfertigt. Daher kämpfen sie fast logischerweise in allen Staaten gegen die notwendige Beschneidung der Arbeitnehmerrechte, auch wenn hohe Arbeitslosigkeit und dauerhafte Krisen die Folgen sind.

In einigen Staaten ist freilich der ökonomischen Vernunft ein Erfolg gegen das rigide Gewerkschaftssystem gelungen. Die wichtigsten Beispiele maroder Länder, denen wenigstens eine Teilsanierung und Zurückdrängung der Gewerkschaften gelungen ist:

  • Am frühesten und erfolgreichsten hat das Großbritannien unter Margaret Thatcher geschafft; die damaligen Reformen wurden dann auch von der Labour-Regierung Blair voll übernommen.
  • In Schweden und Finnland ist – unter Mitwirkung der Sozialdemokraten! – das am stärksten ausgebaute Wohlfahrtssystem der Welt beschnitten worden. Die Schweden gehen heute beispielsweise um vier Jahre später in Pension als die Österreicher; sie haben allerdings inzwischen durch die große Massenzuwanderung aus der Dritten Welt wieder einen Rückschlag erlitten.
  • Deutschland hat mit der Agenda 2010 eine sensationelle Wiederbelebung geschafft. Das hat freilich zur Abspaltung der „Linken“ von der SPD und für diese zu einer Serie von Niederlagen geführt (dieses deutsche Beispiel wird jetzt freilich in vielen anderen Sozialdemokratien als abschreckendes Beispiel gesehen, das sie sehr zögerlich beim Reformieren sein lässt).
  • In Portugal und Spanien haben konservative Regierungen eine zwar keineswegs vollständige, aber doch teilweise Sanierung aus der Krise geschafft, sodass die Zahlen in die richtige Richtung gehen. Eine neue portugiesische Linksregierung will jetzt allerdings einen Teil der Reformen wieder zurückdrehen. Und in Spanien sorgen Neuwahlserien, Korruption und Sezessions-Debatten für etliche Fragezeichen.
  • In Italien sind der Linksregierung Renzi zumindest einige Reformen gelungen, die aber noch nicht ausreichen und die jetzt auch durch die Massenmigration beeinträchtigt werden.
  • Die größten Erfolgsbeispiele in jüngster Zeit sind Irland und Island, die durch beinharte Sanierung einen sehr raschen Wiederaufschwung aus der Krise 2008 geschafft haben. Irland ist heute schon wieder "der" Modellfall in Europa.

In Österreich allerdings herrscht seit zehn Jahren Stillstand. Hier war im Gegenteil die Regierung der letzten acht Jahre ein verlängerter und gehorsamer Arm der Gewerkschaften – eine in ganz Europa einmalige Situation. Wie in Frankreich deutet Vieles darauf hin, dass auch hier erst bei einem großen Crash à la Griechenland  Bereitschaft und Kraft zu Reformen und Einschnitten ins Sozial- oder Arbeitsrechtssystem wachsen werden. Auch der neue Bundeskanzler redet nur herum, hat aber bisher keine einzige substanzielle Reform konkret angekündigt, geschweige denn jene vielen, wo er in den Clinch mit der Gewerkschaft gehen müsste.

Während Österreichs Hauptproblem – die hohen Pensionen und vor allem das niedrige Pensionsantrittsalter – überhaupt noch nicht ernsthaft angegangen werden, versucht Frankreich wenigstens jetzt erste zaghafte Schritte bei seinem eigenen Zentralproblem. Das ist der völlig rigide Arbeitsmarkt, der dazu geführt hat, dass Arbeitgeber immer seltener neue Arbeitskräfte einstellen, weil sie fürchten müssen, diese nie wieder loszuwerden.

Freilich ist der in Frankreich geplante Katalog zwar durchaus sinnvoll, aber noch völlig unzureichend. Er kann daher gewiss nicht einen dramatischen Boom auslösen:

  • Die Unternehmen sollen direkt mit den Betriebsräten – also unter Ausschaltung der Gewerkschaften – in Arbeitszeitfragen flexiblere Vereinbarungen treffen können, die stärker auf die Auftragslage eingehen.
  • Die Höhe der Zuschläge für Überstunden kann betriebsintern ausgehandelt werden (wenngleich an der von vielen Experten kritisierten 35-Stunden-Woche weiterhin nicht gerüttelt wird).
  • Betriebe können etwas leichter aus wirtschaftlichen Gründen Kündigungen aussprechen, etwa wenn sie einen Rückgang des Umsatzes nachweisen können (aber sie haben eben nicht das Recht, weitgehend auch ohne Begründung zu kündigen wie etwa in Österreich).

Man sieht: Es sind in Wahrheit minimale Reformen, die dennoch eine so große Mobilisierung auslösen. Freilich: Es gibt kein europäisches Volk, das in den letzten 250 Jahren so oft und so aggressiv auf die Straße gegangen ist wie die Franzosen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Ein wichtiger Schritt zur Vernunft drucken

Am Europäischen Gerichtshof, der ja einen guten Teil der Mitschuld an der Islamisierungs- und Migrationskatastrophe trägt, scheint jetzt wenigstens in einem Punkt, der allerdings europaweit Präjudizbedeutung hat, die Vernunft einzukehren. Nämlich beim Kopftuchverbot.

Das geht aus der Stellungnahme der deutschen EuGH-Generalanwältin hervor. Das europäische Höchstgericht folgt in der Mehrzahl der Fälle diesen Stellungnahmen. Die Generalanwältin kommt darin zum Schluss, dass ein Kopftuchverbot in Unternehmen zulässig sein kann. Wenn sich das Verbot auf eine Betriebsregelung stützt, nach der sichtbare politische, philosophische und religiöse Zeichen am Arbeitsplatz untersagt sind, könne das Kopftuchverbot gerechtfertigt sein, um die vom Arbeitgeber verfolgte legitime Politik der religiösen Neutralität durchzusetzen.

Anlass war die Klage einer in Belgien bei der Sicherheitsfirma G4S Solutions beschäftigten Muslimin, die nach dreijähriger(!) Tätigkeit für das Unternehmen plötzlich darauf bestanden hat, mit einem islamischen Kopftuch zur Arbeit erscheinen zu dürfen. Daraufhin wurde sie gekündigt, da bei G4S das Tragen sichtbarer religiöser, politischer und philosophischer Zeichen verboten ist. Dagegen hatte die Muslimin geklagt

„Natürlich“ unterstützt von einem „Zentrum für Chancengleichheit und Rassismusbekämpfung“. Wetten, dass dieses Zentrum vor allem von Steuergeldern lebt, wie alle solche Gutmensch-Institutionen? Ob es jetzt auch den Gerichtshof als rassistisch denunzieren wird?

 

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Die gute Fee ist nur ein Schmäh drucken

Wer einmal lügt… Selten hat sich ein Sprichwort so bewahrheitet wie beim Umgang der EU mit den Defiziten ihrer Mitgliedsländer, obwohl diese im Euro-Raum schlimme Auswirkungen auch auf alle anderen Länder haben. Das zeigt sich derzeit wieder einmal aus Anlass der „Bitte“ Spaniens, nicht bestraft zu werden, obwohl das Land wegen eines mit fünf Prozent überhohen Defizits eigentlich zwingend 2,1 Milliarden Euro Strafe zahlen müsste.

Jedoch weiß inzwischen jeder in Europa, dass auch Spanien keine Strafe zahlen wird müssen. Denn all die vielen anderen Staaten, die trotz gegenteiligen Versprechens überhöhte Defizite produziert haben, haben ja auch keine zahlen müssen. Etwa Frankreich an der Spitze.

Dabei hat die EU hoch und heilig geschworen, dass es diesmal mit absoluter Sicherheit erbarmungslose Härte gegen Defizitsünder geben werde, nachdem alle früheren Regelungen zahn- und wirkungslos geblieben waren. Nachdem sie letztlich von den EU-Gremien nie vollzogen worden waren. Als Folge ist es in den letzten zwei Jahrzehnten zu immer ärgeren Disziplinlosigkeiten gekommen (in Österreich "nur" seit acht Jahren). Das hat viele Staaten nach Ausbruch der Krise in untragbar hohe Defizite getrieben.

Daraufhin wurde 2011 eine Fülle komplizierter und hart klingender Regelungen erlassen, die großspurig „Sixpack“ oder „Stabilitätspakt“ getauft wurden. Dadurch, so gab man in Brüssel vor, habe man nun endlich funktionierende Disziplinierungsmittel.

Aber heute wissen wir, was wir von Anfang an geahnt haben: Auch die sind genauso wirkungslos wie alle früheren.

Tragikkomödie Maastricht-Kriterien

Begonnen hatte das Unheil schon vor Gründung des Euro Ende des vorigen Jahrtausends. Fahrlässig und wider die eigenen hoch beschworenen Maastricht-Regeln nahm man damals alle Länder in den Euro auf, die das verlangten, also auch die ärgsten Schuldenkaiser. Mit fadenscheinigen Begründungen hat man sogar Italien, Belgien oder Griechenland in den Euro hineingelassen, obwohl die alle drei schon damals eine Staatsverschuldung im Bereich dreistelliger BIP-Prozentsätze hatten (wobei – zumindest – Griechenland auch noch heftig geschwindelt hat!).

Dabei wäre laut den sogenannten Maastricht-Kriterien beim Eintritt in die EU nur eine Staatsverschuldung von 60 BIP-Prozenten erlaubt gewesen. Übrigens hat damals auch Österreich dieses Kriterium nicht erfüllt (es hat das nur noch einmal ein Jahr am Ende der Schüssel-Zeit geschafft). Aber schon damals war der politisch-rhetorische Opportunismus stärker als die selbst erlassenen Regeln und die wirtschaftliche Vernunft. Obwohl deren Missachtung unvermeidliche und schlimme Folgen hat, die auch dann eintreten, wenn man sie als einen bösen Neoliberalismus zu denunzieren versucht (so, als  sei das Röntgenbild schuld am zerbrochenen Knochen).

Die EU- und Euro-Gremien haben aber auch nach Euro-Einführung auf die Umsetzung der neuerlich als zwingend angekündigten Konsequenzen verzichtet. Es waren ausgerechnet die Schwergewichte Deutschland und Frankreich die ersten , welche die Defizitregeln wiederum verletzt haben. Deutschland hat in der Folge unter Gerhard Schröder wenigstens mit der Agenda 2010 – trotz des erbitterten Widerstandes von Linken und Gewerkschaften – eine Sanierung geschafft. Frankreich hingegen hat weiterhin nur versprochen und geredet und sich aufgeplustert und versprochen und geredet. Was zugegeben Franzosen besonders gut können.

"Jetzt aber machen wir wirklich ernst"

Nach dieser Vorgeschichte leerer, nie realisierter Drohungen gegen Schuldensünder ist es wenig überraschend, dass auch der nächste EU-Anlauf nach Ausbruch der Finanzkrise – Motto: „Jetzt machen wir aber wirklich ernst mit der Durchsetzung der notwendigen Budgetdisziplin“ – von niemandem mehr ernst genommen worden ist. Die Regierungen hatten vielmehr wie die Kinder inkonsequenter Eltern gelernt, dass sie all die Drohungen nicht zu fürchten haben, und einfach die EU-Beschlüsse ignoriert.

Ihnen waren einzig die eigenen Wähler wichtig. Und die sind nach Glauben der meisten Politiker süchtig und gierig auf immer neue Schulden und Wohlfahrtsausgaben (Das ist aber höchstwahrscheinlich eine Fehleinschätzung, weil die Mehrheit der Menschen durchaus vernünftiger ist, als Parteien glauben - wäre man nur ehrlich zu ihnen).

Zur Ehre der EU-Mitarbeiter sei gesagt, dass dort durchaus Zorn über das weiche, nie Ernst machende Verhalten der obersten EU-Politik und über die schmierigen Kompromisse insbesondere des Kommissionspräsidenten Juncker herrscht. Der Kabinettschef des für Wirtschaft und Finanzen eigentlich zuständigen Kommissions-Vizepräsidenten ist aus Protest gegen den von Juncker durchgedrückten milden Umgang mit Defizitsündern sogar zurückgetreten.

Acht spanische Sündenjahre

Spanien verletzt nunmehr seit nicht weniger als acht Jahren den Stabilitätspakt. Obwohl Madrid seit seinem Beitritt viele Milliarden an Struktur- und Kohäsionsgeldern aus Brüssel bekommt. Obwohl Madrid treuherzig noch in jedem Jahr verkündet hat, dass das Defizit im nächsten Jahr geringer würde. Mañana.

Andere Schuldnerländer, besonders laut auch Österreich, verlangen wiederum seit 2015 eine besonders skurrile Änderung der Regeln des Stabilitätspaktes: Alle Ausgaben für „Flüchtlinge“ sollen einfach vom offiziellen Defizit abgezogen werden. So, als ob Defizite, die man umtauft, keine Defizite, als ob Schulden, die man versteckt, keine Schulden wären. Als ob die – übrigens alle ursprünglichen Schätzungen weit übertreffenden – Ausgaben für „Flüchtlinge“ nicht durch Schulden, sondern durch eine nette Fee finanziert werden könnten.

Alleine Österreich wird in einem einzigen Jahr mindestens zwei zusätzliche Milliarden Euro zusätzlich wegen der Massenmigration ausgeben müssen, wie nun zugegeben wird. Das ist gewaltig, bedenkt man, dass die ganze so dramatische Einkommensteuerreform rund fünf Milliarden kostet und bis heute trotz schikanöser Änderungen bei anderen Steuern nicht annähernd gegenfinanziert werden konnte.

Die Sozialdemokraten – insbesondere die im Wiener Rathaus – wiederum haben gefordert, Investitionsausgaben einfach nicht in die Defizit-Berechnungen einzubeziehen. Womit der Schuldenmacherei endgültig alle Tore geöffnet würden. Denn natürlich müssen auch alle Straßen- oder Eisenbahn- oder Leitungs- oder Schulbauten durch Steuern beziehungsweise Schulden finanziert werden. Egal ob sie irgendwie artifiziell aus irgendwelchen Statistiken herausgerechnet werden oder nicht. Denn natürlich gibt es auch dafür keine gute Fee.

Der Trick mit den„strukturellen Defiziten“

 

 

Ein anderer Trick einer immer nur semantisch kreativen Politik war, dass die EU nicht mehr von Defiziten und Schulden, sondern von „strukturellen Defiziten“ zu sprechen begonnen hat. Deren Berechnung war zwar nie objektiv nachvollziehbar, aber damit ließen sich rhetorisch wieder einmal Verschuldung und Defizite eine Zeitlang als harmloser beschönigen, als sie in Wirklichkeit sind.

Ein ähnlich mieser Schmäh war, als Finanzminister in der Phase davor gerne von einem „über den Konjunkturbogen“ ausgeglichenen Staatshaushalt schwadroniert haben. Da sie aber diesen Bogen nie definiert haben, war diese Formulierung ebenfalls bloß ein Trick, um scheinbar berechtigt Schulden zu machen. Aber ausgeglichen war da nie etwas, wie auch immer man den Bogen legte.

Die Bürger Europas haben gelernt und sind deshalb so zunehmend zornig: Fast alle Regierungen in der EU spielen mit intensiver Hilfe von Medien und regierungsfinanzierten Ökonomen immer das gleiche miese Spiel. Sie suchen kreativ nach semantischen Wegen, um immer noch mehr Schulden machen zu können. Sie denken nicht im Schlaf daran, einfach mit dem Geld auszukommen, das sie einnehmen. Und seit die EZB in Händen der südeuropäischen Schuldenfreaks ist, schöpft man das Geld überhaupt aus dem Nichts.

In das dafür im Gegenzug die Gegenwart alle Sparer und die Zukunft unserer Kinder gestoßen werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Wie Merkels Rhetorik die eigene Prinzipienlosigkeit kaschiert drucken

Deutschlands Politik ist richtungslos. Angela Merkels gebetsmühlenartiges Beschwören europäischer Werte verschleiert haarsträubende Widersprüche und täuscht gleichzeitig Prinzipienfestigkeit vor. Standpunktlosigkeit charakterisiert Merkels Politik in Wahrheit schon seit langem. Doch erst jetzt, angesichts einer von ihr maßgeblich mitverursachten Welle illegaler Zuwanderung, beginnen viele die existenziellen Folgen ihrer Konzeptlosigkeit zu spüren. Jüngstes Beispiel: Österreichs geplante Grenzkontrollen am Brenner. Was das offizielle Deutschland davon hält, weiß zurzeit so recht keiner mehr.

Am 29. April äußerte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) noch Verständnis für Österreichs Haltung. Er teile die Auffassung Österreichs, dass eine „Politik des Durchwinkens" nicht wiederholt werden dürfe, und erhöhte gleichzeitig den Druck auf Rom: Italiens „Aufgabe" sei es, eine neue Flüchtlingsbewegung Richtung Norden zu verhindern und die Kontrollen an den EU-Binnengrenzen zu verstärken.

Dies schien auch Merkel vorerst so zu sehen, denn als sie kurz zuvor bei einem Treffen der Unionsfraktionschefs gefragt wurde, was geschehen solle, falls die italienische Regierung ihren Verpflichtungen nicht nachkommt und sämtliche Flüchtlinge über Italien nach Deutschland einreisen wollen, antwortete sie schlicht: „Dann macht Österreich den Brenner dicht.“ Ihre Feststellung fiel ohne jede Kritik an Österreich. Sie reichte damals als Antwort auf die Frage eines CDU-Fraktionschefs völlig aus. Das Problem schien somit gelöst.

Zu früh gefreut

Sind sich Deutschland und Österreich nun also doch einig? Leider zu früh gefreut. Am Donnerstag, als Merkel und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi eine gemeinsame Pressekonferenz gaben, war alles wieder anders: Renzi kündigte seinen fortgesetzten „Widerstand“ gegen die Grenzpolitik Österreichs an. Und: Die Ablehnung vieler der österreichischen Positionen vereine Deutschland und Italien.

Merkel ihrerseits unterstrich nach viel Lob für Italien: Die EU müsse nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch ihre Werte leben: „Wir müssen andere Lösungen als Grenzschließungen finden.“ Sie sei ja auch schon gegen die von Österreich vorangetriebene Schließung der mazedonischen Grenze gewesen. „Wir können uns nicht gegenseitig im Stich lassen, sondern müssen eine faire Zusammenarbeit im EU-Raum fördern.“

Wem hier etwas schwindlig wird und wer sich verwundert die Augen reibt, wie Merkel ihren jüngsten Sinneswandel auch noch mit Hinweis auf die sogenannten „Werte der EU“ untermauert, dem sei der nicht minder skurrile Beginn ihrer „Willkommenspolitik“ in Erinnerung gerufen.

Kaschierte Unstimmigkeiten der Willkommenspolitik

Noch Mitte Juli 2015 hatte die deutsche Bundeskanzlerin einem palästinensischen Flüchtlingsmädchen vor laufender Kamera erklärt: „Wenn wir jetzt sagen: ‚Ihr könnt alle kommen, und ihr könnt alle aus Afrika kommen, und ihr könnt alle kommen.’ Das können wir auch nicht schaffen. (Sic!!) ... Es werden manche wieder zurückgehen müssen.“

Eineinhalb Monate später, nachdem sich ein Shitstorm in den sozialen Medien über Merkels unbeholfenem Umgang mit dem in Tränen ausbrechenden Mädchen ausgelassen hat, sagte und tat die deutsche Bundeskanzlerin das genaue Gegenteil: Mit einem „Wir schaffen das!“ läutete sie am 31. August die Politik der offenen Grenzen ein.

Alle Syrer (bzw. jene, die sich als solche ausgeben) hieß sie nun willkommen, die Bestimmungen von Dublin III wurden über Nacht aufgehoben. Von Obergrenzen will Merkel seither nichts mehr wissen, und auch nicht davon, dass Deutschland einen ungebremsten Zuzug nicht schaffen könne, wie sie selbst noch im Juli eingeräumt hatte.

Merkels Richtungswechsel war mit nichts und niemandem abgestimmt. Nachbarstaaten wie Ungarn und Polen, die darüber alles andere als begeistert waren, wurden zur „bösen“ Koalition der Unwilligen und verkörpern nicht mehr „Merkels Europa“. Natürlich: Österreichs seither vollzogene 180-Grad-Wende in der Flüchtlingspolitik ist nicht minder abenteuerlich, das weitgehende Tohuwabohu heimischer Asylpolitik um nichts weniger sinnbefreit. Doch im Falle von Merkel hat das Wechseln der Standpunkte anscheinend Methode, es wurde in gewisser Hinsicht professionalisiert.

Merkel kaschiert ihre Prinzipienlosigkeit durch eine nebulose Rhetorik, die Unstimmigkeiten – oder besser gesagt: eklatante Widersprüche – kommentarlos übergeht und Konzeptlosigkeit in elementaren Fragen wie jenen der nationalen Sicherheit als Festhalten an hehren, europäischen Werten ausgibt. Sollte dies das Kennzeichen heutiger Politik sein, so ist Merkel ihr vollendetes Aushängeschild. Das schöne Gesicht Deutschlands, das Merkel der Welt zeigen wollte, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ängstliches Zurückschrecken vor den Stimmungslagen einer zunehmend moralisierten Öffentlichkeit. Dahinter verbirgt sich bestenfalls postmoderne Standpunktlosigkeit.

Die Feindbilder werden ausgewechselt, die Tatsachen verdreht

Mit Merkels Standpunkten wechseln auch die Anderen, die Unwilligen und Uneinsichtigen, von denen sich die deutsche Bundeskanzlerin gerne abgegrenzt. Beim Parteitag der CDU im Dezember 2003 waren das noch all jene politisch Korrekten, die jegliche Fremde in Deutschland willkommen hießen: „Manche unserer Gegner können es sich nicht verkneifen, uns in der Zuwanderungsdiskussion in die rechtsextreme Ecke zu rücken, nur weil wir im Zusammenhang mit der Zuwanderung auf die Gefahr von Parallelgesellschaften aufmerksam machen“, erklärte damals die CDU-Vorsitzende. „Das, liebe Freunde, ist der Gipfel der Verlogenheit, und eine solche Scheinheiligkeit wird vor den Menschen wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Deshalb werden wir auch weiter eine geregelte Steuerung und Begrenzung (sic!!) von Zuwanderung fordern.“ Zusammengebrochen ist seither nur die Begrenzung jeglicher illegaler Zuwanderung, zutage getreten ist Merkels eigene Standpunktlosigkeit.

Merkels Sprache verdeckt nicht nur die fehlende Konsistenz ihrer Politik, sie vernebelt auch des Öfteren die Sachlage. Eine ihrer vielen „Nebelgranaten“ ließ sie im vergangenen Jänner in einer Videobotschaft hochgehen: Man müsse, so erklärte sie, die Türkei unterstützen, denn es sei im europäischen Interesse, dass es den dort lebenden Flüchtlingen gut gehe, „sodass sie dann keinen Grund sehen zu fliehen aus der Türkei“.

Zu fliehen? Vor wem? Doch sicher nicht vor dem türkischen Staat, der sich damit rühmt, Unsummen für die Unterkünfte von Millionen von Flüchtlingen auszugeben. Gemäß der Genfer Konvention ist Flüchtling nur, wer aus begründeter Furcht vor Verfolgung in das Land seiner Staatsangehörigkeit nicht zurückkehren will.

Merkels Formulierung unterschlägt, dass Syrer, die aus der Türkei kommend unkontrolliert die Grenzen zu Europa überqueren, keine Flüchtlinge, sondern schlicht illegale Migranten sind. Doch mit diesem Eingeständnis würde Merkel ihre gesamte jetzige Willkommenspolitik in Frage stellen.

Jeder Richtungswechsel ist „alternativlos“

Bemerkenswert ist auch Merkels Lieblingswort, mit dem sie jede ihrer neuen Richtungswechsel rechtfertigt: „alternativlos“. Ob nun „Sparpakete“, finanzielle Hilfen für Griechenland, neue Abmachungen mit der Türkei: Merkel stellt sich mit jeder neuen Maßnahme gleichsam als Vollstreckerin einer höheren, unausweichlichen Macht dar, egal wie viele EU-Richtlinien damit gebrochen werden. Mit dem Wort „alternativlos“ vermeidet sie es, auf diese Unstimmigkeiten auch nur einzugehen, einer inhaltlichen Debatte glaubt sie sich so enthalten zu können.

Europas Länder sind gut beraten, ihre Wege abseits der Vorgaben aus Berlin zu beschreiten, denn was von dort kommt, ist so verlässlich und prinzipientreu wie ein Fähnchen im Wind der öffentlichen Meinung. Tatsächlich ist Merkels dauerndes Sich-Ausrichten nach neuen Stimmungslagen der einzig erkennbare rote Faden ihrer Entscheidungen. Unschöne Bilder, die die Öffentlichkeit verängstigen könnten, sind allem Anschein nach die schlagendsten aller Argumente.

Nein, das ist nicht „Merkels Europa“, denn in dem müssten alle auf der Stelle springen, wenn die deutsche Bundeskanzlerin „Spring!“ schreit, und alle einen Handstand machen, wenn sie ebensolches verlangt. Dies alles selbstverständlich im Sinne der europäischen Werte, die jegliche staatliche Alleingänge nicht zulassen. Vernünftige, nachvollziehbare und langfristige Politik ist im heutigen Europa sehr wohl noch möglich, allerdings nicht mit Merkel.

Johannes Knob ist das Pseudonym eines bekannten Journalisten, der bei einem anderen österreichischen Medium beschäftigt ist, wo er diesen Text leider nicht veröffentlichen kann.

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TTIP "Insiderpapiere" - eine inszenierte Erregung drucken

Die Veröffentlichung einiger vertraulicher Unterlagen zum Handelsabkommen TTIP durch Greenpeace kommt sowohl der Obama-Administration als auch der EU-Kommission ungelegen. Hatten doch beide gehofft, die Chose hinter gut schallisolierten Polstertüren in trockene Tücher bringen und die staunenden Bürger hernach vor vollendete Tatsachen stellen zu können. An eine Befragung der Bürger war in Sachen TTIP schließlich nie gedacht – ja selbst die nationalen Parlamente Europas sollen dazu gar nicht erst gehört werden. Wir haben es hier mit der ganzen Pracht von Arroganz der Macht zweier zentralistisch organisierter Imperien zu tun.

Man kann indes auch aus den falschen Gründen das Richtige tun. Kein Mensch wird – spätestens seit der Veröffentlichung von Adam Smiths „Wealth of Nations“ anno 1776 – bestreiten, dass Arbeitsteilung wohlstandsfördernde Konsequenzen hat. Arbeitsteilung bedingt aber freien Warenverkehr – Freihandel –, um ihre nutzenbringende Wirkung entfalten zu können.

Heute wird niemand Handelshemmnissen und/oder Zollschranken das Wort reden, die zwischen Wien und Linz bestehen. Denn der Handel nutzt offensichtlich allen daran Beteiligten, Produzenten wie Abnehmern gleichermaßen. Wenn aber zwischen Wien und Linz keine Handelsbarrieren bestehen, womit sollten dann etwa solche zwischen Wien und Boston verteidigt werden? Bestehende Ungleichheiten, welcher Art auch immer sie sein mögen, eignen sich nicht als Argument für Handelshemmnisse, denn diese Ungleichheiten bilden ja die Grundlage jeglicher Form von Arbeitsteilung und Tausch.

Skepsis gegenüber dem Vertragswerk ist also primär deshalb am Platz, weil von beiden Seiten ein Riesengeheimnis darum gemacht wird. Das ist verdächtig. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich die nun immer stärker werdende Ablehnung gegen das transatlantische „Freihandelsabkommen“ eindeutig aus den falschen Gründen nährt. Eine Bestätigung der von den sowohl linken als auch rechten TTIP-Gegnern beschworenen Gefahren konnte von Greenpeace nämlich nicht erbracht werden. Es geht in den jetzt öffentlich gemachen Dokumenten ja nicht um bereits ausverhandelte Ergebnisse, sondern lediglich um die Standpunkte beider Seiten, die zum Teil weitauseinander liegen. – So what?

Worauf es ankommt, ist aber folgendes: Wer ernsthaft meint, Europa etwas Gutes zu tun, indem er auf dem jeden Fortschritt erstickenden europäischen „Vorsorgeprinzip“ beharrt, ist auf dem Holzweg. Es ist schließlich kein Zufall, dass Innovationen – gleich auf welchem Gebiet – zum Großteil aus der Neuen und nicht aus der Alten Welt stammen. Europa verliert daher in einigen für die künftige Wohlstandsentwicklung in einer globalisierten Welt besonders wichtigen Schlüsselindustrien seit vielen Jahren an Boden.

Wer darauf besteht, dass für jedwede Neuerung erst einmal deren absolute Unbedenklichkeit wasserdicht nachgewiesen werden muss, darf sich über die daraus resultierende fortschrittsfeindliche Strukturkonservierung nicht wundern. Hätten Regulierungen der zeitgenössischen Art schon vor 200 Jahren bestanden, hätte die „industrielle Revolution“ nie stattgefunden, es gäbe weder Verbrennungsmotoren noch Flugzeuge oder Antibiotika und ganz Europa wäre bettelarm.

Dass die USA nicht geneigt sind, sich dem Diktat einer totalitären europäischen Verhinderungsbürokratie zu beugen, ist daher keine Überraschung. Dass die vielgelobten „europäischen Standards“ von den Amerikanern als eine listenreiche europäische Tarnkonstruktion für protektionistische Maßnahmen zwecks der Verhinderung transatlantischen Wettbewerbs angesehen und bekämpft werden, darf nicht verwundern.

Die Debatten um „Chlorhühner“, angeblich brandgefährlichen „Genmais“ und die in Gefahr geratenden Segnungen des sozialistischen europiden Wohlfahrtsstaats, lenken allesamt vom einzig wirklich relevanten Einwand gegen TTIP ab. Das Argument ist nicht neu und wurde vom libertären US-Ökonomen Murray Rothbard bereits zu einer Zeit formuliert, als noch kein Mensch das jetzt in Verhandlung stehende Abkommen hat kommen sehen. Es lautet schlicht: „Man braucht keinen Vertrag, um Freihandel zu treiben.“ Genauso ist es!

Würde es tatsächlich um die Förderung des Freihandels – und nicht um die Beförderung und den Schutz der Interessen mächtiger Industrien mit besten Beziehungen zu den Machthabern – gehen, würde eine DIN-A5- Seite mit zwei Sätzen ausreichen:

  1. Alle Handelstarife und Zölle sind abgeschafft.
  2. Wer immer Handel treiben will, ist ohne jede Einschränkung dazu berechtigt, das über jedwede Grenzen hinweg in jedem beliebigen Umfang zu tun.

Wozu also ein Tausende Seiten umfassendes Vertragswerk, das nicht den Interessen der Bürger, sondern ausschließlich denen der Herrschenden und deren Symbionten in der Großindustrie nutzt?

Wo bleiben (abseits dieses Blogs) die Freihandelsbefürworter, die diese Frage aufs Tapet bringen?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

 

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Leopold Kohr: Oder warum die EU zu scheitern droht drucken

Die Stimmen werden zunehmend häufiger und lauter, die davon ausgehen, dass die EU scheitern könnte, oder bereits im Scheitern begriffen ist. Es stellt sich dabei die Frage, ob die Entscheidungsträger nur dies oder das besser machen müssten (vielleicht neu durchstarten), um ein solches Scheitern noch zu verhindern. Oder ob wir die Gene des Scheiterns im System geradezu unveränderbar mit uns tragen und dies z.B. mit einem möglichen Brexit auch für jedermann sichtbar werden wird.

Der am 5. Oktober 1909 in Oberndorf bei Salzburg geborene und am 26. Februar 1994 in Gloucester, England gestorbene Leopold Kohr, war vielfältig begabt und qualifiziert, in vielen Ländern bekannt und hochgeachtet sowie Träger des Alternativnobelpreises. Der Salzburger Ökonom und Denker sah in der Konstruktion der EU zwei Hauptprobleme, die schier unlösbar und unveränderbar erscheinen:

  1. Die EU wird von einem übermächtigen Deutschland vor sich hergetrieben.
  2. Die EU ist viel zu groß und damit unregierbar und auch nicht kontrollierbar.

Man kann es drehen und wenden wie man will, die EU wird de facto von der deutschen Kanzlerin geleitet. Sie gibt die Themen vor, sei es die Rettung Griechenlands, sei es die Willkommenskultur etc. Die hohen EU-Institutionen scheinen dabei immer mehr zu reinen Erfüllungsgehilfen Deutschlands zu verkommen. So ist der Kommissionspräsident ja kaum noch präsent, was einen ja nicht wundern sollte. Wurde dieser doch von den Regierungschefs bestellt, die, hält man sich an das, was im Netz dazu zu finden ist, sich schon damals seines massiven Alkoholproblems bewusst sein mussten. Ein Schelm, der dabei vermutet, man wäre darüber gar nicht so unglücklich gewesen, nun eine Marionette für dieses eigentlich so zentrale Amt bestellen zu können.

Vielleicht würden manche eine dominante Führung der EU durch Deutschland schon wollen, aber ich vermute, die meisten Bürger Europas wollen gerade das nicht. Und nicht zuletzt funktioniert es so ja einfach nicht, wie sich an allen Ecken und Enden zeigt.

Dieser Führungsanspruch von Frau Merkel wurde gerade in letzten Tagen (erneut) glasklar erkennbar: Wenn Obama nach Europa kommt, dann primär zu Frau Merkel. Obama, der Präsident der USA trifft Merkel, die Chefin der EU – so war es inszeniert. Zu einem abschließenden „Minigipfel“ zieht Merkel dann doch noch einige wenige Staatschefs (anderer großer Nationen) hinzu – als Feigenblatt? Wie fühlt man sich als Österreicher dabei, als Ungar, Schwede, Tscheche oder gar als Malteser?

Leopold Kohr hat diese Entwicklung Europas hin zu einer Hegemonie des weit übermächtigen Deutschlands und riesige Probleme der EU, die durch deren schiere Größe entstehen vorhergesagt und massiv kritisiert. Die Entwicklungen der letzten Jahre geben ihm Recht, doch wie begründet er seine Position?

Das Problem der schieren Größe

Die zentrale These Kohrs findet sich in seinen Aufsätzen aus fünf Jahrzehnten seines Wirkens, die in dem Buch „Die Lehre vom rechten Maß“ veröffentlicht sind und diese These besagt im Aufgreifen des berühmten Satzes von Protagoras, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist. Für Kohr ist das Hauptproblem unserer Zeit primär dimensional. Also die schiere Größenentwicklung von Systemen: „Nicht die Polis, nicht die Nation, nicht das Volk, nicht die Menschheit, nicht der Absatzmarkt, nicht die Maschine, nicht das Geschäft, nicht die Arbeiterklasse, nicht der Computer, nicht unsere Institutionen: Es ist der Mensch. Alles und jegliches muss an ihm gemessen werden – wie der heilige Augustinus in seinem Wunsch nach kleineren Staaten anstelle einer großen Macht klar gemacht hat –, und es handelt sich um einen sehr kleinen Maßstab.“

Leopold Kohr wendet sich fundamental gegen eine Bevormundungsmentalität, die naturgesetzlich dann entsteht, wenn Systeme zu groß werden, so z.B. in einer immer stärker integrierten Wirtschaft oder auch in immer größeren politischen Systemen und Gesellschaften. Diese sieht er jedenfalls dann als besonders problematisch an, wenn sie eine Größe erreichen, die sie gegenüber einer wirksamen Kontrolle geradezu immun machen. Nicht weil solche Wirtschaftskörper (das gleiche gilt natürlich auch für politische Systeme etc.) Kontrolle nicht mehr akzeptieren würden (das vielleicht auch), sondern weil sich diese durch ihr schieres Ausmaß jeglicher menschlicher Kontrolle und Fassbarkeit entziehen. In solchen Größenordnungen bleibt Kontrolle eine Illusion, die einfach nicht mehr herstellbar ist, ganz gleich, was man auch versucht. Wirksame Kontrolle könnte dann nur mehr über eine Verringerung der Größe zurückgewonnen werden und auf keinem anderen Weg.

Für Kohr ist klar, dass in allen Systemen (so natürlich auch in der EU!) immer auch zerstörerische Kräfte am Werk sind, deren zerstörerische Wirkung sich mit dem Größenwachstum der Systeme vervielfacht. Folgerichtig, so Kohr, „besteht die einzige Lösung in der Konstruktion eines Deichsystems: Eine Einteilung in verhältnismäßig kleine Einheiten, die durch Wälle getrennt, aber doch durch kleine Öffnungen miteinander verbunden sind, wodurch die geschützten Einheiten sowohl untereinander als auch mit dem freien Markt außerhalb verbunden sind.“ Unter solchen Bedingungen können negative Kräfte nicht ausufern und selbst wenn es zu Katastrophen kommen sollte, bleiben diese begrenzt und gefährden nicht das große Ganze.

Für Leopold Kohr bestehen die wahren Probleme unserer Zeit nicht in der Arbeitslosigkeit an sich, nicht in den Kriegen oder der Armut an sich. Für Kohr ist das neue Problem, das diese Welt bedrängt, das schiere und gigantische Ausmaß dieser Übel. Man wäre geneigt hinzuzufügen, dass das Problem dieser Tage auch nicht Flüchtlings- und Migrantenströme an sich sind, das Problem ist das schiere Ausmaß dieser Völkerwanderungen. Große Systeme sind für Kohr nie der Weg zur Lösung der Probleme, sondern führen einfach zu immer größeren Übeln. Soviel zur Frage, ob die bestehenden Probleme wirklich durch ein „Mehr an EU“ lösbar sein können!

Freiheit und Gerechtigkeit?

Trauen wir dem Menschen zu, Entscheidungen in Freiheit zu treffen, oder bevormunden wir ihn in immer stärkeren Maße, indem seine Freiheit durch Institutionen aller Art mehr und mehr eingeschränkt wird? Es ist dies natürlich zutiefst eine Frage der Würde des Menschen, die dabei zur Disposition steht. Dabei sind es gerade die Eliten großer Systeme, in Politik und Wirtschaft, in Wissenschaft, Kunst und Religion, die den Menschen entmündigen und ihn als Objekt ihrer Präferenzen sehen.

Das sind genau diejenigen Entscheidungsträger, die für die Menschen die Entscheidungen treffen, die diese selbst so niemals treffen würden, weil sie vermeintlich ja gar nicht wissen, was für sie gut ist und was nicht. Zum Guten müssten sie gezwungen werden, so das Kalkül, das aber im Sinne der sehr nachvollziehbaren Argumentation von Ludwig Mises vielleicht langsam, jedenfalls aber auf direktem Wege in die Tyrannei führt.

Das Mittel der Wahl zur Herstellung einer neuen Gerechtigkeit ist neben der der Einschränkung der Mitbestimmung der Bürger in immer größeren und zunehmend unüberschaubar werdenden Systemen, mit mehrstufig mittelbarer Pseudodemokratie, vor allem die Einschränkung des Eigentums. Dazu meint Ludwig Mises:  „Wenn ihm (Anm. dem Eigentümer) die Verfügungsmöglichkeit stückweise genommen wird, indem der Staat sich immer mehr Einfluß [….] sichert [….], so wird dem Eigentümer immer mehr und mehr entzogen, bis ihm schließlich nur der leere Name des Eigentums bleibt, das Eigentum selbst aber ganz in die Hände des Staates übergegangen ist.“

Es geht, wie Mises das sieht, um den – auf den ersten Blick natürlich äußerst attraktiven – Gedanken, „einer unbegrenzten Menge Menschen auf Erden ein Paradies zu schaffen. Selbst der sonst vorsichtig zurückhaltende Marx meint, die sozialistische Gesellschaft werde die Bedürfnisse jedes einzelnen zum Maßstabe der Verteilung machen können.“

Manche würden wohl zu bedenken geben, dass der Verteilungsfrage ja immer die Frage voranzustellen ist, wie groß der Kuchen denn sei, der verteilt werden könne. Verteilungsenthusiasten gehen davon aus, dass dieser Kuchen immer vorhanden und immer groß genug sei. Die Liberalen geben jedoch zu bedenken, dass sich aus der Geschichte klar ergibt, dass dieser Kuchen gerade in sozialistischen Systemen sosehr schrumpft, dass am Ende kaum mehr etwas zu verteilen bleibt, das nicht durch die ausufernden und nur vorgeblich gerechten Verteilungsinstitution und Machtapparate aufgefressen wird.

Der Zugang, der (folgt man den Medienberichten) immer populärer zu werden scheint, gleicht den Überlegungen des frühen Sozialismus, den Mises wie folgt charakterisiert und als völlig verfehlt kritisiert: „Der Gedankengang, von dem sie sich haben leiten lassen, ist der, daß die Natur selbst allen Menschen ein genügendes Auskommen gewähre, und daß nur verkehrte gesellschaftliche Einrichtungen an der ungenügenden Versorgung eines großen Teiles der Menschheit Schuld trügen. Würde es gelingen, den Reichen das abzunehmen, was sie über das „Notwendige“ verzehren dürfen, dann könnten alle in die Lage versetzt werden, anständig zu leben.“

Warum die Schweiz funktioniert – und die EU nicht

Kohr kritisierte die EU als einen Verband europäischer Nationen, die von erheblich ungleicher Größe und Stärke sind, was den Verband an sich überaus instabil macht. Er hielt sie für eine „Fehlkonstruktion von weltgeschichtlicher Dimension“. Für ihn stand außer Zweifel, dass in solchen Konstellationen die EU letzten Endes als reines Instrument der mächtigsten Sub-Nation enden wird.

Diese Entwicklung hin zu einer Vormachtstellung der größten Sub-Einheit vergleicht Kohr mit dem „Schwerkraftgesetz das besagt: Die Anziehungskraft vermindert sich mit dem Quadrat der Distanz von seinem Zentrum.“ Oder anders gesagt: Dort, wo das Zentrum über sehr viel Masse verfügt und die Nähe zu diesem Zentrum immer größer wird, kommt es naturgesetzlich zu einer Zusammenballung im Zentrum und zum Untergang der früher selbständigen Teile.

Die Antithese zur EU sieht Kohr in der Schweiz, der viele ja fälschlich den unmittelbar bevorstehenden Untergang prophezeit hatten, würde sie der EU ferne bleiben. Er sieht die Stärke der Schweiz in der Ablehnung des reinen Größen- und Effizienzarguments: „Hätten sie dem Argument wirtschaftlicher Effizienz Gehör geschenkt, dann würde die Schweiz ihre 25 Kantone und Halbkantone abgeschafft haben und an ihrer Stelle ihre vier Sprachnationalitäten (deutsch, italienisch, französisch und romanisch) als ihre Gliedstaaten organisiert. Das hätte den Staatenbund vereinfacht, aber die Größe der Schweizer Idee zerstört. Die Folge wäre die Vorherrschaft des deutschsprachigen Blocks und die Degradierung der anderen zu hoffnungslosen Minderheiten geworden.“ Für Kohr liegt die Stärke der Schweiz wesentlich darin, durch die vielen Kantone die einzelnen Sprachgruppen nicht zu stark werden zu lassen, um das Ganze in Harmonie zu vereinigen und zusammenzuhalten.

Für Kohr wäre genau dieses Modell auch für Europa der Weg, um nicht in einer Hegemonie eines übermächtigen Deutschlands zu enden. Der Salzburger Nationalökonom, Jurist, Staatswissenschaftler und Ökonom hatte zur Frage, was denn angesichts dieser Problematik zu tun sei, eine klare Meinung, die Jakob von Uexküll in seinem Vorwort zum Buch Kohrs über „Die Lehre vom rechten Maß“ so zusammengefasst hat: „Kohr wusste, dass er provozieren musste, um gehört zu werden im Lärm der „Bigger is Better!“ – Propaganda der herrschenden Wachstums-Fanatiker. So forderte er, zu einer Zeit, als immer mehr Europäer von einer Union träumten, kurz und bündig: „Disunion NOW!“. Natürlich muss man diese Meinung nicht teilen, aber bedenkenswert ist sie allemal!

Sukkus

Leopold Kohr hat seine zentrale Erkenntnis in einem Interview mit Franz Kreuzer im Jahr 1990 überaus pointiert auf den Punkt gebracht und gesagt: „Ja, Gott zerschlägt Babylon, wo er es findet. Die Natur hat die Tendenz, alles was zu groß wird, zu vernichten, und alles, was sie vernichten will, zu groß werden zu lassen.“

Unweigerlich wird man bei der Lektüre von Kohr viele Gedankenanstöße zu sehr aktuellen Entwicklungen entdecken und sich fragen müssen, ob z.B. der gebetsmühlenartig gedroschene Satz, dass es zur Lösung der anstehenden Probleme, einfach nur noch einer deutlich umfassenderen EU-Integration bedürfte, wirklich unwidersprochen bleiben darf. Dennoch: Die Schlussfolgerungen für die EU aus alledem überlasse ich Ihnen! Für mich selbst, als grundsätzlichen Befürworter der EU, bietet sich daraus jedoch ein hinreichend klares und durchaus düsteres Bild der Zukunft dieser Staatengemeinschaft.

Mag. Johannes Leitner ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. Er ist Leiter eines genossenschaftlichen Revisionsverbandes, Steuerberater und langjähriger Leiter einer christlichen Laiengemeinschaft im Raum Wien.

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Brexit und die Folgen drucken

Welche Folgen hätte ein britischer Austritt aus der EU - für die EU, für Großbritannien? Welche Ursachen hat die britische Debatte? Was sind die Ursachen der EU-Krise? Was bedeutet die Immobilienblase? Mit diesen Fragen befasst sich die neue Folge der "Sendung mit dem Großvater".

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Vom "Blutsonntag" zum "Alltagsfaschismus" drucken

Tiroler diesseits und jenseits des Brenners, die noch einen Funken Heimat- und Vaterlandsliebe im Leibe tragen sowie über ein gerüttelt Maß Geschichtsbewustsein verfügen, gedenken in diesen Tagen eines Ereignisses vor 95 Jahren, welches als Inauguration des Faschismus in jener Nordprovinz Italiens gilt, welche es als Belohnung für seinen Seitenwechsel 1915, mithin als Kriegsbeute 1919 in St. Germain-en-Laye erhielt.

Am 24. April 1921 wurde der Lehrer Franz Innerhofer in Bozen vom Schläger eines Kommandos der „fasci di combattimento“ Benito Mussolinis ermordet. Innerhofer hatte mit der Musikkapelle aus Marling bei Meran am Trachtenumzug anlässlich der ersten Bozner Nachkriegs-Mustermesse teilgenommen. Unter den Umzug hatten sich einige der zu einer „Strafexpedition gegen diese Manifestation des Deutschtums“ ausgerückten und in der Provinzhauptstadt versammelten 400 faschistischen Schläger (120 aus Bozen, 380 aus Trient, Brescia und Verona) gemischt und zwischen Waltherplatz und Obstmarkt ein Blutbad angerichtet. Infolge von Schüssen und Handgranaten-Detonationen waren annähernd fünfzig Personen schwer verletzt worden. Der Vorfall ist als „Bozner Blutsonntag“ in die Annalen eingegangen.

Im Gedenken an das erste ohne Rücksicht auf Verluste unternommene Zuschlagen der Schwarzhemden findet auch eine zweite, von Planung, Ausführung, Umfang und Folgen weit größere derartige „Strafaktion“ ihren Platz. Es handelt sich um den „Marsch auf Bozen“ (1./2. Oktober 1922), sozusagen um die Generalprobe für den „Marsch auf Rom“ am 27. Oktober, im Zuge dessen es zur Machtübernahme Mussolinis am 30. Oktober 1922 kam. Es war der Anfang vom Ende der unter Bürgermeister Julius Perathoner stehenden effizienten Verwaltung sowie des über Jahrhunderte währenden deutschen Charakters der Stadt. Perathoner, von 1901 bis 1911 Reichsratsabgeordneter in Wien, von 1902 bis 1907 Landtagsabgeordneter in Innsbruck und letzter deutscher Bürgermeister Bozens, war 1895 gewählt und im Oktober 1922 seines Amtes enthoben worden.

Schon die faschistischen Horden des „Blutsonntags“ hatten in Sprechchören seinen Rücktritt verlangt. Wie im Jahr zuvor beugte er sich weder dem am 29. September 1922 von der Bozner Fascio-Ortsgruppe ultimativ erhobenen Rücktrittsverlangen noch der Aufforderung, die Kaiserin-Elisabeth-Schule, damals größte und modernste Schule der Stadt, für den Unterricht in italienischer Sprache zur Verfügung zu stellen.

Daraufhin marschierten am 1. Oktober 1922 unter Führung Achille Staraces, des späteren Generalsekretärs des Partito Nazionale Fascista (PNF, Faschistische Partei Italiens), mehrere Hundert Gefolgsleute Mussolinis aus Oberitalien in Bozen ein, besetzten die Schule, stürmten am 2. Oktober das Rathaus, hissten die italienische Tricolore und verkündeten: „Es gibt nur ein Gesetz, und das heißt Italien!“ Hausherr Julius Perathoner  wurde daraufhin von der zu diesem Zeitpunkt noch demokratischen römischen Regierung unter dem (schwachen) Liberalen Luigi Facta per Dekret in vorauseilendem Gehorsam abgesetzt und später durch einen faschistischen Amtsbürgermeister (Podestà) ersetzt.

Mit der Machtübernahme Mussolinis nach dem „Marsch auf Rom“ proklamierte der als Namenfälscher in die Geschichte eingegangene Nationalist und Faschist Ettore Tolomei, der sich schon 1905 in Glen bei Montan im Südtiroler Unterland niedergelassen und das „Archivio per l'Alto Adige“ gegründet hatte, in Bozen ein im Auftrag Mussolinis ausgearbeitetes Programm zur „Re-Italianisierung“ des Landes. Es umfasste die Entnationalisierung der Südtiroler und die Ansiedlung von (Süd-)Italienern im Bozner Becken.

Der Unterricht in deutscher Sprache wurde verboten, das deutschsprachige Lehrpersonal in italienische Provinzen versetzt. Deutschunterricht konnte nur noch geheim in „Katakombenschulen“ erteilt werden, welche maßgeblich von Kanonikus Michael Gamper organisiert worden waren, dessen 60. Todestags man ebenfalls soeben in Südtirol gedachte. Dekretiert wurde der ausschließliche Gebrauch meist künstlich geschaffener italienischer Ortsnamen Tolomei’scher Prägung sowie deutscher Familiennamen in italianisierter Form bis hin zu Grabsteinaufschriften. Der Name Tirol wurde verboten, sämtliche wirtschaftlich-sozialen Verbände, alle Vereine wurden aufgelöst.

Die Italianisierungspolitik wurde durch die massive Ansiedlung von Italienern aus anderen Gebieten des Stiefels mit dem Ziel verstärkt, die Deutschtiroler in die Minderheit zu drängen. Ein Verfahren, das auch  „demokratische“ Nachkriegsregierungen Italiens trotz der im 1946 zwischen dem österreichischen Außenminister Karl Gruber und dem italienischen Regierungschef Alcide DeGasperi geschlossenen Pariser Abkommen zugesicherten politischen Selbstverwaltung und kulturellen Autonomie fortführten. Dies sollte auch die aus dem zwischen Hitler und Mussolini am 21. Oktober 1939 getroffenen Optionsabkommen zur Umsiedlung von Südtirolern ins Reich entstandenen Verwerfungen allmählich wieder ausgleichen.

Gegen die Nichtgewährung der Selbstbestimmung, die weitere Ansiedlung von Italienern sowie die damit beabsichtigte ethnische Majorisierung der Provinz, vor allem deren Hauptstadt, begehrten nicht wenige Südtiroler in den 1950er und 1960er Jahren auf. Und beherzte Idealisten um Sepp Kerschbaumer, den charismatischen Gründer des „Befreiungsausschusses Südtirols“ (BAS), machten durch gezielte Anschläge auf „Volkswohnbauten“ und andere italienische Einrichtungen die Weltöffentlichkeit auf die faktische neofaschistische Politik Italiens aufmerksam.

Es galt den zurecht befürchteten „Todesmarsch der Südtiroler“ – so der Titel des Leitartikels des Michael Gamper in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 28. Oktober 1953“ – abzuwenden. Dafür wurden sie in Carabinieri-Kasernen gefoltert und in menschen- sowie strafrechtlich fragwürdigen Gerichtsverfahren zu langjährigem Freiheitsentzug verurteilt und ihre Familien kollektiv mitbelangt.

Nicht zuletzt durch Eingreifen Österreichs – hier vornehmlich des Sozialisten Bruno Kreisky, der das Verhalten Italiens vor den Vereinten Nationen (UN) anprangerte – konnte in langwierigen Verhandlungen mit dem hinterlistigen und störrischen Rom schließlich ein Modus vivendi ausgehandelt werden. Ergebnis war das 1972 in Kraft getretene Zweite Autonomiestatut, ein statutarischer Rechtsrahmen für die Provincia Autonoma di Bolzano – Alto Adige (Autonome Provinz Bozen-Südtirol). Weitere zwanzig Jahre sollten verstreichen, bis der seit Ende des Ersten Weltkriegs bestehende Südtirol-Konflikt von Wien und Rom im völkerrechtlichen Sinne für beigelegt erklärt werden konnte.

Das kann – trotz allseits volltönend propagierter „Modellhaftigkeit“ für andere Minderheiten – natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Grundkonflikt, nämlich die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für die Südtiroler, ungelöst ist. Es ist auch eine Illusion zu glauben, der von Mussolini und seinen Adepten erzeugte Ungeist sei ausgelöscht. Nein, in den Köpfen vieler Italiener Südtirols lebt er fort und tritt in semi-, post-, neo- oder kryptofaschistischer Form und Gestalt in Erscheinung. Womit sich just der Kreis zur „Hauptstadt“ und ihrer Geschichte seit nunmehr bald hundert Jahren schließt.

Für 8.Mai steht die Wahl eines neuen Kommunalparlaments für Bozen an. Dass der „befreiende“ 8. Mai 1945 für die terminliche Bestimmung des Urnengangs der Wahlberechtigten unter den 105.000 Bewohnern (laut offizieller „Sprachgruppen“-Zugehörigkeit 73,8 Prozent italienisch; 25,5 Prozent deutsch; 0,7 Prozent ladinisch) eine Rolle gespielt haben könnte, dürfte angesichts der am Zusammenfluss von Eisack und Etsch weithin anzutreffenden Geschichtsignoranz auszuschließen sein. Auch der „Blutsonntag“ von einst ist allenfalls für ein paar geschichtsbewusste Patrioten ein Begriff. Gleichwohl bietet sich für alte und neue, offene und verkappte „Mussolinisti“ der „Marsch auf Bozen“ von anno 1922 als Metapher für ihr nie aufgegebenes Ziel, die einstige Kriegsbeute so total der Italianità anzuverwandeln, dass von seinem deutsch-österreichischen Charakter und seiner tirolischen Ausprägung nichts mehr bleibt.    

Bozen beherbergt unsägliche, das Mussolini-Regime verherrlichende Relikte: das „Siegesdenkmal“ und das monumentales erst 1957(!) fertiggestelltes „Duce“-Fries am Finanzamt, vormals „Casa del Fascio“ [„Haus der Faschisten(-Partei)“]. Die Stadt ist entgegen allen Befunden und Schwüren multiethnischen Miteinander(leben)s (Convivenca) nach wie vor ein Hort jener Kräfte, die zwischen übersteigertem italienischen Nationalgefühl und offen zur Schau getragenem, lauthals hinausposaunte Fascio-Gebaren changieren.

Weltanschauliches Sendungsbewusstsein tritt bei den einen eher verdeckt-unterschwellig, bei den anderen offen zutage. Mal operieren sie weltschmerzklägerisch verbal mit angeblicher „Unterdrückung im eigenen Lande“, mal spielen sie sich gönnerhaft als kulturell-ästhetische Norminstanzen auf. Und pochen stets auf „Siamo in Italia“ („Wir sind hier in Italien“).

Aus der EUropäischen Flüchtlingskrise dürften die italienischen Parteien der äußersten Rechten, so zersplittert und/oder fraktioniert sie trotz neuerdings geltender Fünf-Prozent-Klausel gegenwärtig auch auftreten, bei der Bozner Wahl besonders Honig saugen können. Der gemeinsame Auftritt des Gründers und Führers der neofaschistischen Partei Forza Nuova (FN) Roberto Fiore – er löste die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini im Europäischen Parlament ab – mit dem deutschen NPD-Funktionär Uwe Meenen gegen die „Flüchtlingsinvasion“, zu dem sich Fußvolk aus Trient, Rimini und Vicenza einfand, darf als „grenzüberschreitende“ Stimulanz für die wahlkämpfenden Bozner „Kameraden“ gelten.

Die Unterstützung von außen richtet sich gleichermaßen an die Funktionäre beiderlei (neu-)faschistischer Provenienz. Zum einen an die moderate(re)n, samtpfötiger auftretenden vom Schlage eines Giorgio Holzmann. Der chamäleonhaft verwandelte Alt-Neofaschist führt den italienischen Rechtsblock „Alleanza per Bolzano“. Zum andern an die von nicht wenigen Jungwählern unterstützten radikale(re)n Neu-Neofaschisten Maurizio Puglisi Ghizzi und dessen Alter Ego Andrea Bonazza, Ratsmitglied bis zur Auflösung des Bozner Stadtparlaments. Ghizzi ist Bürgermeisterkandidat der nach dem amerikanischen Schriftsteller und glühenden Mussolini-Verehrer Ezra Pound benannten, dezidiert faschistischen Bewegung „Casa Pound“, deren Mitglieder bisweilen durchaus von „Strafaktionen“ à la „fascio di combattimento“ unseligen Angedenkens träumen mögen.  

Mit Ausnahme der ziemlich chancenlosen Süd-Tiroler Freiheit (STF) und ihres Bürgermeisterkandidaten Cristian Kollmann verhalten sich alle anderen zur Kommunalwahl antretenden deutschtiroler und italienischen Parteien links und rechts der Mitte, einschließlich der „interethnischen“ Grün-Alternativen/Verdi, gegenüber Holzmann und – vor allem – Ghizzi  so schulterzuckend gleichgültig, als ob es das Normalste von der Welt wäre, was sie vertreten und propagieren. Das gilt auch und gerade für Christoph Baur, den Spitzenkandidaten der Südtiroler Volkspartei (SVP): Wenngleich ihm „extreme Positionen zuwider“ seien, wie sie vor allem „italienische Rechtspopulisten“ verträten, kann er sich „eine Koalition mit allen Parteien vorstellen“.

Dies mag Symptom genug dafür sein, dass der Vorwurf all derer, die dazu in Opposition stehen, nicht länger als Unkenruf abgetan werden kann, wonach die Gewöhnung an einen Zustand, den sie „Alltagsfaschismus“ nennen, bereits weit fortgeschritten sei. Die immer augenfälligeren Arrangements mit den zusehends italienisch bestimmten Daseinsgegebenheiten in Bozen sind mehr als ein politisch-gesellschaftliches Ärgernis. Sie sprechen dem Opfergang des von Ahnherrn der heutigen Faschisten umgebrachten Franz Innerhofer sowie allen Südtiroler Freiheitskämpfern Hohn.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

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Die Logik italienischer Regierungshirne drucken

Hunderte Tote im Mittelmeer – und Österreich ist schuld: so sieht die absurde Logik aus, die derzeit Italiens Politik beherrscht. Total unlogisch, aber total italienisch, also mit viel rhetorischem Schwulst und Null Logik. Und auch die Reaktion von Werner Faymann lässt befürchten, dass er (schon wieder) von der italienischen Denkkrankheit angesteckt ist.

Das jüngste Schiffsunglück sei ein gewichtiger Grund für Europa, keine Grenzmauern zu errichten. Das behauptet der italienische Außenminister Gentiloni wörtlich. Er meinte damit die österreichischen Pläne, den Brenner künftig durch Zaun und Grenzmanagement zu kontrollieren, damit das jahrelang von Italien betriebene hemmungslose Durchschleusen nicht mehr möglich ist.

Wir können daraus auf die seltsamen Denkvorgänge in italienischen Regierungshirnen schließen: Wäre auch künftig ein Durchwinken aller afrikanischen und arabischen Massen Richtung Norden ins Asylwerber-Paradies Österreich sichergestellt, so würden offenbar keine Boote mehr übers Mittelmeer kommen. Oder sie würden jedenfalls nicht mehr untergehen.

Natürlich kann nur das Gegenteil stimmen. Die Massen vertrauen ihr Leben überwiegend ja nur deshalb kriminellen Schleppern und unzuverlässigen Booten an, weil es eben bisher diesen Weg durch Italien nach Norden gegeben hat. Ganz ähnlich hat sich ja auch auf der Balkanroute gezeigt: Erst als dort von Mazedonien bis Österreich die Grenzen (halbwegs) dicht gemacht worden sind, hat sich der Zustrom über die Ägäis halbiert. Und geht weiter zurück.

Der eigentliche Skandal ist, dass Italien seit Jahren ungehindert das Durchwinken Hunderttausender praktiziert; dass erst Österreich diese Praxis jetzt mit seinen Brenner-Plänen in Frage stellt.

Skandalös ist auch, dass sich nicht alle deutschen Politiker vor Österreich stellen (so tut das etwa der christdemokratische EU-Fraktionschef Weber nicht). Wenn Deutschland für das Durchwinken weiterer Massen wäre, bräuchte es nur allen „Flüchtlingen“ aus Italien, die es aufnehmen will, ein Transitvisum auszustellen. Und schon würde Österreich sie alle durchreisen lassen. Aber Deutschland hat in Wahrheit schon Tausende nach Österreich zurückgeschickt. Daher ist es reine Heuchelei, jetzt dagegen zu sein.

Ebenso skandalös ist, dass sich die EU jetzt von Italien einspannen lässt, um Druck auf Österreich auszuüben. Dass sie bisher nur Zehntausende „gerettet“ (also ihnen bei der Einreise nach Europa geholfen und sie dadurch zu dieser Reise überhaupt erst ermutigt) hat. Dass die EU hingegen völlig untätig geblieben ist, als Deutschland im Herbst an seinen Grenzen nach Österreich ganz ähnliche Kontrollen begonnen hat, wie sie jetzt am Brenner kommen sollen. Und dass die EU ebenso untätig geblieben ist, als Griechenland und Italien jahrelang Millionen Außereuropäer einfach nach Norden durchgewinkt – und nicht einmal kontrolliert! – haben.

Seit langem kann man wieder Respekt vor der österreichischen Regierung haben, dass sie da – zumindest bisher – hart geblieben ist. Trotz des Drucks aus Rom, trotz der Panik, die Italien jetzt zeigt, und mit der es die EU verrückt zu machen versucht.

Freilich darf dennoch nicht verschwiegen werden, dass die österreichische Regierung eigentlich schon viel früher diese Härte zeigen hätte sollen. Etwa als Außenminister Kurz das schon monatelang gefordert hat oder spätestens, als Ungarn vorgezeigt hat, wie es geht.

Die Reaktion von SPÖ-Chef Faymann auf das jüngste Schiffsunglück lässt auch schon wieder zweifeln, ob auch er konsequent zu bleiben gewillt ist. Denn was soll seine Forderung bedeuten, die er als Konsequenz auf das Schiffsunglück jetzt erhebt: "die Stärkung der legalen Einreisemöglichkeiten"? Welche und wie viele Afrikaner (auf der Italienroute kommen fast nur Schwarzafrikaner) sollen bitte wohin legal einwandern dürfen? Heißt das Direktflüge von Nigeria oder Somalia nach Österreich für alle Millionen, die hierher wollen? Alles andere macht aber in Zusammenhang mit dem Schiffsunglück absolut keinen Sinn! Denn alle jene, die nicht legal kommen dürfen, werden es natürlich weiter illegal versuchen! Das müsste doch auch ein Faymann begreifen.

Aber zum Glück gibt es in der SPÖ den neuen Verteidigungsminister Doskozil, der bisher (mit Ausnahme eines Patzers) nicht für die Faymann-Krankheit anfällig ist. Zum Glück scheint auch der kommende Innenminister kein Windbeutel zu sein. Und zum Glück gibt es vor allem den Außenminister, der seit einem Jahr gerade in dieser Frage exzellent und völlig klar agiert. (Ob wir noch einen Vizekanzler haben, weiß ich nicht).

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Gehören Kopftuch oder Scharia zu Europa? drucken

Manche Politiker erklären öffentlich, dass der Islam zu Europa gehört. Ist das als Politikum zu betrachten, um Wählerstimmen zu gewinnen, oder als Modetrend, wie das Angela Merkel, die Bundeskanzlerin in Deutschland, und andere da und dort auch in Österreich tun? Was sie dabei allerdings vergessen, der Islam ist neu hier und hat keine Wurzeln in Europa wie das Christen- oder Judentum.

Im Klartext: Der Islam und ähnliche Religionen gehören gegenwärtig gar nicht zu Europa, da sie nicht das Geringste mit Europa zu tun haben. Aber vielleicht in der Zukunft?

Sogar die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagt, dass der „politische Islam“ zu Europa gehört. Das bedeutet: Die Muslimbrüder als dubiose politische Organisation, egal welcher Herkunft oder Nationalität, sind anerkannt, ungeachtet der Trennung zwischen Staat und Religion in Europa!

De facto wird von solchen Politikern auch das Kopftuch hochgepriesen oder zumindest geduldet. Im Koran steht kein einziges Wort darüber, trotzdem ist das Kopftuch zum Symbol für den politischen Islam geworden und wird als Unterdrückung und Versklavung der Frauen öffentlich betrieben.

Im Islam gibt es keine Hierarchie und kein geweihtes Priestertum. Die islamische Religion soll eigentlich die Menschen direkt mit Gott verbinden, ohne Kopftuchzwang oder einen Zwang, in Moscheenvereine zu gehen, um dort den Glauben zu praktizieren.

In den islamischen und arabischen Ländern tragen heute dank des politischen Islams und des Einflusses ihrer extremistischen Organisationen vielfach mehr Frauen das Kopftuch als früher, leider auch in Europa.

Aufgrund dessen kommt die islamische Scharia als fundamentalistisch menschliches Konstrukt schleichend nach Europa, ohne dass es jemandem einfallen würde gegenzusteuern. Gründe dafür wären der Widerspruch zu europäischen Gesetze oder die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13.2.2003, in der festgestellt wurde, dass das Scharia-Recht und die Diskriminierung, welche sich aus der Scharia ableitet, in Europa verboten sind. Die Scharia ist unvereinbar mit den grundlegenden Prinzipien der Demokratie, die in der Europäischen Menschenrechts-Konvention festgeschrieben sind. Und daher mit gutem Grund verboten.

Die Scharia ist aber durch nach Islamvorschriften erzeugte Lebensmittelprodukte, Islamic banking, Predigt und Bücher schleichend auch in Europa gegenwärtig.

Fälschlicherweise werden die liberalen Muslime als Glaubensgemeinschaft betrachtet. Was wir ablehnen. Wir sind Aufklärer, Aufdecker und Islamreformer. Deswegen sollen wir auch in Europa keinen Platz finden und werden von den radikalen Islamisten mit dem Tode bedroht mit der Beschuldigung eines Abfalls vom Islam (Apostasie). In Ägypten, Pakistan, Sudan und anderswo werden Reformer getötet. Auch wir in Europa müssen mit unserem Tod rechnen, weil der Islam immer konservativer und brutaler wird, denn der Einfluss des politischen Islams ist auch in Europa mit Hilfe von Politikern gestiegen.

Der Islamwissenschaftler Bassam Tibi hat für seine Idee von einem europäischen Islam keine Hilfe von der Politik bekommen. Genausowenig die liberalen Muslime mit ihrer Vorstellung von einem Islam europäischer Prägung und einer Deradikalisierung. Die Politiker unterstützen derartige positive Bemühungen nicht. Im Gegenteil. Oft vertrauen sie aus reinem Opportunismus dem konservativen Islam, weil in diesem Bereich das Organisieren von Wählerstimmen von wahlberechtigten Muslimen sehr gut funktioniert, was speziell der SPÖ hilft. Die ÖVP wird von diesen Muslimen als Christenpartei gesehen, die FPÖ als fremdenfeindlich, und die Grünen gelten als säkular und laizistisch.

Man braucht darum nicht mehr zu rätseln, warum die Salafisten, die Dschihadisten und die blutigen Terroristen in Europa am aufsteigenden Ast sind. Es fehlt die kritische Auseinandersetzung mit dem konservativen und vorgestrigen Islam. Darum gewinnt der deklariert radikale Islam dazu, weil es nicht einmal politische Diskussionen über den politischen Islam gibt und geben darf. Das sollte sich in Europa bald ändern, sonst wird unsere Sicherheit künftig ernsthaft bedroht sein.

Ich habe daher die Hintergründe dieser Thematik in meinen aktuellen Buch „Auf der Todesliste des ISLink zu Amazon “ (Seifert-Verlag) ausführlich dargestellt, womit ich einen Beitrag leisten möchte, damit man die Gründe für diese Entwicklungen versteht.

Ich versuche, die Entscheidungsträger vor dem Hintergrund dieser immer dramatischer werdenden Entwicklungen wachzurütteln. Ebenso biete ich Lösungsvorschläge an, um das friedliche Zusammenleben von Menschen heterogener religiöser Ausrichtung zu ermöglichen und zu fördern. Dies ist eine Welt, in der die radikale Islam-Szene und ihre Parallel-Gesellschaften in den Moscheevereinen keinen Platz haben. Damit wird gleichzeitig ihrer Hasskultur gegen friedliebende Muslime wie die ILMÖ, andere Religionen und Andersdenkenden ein Ende gesetzt. Was auch für den dort seit Jahren ungestraft propagierten eliminatorischen Judenhass gilt, der sich ungehindert ausbreiten konnte und kann.

Wenn die Politik nicht endlich einlenkt, wird es zu sich verschärfenden Problemen, Konflikten und bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen. Europa ist für diese Zustände nicht gerüstet. Und dann hilft auch das bisherige politische Kalkül nicht mehr.

Die ILMÖ macht die bisher verfolgte und vollkommen verfehlte Politik Europas für den Terror verantwortlich, weil im Rahmen falsch verstandener Toleranz auch die Integration radikaler Islamisten und ihrer extremistischen Organisationen salonfähig gemacht wurde. Diese „Form der Integration“ bedeutet oft die Anpassung des aufgeklärten Europas an konservative islamistische Denkweisen, die zudem mit Summen in Millionenhöhe finanziell unterstützt werden. Das hat zuletzt die über Jahre erfolgte Finanzierung korrupter, islamistischer Kindergärten in Wien durch städtische Gelder gezeigt.

Dr. Amer Albayati, geb. 1942 in Bagdad, ist Journalist und Islam- sowie Terrorexperte
Präsident, Initiative Liberaler Muslime Österreich – ILMÖ 

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