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Die grausliche Sprache mancher Politiker und die Verlogenheit vieler Medien

Die Kritik am Gossenjargon von Herbert Kickl hat in den letzten Tagen praktisch alle Blätter gefüllt. Und auch fast alle Politiker anderer Parteien, die ein Mikrophon in der Nähe gesehen haben, haben sich wie auf Knopfdruck in Empörung hineingesteigert. Diese Empörung über die Sprache des Herbert Kickl ist zwar an sich völlig richtig – aber zugleich zutiefst verlogen und heuchlerisch. Gleich aus mehreren Gründen.

Jemand anderen öffentlich als "Mumie", als "senil", als "Staatsgefährder" zu bezeichnen ist geschmacklos, ist tief. Egal, ob der Bundespräsident oder ein Hausmeister der Beschimpfte ist. Und schon gar nicht sollten solche Ausdrücke Umgangston eines Menschen sein, der Bundeskanzler werden will. Oder will Kickl das im Grund eh gar nicht, wenn er bewusst so redet? Will er lieber ständig auf Opfer machen und nicht Regierungsverantwortung übernehmen? Kickl ist jedenfalls intelligent genug zu wissen, dass ihn sein derzeitiges Auftreten im Rest des Landes nicht gerade sonderlich salonfähig macht.

Da kann es auch keine Entschuldigung sein, dass Kickl sich ja primär an die XYZ-Schicht des Landes wenden will, die er als Stimmenreservoir braucht, und bei der solche Sprüche ankommen. Aber der Rest der Österreicher will nicht auf diesem Niveau regiert werden. Auch nur ein marginaler Milderungsgrund für Kickl ist die Tatsache, dass es eine Aschermittwoch-Büttenrede war, bei der Kickl so herumgeschimpft hat, bei der immer schon ein ganzer bierseliger Saal auf derbe Schenkelklopfer wartet. Schon eher werden seine Worte dadurch relativiert – aber auch nicht gerechtfertigt –, dass der beschimpfte Alexander Van der Bellen selbst umgekehrt mit Kickl mehrmals diskriminierend umgegangen ist:

  • Das hat schon mit ständigen Streitereien in Kickls Ministerzeit angefangen, als Van der Bellen den gleichen Fehler wie einst Thomas Klestil begangen hat: Er hat nämlich versucht, nach amerikanischem Muster quasi der Vormund jedes einzelnen Ministers zu sein. Das aber gibt die österreichische Verfassung nicht her, die im Gegenteil vorschreibt, dass das gesamte Handeln des Bundespräsidenten eigentlich nur auf Vorschlag der Bundesregierung erfolgen darf.
  • Unbewiesen, aber sehr wahrscheinlich ist, dass es Van der Bellen gewesen ist, der mit einigen anderen den damaligen Bundeskanzler Kurz dazu gebracht hat, nach dem Rücktritt des durch den Ibiza-Lauschangriff diskreditierten H.C. Strache auch mit einer artifiziellen Begründung den Rücktritt Kickls zu verlangen, was dann eigentlich erst zum Scheitern der Regierung geführt hat.
  • Van der Bellen hat Kickl konkret und öffentlich vorgeworfen, dass er schuld sei an der – tatsächlich – staatsgefährdenden Razzia im österreichischen Verfassungsschutz. In Wahrheit tragen aber jener SPÖ-Anwalt, der den Verfassungsschutz angezeigt hat, und vor allem die von Van der Bellen immer nur in den Himmel gehobene WKStA den größten Teil der Verantwortung und Schuld an der irrsinnigen Hausdurchsuchung. Denn die Staatsanwälte haben diese angeordnet, nicht Kickl. Und dennoch wurden sie von Van der Bellen nie kritisiert.
  • Van der Bellen hat jetzt öffentlich massiv angedeutet, dass er Kickl nicht als Bundeskanzler angeloben will. Auch das ist eine Dummheit, die doppelt schlimm ist, weil sie eine Dummheit von Thomas Klestil zu wiederholen versucht – mit der aber schon jener Vorvorgänger Van der Bellens krachend gescheitert ist.

Denn auch Klestil hat am Ende klar einsehen müssen: Wenn ein Kandidat für die Bundeskanzler-Funktion eine klare Mehrheit im Nationalrat hinter sich hat, kann ein Bundespräsident ihm nur unter Auslösung einer Staats- und Verfassungskrise, die ans Jahr 1933 erinnert, mit ganz üblen Tricks die Angelobung verweigern. Klestil hatte – um die schwarz-blaue Regierung Schüssel zu verhindern – ein paar Tage lang die Einsetzung eines gehorsamen Diplomaten als Bundeskanzler ohne jede Unterstützung im Parlament geplant, der als einzige Aufgabe gehabt hätte, dem Bundespräsidenten sofort die Auflösung und Neuwahl des gerade frisch gewählten Nationalrats vorzuschlagen. Das war ihm letztlich viel zu riskant. Auch Van der Bellen kann in Wahrheit wieder nur das tun, womit sich schon Klestil einmal lächerlich gemacht hat: Bei der Angelobung angewidert dreinschauen.

In diese Lage wird Van der Bellen freilich überhaupt erst dann kommen, wenn Kickl wirklich Wahlsieger wird UND wenn er eine Mehrheit im Parlament findet, die ihn als Bundeskanzler haben will. Das ist zumindest derzeit wegen seines Jargons, aber noch viel mehr wegen seiner Russland-Nähe und seiner noch nicht vergessenen verantwortungslosen Kampagne gegen Impfungen und gegen jede Corona-Vorsichtsmaßnahme total unwahrscheinlich. Kickl hat sich leider kein Vorbild an der Italienerin Meloni genommen, die von einer Rechtsaußen-Partei kommend, welche lange für den Rest des Landes noch mehr als die FPÖ bei uns völlig unberührbar gewesen ist, sich durch Beziehen vernünftiger Standpunkte in zentralen Punkten und durch eine salonfähige Sprache zu Italiens weitaus populärstem Politiker entwickelt.

Kickls Beschimpfungen für den amtierenden Bundespräsidenten sind also sowohl unklug als auch ziemlich unappetitlich.

Dennoch ist die Reaktion aller anderen Parteien und vor allem die der Mainstreammedien genauso widerlich, die vorgeben, objektiv zu sein. Denn in keinem Medium habe ich auch nur eine kritische Erwähnung der Tatsache gefunden, dass sich der SPÖ-Geschäftsführer Deutsch in seiner Reaktion auf Kickl haargenau der gleichen Gossensprache und überdies eines direkten NS-Vokabulars bedient hat. Er hat den FPÖ-Chef neben anderen Beschimpfungen wörtlich als "Volksverräter" und die Teilnehmer des freiheitlichen Akademikerballs als "verkleidete Kellernazis" bezeichnet.

Fast so tief argumentieren auch die Grünen, die die FPÖ ständig als "Rechtsextremisten" beschimpfen. Das ist zwar ein nie definierter Begriff, bezeichnet aber in der Regel Menschen, die die Verfassung stürzen wollen, die den Nationalsozialismus und seine Taten verherrlichen, die immer wieder organisierten Rechtsbruch begehen, die – wie es die Deutschen formulieren – an den äußersten Rändern des politischen Spektrums jenseits der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. All das trifft nicht auf die FPÖ zu – oder höchstens im gleichem Ausmaß, wie die Grünen linksextrem sind.

Die Medien nehmen aber dennoch die Beschimpfungen der FPÖ durch Rot und Grün völlig gelassen hin, während ihnen bei der FPÖ fast täglich der Schaum vor den Mund tritt. Sie haben mit dem Ausdruck "Rechtsextremisten" für die FPÖ offenbar keine Probleme, während sie selbst gleichzeitig ständig den verlogen verharmlosenden Ausdruck "Aktivisten" für die Klimakleber verwenden, deren "extremistische Tendenzen" sogar schon von der Polizei wörtlich so bezeichnet wurden. Dabei betreiben diese Klebe-Extremisten tagtäglich organisierten Rechtsbruch. Was die FPÖ eindeutig nicht tut.

Besonders grauslich wie immer der ORF: Er hat wie auf Knopfdruck den Ausdruck "rechtsextremistisch" in Zusammenhang mit dem gestrigen Akademikerball der FPÖ verwendet. Er hat jedoch keinerlei kritisches Vokabel für die Demonstranten verwendet, die mit drohenden Parolen den Ball zu verhindern trachten, die die ganze Innenstadt lahmlegen, die einen sauteuren Polizeiaufwand verursachen, und die zumindest in früheren Jahren auch schon schwere Gewalttaten verursacht haben.

Wir werden erst dann die Zivilisierung des politischen Umgangstons erleben, würden wir, würden alle darum bemühten Politiker, würden die Medien überall mit gleichem Maß messen. Es kann nicht der "Volksverräter" normaler Umgangston sein, wenn "Staatsgefährder" der große Skandal ist. Man kann nicht sagen, die FPÖ sei wegen solcher Ausdrucksweisen nicht regierungsfähig. Bei der SPÖ, die genauso redet, denkt man hingegen nicht daran, das auch nur zu hinterfragen (oder unterstützt sie ganz direkt, wie es viele Medien tun). 

Die überzogene Aufregung über die FPÖ-Sprüche hat ja im übrigen auch politisch einen von den Aufregern eigentlich nicht erwünschten Effekt. Er nützt der FPÖ. Der kleine Herbert Kickl steht wieder einmal flächendeckend ganz groß da, weil er es mit allen aufnimmt. Weil er dadurch als jener porträtiert wird, der als einziger in Opposition steht.

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