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Katar: Der Doppelagent aus der Welt des Bösen

Katar ist ein ziemlich übler Platz zur Austragung der in wenigen Tagen beginnenden Fußballweltmeisterschaft – auch wenn man nicht die Maßstäbe der ständigen unerträglichen Gutmensch-Propaganda der internationalen Fußballverbände ("Respect", Regenbogen usw.) anlegt. Dennoch ist festzuhalten: Die Welt ist ziemlich ungerecht gegenüber Katar. Hat sie doch in den Diktaturen China beziehungsweise Russland (oder Sowjetunion) sowohl im Sommer wie auch im Winter schon Olympische Spiele veranstaltet. Offenbar erst bei einem kleinen Land entdecken manche Journalisten und Gewerkschaftsführer jene moralischen Skrupel, die sie den kommunistisch-imperialistischen Großmächten gegenüber ignoriert hatten. Diese Doppelbödigkeit ist umso auffallender, als die Katar-Kritiker sich immer nur mit der Gastarbeiterfrage befassen, aber auffallenderweise gerade jenen Bereich ignorieren, der das Land wirklich zutiefst suspekt, unsympathisch und gefährlich macht.

Der Hauptvorwurf, der Katar in der veröffentlichten Meinung gemacht wird, ist der, dass die vielen ausländischen, vor allem aus Südasien kommenden Arbeitskräfte schlecht behandelt werden. Das stimmt zweifellos. Dennoch darf man nicht ignorieren: Die Arbeiter aus Bangladesch, Indien, Nepal, Philippinen oder Pakistan kommen durchaus freiwillig weiterhin nach Katar (und in die anderen Golfstaaten). Und das seit vielen Jahren – obwohl sie von vielen Tausenden ihrer früher dort arbeitenden Landsleute wissen, dass man dort nicht gerade zu den Bedingungen eines österreichischen Kollektivvertrags werken kann.

Aber sie kommen eben freiwillig. Sie nehmen sogar die recht geringen Sicherheitsstandards auf den Baustellen in Kauf. Denn sie wissen auch: In ihrer Heimat können sie nicht annähernd so viel verdienen wie – etwa – in Katar. Wenn sie daheim überhaupt etwas verdienen können.

Wenn man also diesen Männern und ihren zurückgelassenen Familien wirklich helfen und sich nicht nur im Phrasenrausch von "Hoch lebe die Internationale Solidarität" ideologisch begeilen will, dann macht es wenig Sinn, gegen Katar zu agitieren. Dann wäre es viel wichtiger, das weitere Wirtschaftswachstum in den Herkunftsländern zu unterstützen. Das geht nur durch Handel und Investitionen (hingegen keineswegs durch die allen Seiten schadenden Lieferkettengesetze, die von linker Seite derzeit vehement verlangt werden). Der einzige Weg damit die Menschen in Indien und Umgebung immer weniger motiviert sind, zu unerfreulichen Bedingungen nach Katar zu gehen, ist nämlich der, ihnen mehr Arbeitsmöglichkeiten daheim zu bieten.

Außerdem ist jede Investition in Indien und jeder Handelsvertrag mit dem bald einwohnerreichsten Land der Welt ein doppelt gutes wie sinnvolles Werk, weil man dadurch gleichzeitig Handel und Investitionen in China herunterfährt. Denn die dortige Diktatur behandelt die Menschen speziell in Tibet und Xinjiang viel, viel schlechter als die ölreichen Golfstaaten ihre Gastarbeiter.

Dennoch hat es bei Olympischen Spielen in China fast gar keine internationalen Proteste gegeben. Gegen die von den Russen veranstalteten Spiele gab es 1980 nach dem Einmarsch in Afghanistan zwar schon solche, damals blieben über 40 Nationen den Spielen fern. 2014 (Sotschi) gab es hingegen gar keine Proteste mehr – kurz vor Putins erster Ukraine-Invasion.

Ein zweiter Vorwurf gegen die Fußballweltmeisterschaft in Katar ist nicht nur der ungewöhnliche Zeitpunkt im Jahr, sondern auch die Tatsache, dass die Stadien klimatisiert werden. Das wird zwar damit verteidigt, dass das relativ umweltschonend mit lokalen Energiequellen geschehe. Das bleibt trotzdem schwer verständlich – in Zeiten wie diesen doppelt schwer.

Die diesbezüglichen Bedingungen am Golf waren den hohen Herren der über die WM entscheidenden FIFA natürlich voll bekannt. Aber dennoch hat Katar den Zuschlag erhalten. Und alle Welt ahnt auch warum – ist doch Bargeld das, woran es neben Öl und Gas am wenigsten mangelt in Katar.

Apropos Gas: Man kann sicher sein, dass Katar trotz aller kritischen Einwände derzeit mit noch viel größerer Sicherheit und ohne Bestechungsgelder die Austragung der Weltmeisterschaft zugesprochen bekommen würde. Denn seit Februar stehen westliche Regierungen in Doha geradezu angestellt, um mehr Gas aus Katar zu bekommen (wie auch bei jedem anderen Staat, der über das energiereiche Gemisch verfügt). Freilich braucht ein Transport zusätzlicher Mengen Flüssiggas auf der Produzenten- wie Empfängerseite zum Teil jahrelange Vorbereitungen und teure Investitionen. Zu denen scheint Katar auch durchaus bereit – es verkauft wie alle anderen freilich sein Gas nicht zu Freundschaftspreisen, sondern gemäß der Entwicklung des Weltmarkts (wo zuletzt die Gaspreise deutlich gesunken sind, auch wenn sie noch immer ein Dreifaches des einstigen Niveaus haben).

Ein viel gravierenderer Vorwurf an die FIFA als das Ignorieren der Klimatisierung der Fußballfelder und der Schlechtbehandlung der Gastarbeiter ist aber, dass sie den Iran bei der WM mitspielen lässt. Trotz der verzweifelten Appelle vieler Iraner, doch ein klares Zeichen angesichts der gegenwärtigen Exzesse in der Mullah-Diktatur zu setzen.

Noch viel schlimmer ist, dass die Menschenrechtsverletzungen im Iran auch auf den Fußballplätzen selber stattfinden. Stadien sind dort schon als Gefängnisse missbraucht worden. Und bis heute werden Frauen in den iranischen Stadien massiv diskriminiert. Sie dürfen nur getrennt in bestimmten Ecken sitzen – oder in manche Stadien gar nicht hinein. Überdies hängt der iranische Fußballverband, wie alle Sportverbände des Landes (siehe den jüngsten Eklat um die Behandlung einer kopftuchfreien Kletterin) total an der Befehlsleine des Mullah-Regimes.

All das widerspricht massiv den Regeln der FIFA. Die kennt die Menschenrechte und Political Correctness nur dann, wenn es um Europa geht. Dort werden Vereine sogar dafür schon bestraft, dass Anhänger untergriffige Bemerkungen gegen nicht-weiße Sportler machen. Als ob untergriffige Formulierungen nicht geradezu ein Eckstein der (einstigen) Fußballplatz-Freiheiten gewesen wären (ich jedenfalls habe dort mein ganzes Repertoire an Beschimpfungen erlernt …). Aber zugegeben: Gegen weiße Spieler und Schiedsrichter darf man eh weiter – außer es geht um bestimmte sexuelle Präferenzen. Dann gilt natürlich wiederum das Regenbogendiktat …

Zurück zu Katar. Das wirklich Widerliche an dem Land ist nicht sein Klima, ist nicht die von den internationalen Gewerkschaften kritisierte Bezahlung der Gastarbeiter, das ist vielmehr seine ungeheuerliche Politik selbst:

  • So war Katar ausgerechnet jetzt eines der Länder, die es verhindert haben, dass der UNO-Menschenrechtsrat den Bericht des UNO-Hochkommissariats über Menschenrechtsverletzungen in China auch nur diskutiert. Katar hat damit nicht nur China die Mauer gemacht (obwohl sich Chinas Fußballer ohnedies nicht für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft qualifiziert haben, was noch irgendwie eine Ausrede wäre). Es hat sich mit seinem Verhalten vor der UNO auch in eine Gruppe mit anderen schlimmen Diktaturen wie Venezuela oder Kuba gestellt.
  • So ist Katar eines der brutalsten Länder im Umgang mit Menschen, die sich homosexuell betätigen.
  • So ist erst vor wenigen Tagen der Emir von Katar mit dem russischen Machthaber Putin zusammengetroffen, der ihm gute Tipps für die Durchführung der WM gegeben hat. Was wirklich das Schlimmste für die eventuell anreisenden Zuschauer fürchten lässt.
  • Noch viel schlimmer sind die engen Beziehungen Katars zu den Muslimbrüdern, einer Geheimorganisation, die in vielen Ländern für islamistische Aktionen verantwortlich ist. Die Muslimbrüder sind deshalb in fast allen gemäßigten arabischen Staaten verboten worden. In Katar haben sie hingegen ihre größten Förderer. Früher war es der Emir selber, der die Islamisten finanziert hat. Als das Land von Saudi-Arabien und den Golf-Scheichtümern unter Druck gesetzt wurde, hat es zwar die offizielle Unterstützung der Muslimbrüder aufgegeben – aber jetzt fließt das Geld halt über Spenden angeblicher Wohltätigkeitsorganisationen aus Katar.
  • An ein typisches Exempel für die anhaltend engen Verbindungen Katars zu radikalen Muslimen erinnerte auch vor wenigen Tagen der Tod das radikalen TV-Predigers Yussif al-Qaradawi. Dieser hat als geistliches Oberhaupt der Muslimbrüder gegolten (die ja keine schriftlichen Mitgliederlisten führen, weshalb sie auch immer wieder vor der österreichischen Justiz freigehen). Er hat in seinen Predigten über den katarischen Sender Al-Jazeera Selbstmordattentate ausdrücklich gerechtfertigt und Frauen zum Gehorsam gegenüber ihren Männern aufgefordert. In Ägypten, wo er früher sein Unwesen getrieben hatte, das er aber schon lange verlassen hatte, war er in Abwesenheit wegen eines Mordes zum Tod verurteilt worden. Was in Katar aber niemanden schert.

Mit anderen Worten: Katar versucht in beiden Welten zu reüssieren – einerseits in der demokratischen Welt etwa als Austragungsland der WM, etwa durch die Investitionen seines Staatsfonds etwa beim deutschen Energieriesen RWE und etwa als Exporteur von Gas und Öl; andererseits in der kriminellen Welt der Diktaturen und des demokratiefeindlichen Islamismus.

Wenn man genug Geld hat, ist offenbar in dieser Welt alles möglich. Grauslich.

PS: Trotzdem, so gebe ich zu, werde ich sicher etliche Spiele dieser Weltmeisterschaft mit Begeisterung anschauen. Auch wenn ich zehnmal lieber hätte, das Fernsehsignal käme von wo anders her.

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