Unabschiebbar: Wie Ecstasy-Händler vier Instanzen bis zum EuGH beschäftigen

Nach einer schöpferischen Pause macht sich der Asyl in Österreich Blog wieder an die Arbeit. Denn die Tätigkeit unserer hohen und höchsten Gerichte benötigt nicht weniger, sondern eindeutig mehr Aufmerksamkeit und Sonnenlicht.

In bewährter Vorgehensweise wird der erste im Rechtsinformationssystem aufscheinende Fall eines zufällig ausgewählten Gerichtes, diesmal des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), ausgewählt: Dieser Fall nimmt uns mit auf eine Reise in die unwirkliche Welt der österreichischen Gerichtsbarkeit, die es schafft, den Fall eines mehrfach straffälligen Ecstasy-Dealers zwischen BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), BVwG und VwGH rauf- und runterzuverhandeln, nur um festzustellen, dass ohne ein finales Wort des EuGH nicht einmal in Detailfragen Erkenntnis zu erzielen ist.

Der Fall  W124 2177442-2/17E

Ein Somalier stellte nach illegaler Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach Österreich am 19. Oktober 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde ein Jahr später abgewiesen. Allerdings wurde dem Asylwerber subsidiärer Schutz eingeräumt, da eine Abschiebung nach Somalia nicht zumutbar wäre: Die Sicherheitslage in der Region Gedo, in der sich der Asylwerber zuletzt aufhielt, sei unzureichend, und eine Rückkehr in das Heimatgebiet in Somaliland sei aufgrund des dort fehlenden Unterstützungsnetzwerkes nicht zumutbar. Der Asylwerber verfügt zwar in diesem Fall über ausreichende Clanbindung, leider aber zu einem Clan, den Geboyee, der wenig Ansehen genießt.

Wie an anderer Stelle der Gerichtsakten ausgeführt und für Ethnologen sehr interessant, hat der genannte Clan leider keine Abstammungslinie vom Propheten Mohammed und befindet sich somit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie. Allerdings ist die Bezeichnung Clan hier etwas irreführend, da es sich nicht nur um eine erweiterte Familiengruppe mit gemeinsamer Abstammung, sondern um eine berufsständische Minderheit handelt. Die Beschäftigungen der Geboyee sind in der Gesellschaft wenig angesehen, was sich direkt auf deren sozialen Status auswirkt. Als typische Beschäftigungen werden vom kanadischen Immigration and Refugee Board (das offenbar mit ähnlichen Fällen befasst ist) angeführt: Jagen, Lederbearbeitung, Giftmischen, Haare schneiden, die Durchführung männlicher und weiblicher Beschneidung, Handarbeiten und Handwerk, Messerherstellung und Eisenschmelzen.

Der subsidiäre Schutz wurde zunächst bis 23. Oktober 2018 befristet und dann bis zum 23. Oktober 2020 verlängert. Davor waren aber noch andere heimische Gerichte mit den Angelegenheiten des Somaliers beschäftigt: Am 28. Jänner 2020 erfolgte eine Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen in Wien wegen Handels mit XTC-Tabletten (offenbar vor dem bei Jugendlichen beliebten Wiener Lokal Flex) zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten. 6 Monate wurden unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren nachgesehen. Allerdings hatte der Beschwerdeführer bereits 2 Tage vor dem Urteil des Landesgerichtes wieder mit XTC-Tabletten gehandelt, was zu einer weiteren bedingten Verurteilung von 2 Monaten bei einer Probezeit von 3 Jahren führte.

Für das BFA war nun Schluss mit lustig, und mit Bescheid vom 24. März 2020 wurde dem Somalier der Status des subsidiär Schutzberechtigten entzogen (Spruchpunkt I), die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (II), kein Aufenthaltstitel erteilt (III), eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV), gleichzeitig aber festgestellt, dass eine Abschiebung nach Somalia unzulässig sei (V), eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (VI) und ein auf 5 Jahre befristetes Einreiseverbot (VII) erteilt.

Ob dieser Bescheid überhaupt konkrete Folgen hätte, ist ungewiss. Bei Verweigerung der freiwilligen Ausreise stünde nämlich kein Zwangsmittel zur Verfügung, da die Abschiebung aus den oben angeführten Gründen noch immer nicht möglich wäre. Ob die Aberkennung des subsidiären Status bei gleichzeitiger Duldung zumindest finanzielle Auswirkungen hat, erschließt sich aus den Gerichtsunterlagen nicht. Zumindest aber sind Auswirkungen auf eine mögliche Aufenthaltsverfestigung zu erwarten.

Ungeachtet dessen wurde der Asylwerber am 7. Dezember 2021 ein weiteres Mal wegen Handels mit Ecstasy und Speed zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Gegen den Bescheid des BFA erhob der laut Gerichtsunterlagen der deutschen Sprache noch immer nicht mächtige Asylwerber Beschwerde bei der nächsten Instanz, nämlich dem BVwG.

Dieser entschied am 21. Februar 2021, ohne mündliche Verhandlung, dass die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I und II unbegründet sei, dass aber das Verfahren zu den Spruchpunkten III bis VII bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-663/21 ausgesetzt werde.

In dieser Rechtssache geht es um einen illegal eingereisten Syrer, der zunächst Asyl erhielt, dann aber ebenfalls straffällig wurde: zunächst wegen Suchtgifthandels auch mit Ecstasy, dann auch wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung. Wie im Fall des Somaliers wurde der Schutzstatus widerrufen und gleichzeitig festgestellt, dass eine Abschiebung im konkreten Fall nicht zulässig sei.

Dieser Fall landete schließlich vor dem VwGH, der sich kurz gefasst mit der Frage befasste, ob nicht schon die Unmöglichkeit einer Abschiebung zur Folge haben müsste, dass ein Widerruf des Schutzstatus‘ unmöglich sei und somit ein Entzug des Schutzstatus‘ nur erfolgen darf, wenn auch eine Abschiebung rechtlich möglich wäre. Der VwGH sah sich außer Stande diese Frage selbst zu beantworten und legte den Fall dem EuGH vor.

Hier wurde der Leser kurz in die Irre geführt. Die obersten Richter des Landes wären natürlich sehrwohl im Stande gewesen, diese Rechtsfrage zu lösen. Allerdings nicht im Sinne des heimischen Gesetzgebers, dessen Gesetze anzuwenden eigentlich eine nicht unwesentliche Aufgabe der Gerichte wäre. Der für den Fall des Somaliers wesentliche §9 des Asylgesetzes 2005 wurde im Jahr 2017 durch den Gesetzgeber dahingehend geändert, dass es möglich wurde, den subsidiären Schutzstatus aufzuheben, bei gleichzeitiger Feststellung, dass eine Abschiebung unmöglich ist. Diese vom Gesetzgeber neu geschaffene Lösung mit straffälligen, (angeblich) unabschiebbaren Asylwerbern umzugehen, war dem VwGH ein Dorn im Auge. Und was macht ein Gericht, wenn es mit dem Gesetzgeber nicht zufrieden ist? Es läuft zum EuGH. Dort liegt es dann in der Hand von ein paar Richtern zu entscheiden, ob es den von Millionen Österreichern gewählten Vertretern erlaubt ist, einen Absatz in das heimische Asylgesetz zu schreiben, um den Umgang mit straffällig gewordenen Asylanten ein klein wenig zu verschärfen.

Doch nun zurück zum eigentlich vorliegenden Fall: Nachdem das BVwG zwar in den Spruchpunkten III bis VII noch keine Entscheidung getroffen hatte, nützte der sich noch in Haft befindende Asylwerber die Zeit und brachte eine Revision der Spruchpunkte I und II vor den VwGH. Dies und nur dies allein ist Gegenstand des vorliegenden Falles. Das BVwG hätte nämlich in seiner Entscheidung von einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Zudem hätte der Revisionswerber in der Zwischenzeit Arbeit gefunden, seine Deutschkenntnisse verbessert und die Beziehungen zu seinem ebenfalls in Österreich lebenden Bruder verbessert.

Die Entscheidung

Der VwGH weist die Revision zurück. Eine Revision sei nur dann zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist lt. VwGH hier nicht der Fall, da nach ständiger Rechtsprechung von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden kann, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Der Gerichtshof räumt zwar ein, dass das Verschaffen eines persönlichen Eindruckes gerade bei einer Gefährdungsprognose (der Entzug des Schutzstatus erfolgte deswegen) besondere Bedeutung hat. Insgesamt sei der Fall aufgrund des mehrmaligen Rückfalles aber eindeutig und dadurch würden eben keine grundsätzlichen Rechtsfragen aufgeworfen.

Abschließende Fragen

Was motiviert den Asylwerber, der ja aus einem Land kommt, in dem er den Lebensunterhalt selber verdienen müsste, die ihm hier gebotenen Chancen so überhaupt nicht zu nützen, sondern vielmehr die Gesellschaft noch aktiv zu schädigen?

Was motiviert die Rechtsanwälte, die sich um diese Einwanderer bemühen, die in sechs Jahren Aufenthalt gerade einmal ein paar Monate gearbeitet haben, dafür aber regelmäßig Suchtgift an österreichische Jugendliche verkaufen, und keine Zeit haben, die lokale Sprache zu lernen? Ideologische Überzeugungen oder reine Geldgier? Und wer sind die NGOs, die diese Prozesse finanzieren?

Wie kann ein Rechtsstaat so irr sein, es zuzulassen, dass sich Dutzende höchstbezahlte Richter und Beamte in zahllosen Verfahren mit einem illegal eingewanderten Menschen befassen müssen, dem nicht einmal Verfolgung in seinem Heimatland droht?

Was motiviert die Richter an Österreichs Höchstgerichten, derart direkt gegen den Willen des Gesetzgebers vorzugehen? Bringt die Vorlage von Fällen vor den EuGH irgendwelche Karrierepunkte? Dabei wundert man sich als Normalbürger, wie pedantisch die Vorlage ist: Wie kann es sein, dass dem höchsten Gericht der 450 Millionen Einwohner zählenden EU jede einzelne gehandelte Ecstasy-Tablette vorgerechnet wird? Oder ist es, wie oben vermutet, die ideologische Einstellung, aus der folgt, dass einem Somalier ein Leben in Somalia einfach nicht mehr zugemutet werden kann, sobald er auch nur eine Minute dank illegaler Einwanderung in Österreich gelebt hat?

In keinem einzigen der bisher in diesem Blog besprochenen Fällen ist eine konkrete Bedrohung des Asylwerbers in seinem Heimatland erkennbar, sondern nur eine abstrakt allgemeine Bedrohung wird vermutet bzw. kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Zudem wird von den Gerichten auch eine Verschlechterung des Lebensstandards befürchtet und als Grund für die Unabschiebbarkeit angeführt. Kein Mensch in Somalia würde von der Wiedereinreise etwa des hier besprochenen Somaliers überhaupt Notiz nehmen, geschweige denn nach seinem Leben oder Gesundheit trachten.

Das ist denkunmöglich und wird nicht einmal behauptet. Wurde das Asylsystem geschaffen, um solchen Menschen, die noch dazu wiederholt straffällig werden, ein Leben auf Staatskosten in Österreich zu verschaffen?

"Karl Berger" ist ein Pseudonym. Der Autor ist bei einer international aktiven Beratungsfirma tätig und muss daher um Anonymität bitten. Er betreibt unter https://asylwatchinoe.blogspot.com einen Internet-Blog, der sich auf die Analyse der Asylentscheidungen insbesondere des Verfassungsgerichtshofs spezialisiert hat.

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