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Feindbild Normalität

Es scheint in jüngster Zeit in Vergessenheit geraten zu sein: Das Mehrheitsprinzip ist die Grundlage der Demokratie. Die Mehrheit, das ist der breite Durchschnitt, das Gewöhnliche, Normalität. Aber das Normale ist nicht mehr, wie das über Jahrhunderte der Fall war, Richtschnur und Bezugspunkt unseres Denkens und Handelns. Politik, Wissenschaft, Rechtswesen oder Kultur sind nicht mehr auf die Mehrheit ausgerichtet, wie das in einer Demokratie der Fall sein sollte, sondern orientieren sich an den Interessen und Ansprüchen jener Minderheiten, die es in der globalen Informationsgesellschaft schaffen, besonders laut auf sich aufmerksam zu machen. Ein Kulturkampf gegen die Normalität ist ausgebrochen.

Einer der größten Verbrauchsgüterkonzerne der Welt, Unilever (Knorr, Langnese, Dove, Rexona, Mazola, etc.), hat jetzt das Wort "normal" aus seinen Produktbezeichnungen gestrichen. Künftig gibt es keine Shampoos mehr für "normales" Haar oder Cremen für "normale" Haut. Das könnte jene, die Schuppen oder zu trockene Haut haben, provozieren und diskriminieren. Normale Haut darf nicht länger normal sein.

Am Schritt Unilevers kann man ermessen, wie weit sich der linksidentitäre Wahnsinn bereits durchgesetzt, wie sehr er Politik, Gesellschaft und Wirtschaft durchdrungen hat. Zumal ein führender internationaler Konzern mit einer solchen medial verkündeten Maßnahme auch ein Signal für alle anderen Marktteilnehmer setzt. Normal ist das neue Feindbild, der Feind, gegen den der engagierte, progressive Bürger zu kämpfen hat.

Die linke Süddeutsche Zeitung freut sich über den Schritt von Unilever: "Das Wort ‚normal‘ ist beinahe ein identitätspolitischer Gesinnungsbegriff für Menschen, die diese Kriterien erfüllen und stolz darauf sind. Leitkultur auf der Shampoo-Flasche. Wir sind normal, die anderen nicht."

Wer normal, wer gewöhnlich ist, hat sich zu schämen, dafür zu entschuldigen. Es ist ein Makel, keinen Makel zu haben. Wer dichtes Haar und glatte Haut hat, wer gut aussieht, macht sich schuldig gegenüber jenen, die das nicht tun. Das entspricht der linken Denkweise, wonach Erfolg und Reichtum immer auf der Ausbeutung und Unterdrückung anderer beruht. Der Westen ist nur reich, weil Afrika arm ist, Menschen sind nur schön, weil sie andere als hässlich einstufen.

"Normal" ist ein "absurder Begriff", schreibt folgerichtig die SZ. Das Normale soll ausgegrenzt und letztendlich ausgemerzt werden. Die Linken nennen das euphemistisch Dekonstruktion. Weil alles nur ein soziales Konstrukt ist, selbst unser Geschlecht. Es gibt für Linke keine menschliche Natur. Auch die Naturwissenschaft ist ein Konstrukt (des alten, weißen Mannes).

Weshalb man in linken Kreisen auch nicht mehr von Heterosexualität, sondern von Heteronormativität spricht. Dass sich in praktisch allen Kulturen zu 95 Prozent Frauen und Männer lieben, hat nichts mit Biologie, Fortpflanzung etc. zu tun, es handelt sich dabei nur um eine uns aufgepresste Norm.

Das klingt für – Achtung! – normale Menschen wie Schwachsinn. Ist es auch. Allerdings ist dieser ideologische Irrsinn verbreiteter, als es auf den ersten Blick scheint. Das zeigt auch die Debatte um den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse. Der verdiente SPD-Genosse wird derzeit für seine kritischen Aussagen zur Identitätspolitik von der Parteispitze geprügelt. Thierse hatte in der FAZ unter dem Titel. "Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft?" die Parteilinie kritisiert und von "elitärer, arroganter Dummheit" geschrieben. Viele in der SPD würden nicht wahrhaben wollen, dass sich die Nation keineswegs erledigt habe und dass nicht nur Minderheiten, sondern auch Mehrheiten berechtigte kulturelle Ansprüche haben würden, die man nicht als "bloß konservativ oder reaktionär oder gar als rassistisch" denunzieren sollte.

Thierse kommt zu dem Schluss, dass es in unserer zersplitterten Multikulti-Gesellschaft notwendig sei, "das Eigene in Bezug auf das Gemeinsame, auf das Gemeinwohl zu denken." Vor allem folgender Satz Thierses dürfte die sozialdemokratischen Identitätspolitiker verärgert haben: "Opfer sind unbedingt zu hören, aber sie haben nicht per se recht." Das trifft den Kern. Und das war für Saskia Esken und Kevin Kühnert zu viel. Auch die "AG Queer", die Schwulen, Lesben und sonstigen sexuellen Minderheiten in der SPD, beschimpften Thierse als "reaktionär" und "neu-rechts".

Das zeigt das Ausmaß an Intoleranz, das zeigt den Allmachts- und Wahrheitsanspruch linksidentitärer Politiker, wenn selbst ein sozialistisches Urgestein wie Thierse zum Rechten, zum Feindbild wird. Die SPD-Spitze entschuldigte sich umgehend für Thierse bei diversen LGBT-Gruppen. Der Politologe Nils Heisterhagen: "Eine SPD, der Lady Bitch Ray wichtiger ist als Wolfgang Thierse, hat keine Zukunft mehr." Die SPD hat den Arbeiter durch selbsternannte Opfer und Unterdrückte ersetzt.

Dass Thierse für Selbstverständlichkeiten dermaßen unter Beschuss gerät, liegt nicht nur an seiner innerparteilichen Kritik, er ist aufgrund seines Alters, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung, seines Lebensstils (verheiratet, Vater zweier Kinder) und seiner Hautfarbe (sprich Rasse) die Verkörperung des Unterdrückers, des Vertreters des Patriarchats. Thierse ist ein alter weißer Mann, der es trotz seiner ihm auferlegten "Erbschuld" wagt, sich kritisch über linke Identitätspolitik und die überzogenen Ansprüche von Minderheiten zu äußern.

Der "Tagesspiegel" schreibt es ganz offen: "Normalität ist die ‚Cancel Culture‘ des alten weißen Mannes" Soll heißen: Thierse, der alte, weiße Mann, versucht mit dem Begriff der Normalität, der wiederum nur ein Konstrukt des alten weißen Mannes ist, die von ihm unterdrückten und ausgebeuteten sexuellen, ethnischen, religiösen und sonstigen Minderheiten mundtot zu machen, um damit die Vormachtstellung seiner Gruppe abzusichern. Normalität sei nur "imaginiert" und funktioniere nur über die "Abwertung des Andersartigen", so der "Tagesspiegel".

Das ist natürlich blanker Unsinn. Jemanden als anders zu bezeichnen, zu empfinden, bedeutet nicht, ihn abzuwerten, ihn schlecht zu behandeln.

Es ist aufschlussreich, dass jene, die vorgeben, gegen Sexismus oder Rassismus zu kämpfen, die Menschen selbst streng nach Rasse, Alter, Geschlecht und sexueller Orientierung einteilen und vor allem bewerten. Sie beurteilen Menschen nicht nach ihrer Leistung und Taten, sondern aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit.

Der Journalist Harald Martenstein nennt sie "Menschensortierer", die nur in Kategorien wie "wir" und "die" denken. Die "Normalen" sind in dieser Vorstellungswelt die "Minderwertigen", die Störfaktoren in einer "idealen Gesellschaft", von der Ideologen mit Allmachtsanspruch immer träumen.

Der alte, weiße Mann ist in diesem neulinken Universum immer der Unterdrücker und Ausbeuter, selbst wenn er als Obdachloser unter einer Brücke lebt. Während selbst ein schwarzer Fußballstar mit 20 Millionen Euro auf dem Konto ein Unterdrückter und ein Opfer (des weißen Mannes) ist.

Die linken Identitätspolitiker kämpfen nicht mehr wie ihre Genossen vor zwanzig oder hundert Jahren gegen das Kapital, gegen den Klassenfeind, sondern gegen das Normale, die Mehrheit. Normal ist alles, was unsere westliche Gesellschaft und Kultur auszeichnet und groß gemacht hat. Die Arbeiterschaft ist den Linken schon vor langem abhandengekommen, und auch die nach Europa aus dem Islamgürtel importierten Ersatzproletarier sind nicht auf die Linken angewiesen, sie können ihre Machtansprüche und gruppenspezifischen Interessen sehr gut allein durchsetzen. Ein arabischer Klan oder gläubige Muslime brauchen keinen Kevin Kühnert oder Annalena Baerbock als Fürsprecher.

Wer sich nicht in die von Linken erdachten Opferrollen fügen will – Schwule oder Frauen, die sich nicht von Heteros diskriminiert fühlen, Migranten, die nicht linke, sondern rechte Parteien wählen –, gilt sofort als Agent des Feindes, des alten weißen Mannes. Linke nennen diesen Verräter "Token".

Im Grunde geht es bei Identitätspolitik, worum es bei linken Ideologen immer geht. Sie verachten Eigenverantwortung und Selbstbestimmung, wälzen die Verantwortung für ihr Versagen und unproduktiven Lebensstil stets ab. Man inszeniert sich als Opfer der von seinen Feinden geschaffenen Umstände, der "Gesellschaft" (= der Normalen). Und leitet aus dieser Opferrolle seine Ansprüche und Forderungen gegenüber den angeblichen Ausbeutern und Unterdückern ab.

Es ist das immer gleiche linke Geschäftsmodell, egal wie es gerade verpackt und bezeichnet wird. Auch linke Identitätspolitik dient vor allem als Vorwand, um die Umverteilung der Leistungsträger zu den Leistungsempfängern moralisch zu legitimieren.

Es ist auch im multikulturalisierten Westen in hohem Maße der alte, weiße Mann (etwa der unternehmerische Mittelstand), der mit seiner Arbeitsleistung, seiner Risikobereitschaft, seinem Unternehmertum und seiner Ausdauer den aufgeblähten Umverteilungsstaat und die immer neuen Opfergruppen mit ihren steigenden Ansprüchen an "die Gesellschaft" finanziert.

Letztlich geht es nur darum. "Es ist der Sozialstaat, der jenseits des Nationalen ein Zugehörigkeitsgefühl bieten kann", schreibt ein linkskatholischer Autor in "Der Tagespost". Der Sozialstaat, als letzte gesellschaftliche Klammer. Der riesige linke Umverteilungsapparat, den die "Normalen" aufgrund ihrer immerwährenden Erbschuld mit ihren Arbeits- und Steuerleistungen am Laufen halten müssen, und von dem die selbsternannten Opfer der Normalen dauerhaft profitieren.

Die Linke braucht stets einen Grund und Vorwand, um das Geld der anderen umverteilen bzw. einsacken zu können. Wenn es ihnen einmal mehr ausgeht, suchen sie sich eine neuen Unterdrücker.

Werner Reichel ist Autor und Journalist. Er hat zuletzt das Buch "Europa 2030 – Wie wir in zehn Jahren leben" bei Frank&Frei herausgegeben.

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