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Das war kein Putsch, das war keine Revolution

In Washington hat weder Revolution noch Putsch stattgefunden, sondern eine ungeplant total aus dem Ruder gelaufene Demonstration, in deren Verlauf einige eindeutige und durch nichts zu rechtfertigende Verbrechen passiert sind. Es wird Juristen noch lange beschäftigen, wieweit daran auch erstens die eindeutig zweideutige Rede von Donald Trump zu den Demonstranten und zweitens die fahrlässige Nachlässigkeit der Bewachung des US-Parlaments trotz einer laufenden Sitzung und trotz einer angekündigten Großdemonstration in unmittelbarer Nähe Mitschuld tragen – nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich. Wenn Amerika geheilt aus all dem offen Ausgebrochenen herausgehen will, dann muss es eine große Lektion lernen. Mit bloßem – wenn auch diesmal durchaus gerechtfertigtem – Trump-Bashing hingegen wird das freilich nicht gelingen.

Denn die wahren Probleme werden schlimmer werden, auch wenn Trump nun politisch endgültig mausetot ist. Egal, ob er auch rechtlich zur Rechenschaft gezogen wird. Nur noch ganze sieben Abgeordnete im US-Senat haben sich auch nach dem Sturm aufs Kapitol noch hinter Trumps Behauptung gestellt, dass ihm der Wahlsieg geraubt worden wäre.

Juristisch hingegen dürfte Trumps Rede vor der – jedenfalls legitimen – Massenkundgebung seiner Anhänger wohl am Delikt einer anklagbaren Anstiftung zum Sturm auf das Parlament knapp vorbeigeschrammt sein.

Trump sagte: "Wir werden zum Kapitol gehen." Die Formulierung "zum Kapitol" ist eindeutig etwas anderes als "ins Kapitol hinein". "Zum Parlament", "zum Bundeskanzleramt" sind auch anderswo schon viele Demonstrationen geführt worden, ohne dass das strafbar wäre.

Aber auch wenn Trump deshalb haarscharf der Strafbarkeit entkommen dürfte, hat er rhetorisch enorm aufgehetzt: "Unser Land hat genug. Wir nehmen das nicht mehr hin." Und: "Wir werden niemals eine Niederlage hinnehmen." (was die manipulationsfreudigen Medien in deutschsprachigen Ländern bezeichnenderweise mit "die Niederlage" übersetzen, um Trumps scharfen Worten noch eine andere, gar nicht gesagte Bedeutung anzuheften, nämlich dass er indirekt sehr wohl eine Niederlage zugegeben hätte). Und: "Ihr gebt nicht auf, auch wenn es tödlich werden kann." Und: "Wir werden nicht zulassen, dass sie eure Stimmen zum Schweigen bringen."

Trump hat nicht einmal davor zurückgescheut, seinen engsten Anhängern eine eindeutige Unwahrheit aufzutischen: "Wir werden dort hingehen und ich werde bei euch sein." Nur: Rund ums Kapitol hat dann niemand mehr eine Spur von Trump gesehen. Er hat sich verdrückt.

Und auch die Behauptung, er hätte statt der offiziell verkündeten Niederlage eigentlich einen "Erdrutschsieg" bei der Wahl errungen, ist wohl auch für viele Trump-Anhänger gleich fünf Umdrehungen zu viel gewesen, um noch glaubwürdig zu sein.

Zusätzlich sind die von Trump aufgegeilten Anhänger dann auch noch einmal verwirrt worden, als der gleiche Mann ein paar Stunden später plötzlich sagt: "Auch wenn ich mit dem Ergebnis der Wahl absolut nicht übereinstimme und die Fakten mich bestätigen, wird es trotzdem am 20. Jänner eine ordentliche Amtsübergabe geben." Wie? Was jetzt? Hat dieser Trump nicht noch vor wenigen Tagen angekündigt, dass es auch am 20. Jänner Protestaktionen geben werde?

Und überhaupt volle 24 Stunden hat er gebraucht, um die Stürmung des Kapitols ausdrücklich zu verurteilen.

Trump kommt ganz einfach nicht mehr heraus aus dem selbsterzeugten Strudel, aus dem totalen Widerspruch zwischen dem regelmäßigen Drang zu starken Worten und der ausweglosen Schwäche seiner Situation. Zwischen persönlicher Depression, der Unfähigkeit, sich mit einer Niederlage abzufinden, und der aufputschende Konsumation rhetorischer Muskelprotzerei.

Aber zugleich steht nach allem, was man weiß, ebenso eindeutig fest: Hinter dieser Rhetorik gab es keinen Plan für einen Putsch oder eine Revolution. Trump und die Demonstranten waren vielmehr offensichtlich selbst überrascht, wie leicht einem Teil der zum Kapitol marschierten Masse das Eindringen in den US-Kongress gemacht worden ist. Denn als sie drinnen waren, hatten sie überhaupt keine Ahnung, was sie dort eigentlich wollten. Sie haben auch relativ wenig zerstört, bis sie dann wieder nach ein paar simplen Imponiergesten abgezogen sind. Und Trump war eben nicht mehr zu sehen, auf dessen Führung sicher viele gehofft haben.

Daher ist diese Demonstration in eine klare Reihe mit vielen anderen Massenkundgebungen der Vergangenheit zu stellen. Wie:

  1. die Aufmärsche der meist rechtsgerichteten Corona-Querdenker;
  2. das Vordringen von Demonstranten im vergangenen August auf die Stufen des Berliner Reichstags (eines Gebäudes, das für die Deutschen die gleiche Bedeutung hat wie für die Amerikaner das Kapitol);
  3. die hunderten ebenfalls überwiegend von rechtsgerichteten Franzosen organisierten Gelbwesten-Proteste gegen eine Reihe von Regierungsentscheidungen und Belastungen vor allem durch die Klimarettungspolitik, in deren Zug es immer wieder zu Gewalttätigkeiten und Beschädigungen von Gebäuden kam;
  4. die zahllosen, zum Teil schwer gewalttätigen Blacklivesmatter-Kundgebungen des Vorjahres, an denen nicht nur Schwarze, sondern auch viele Linke wegen der Tötung eines kriminellen Schwarzamerikaners durch die Polizei teilnahmen (an die man jetzt oft beim von niemandem groß beklagten Tod einer jungen, aber weißen Frau denken muss, die beim kriminellen Eindringen ins Kapitol von einem Sicherheitsbeamten erschossen worden ist);
  5. die vielen gewalttätigen Demonstrationen radikaler Linker, bei denen ein sogenannter "Schwarzer Block" immer wieder schwere Verbrechen initiierte, von Hamburg bis Wien, wo sie etwa mehrmals einen Ball einer demokratischen Partei verhindern wollten;
  6. oder die aggressiven Demonstrationen von roten und grünen Parteigängern gegen die Bildung einer schwarz-blauen Regierung im Winter 2000, bei denen das Wiener Parlament großräumig gesichert werden musste.

Die Liste eskalierender Kundgebungen ließe sich noch lange fortsetzen. Sie unterscheidet sich eindeutig von den – gelungenen wie fehlgeschlagenen – echten Revolutionen und Umsturzversuchen wie etwa 1789 (Frankreich), 1830 (Belgien), 1848 (in Wien und vielen anderen Städten Europas), 1917 (Russland), 1918 (Österreich), 1933 (Deutschland), 1956 (Ungarn), 1968 (Tschechoslowakei), 1981 (Spanien), 1989 (in sieben osteuropäischen Ländern), 1991 (Sowjetunion) oder 2014 (Ukraine). Egal ob die Erhebungen nun positiv oder negativ zu bewerten sind.

Was unterscheidet aber die in den sechs Beispielen zuvor aufgelisteten exzedierenden Kundgebungen von dem, was jetzt in Washington geschehen ist? Nicht allzu viel. Die Anlässe und Motive der Massenproteste waren zwar immer verschieden. Aber ein echtes Umsturzziel war bei keiner dieser Protestaktionen zu entdecken. Der Unterschied liegt in Wahrheit nur in zwei Punkten:

  • dass in Washington ein amtierender Präsident (wenn auch ohne Strategie) Öl ins Feuer einer ohnedies schon brodelnden Masse geschüttet hat;
  • dass in Washington zum Unterschied von den aufgezählten Demonstrationsexzessen die Exekutive nicht imstande gewesen ist, das wichtigste Gebäude der Nation zu verteidigen.

Dieses Versagen der Exekutive ist besonders erstaunlich. Der mächtigste Staat der Welt ist außerstande, das nationale Parlament gegen Demonstranten zu schützen, die deswegen dort relativ einfach eindringen konnten.

Das schreit nach Erklärung. Aber die doch sonst so recherchier-freudigen US-Journalisten haben auch 24 Stunden nachher noch keine einzige präsentiert. Der Rücktritt des Kommandanten der Kongress-Schutzpolizei ist ja höchstens ein Bauernopfer, noch keine Erklärung.

Aus diesem Fehlen einer solchen muss man eigentlich den Schluss ziehen, dass es keine Spur der Schuld zu Donald Trump oder seiner unmittelbaren (freilich sehr klein gewordenen) Umgebung gibt. Denn wäre das der Fall, wäre es sofort das zentrale Thema der US-Medien geworden. Und dann hätte auch das mediale Gerede von einer Amtsenthebung Trumps knappe zwei Wochen vor Amtsende ordentlich Brennstoff gefunden.

Aber was war sonst die Ursache? Ohne über eigene Recherche-Möglichkeiten in Washington zu verfügen, schwanken meine Vermutungen zwischen folgenden Varianten:

  1. Das Parlament ist das Haus des amerikanischen Volkes, weshalb es viele für undenkbar gehalten haben, dass es von Tausenden Angehörigen dieses Volkes voller Hass gestürmt werden könnte.
  2. Die Exekutive ist (wie auch die meisten Armeen dieser Welt) nur auf Probleme vorbereitet, die schon einmal aufgetaucht waren.
  3. Die Exekutive hat es für ausgeschlossen gehalten, dass die Kundgebung einer stärker denn alle anderen auf Law and Order schwörenden Partei so krass rechtswidrig werden könnte.
  4. Die Exekutive hat es zumindest für ausgeschlossen gehalten, dass eine Kundgebung mit dem amtierenden Präsidenten als Hauptredner rechtswidrig enden könnte.
  5. Es gab unüberbrückbare Kommunikationspannen und die Folgen gegenseitiger eifersüchtiger Abschottung zwischen Kongress-Wache, Stadtpolizei und Nationalgarde (das ist für einen Österreicher nicht so absurd, wie es klingt, wenn er an die ganz ähnlich schlechten Beziehungen zwischen dem Bundesamt und den Landesämtern für Verfassungsschutz denkt).
  6. Die Exekutive sympathisierte insgeheim mit den Protesten der Trump-Anhänger und hielt sich daher bewusst zurück.
  7. Die Exekutive wollte insgeheim die Trump-Anhänger in eine demaskierende Aktion rennen lassen.

Es wird spannend, wie das wirklich geklärt wird. Aber noch wichtiger ist es, wie Amerika, sein Parlament und sein neuer Präsident konkret mit den Massenprotesten umgehen wird. Ist Joe Biden nur ein verbaler Versöhner? Oder hat er auch konkrete Ideen, die eigentlichen Ursachen des Konflikts anzugehen? Diese sind nämlich viel tiefer und viel nachhaltiger wirksam, als wenn das Problem bloß der exzentrische Total-Egoismus des Donald Trump wäre.

Eines der im November endgültig auf dem Tisch der Nation gelandeten Probleme ist das amerikanische Wahlsystem. Dieses hat sich nicht zum ersten Mal als veraltet und morsch erwiesen, was ja schon oft zu Problemen geführt hatte. Das, was sich in der – lange weltweit von vielen bewunderten – amerikanischen Demokratie im 18. und frühen 19. Jahrhundert entwickelt hatte, passt nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Andererseits geht ein Spalt durch die amerikanische Gesellschaft, der so tief ist wie nie seit dem Bürgerkrieg von 1861 bis 1865. Daher sollte ein Präsident, welcher der von den Medien schon überall verteilten Lorbeeren wirklich würdig werden will, dringend gleich mehrere Reformen in Angriff nehmen:

  • Das kaskadenförmige amerikanische Wahlmännersystem ist viel zu kompliziert, fehleranfällig, unübersichtlich und vor allem langatmig. Dieses System hat ins Zeitalter der Postkutsche gepasst, aber nicht mehr in das der Elektronik, in dem anderswo schon eine Stunde nach Schließung der Wahllokale das Endergebnis klar ist, in dem in manchen Ländern schon rein elektronisch gewählt wird.
  • Auch die Tatsache, dass jeder Bundesstaat dabei sein völlig eigenes Wahlrecht hat, ist erneuerungsbedürftig. Im Grund ist heute jedes im demokratischen Europa westlich von Russland, Belarus und der Türkei geltende Wahlrecht moderner und praktikabler, egal ob es mehrheitsfördernd ist oder nicht.
  • Dringend ist aber auch eine ganz neue Unsitte radikal abzudrehen, nämlich die unkontrollierte und unkontrollierbare Zusendung von Wahlkarten in etlichen Bundesstaaten an alle Namen, die in den Listen stehen. Das passt nicht zu sauberen Wahlen, selbst wenn das nicht nur dazu geschehen wäre, um den Wahlausgang im Sinne der lokalen Regierung zu beeinflussen.
  • Zumindest für die Zeiten des Wahlkampfes ist es künftig absolut zu verhindern, dass private Konzerne wie Twitter und Facebook durch Zensurmethoden inhaltlich einseitig gegen einen Kandidaten, gegen eine Partei in die Auseinandersetzung eingreifen. Und schon gar nicht sollte es zulässig sein, dass sie dabei den Eindruck erwecken, nur eine Seite würde lügen. Sie sollten angesichts ihrer oligopolistischen Rolle und riesigen Dimension genauso neutral sein wie Post- oder Telefongesellschaften.
  • Das Wichtigste aber wird sein, dagegen anzukämpfen, dass sich ein so großer Teil des amerikanischen Volkes dem System und der herrschenden politmedialen Elite heute völlig entfremdet fühlt. Diese Entfremdung war ja nicht erst jetzt bei der Kapitol-Stürmung zu erkennen, sondern sie war auch schon die Wurzel des Trump-Erfolges im Jahr 2016 gewesen. Allzu viele Menschen spüren, dass diese Elite immer mehr Dinge gegen ihren Willen und ihre Interessen plant, dass vielfach nur der Populist Trump als einziger das noch aufgehalten hatte, was schon vorher begonnen hatte und was künftig wieder stattfinden wird:
    - Öffnung aller Schleusen gegen die Zuwanderung aus dem Süden;
    - strenge und repressive Maßnahmen zu Lasten aller Bürger, um das angeblich bedrohte Weltklima zu retten;
    - strenge und repressive Maßnahmen, um Corona zu bekämpfen;
    - eine Politik, die die Schwarzamerikaner (vor allem durch Ausbau der Wohlfahrt) auf Kosten der Weißen zusätzlich fördert;
    - neue Steuererhöhungen;
    - und letztlich gehört auch die Tatsache dazu, dass viele Amerikaner es satt haben, dass ihr Land mit Blut und Geld in zahllosen globalen Konflikten den Weltpolizisten spielt.

Nicht, dass ich diese Meinungen alle teilen würde. Aber auch die als Hinterwäldler verhöhnten Bürger sollten eigentlich in einer Demokratie das Recht haben, offen und auf gleicher Augenhöhe ihre Positionen ausdiskutieren zu können, und nicht ständig als minderbemittelt behandelt zu werden.

Einer der Demonstranten hat den Frust über dieses An-die-Seite-gedrängt-Werden sehr präzise ausgedrückt: "Was hätten wir tun sollen? Man wollte uns nicht einmal anhören! Endlich gab es eine Chance und wir nutzten sie."   

Die Kluft zwischen Elite und Volk ist zweifellos das wirkliche Hauptproblem der amerikanischen Gesellschaft geworden. Und nicht Trump. Diese Kluft existiert im Übrigen auch in fast allen europäischen Gesellschaften ganz ähnlich. Und ganz besonders in der EU.

Lediglich die zwei einzigen Länder, deren Demokratie noch älter ist als die US-amerikanische, haben spannende Wege gefunden, um die Kluft zwischen Herrschern und Beherrschten kleiner zu halten als überall sonst: Das sind die Schweiz und Großbritannien mit ihren ganz oder halb ausgebauten direktdemokratischen Systemen.

PS: Egal freilich, was die USA jetzt tun: Der Hohn vieler Milliarden Nichtamerikaner ist ihnen sicher. Wie etwa der im Internet kursierende Spruch zeigt: "Die CIA ist in der Krise, weil sie einen Coup mitansehen musste, in den sie einmal nicht verwickelt ist." Wahr ist freilich das Gegenteil: Wäre die CIA verwickelt, wäre der Sturm aufs Parlament nicht so ungezielt geblieben.

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