Nach dem Terror: die feige Reaktion in Wiener Gymnasien

Am Abend des 2. November 2020 wurde in einem privaten Chat einer Unterstufenklasse eines Wiener Gymnasiums über den Anschlag im ersten Bezirk debattiert. Aus den Medien war bereits zu erfahren, dass in der Seitenstettengasse, bei der Hauptsynagoge, also dem jüdischen Stadttempel, Schüsse abgegeben worden seien und eine Person einen Sprengstoffgürtel trage bzw. sich jemand mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft gejagt habe.

Wer eins und eins zu zwei zusammenzählen kann, der hatte bald die Vermutung, dass es sich wohl um ein islamistisches Attentat handle. In dem genannten Chat kam tatsächlich die Frage auf, wer denn zu so etwas fähig sei bzw. wer denn so etwas mache: auf unschuldige Menschen schießen. Der Klassenvorstand dieser Chat-Gruppe äußerte also am späten Abend: "Es wird wohl ein islamistischer Terroranschlag sein. Ansonsten ist niemand so blöd und sprengt sich in die Luft … vor der Synagoge."

Der Klassenlehrer beruhigte die Kinder – denn ein Schüler äußerte später, er schäme sich ein Moslem in Österreich zu sein – und wies darauf hin, dass die Schüler damit nichts zu tun hätten, nicht dafür verantwortlich und außerdem gut integriert seien und sich für nichts und niemanden zu schämen haben. Vielleicht war der zweite Satz des Lehrers ein wenig frei formuliert, aber im Wesentlichen stimmt es. Nun gut.

Im Stile einer stillen Post wurde genau diese oben genannte Aussage unter anderen Schülern verbreitet, die der Wahrheit entspricht, und Dritte begannen einen regelrechten Hexenprozess gegen den Lehrer. Die Aussage sei rassistisch, und überhaupt sei der Lehrer ein Rassist, Sexist und diskriminierend. Anonym wurde im Internet eine Petition gegen den Lehrer gestartet, eine Beschwerde bei der Bildungsdirektion sollte gemacht werden, denn dem Lehrer sei endlich das Handwerk zu legen, da er ohnehin ein Wiederholungstäter sei.

Der Lehrer selbst hat von der ganzen Geschichte erst durch einen ehemaligen Schüler erfahren. Die Schulleitung hat zunächst gar nichts unternommen, denn das sei im privaten Raum passiert und daher nicht zuständig, schließlich soll der Ball flach gehalten werden.

In den darauffolgenden Tagen hat die Schülervertretung dazu aufgerufen, Beschwerden, auch anonym, gegen den Lehrer vorzubringen, um endlich gegen ihn vorgehen zu können. Beschwerden wurden von unbeteiligten Dritten, welche die Aussagen nur vom Erzählen kannten, vorgebracht und angeblich von einem Elternteil an die Schulleitung übermittelt. Zwar gab es in der Folge Gespräche zwischen dem betroffenen Lehrer und der Schulleitung, allerdings hat der betreffende Lehrer niemals erfahren, wer die falschen Vorwürfe vorgebracht und an die Schulleitung übermittelt hat. Insgesamt wurde die Sache mehr oder weniger schubladisiert, allerdings hatte der Lehrer keine Möglichkeit, sich zu wehren.

Derselbe Lehrer hatte in einer vierten Klasse ein Gespräch mit den Schülern über den Terroranschlag. Klarerweise hat der Lehrer wieder betont, die Schüler seien alle vernünftig, gut integriert und man könne den Gläubigen bzw. dem Islam nicht grundsätzlich und pauschal unterstellen, gewalttätig zu sein, allerdings ließen sich im Koran durchaus Stellen finden, auf die sich ein Attentäter berufen könnte. Und der Lehrer wies darauf hin, dass es durchaus auch in anderen Heiligen Schriften Gewalt gebe (man denke an: Auge um Auge, Zahn um Zahn – Selbstjustiz), es jedoch Auslegungssache sei, ob die Dinge wörtlich zu nehmen seien bzw. wie die Worte Gottes heute zu interpretieren seien.

Trotzdem brach ein Sturm der Entrüstung los. Nein, im Koran lasse sich keine Stelle finden, die mit Gewalt zu tun habe und auf die sich Terroristen berufen könnten, denn Terroristen würden die Religion missbrauchen und all das habe mit dem Islam nichts zu tun.

"Ungläubig sind, die sagen: Siehe, Gott ist Christus, Marias Sohn." (Sure 5, 17 bzw. Sure 5, 72) oder "Ungläubig sind, die sagen: Siehe, Gott ist der Dritte von dreien." (Sure 5, 73). Im Koran sind Ungläubige offenbar genau definiert, also in diesem Fall Christen.

Und wie mit Christen bzw. Ungläubigen zu verfahren ist, darüber gibt der Koran auch Aufschluss, denn in Sure 4, 101 heißt es: "Siehe, die Ungläubigen sind für euch ein klarer Feind." oder "Siehe, Gott hält für die Ungläubigen erniedrigende Strafe bereit." oder "Den Ungläubigen ist schmerzhafte Strafe bestimmt." (Sure 2, 104) oder "Die glauben, die kämpfen auf dem Wege Gottes, und die ungläubig sind, die kämpfen auf dem Weg der Götzen. So bekämpft des Satans Freunde!" (Sure 4, 76) und "Halte die, die auf dem Wege Gottes getötet wurden, nicht für tot! O nein! Sie sind am Leben, bei ihrem Herrn, und werden wohlversorgt." (Sure 3, 169).

Und überhaupt: "Bekämpft sie, so wird sie Gott durch eure Hände strafen und erniedrigen und euch gegen sie helfen und die Herzen gläubiger Leute heilen und den Zorn ihrer Herzen vergehen lassen" (Sure 9, 14). "Die Ungläubigen werden zur Hölle versammelt, Gott will das Böse vom Guten scheiden, das Böse zueinander bringen, es zusammen zu einem Haufen machen und es in die Hölle schaffen. Das sind Verlierer." (Sure 8, 36f). "Nicht ihr habt sie getötet, sondern Gott. Nicht du hast, als du warfst, geworfen, sondern Gott, und zwar, um die Gläubigen auf gute Weise einer Prüfung auszusetzen. Siehe, Gott ist hörend, wissend." (Sure 8, 17).

Die Aufzählung solcher Anleitungen ließe sich noch lange fortsetzen. Nun wurden diese Zeilen vor vielen hunderten von Jahren geschrieben und jeder vernünftige und gebildete Mensch wird diese Worte weder wörtlich noch als Aufforderung verstehen. Allerdings gibt es einige verlorene und verirrte sowie verwirrte Seelen, die tatsächlich zur Tat schreiten, weil sie die Botschaft falsch interpretieren und deshalb morden und zu Auftragsmördern Gottes werden.

Aber in unserer Gesellschaft ist es offenbar nicht erlaubt, unangenehme Sachverhalte anzusprechen. Muslime sollen nicht verärgert werden. Kritik am Islam wird mit Hass auf den Islam bzw. auf Muslime gleichgesetzt, was klarerweise blanker Unsinn ist. Man wird doch noch über kritische Stellen in einer Heiligen Schrift diskutieren dürfen.

Es ging dem Lehrer nicht darum, einen Muslim als potentiellen Gewalttäter darzustellen, sondern zu zeigen, dass sich verirrte Seelen sehr wohl auf den Islam bzw. dessen Heilige Schrift berufen könnten. Islamistischer Terror hat mit dem Islam zu tun, auch wenn zahlreiche Medien, Politiker und Mitglieder der Religionsgemeinschaft so tun, als wäre das nicht so.

Über das Christentum kann heute jeder offen sprechen und Kritik üben, im Islam ist das offensichtlich nicht möglich. Hier ist die Kritikfähigkeit, die Diskussion über die eigene Religion nicht möglich bzw. unerwünscht.

Der Punkt an dieser Geschichte ist, dass die Schüler sehr aufgebracht waren, ihren Unmut offenbar in der darauffolgenden Stunde bei ihrer Geschichte- und (Katholische) Religion-Lehrperson geäußert haben und diese nicht in der Lage war, Klartext zu sprechen oder dies auch nicht wollte. Wer will schon den Zorn der Schüler auf sich ziehen. In Frankreich ist jener Lehrer, der Karikaturen zeigte, im wahrsten Sinne des Wortes, allerdings unfreiwillig, einen Kopf kürzer – wie man hier in Wien sagt – und tot.

Islam ist ein Tabu-Thema, ganz abgesehen davon, dass nicht wenige heutige katholische Religionslehrer nichts mit ihrer eigenen Religion am Hut bzw. keine Ahnung davon haben und noch weniger Wissen über fremde Religionen besitzen. Ein anderer Religionslehrer sagte unlängst, er glaube nicht an Gott, denn diesen gebe es ohnehin nicht.

Obwohl, wer soll sich daran stören, selbst die Kirchenführer Österreichs haben mit dem Katholischen Glauben recht wenig zu tun, sondern sehen sich eher als Gehilfen der Politik bzw. linker NGOs und sprechen lieber über Migration und Klimawandel als über den christlichen Glauben.

Die Unwissenheit unter Lehrern und Schülern ist erschreckend. Noch erschreckender ist allerdings die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte. Die Schülervertretung hat den betreffenden Lehrer übrigens aufgefordert, besser auf die Wortwahl zu achten, um Missverständnissen vorzubeugen, und darauf hinzuweisen, dass die Schüler nicht der Meinung des Lehrers sein müssten.

Mit anderen Worten: Dem Lehrer soll ein Maulkorb umgehängt werden. Meinungen abseits des Mainstreams sind unerwünscht, wer davon abweicht, den könnten dienstrechtliche Folgen treffen. Grundsätzlich gilt ja Meinungsfreiheit, auch in der Schule, und ein Lehrer darf seine Schüler durch seine Meinung nicht überwältigen.

Allerdings tut sich der Lehrer damit ein wenig schwer, denn man stelle sich vor, ein Schüler behauptet, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums oder überhaupt eine Scheibe oder ein reales Beispiel, die Erde sei in dreißig Jahren wegen des Klimawandels nicht mehr bewohnbar. Wäre es nicht verantwortungslos, diesem Unsinn nicht zu widersprechen?

Zwar ist ein Lehrer kein Hellseher, jedoch ist diese Perspektive sehr unwahrscheinlich. Dennoch ist Vorsicht angebracht. So wie es dort Sittenwächter gibt, gibt es hier Tugendwächter und Moralaposteln, die nur darauf warten, Andersdenkende aus dem Weg zu räumen. So viel zur Meinungsfreiheit.

Zur Überwältigung sei auch noch ein Satz gesagt. Stellt es nicht auch eine Überwältigung dar, wenn im Jahr 2020 in einem Amtszimmer ein Bild von Bruno Kreisky hängt? Muss ein Dienststellenleiter auf diese Art und Weise seine politische Orientierung zur Schau stellen? Man stelle sich vor, in einem Amtszimmer hinge ein Bild von Prälat Ignaz Seipel (von Engelbert Dollfuß möchte ich erst gar nicht sprechen)! Da wäre wohl Feuer am Dach.

Aus meinen Jahren des Studiums, das mich oft in das Neue Institutsgebäude in der Universitätsstraße geführt hat, hat sich ein Satz in meinen Kopf eingebrannt. Er stammt aus dem Staatsgrundgesetz: "Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei!". Dem ist nichts hinzuzufügen.

Mag.phil. et Mag.rer.nat. Harald Helml ist AHS-Lehrer in Wien.

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