Corona-Arbeitslosigkeit: Männer sind schlimmer betroffen

Wie viele Österreicher haben durch die Corona-Krise ihren Arbeitsplatz verloren und wie ist dabei das Geschlechterverhältnis? Es ist erstaunlich, wie einfach sich manche Publizisten und Interessensvertreter die Antwort machen. Ob aus Unwissenheit oder Absicht – Hauptsache scheint zu sein, eine überwiegende Frauenbetroffenheit konstruieren und daraus Forderungen ableiten zu können. Dabei wurde die tatsächliche Zahl der Gesamtbetroffenen um fast die Hälfte zu niedrig anzugeben. Außerdem belegen auch die letzten Zahlen vom August 2020, dass Männer beim Zuwachs der Arbeitslosen in der AMS-Statistik überwiegen.

Zunächst zur Anzahl der Corona-bedingt Arbeitslosen: Der vom ÖGB gemachte und von der Austria-Presse-Agentur Mitte Juli verbreitete Vergleich der Zahlen von Februar bis Juni 2020 ist ein "Äpfel-mit-Birnen-Vergleich", wie die von oppositioneller Seite der Untätigkeit geziehene Frauenministerin Susanne Raab richtig feststellte.

Denn speziell die Männerarbeitslosigkeit schwankt saisonal immer stark und verringert sich zum Sommer hin, sodass seriöserweise nur Vergleiche mit den jeweiligen Vorjahresmonaten herangezogen werden können. Dies sieht auch Oliver Picek, Chef des Momentum-Institutes, so:

"Doch die Zahl der 'Corona-Arbeitslosen' dürfte insgesamt viel höher liegen, da eigentlich bei der Berechnung das Vorjahresniveau als Basis dienen müsste, wie Oliver Picek vom 'Momentum Institut' wissen lässt. So seien es ca. 117.000 'Corona-Arbeitslose' und nicht 64.146."

Vielleicht erschien der "Kontrast"-Redaktion des SPÖ-Parlamentsklubs die letzte Zahl denn doch zu niedrig, denn sie hängte wohl irrtümlich eine Null dazu und schrieb von 640.000 Gesamtbetroffenen, wovon 85 Prozent Frauen seien.

Falschbehauptungen entwickeln allerdings eine gewisse Eigendynamik, insbesondere wenn sie althergebrachten und immer wiederholten Vorurteilen entsprechen, wonach Frauen besonders benachteiligt seien. Offenbar ohne weiteres Recherchieren tauchte daher die 85-Prozent-Frauenanteil-Behauptung auch in den sogenannten Qualitätsmedien ("Presse", "Standard") auf, die selbst nach dem aufklärenden Pressegespräch der Frauenministerin vom 11. August ihren Glauben an die 85 Prozent bekräftigten. Im "Standard (online)" ebenso wie in der "Presse", die sich zudem weigerte, korrigierende Leserbriefe zu veröffentlichen. Auch die vorherige Replik der Frauenministerin im Interview mit dem "Standard" (10. August) hatte keine Einsicht zur Folge gehabt.

Der Entrüstung über die angeblichen Versäumnisse in der Frauenpolitik, die in Corona-Zeiten besonders sichtbar geworden wären, schlossen sich unter anderem die deutsche "Zeit" in ihrer Österreich-Ausgabe und Elfriede Hammerl im "profil" an. Dies obwohl die Frauenministerin ihr erwähntes Pressegespräch gemeinsam mit Arbeitsministerin Christine Aschbacher speziell dem Thema Frauenförderung am Arbeitsmarkt gewidmet hatte, der Druck also bereits Wirkung zeigte. So soll das AMS den Frauen auf jeden Fall die Hälfte des Budgets für aktive Arbeitsmarktpolitik widmen, obwohl sie weniger als die Hälfte der Arbeitslosen ausmachen. Im umgekehrten Falle würden die zahlreichen Berufsfeministinnen sicher lautstark "Frauendiskriminierung!" rufen.

Die Statistik-Experten des deutschen RWI-Instituts haben am 27. August dankenswerter Stellung bezogen, die Berechnungsmethode für eine 85-prozentige Frauenbetroffenheit als falsch bemängelt und Klarheit geschaffen: Nicht nur Frauen, auch Männer wurden durch die Corona-Krise am Arbeitsmarkt schwer getroffen. 

Vergleiche mit dem Vorjahr anhand der AMS-Daten zeigen zudem einen beständigen Überhang der Männer beim zahlenmäßigen Anstieg der Arbeitslosen, auch bei der letzten AMS-Auswertung für Ende August. Einschließlich Schulungsteilnehmern waren im August 2019 168.555 Männer und 162.136 Frauen arbeitslos gemeldet, also ein Überhang von 6.419 Männern. Im August 2020 waren 218.502 Männer und 204.408 Frauen arbeitslos gemeldet.

Das ergibt derzeit einen Überhang von 14.094 arbeitslosen Männern. Der Abstand hat sich also, verglichen mit August des Vorjahres, mehr als verdoppelt. Man könnte anhand der AMS-Zahlen also eher Schlagzeilen in die Richtung "Männer am Arbeitsmarkt von Corona-Krise stärker betroffen" erwarten, aber das würde neben Sachkenntnis einen realistischeren Blick auf Fakten erfordern und den Mut, ideologiegetriebenem "Zeitgeist" zu widerstehen.

Am Horizont zeichnen sich schon weitere Probleme am Arbeitsmarkt ab. Denn das höchste Arbeitslosenrisiko haben schlecht gebildete Personen. Daher wäre zur Integration Migrantenförderung dringend angebracht. Die Buchautorin Melisa Erkurt antwortete in der "Kleinen Zeitung" vom 18. August auf die Frage: "Besteht die Gefahr, dass wir eine ganze Generation junger Männer verlieren?":

"Wir haben sie ja schon verloren. Wenn ich mir die Namen in der Politik, in Medien, in Aufsichtsräten anschaue: Wo sind denn da die Alis und Mohammeds? Wenn, dann sind eher Frauen in diesen Jobs vertreten. Alma Zadic etwa, aber kaum Männer." Ob es Männern mit oder ohne Migrationshintergrund hilft oder sie motiviert, wenn sie so gut wie ausschließlich von Frauenförderung(sprogrammen) hören, darf bezweifelt werden.

Viktor Pölzl war Mitbegründer des Grazer Arbeitslosenvereins AMSEL und ist Obmann des Vereins Freimann für Geschlechtergleichberechtigung

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