Von Kriegen und Pandemien

Dass Regierungen von Kriegen und Katastrophen profitieren, ist nichts Neues. Kaum von einer real existierenden oder imaginierten Gefahr bedroht, scharen sich die verängstigten Menschen um ihre Führer, auf dass ihnen geholfen werde. Die in kritischen Momenten eingeführten Maßnahmen erfreuen sich fortan eines so gut wie ewigen Lebens, wie am Beispiel des im Ersten Weltkrieg in der Donaumonarchie eingeführten Mieterschutzes deutlich wird (damals sollten mittellose Kriegerwitwen vor einer drohenden Delogierung bewahrt werden). Bis heute ist es dank dieser Gesetzgebung immer noch möglich, Luxusobjekte zum Sozialtarif zu bewohnen. Soziale Wohltaten sind regelmäßig mit einer Art "Sperrklinkeneffekt" versehen, der ihre Abschaffung faktisch unmöglich macht. Nicht nur Kanonen, Panzer, Bomben und Granaten kosten Unsummen, sondern eben auch der Sozialkitsch.

Was empirisch erwiesen ist: die Steuer- und Schuldenlasten steigen während jedes Krieges, mit welchem Ziel auch immer er geführt wird, kräftig an und erreichen nach Ende der Kampfhandlungen nie mehr das vergleichsweise niedrige Niveau der Vorkriegszeit. Kleiner Hinweis: der Höchstsatz der Einkommensteuer in Österreich hat sich seit ihrer Einführung anno 1896 zwei Weltkriege später von fünf Prozent auf das heute Elffache (!) erhöht. Bei den Staatsschulden ist die Entwicklung noch wesentlich dramatischer.

Kriege sind aus Sicht der Machthaber großartig, ermöglichen sie es doch, das Augenmerk der unbedarften und verängstigten Untertanen elegant von allerlei Mängeln, Fehlern und/oder allgemeiner Korruption im Inneren abzulenken und auf entmenschte Außenfeinde zu richten. Die Aufarbeitung des Themas Kriegspropaganda füllt folgerichtig ganze Bücherregale. Stets sind Lügen und Desinformationen die gebräuchlichsten Mittel der Machthaber und, wie Hiram Johnson treffend feststellt, die Wahrheit ist stets ihr erstes Opfer.

Ob die Regierung eines kriegführenden Staates demokratisch legitimiert ist oder nicht, spielt übrigens keine Rolle. Allerdings ist festzustellen, dass sich militärische Niederlagen autokratisch geführter Regime – anders als in Demokratien – recht nachteilig auf die Lebenserwartung der jeweiligen Potentaten auswirken können.

Es bedarf zum Nutzen und Frommen der Nomenklatura keineswegs einer mit militärischen Mitteln geführten Auseinandersetzung. Auch ein Krieg gegen die Armut, gegen Drogen, gegen die soziale Ungerechtigkeit, der Kampf gegen den sauren Regen, gegen das Ozonloch oder den angeblich menschengemachten Klimawandel, für die Rechte diskriminierter Minderheiten und – wer könnte in diesen für die Regierungen so glücklichen Tagen darauf vergessen – die Covid-19-Pandemie verhelfen den Herrschenden zu ungeheurem Machtzuwachs.

Der Probegalopp in Sachen Totalitarismus, der mit letzterer einhergeht, wird als höchst erfolgreich in die Geschichte eingehen. Ein martialisches Wort des Polizeiministers, und schon hocken Tausende einsame Autofahrer, angetan mit einer Gesichtswindel in ihren Fahrzeugen und Hunderttausende andere trauen sich erst gar nicht mehr auf die Straße. Wäre das Virus nicht als schiere Laune der Natur entstanden, wie uns pausenlos versichert wird, die Regierung hätte es glatt erfinden müssen.

Doch jede noch so rücksichtslos durchs Dorf getriebene Sau erlahmt irgendwann. Zumal dann, wenn keine Rede davon sein kann, dass "jeder einen kennen wird, der an Covid-19 gestorben ist" (so der Kanzler). Bei einer Letalität von 0,37 Prozent das Wort Pandemie zu strapazieren, hat ja geradezu etwas Frivoles an sich. Nur zum Vergleich: Als weiland die Pest mit einer Sterblichkeitsrate von 40 bis 60 Prozent der Infizierten durch Europa raste, konnte mit Fug und Recht von einer Pandemie gesprochen werden.

Wie dem auch sei, die Sache nutzt sich inzwischen merklich ab. Etwas Neues muss her, um die Spannung hoch und die Masse gefügig zu halten. Welchen Reifen könnten die Politeliten im Anschluss an das Covid-19-Drama hochhalten, durch den die untertänigen Massen zu springen haben?

Wie wäre es zum Beispiel mit dem, wie besorgte linke Bessermenschen nicht müde werden anzuprangern, angeblich so ungeniert tobenden "strukturellen Rassismus"? Zu diesem Stichwort vermeldet "Wikipedia": "Institutionellen (d. h. strukturellen, Anm.) Rassismus erfahren Menschen durch Ausgrenzung, Benachteiligung oder Herabsetzung in gesellschaftlich relevanten Einrichtungen…" Aha. Dieses in der Tat akute Problem lässt natürlich jedes andere alt aussehen. Jetzt braucht es also nur noch einen Anlass, um die durch Covid-19 ausgelöste kollektive Hysterie am Leben zu erhalten.

Nichts eignet sich für eine weitere Kampagne zur Beschneidung der bürgerlichen Freiheit besser, als eine strikte Politik der Antidiskriminierung und des Antirassismus! Und was wäre als Anlass und Aufhänger besser geeignet, als ein weit, weit weg vorgefallenes Ereignis mit – wie ebenso leidenschaftlich wie unbewiesen behauptet wird – "rassistischem" Hintergrund?

Dies ist nicht der geeignete Platz, um sich mit den Details der Causa George Floyd auseinanderzusetzen. Das wird Sache eines Gerichts in den USA sein. Hier geht es darum, die Veitstänze zu adressieren, die im Gefolge dieser angeblich rassistisch motivierten Handlung aufgeführt wurden, die zum Tod eines mehrfach vorbestraften Gewohnheitsverbrechers geführt haben.

Der beschuldigte Polizist war weiß, der getötete Verbrecher schwarz. Schlimm. Auch den umgekehrten Sachverhalt gibt es immer wieder. Allerdings kommt es nur dann zu weltweiten Massenprotesten, Unruhen, Plünderungen und gewalttätigen Ausschreitungen, wenn das Opfer nicht weiß ist. Das zeitgeistige Narrativ lautet: stets sind die Täter weiß und die Opfer schwarz. Was nicht passen will, wird passend gemacht oder ignoriert. Warum allerdings völlig unbeteiligte europäische Ladeninhaber, Passanten und Polizisten Schaden nehmen müssen, weil in den USA ein schwarzer Krimineller gewaltsam zu Tode kommt, können vermutlich auch die strammen Antirassisten von "Zara" nicht plausibel erklären.

Besonders bemerkenswert ist indes nicht die blinde Wut des farbigen Mobs, sondern die kollektive Unterwerfung vieler (überwiegend gebildeter) Weißer unter die offen rassistischen Forderungen der selbsternannten Antirassisten. Wer heute nicht demütig sein Knie beugt und sich wegen eines angeblich allen Schwarzen widerfahrenden Unrechts in den Staub wirft, hat beste Chancen auf gesellschaftliche Ächtung – ja sogar auf Jobverlust (wie der Fall des Piloten jener Sportmaschine zeigt, der anlässlich eines Fußballspiels im Vereinigten Königreich wagte, die Parole "White Lives Matter" zu präsentieren).

Die im Grund unangreifbare Feststellung, dass jedes Menschenleben – also natürlich auch das eines Weißen – zählt, gilt heute bereits als rassistisch. Irre! Selbst vor der Redaktion eines einst bürgerlichen Wiener Blattes wie "Die Presse" macht der kollektive Rassenwahnsinn nicht halt. Dort hat man soeben den brillanten Beitrag eines des Rassismus unverdächtigen, honorigen Journalisten aus dem Blatt geworfen, weil er es wagte, darauf zu bestehen, sich den geforderten Unterwerfungsritualen der Black-Lives-Matter-Bewegung zu widersetzen. So viel Irrsinn hätte man noch vor gar nicht allzu langer Zeit für undenkbar gehalten.

Die wirtschaftliche Schädigung von Dissidenten ist ein mögliches Mittel der Einschüchterung. Gummiartig dehnbare und je nach politischem Kalkül instrumentalisierbare Verhetzungs- und Hassredeparagraphen in den Strafgesetzbüchern sind indes eine noch viel schärfere Waffe in den Händen machtbesessener Kollektivisten. Wer nicht spurt und brav über jedes von der Regierung hochgehaltene Stöckchen springt, sieht sich dieser Tage schnell einmal mit dem Strafrichter konfrontiert, verurteilt und gegebenenfalls seiner wirtschaftlichen Existenz beraubt.

Die derzeit als Bewegung gegen den "institutionellen Rassismus" tobende Pandemie wird sich als für die einst freie westliche Welt langfristig verheerender erweisen als Covid-19. Denn wie befindet der große britische Liberale Lord Dalberg-Acton: "Freiheit bedeutet die Verhinderung der Kontrolle durch andere." Und damit ist es, spätestens nach Covid-19 und George Floyd, endgültig vorbei.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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