„Historischer Tag für Europa"

Die Berge haben gekreißt und heraus kam – nein, keine Maus, sondern ein Gebirge aus neu zu schaffender Liquidität, ein Umverteilungsexzess von bisher ungekanntem Ausmaß und die Aussicht darauf, dass es bis zum absehbaren Ende des qualvollen Euro-Experiments in dieser Tonart weitergehen wird.

Anzuerkennen ist, dass sich die "Sparsamen Vier", darunter auch Österreich, nach Kräften gegen die Begehrlichkeiten der maroden Süd-Union gewehrt haben und wenigstens Nachbesserungen der ursprünglichen Entwürfe der EU-Bürokratie durchsetzen konnten. Dass es in der Praxis einen Unterschied machen wird, ob die umzuverteilenden Mittel nun unter dem Titel "nicht rückzahlbarer Zuschüsse" fließen oder als Kredite vergeben werden, darf aber bezweifelt werden.

Egal ob 500 oder "nur" 390 Milliarden als Zuschüsse deklariert werden – das Geld ist jedenfalls à fonds perdu zu verbuchen. Wer nämlich ernsthaft glaubt, Italien, Spanien oder Griechenland würden die ihnen in Form von Krediten gewährten Mittel jemals zurückzahlen, muss über ein geradezu außerirdisches Maß an Optimismus verfügen. Das war natürlich auch den Verhandlungsführern der "Sparsamen Vier" bewusst. Bei der Feilscherei darum, wie die Unterstützungszahlungen zu deklarieren sind, ging es offensichtlich eher um reine Zahlenkosmetik als um das faktische Ergebnis.

Dass mittlerweile nicht mehr von Milliardensummen, sondern bereits von 1,8 Billionen Euro die Rede ist, die bewegt werden, um (zum wievielten Mal denn jetzt?) die EU und/oder den Euro zu "retten", sei nur am Rande vermerkt.

Der Irrsinn der EU-Zentralisten entbehrt nicht der Methode – und er geht von einer Verlängerung in die nächste.

Dass der notleidende "Club Med" der Union die Corona-Pandemie dazu nutzen würde, den eher solide gebarenden und strukturell besser aufgestellten Nordländern Unsummen abzuringen, war indes zu erwarten. Zumal zu den strukturschwachen Patienten der Union auch Frankreich unter der Führung des listigen und machtbewussten Emmanuel Macron gehört, für den die deutsche Kanzlerin allenfalls eine Sparringpartnerin darstellt, die ihm bekanntlich eh keinen Wunsch abzuschlagen vermag.

Die für den modernen, chronisch spendierfreudigen Wohlfahrtsstaat typische Umverteilung von den Produktiven zu den Unproduktiven, von den Leistungsträgern zu den Phäaken, wird nach diesem angeblich "historischen Tag" nun endgültig und unwiderruflich auf die supranationale Ebene übertragen. Die Folgen werden eine Zementierung politisch und wirtschaftlich dysfunktionaler Strukturen in den Empfängerländern sowie eine zunehmend EU-kritische Einstellung der immer brutaler ausgepressten Steuerzahler in den Geberländern sein.

Am Ende des Tages wird es aber einfach nicht reichen, die Notenpresse anzuwerfen, damit vertragswidrige Staatsfinanzierung zu betreiben und auf Teufel komm raus neue Schulden aufzutürmen. Um Wohlstand zu schaffen, bedarf es nämlich nicht des Bedruckens von Zetteln, sondern der Produktion von Waren und Dienstleistungen. Und genau der ist mit der politisch erzwungenen Förderung unwirtschaftlichen Verhaltens in den Nehmerländern nicht gedient – ganz im Gegenteil.

Die euphorische Reaktion des italienischen Regierungskapos Giuseppe Conte angesichts des erzielten Kompromisses sagt viel darüber aus, wie das Ergebnis aus Sicht der Nettozahler zu bewerten ist.

Eine Zahl, die man sich unbedingt merken sollte: rund 4.000 Euro an zusätzlichen Schulden wird jeder Insasse der EU – vom Säugling bis zum Greis – ab diesem "historischen Tag" zu tragen haben.

Kanzler Kurz darf sich rühmen, den "Österreich-Rabatt" von 237 Millionen Euro auf 565 Millionen jährlich erhöht zu haben. Immerhin.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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