Die Corona-Beschränkungen werfen im Rückblick Fragen auf

Schritt für Schritt werden die pandemiebedingten Einschränkungen aufgehoben. Zeit für einen Rückblick. Ich persönlich habe in den vergangenen Wochen einiges erlebt, was ich bisher nur theoretisch wusste:

  • In der Krise sehnen sich viele Menschen nach einer starken Führung. Sie sind in einer solchen Situation – für mich erstaunlich schnell – bereit, Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheiten und Bürgerrechte widerspruchslos zu akzeptieren.
  • Der Zweck heiligt für viele die Mittel. Korrekte Abläufe interessieren die meisten Menschen nicht, wenn das Ergebnis stimmt.
  • Abweichende Meinungen werden nicht nur abgelehnt, sondern quasi als Hochverrat verteufelt. "Das geht in manchen Fällen bis zu einem gehässigen Denunziantentum von Aufpassern aus dem Volk, die von einem bekannten österreichischen Chefredakteur "Corona-Blockwarte" genannt werden." (1)

Das alles geschah bzw. geschieht nach 75 Jahren Zweiter Republik, in einem der reichsten Länder der Erde, in einer wirtschaftlich guten Zeit. Wie muss es erst fünfzehn Jahre nach einem verheerenden Krieg, dem Ende einer Monarchie und in einer wirtschaftlich desaströsen Situation gewesen sein?

Ich bitte, mich nicht falsch zu verstehen: Ich sehe die Demokratie in Österreich derzeit keinesfalls gefährdet. Ich kritisiere auch nicht grundsätzlich die getroffenen Maßnahmen. Ich glaube aber, dass wir alle uns Fragen wie etwa die folgenden stellen sollten:

  • "Ist Gesundheit immer und unter allen Umständen das Wichtigste?
  • Müssen wir der Gesundheit alles opfern?
  • Auch wenn es beispielsweise bedeutet, einsame, leidende und sterbende Menschen aufgrund von Besuchsbeschränkungen in ihren letzten Stunden allein zu lassen?
  • Sollen wir unsere Privatsphäre opfern, indem wir im Namen der Gesundheit dem Staat erlauben, alle Bürgerinnen und Bürger per Handy-Tracking-Software zu überwachen?
  • Wie lange sollen wir unsere sozialen Beziehungen, unsere öffentlichen kulturellen und religiösen Praktiken einschränken, weil auch nach dem Abflauen der Pandemie in Österreich ein Restrisiko lange nicht ausgeschlossen werden kann?" (2)

Die einzig richtige Antwort darauf gibt es wahrscheinlich nicht. Aber darüber nachdenken und diskutieren sollten wir, denn Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit.

(1) Was sollen wir opfern in Zeiten der Corona-Angst? In: ORF online vom 13. Juni 2020.
(2) Ebenda.

Mag. Dr. Eckehard Quin ist Präsidiumsmitglied und Bereichsleiter für Dienstrecht und Kollektivverträge in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.

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