Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Und dann die nächste Frage: Wer wird geimpft?

Fast die ganze Menschheit wartet auf ein und dasselbe Produkt: auf einen Impfstoff, der sie aus der Corona-Geiselhaft befreit. Wir alle ignorieren die Zweifel der Pessimisten, ob es einen solchen überhaupt geben wird, obwohl auch bei vielen anderen Erkrankungen wie Aids/HIV trotz jahrelanger Suche noch nie ein Impfstoff gefunden worden ist.

Wir alle hoffen lieber mit den Optimisten, dass zumindest einer der rund 80 verschiedenen Impfstoffe, die jetzt global erforscht werden, das Problem lösen kann. Jedoch: Wenn das gelingt, tauchen sofort die nächsten Megaprobleme auf. Wer soll überhaupt als erster geimpft werden? Alte, Junge, Risikogruppen mit Vorerkrankungen, Politiker, Gesundheitspersonal, die Reichen? Bis auf ein paar verschrobene Impfgegner werden ab Verfügbarkeit jedenfalls acht Milliarden nach der Impfung schreien. Das ist verständlich – aber unerfüllbar. Denn auch nach einem Forschungsdurchbruch wird es noch lange dauern, bis genug Impfstoff vorhanden ist.

Das werden heftige politische Verteilungskämpfe in jedem Staat. Noch viel explosiver ist aber davor die Entscheidung: Welcher Staat wird überhaupt in welchem Ausmaß beliefert?

Diese Frage ist jetzt schon von einer normalen ökonomischen Problemstellung zum internationalen politischen Konfliktthema geworden. So hat der französische Pharmakonzern Sanofi angekündigt, die ersten Lieferungen werden die USA bekommen, da diese viel investiert haben und damit auch das Risiko tragen. Darauf ist sofort die französische Politik aufgesprungen und hat verboten, dass irgendjemand privilegierten Zugang bekomme. Das klingt populistisch (in französischen Ohren) gut, nur lässt es völlig offen, wie man die Impfungen sonst verteilt.

Ebenso populistisch ist die offizielle Haltung der EU-Kommission: Der Zugang müsse "gerecht und allgemein" sein. Ja, eh. Aber wie immer drückt sich Brüssel um die wirklichen Probleme. Was ist "allgemein", wenn es eben nicht für alle reicht? Was ist "gerecht", wenn das nicht definiert wird? Oder soll jede einzelne Impfampulle erst dann verschickt werden, wenn dafür ein Gerechtigkeitsprüfungsverfahren durch EU-Kommission und EU-Gerichtshof absolviert ist? Und ist es nicht gerecht, wenn der, der für die Forschung bezahlt hat, auch den ersten Zugriff hat?

Und noch einfacher haben es sich die afrikanischen Staatschefs gemacht. Sie fordern einfach "kostenlosen Impfstoff für alle".

Das Abgehen von ökonomisch und rechtlich geordneten Verteilungsmechanismen droht nicht nur zu Konflikten zu führen, sondern wird sich auch noch in anderer Hinsicht katastrophal auswirken. Wenn ein Land nicht mehr Zugriff auf das erhält, wofür es investiert hat, wird mit Sicherheit nicht mehr viel in global gemeinsame Forschung und Entwicklung investiert werden. Dann wird primär national aufgespalten gearbeitet werden. Das führt mit absoluter Sicherheit zu viel schlechteren und teureren Ergebnissen. Dann werden sowohl Amerikaner wie Franzosen wie Afrikaner noch viel länger auf einen Impfstoff warten müssen. Dann ist die Welt zwar vielleicht verteilungsgerechter, aber insgesamt viel ärmer dran.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung