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Der Europäische Gerichtshof in den Diensten George Soros

Vor kurzem war auf diesem Blog ein Hinweis auf einen Artikel darüber zu lesen, wie sich der ungarisch-amerikanische Multimilliardär George Soros über sein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen Einfluss auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verschafft hat. In einem merkwürdigen zeitlichen Zusammentreffen richtet sich der Blick nun abermals auf Soros und seine Beziehungen zu internationalen Gerichtshöfen – diesmal auf den Gerichtshof der Europäischen Union. Die Schlussanträge, die die Generalanwältin Juliane Kokott in dem von der Kommission vorangetriebenen Verfahren um die vermeintliche "Vertreibung" der von Soros gegründeten und betriebenen "Central European University" (CEU) veröffentlicht hat, sind nämlich mehr als nur eigenwillig.

Seit Jahren wird ja ständig getrommelt, dass Ungarn "die Grundwerte der EU mit Füssen tritt". Wenn diese Behauptung dann aber einmal tatsächlich vor Gericht bewiesen werden soll, dann zeigt sich, dass man offenbar recht weitläufige juristische Umwege einschlagen muss, um zu dieser Aussage zu gelangen. Die "Verletzung europäischer Grundwerte" stellt sich nicht als Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention, sondern als ein (vermeintliches) Zuwiderhandeln gegen das General Agreement on Trade in Services (GATS), also das Dienstleistungsabkommen der Welthandelsorganisation WTO dar.

Wie erinnerlich, hat Ungarn vor zwei Jahren ein Gesetz verabschiedet, demzufolge eine ausländische Universität, die in Ungarn einen Campus betreiben will, nachweisen muss, dass sie in jenem Land, in dem sie akkreditiert ist und deren Bildungsstandards sie zu erfüllen vorgibt, ebenfalls einen Lehrbetrieb aufrechterhält. Prima facie scheint diese Anforderung nicht ganz unberechtigt. Alle anderen ausländischen Universitäten in Ungarn konnten denn diesen Nachweis auch problemlos erbringen, nur eben die Soros-Universität nicht. Kritiker nannten das Gesetz daher eine "Lex CEU", die allein gegen Soros gerichtet sei.

Was hat das Ganze aber mit der WTO zu tun? Eigentlich überhaupt nichts. Zwar trifft es zu, dass eine privat betriebene Bildungseinrichtung, ob sie nun "Universität" heißen darf oder nicht, eine Dienstleistung erbringt, die als solche grundsätzlich dem WTO-Dienstleistungsabkommen unterfällt. Dafür wäre allerdings erforderlich, dass eine solche Dienstleistung mit Gewinnabsicht, also im Rahmen eines Handelsunternehmens, erbracht wird – was bei der Soros-Universität laut Eigenaussage gar nicht der Fall ist. Diese ist nämlich "eine Einrichtung ohne Erwerbszweck”, und als solche vom GATS gar nicht erfasst (vgl. Abschnitt 92 in den Ausführungen der Generalanwältin). Das Fazit lautet daher, dass jedenfalls in Bezug auf die CEU die behauptete Verletzung des WTO-Rechts gar nicht vorliegen kann.

Wenn man die Ausführungen der Generalanwältin sehr sorgfältig liest, dann zeigt sich, dass auch sie dieses Problem sieht. Dies ficht sie jedoch nicht an: In diesem Verfahren gehe es ja eigentlich gar nicht um die CEU, sondern um die Vereinbarkeit des ungarischen Hochschulrechts mit dem GATS im Allgemeinen. (ibid. Abschnitt 93)

Die Widersprüchlichkeit ist offenkundig: Einleitend spricht die Generalanwältin von einer "Lex CEU", die nur die Soros-Universität betreffe (ihrer Ausführung Abschnitt 2) – aber in weiterer Folge will sie uns urplötzlich glauben machen, dass das ganze Verfahren überhaupt gar keinen Bezug zur Soros-Universität hat. Es könne der Europäischen Kommission "nicht verwehrt sein, einzelne betroffene Institutionen beispielhaft herauszugreifen und zu benennen" (vgl. Abschnitt 82). Gewiss nicht – nur ist das Beispiel keines. Die CEU ist ja, wie Frau Kokott selber eingestehen muss, gar nicht von dem vermeintlichen Verstoß gegen GATS betroffen – und andere Institutionen, die davon betroffen wären, sind ebenfalls nicht auszumachen (vgl. Abschnitt 4 ihrer Ausführungen).

Die Frage die naheliegenderweise gestellt werden muss, ist dann aber, welches (und wessen) Problem mit diesem Verfahren denn gelöst werden soll? Alle anderen ausländischen Hochschulen mit Campus in Ungarn haben mit dem Nachweis eines Lehrbetriebs in ihrem Heimatstaat überhaupt kein Problem. Geht es also um einen vollkommen theoretischen Fall, nämlich um eine kommerziell betriebene Universität, die in ihrem Heimatstaat über keinen Lehrbetrieb verfügt, und sich stattdessen in Ungarn (oder, for argument’s sake, in einem anderen Mitgliedstaat der EU) betätigen will?

Wie viele solche Universitäten gibt es eigentlich? In Ungarn keine – soviel ist bereits aus den Ausführungen der Generalanwältin zu erschließen. Man wäre freilich interessiert, zu erfahren, ob in irgendeinem anderen Mitgliedstaat der EU eine derartige Bildungseinrichtung besteht (abgesehen vielleicht von Österreich, wohin die Soros-Universität jetzt übersiedelt ist), und ob die unüberprüfte Zulässigkeit einer solchen Konstruktion nicht zu den merkwürdigsten Formen des hochschulpolitischen Forum-Shopping führen könnte. Müsste z.B. eine in Ghana oder Pakistan nach dortigen Standards akkreditierte Universität gegeenenfalls ebenfalls automatisch als "Hochschule" anerkannt werden?

Hier hätte die Generalanwältin ihr Argument jedenfalls noch nachzubessern.

Dass irgendein ausländischer Hochschulbetreiber tatsächlich in seinen durch das GATS garantierten Rechten verletzt worden wäre, ist also nicht festzustellen. Man muss den Ausführungen der Generalanwältin sogar das Gegenteil entnehmen: die Soros-Universität kann sich, da sie nicht in Gewinnabsicht geführt wird, auf das GATS nicht berufen; alle übrigen in Betracht kommenden Einrichtungen haben sich durch die strittige Gesetzesänderung gar nicht beeinträchtigt gefühlt, sondern können ihre Dienstleistungen ungehindert anbieten). Wozu also dieses bizarre Verfahren?

Im Übrigen besteht eine Zuständigkeit des EuGHs für solche (vermeintlichen) Verstöße gegen das WTO-Recht bestenfalls nur indirekt. Die Welthandelsorganisation hat nämlich ihr eigenes Rechtsschutzsystem, das für Verstöße gegen das WTO-Recht primär zuständig ist. Außerdem betrifft das GATS nicht den Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten, da hierfür das EU-Binnenmarktrecht gilt (dazu noch weiter unten), sondern nur den Handel zwischen der EU und Drittstaaten. Im konkreten Fall wäre dieser Drittstaat wohl die USA, da die Soros-Universität (ausweislich ihrer Akkreditierung) eine amerikanische Einrichtung ist.

Generalanwältin Kokott begründet die Zuständigkeit des EuGH daher mit der vollkommen hypothetischen Möglichkeit, dass die USA bei der WTO ein Verfahren wegen des (aus dem bereits aufgezeigten Grund, dass die CEU kein Handelsunternehmen ist, freilich nicht gegebenen) Verstoßes gegen GATS ein Verfahren gegen die EU anstrengen, dieses gewinnen, und in der Folge dann Vergeltungsmaßnahmen (Frau Kokott spekuliert über Strafzölle gegen Parmesan aus Italien, vgl. Abschnitt 54) verhängen könnte, die dann auch andere EU-Mitgliedstaaten als Ungarn treffen würden. Das Eingreifen des EuGHs in einer Sache, die eigentlich das Recht der WTO betrifft, sei also, wie sie schreibt, dringend erforderlich, weil nur so ein drohender wirtschaftlicher Schaden von anderen EU-Mitgliedstaaten abgewendet werden könne. Man fragt sich: ist das ernstgemeint, oder handelt es sich um Satire??

Die übrigen Ausführungen der Generalanwältin scheinen von ähnlicher Qualität zu sein. Insoweit von einem vermeintlichen Verstoß gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie die Rede ist, dürfte sie wohl vergessen haben, dass das strittige Erfordernis eines Lehrbetriebs im Herkunftsstaat nur für (kommerziell oder ohne Gewinnabsicht betriebene) Hochschulen gilt, deren Herkunftsstaat außerhalb der EU bzw. des EWR liegt (vgl Abschnitt 1 des Dokuments). Der EU-Binnenmarkt und die EU-Dienstleistungsfreiheit gilt aber nur für EU-Bürger und Unternehmen mit Sitz in der EU. Die CEU kann sich als amerikanische Universität, die noch dazu ohne Gewinnabsicht betrieben wird und folglich kein Unternehmen ist, nicht auf das Binnenmarktrecht berufen. Diejenigen Universitäten aber, die es können, scheinen von der umstrittenen Regelung hingegen gar nicht betroffen zu sein. Hier scheint also in Wirklichkeit nicht einmal ein abstrakter (also auf bloß hypothetische Situationen) bezogener Rechtsverstoß vorzuliegen.

Zuletzt geht es um die Frage, ob mit der Vorschrift, die zum Wegzug der CEU aus Budapest geführt hat, nicht auch die EU-Grundrechtecharta, insbesondere die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit verletzt werden. Diesem Vorwurf scheint freilich ein völlig überzogenes Verständnis dieser Freiheiten zugrundezuliegen, von dem man sich fragt, ob es auch in anderen Fällen als jenem der CEU jemals zur Anwendung gelangen würde. Im eigentlichen Sinn beinhalten diese Freiheiten nämlich nur die Freiheit, wissenschaftliche Meinungen frei zu äußern, Forschung zu betreiben, und Leute, die daran interessiert sind, zu lehren. Das schließt aber nicht ein, dass jede Bildungseinrichtung, die es wünscht, als "Hochschule" anerkannt werden muss.

Es ist den Ausführungen der Generalanwältin an keiner Stelle zu entnehmen, dass es George Soros oder den an seiner Universität tätigen Lehrern und Studenten verboten worden wäre, in Ungarn bestimmte Meinungen zum Ausdruck zu bringen, oder zu lehren und zu forschen, oder eine entgeltliche Lehrtätigkeit anzubieten. Ebenso wenig scheint irgendjemand anderem dieses Recht entzogen worden zu sein. Die einzige Frage, um die es hier geht, ist die, unter welchen Voraussetzungen eine Bildungseinrichtung als "Hochschule" anerkannt werden soll.

Das ganze Verfahren wirft ein eher trübes Licht auf die Europäische Kommission, die es betreibt, und den Europäischen Gerichtshof, dessen Generalanwältin allzu beflissen nach Argumenten zu suchen scheint, die zu einer Verurteilung Ungarns führen könnten. Gerade ist die EU dabei, ihren ehemals zweitgrößten Mitgliedstaat zu verlieren; vielleicht wäre es da doch einmal ganz klug, einmal darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht doch einen politischen Gestaltungsspielraum gibt, den man den Mitgliedstaaten belassen sollte.

Der Autor ist in international exponierter Position und kann sich daher nur anonym äußern.

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