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Schöne Frauen, dünne Werbeslogans und keine Erfahrung

Der Ausblick für Sebastian Kurz wird ein sehr angenehmer sein, wenn er bald wieder dem Ministerrat vorsitzen kann. Denn noch nie hatten so viele hübsche junge Frauen ihren Platz im Oval rund um den Bundeskanzler wie im zweiten Kabinett Kurz. Fast müssen ihm künftig Regierungssitzungen wie sein eigenes Maturatreffen vorkommen. Neben vielen jungen Frauen mangelte es Kurz und Kogler in den letzten Stunden aber auch nicht an Sprüchen, welche die Plattheit von Werbeagenturen noch übertreffen. Etwas anderes fehlt jedoch fast völlig im Vergleich zu sämtlichen Kabinetten früherer Bundeskanzler.

Und das ist die Erfahrung. Erfahrung ist ein zwar nicht messbares, aber dennoch unschätzbar wichtiges politisches Gut. So sehr ich auch immer positiv dazu gestanden bin, dass junge Menschen auch auf Regierungsebene eine Chance bekommen sollen – wie etwa Kurz selber als erst 24-jähriger Staatssekretär –, so wichtig ist doch ebenso der Wert von Erfahrung im Team einer Regierung. Und genau diese Erfahrung sehe ich weit und breit nicht rund um Kurz und Kogler.

Gewiss, die Grünen stehen ja nicht einmal theoretisch in der Verlegenheit, irgendjemanden mit politischer Erfahrung anbieten zu können. Da ist ein Landesrat schon der einzige Profi, den die Grünen haben. Karl May hätte sie einen Haufen von Greenhorns genannt.

Aber auch Kurz legt auf Erfahrung offensichtlich keinen Wert. Sonst würde er nicht schon zum zweiten Mal hintereinander einen erfolgreichen und ökonomisch (auch schon vor Regierungseintritt) versierten Finanzminister der eigenen Partei ohne ersichtlichen Grund abservieren. Dabei leitet ein Finanzminister das weitaus wichtigste und heikelste Ministerium einer Regierung, in dem es besonders auf Erfahrung ankommt. Kurz ersetzt ihn durch einen Philosophen mit einem MBA-Diplom, der keinerlei praktische ökonomische Erfahrung hat, sondern sich bisher an vielen ganz anders gearteten Fronten (Kultur, Medien, Wiener ÖVP, EU) als Hitzeschild für Kurz betätigen musste.

Aber nicht nur bei dieser Position, sondern auch bei vielen anderen hat sich Kurz offensichtlich primär an persönlicher Freundschaft, an Loyalität und Zugehörigkeit zur gleichen Alterskohorte orientiert. Da kommt jetzt offensichtlich kein neuer 24-Jähriger, aber auch niemand Älterer mit Lebens- oder gar politischer Erfahrung ins Team, der eigene Prägung mit einbringen würde, der vielleicht sogar einmal dem Chef zu widersprechen wagen würde. Das ist zwar machtstrategisch perfekt, aber in Hinblick auf die politischen Inhalte alles andere als eine kluge Mischung.

Unter Mischung ist offensichtlich nur zweierlei verstanden worden: Die ÖVP bedient erstens bis aufs Burgenland alle Bundesländer mit Regierungsjobs (was die Beobachtung bestätigt, dass Kurz zwar die ÖVP-Bünde entmachtet hat, dass die Macht der Landesorganisationen aber mindestens so groß ist wie früher). Und noch wichtiger war die zweite Zielvorgabe bei der Regierungszusammensetzung: möglichst viele junge Frauen.

Dieses Ziel erinnert an diverse skandinavische Linksregierungen während der letzten Jahre, deren Erfolg bisher sehr überschaubar geblieben ist. Jenen medialen Zeitgeistern, die die Qualität einer Regierung einzig am Frauenanteil zu messen versuchen, sei der zarte Hinweis entgegengehalten: Eine Fekter, eine Schaumayer, eine Firnberg, eine Riess-Passer, eine Dohnal, das waren nicht nur in einer Ex-post-Betrachtung ganz andere Kaliber als jene Frauen, die da rund um Kurz und Kogler sitzen werden. Eigentlich fehlt nur noch die heilige Greta am Ministerrats-Tisch.

Kurz ist der einzige, der etwas längere Regierungserfahrung hat. Kurz als der einzige Elder Statesman Österreichs – das ist freilich eine ziemlich beklemmende Vorstellung, vor allem, wenn man gesehen hat, dass der Mann bei aller Begabung und internationalem Standing auf vielen politischen Gebieten noch völlig blank ist. Sebastian home alone.

Es gibt natürlich durchaus die Chance, dass sich die eine oder der andere im Amt auch bewähren könnte, dass zumindest etliche Minister die schlimmsten Fettnäpfe vermeiden, dennoch mutig und klug handeln, und drittens nicht ganz das Gegenteil dessen machen, was die Wähler eigentlich gesagt haben. Die Gefahr einer Fülle von Pannen, Peinlichkeiten und Zickenkriegen ist freilich deutlich größer geworden.

Zu einer ganz anderen Leistung muss man den schwarz-grünen Unterhändlern allerdings schon gratulieren: Es sind zwar mehr als drei Monate seit der Wahl vergangen, aber dennoch ist kein einziger Sach- oder Personalkonflikt zwischen Schwarz und Grün an die Öffentlichkeit gedrungen. Das ist absolut einmalig in der Nachkriegsgeschichte.

Bezeichnenderweise hat sich aber kein einziges Medium über diese intensivste jemals praktizierte "Message Control" empört. Das hängt ganz offensichtlich damit zusammen, dass jetzt die Grünen an Bord der Koalition sind. Wenn es der guten, der grünen Sache dient, ist "Message Control" plötzlich erlaubt und gut. Da wird prinzipiell nicht kritisiert. Deshalb haben auch jene Medien die totale Informationssperre hingenommen, die die "Message Control" der letzten beiden Jahre ständig als Abschaffung der Demokratie und Medienfreiheit beschimpft haben.

Noch bis in die letzten Stunden ist diese Strategie perfekt weitergespielt worden: In gezielten Abständen ließ man einen neuen Ministernamen, eine neue Ministerien-Konstellation durchsickern. Die Medien haben diese Namen jeweils begierig apportiert. Und haben nicht gemerkt, dass sie sich damit vom weitaus Wichtigsten ablenken haben lassen. Nämlich vom Inhaltlichen.

Über die Inhalte der beabsichtigten Regierungspolitik gibt es zwar einzelne Gerüchte, die da und dort medial aufgeregt hinausposaunt werden. Aber man sollte sich weigern, sie ernstzunehmen, solange nicht der ganze Wortlaut des Koalitionsabkommens bekannt wird.

Man kann die hinter der Geheimniskrämerei stehende Taktik freilich verstehen. Vor der grünen Versammlung sollen die Inhalte erst möglichst spät bekanntwerden, damit das Abkommen nicht allzu lange zerredet wird. Schauen wir mal, ob sich die Grünen so überdribbeln lassen.

Was aber unerträglich ist, sind die hohlen, um nicht zu sagen schwachsinnigen Werbesprüche, die Sebastian Kurz und Werner Kogler in den letzten Stunden ausgestoßen haben. Wie zum Beispiel Kurz: "Es ist gelungen, das Beste aus zwei Welten zu vereinen." Paradies plus Schlaraffenland. Solche Sätze liegen ungefähr auf der Intelligenzlinie von: "Wir wollen das ganze Jahr Sommerzeit" (weil wir hoffen, dass man dann immer bis neun Uhr abends im Garten sitzen kann …).

Noch mehr verarscht kommt man sich vor, wenn Kurz wörtlich sagt: "Es ist möglich, das Klima und die Grenzen zu schützen." Das ist gleich doppelt Unsinn.

In Bezug auf die Grenzen haben schon die letzten Jahre klar gezeigt, dass direkter Grenzschutz nicht funktioniert, sondern nur ein indirekter: Nur wenn alle illegal Gekommenen konsequent wieder abgeschoben werden, kommen keine neuen mehr. Das zeigt das australische Beispiel, das Kurz einst auch mehrmals vorgeschlagen hat – seit einiger Zeit aber nicht mehr erwähnt.

Und in Bezug aufs Klima hätte es bis vor kurzem überhaupt zur Einlieferung in die Psychiatrie geführt, wenn jemand behauptet, Österreich könne das Klima schützen. Das einzige, was Österreich kann: durch unglaubliche Schikanen die Bürger quälen und die Industrie vertreiben, damit den Geboten der neuen Greta-Religion Tribut gezollt wird. Das Klima wird sich dadurch freilich mit absoluter Garantie um kein Hundertstel Grad verändern.

Genau diese Schikanen kommen aber ganz offensichtlich. Denn anders ist ein weiterer Werbeslogan des neuen Vizekanzlers gar nicht zu verstehen: "Österreich soll zum europäischen Vorreiter in Sachen Klimaschutz werden." Die schwarz-grüne Regierung begnügt sich also nicht mit dem, was die neue EU-Kommission schon an einschlägigen Bösartigkeiten gegen alle Europäer ausbrütet ("New Green Deal") und was angeblich die Megadimensionen der ersten Mondfahrt haben soll. Nein, die schwarzgrüne Regierung doppelt da ganz bewusst noch einmal eine eigene Schicht Schikanen drauf.

Fest anschnallen!

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