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Heumarkt: Sie wollen uns schon wieder betrügen

Geradezu unverschämt ist die Reaktion der Wiener SPÖ auf das Gutachten des Unesco-Denkmalrats Icomos zum geplanten Hochhaus am Wiener Heumarkt. Das seit dem Wochenende vorliegende Gutachten hat zuvor ja in sensationeller und erfreulicher Klarheit festgestellt: Wenn dieses Projekt gebaut wird, verliert Wien ohne Wenn und Aber seinen Status als Weltkulturerbe. Das wäre für Wien eine weltweit widerhallende Demütigung. Die Icomos-Stellungnahme greift erfreulicherweise auch noch zwei weitere schlimme Verbrechen an der historischen Schönheit Wiens auf und an.

Jeder Wiener glaubt zwar zu wissen, wie es zu all diesen Verbrechen gekommen ist – aber er darf es nicht laut sagen, solange keine gerichtstauglichen Beweise auftauchen. Tatsache ist jedenfalls, dass die von Icomos vorgebrachten Anschuldigungen gegen Wien präzise und haargenau die schlimmsten Untaten der rotgrünen Gemeinde seit Jahrzehnten aufspießen.

Zwar sind auch viele andere Vorkommnisse in dieser Stadt schlimme Folge der von den Wählern verschuldeten Tatsache, dass seit Generationen die gleiche Partei und Partie in einer politischen Körperschaft herrscht. Was immer zu schlimmen Sümpfen und üblem Filz führt.

Zu diesen Vorkommnissen, an die man sich in dieser Stadt schon gewöhnen hat müssen, gehört etwa die übel riechende Absurdität, dass die Stadtverwaltung einem Grün-Mandatar viel Geld für ein Schulprojekt in einem anderen Kontinent zuschiebt (als ob Entwicklungspolitik in fernen Ländern zu den Aufgaben der Stadt zählen würde). Dazu gehört die völlige Unfähigkeit, ein Krankenhaus ohne Skandale wie ständige krasse Budget- und Terminüberschreitungen oder einen esoterischen Energiering zu bauen.

Aber dennoch sind die Verbrechen an der Bausubstanz Wiens noch viel schlimmer, weil sie praktisch irreversibel sind. Und weil sie nicht nur mit Unfähigkeit der Stadtregierung zu begründen sind, sondern mit etwas viel Üblerem. Können doch derzeit Spekulanten an nichts so viel verdienen wie an Bauprojekten in zentralen städtischen Lagen.

Umso wertvoller ist der Bericht von Icomos, der eine global hörbare Ohrfeige für die Stadt darstellt. Wer eine Ahnung davon hat, wie sehr vor allem die zahlungskräftigen Touristen aus Ostasien ihre Europareisen gemäß der Liste des Weltkulturerbe aufbauen, der weiß, dass es bei den Plänen des Rathauses, diesen Titel aufs Spiel zu setzen, mittelfristig um einen Milliardenschaden geht.

Aber auch der ist noch harmlos gegen den immateriellen Schaden. Jedem Bürgermeister, jedem Stadtrat, jedem Beamten einer der schönsten Städte der Welt sollte die Ästhetik dieser Stadt ein absoluter Wert sein (für Rathausgenossen: Ästhetik einfach mit Schönheit übersetzen). Diese Schönheit sollte nie und nimmer wegen des vielen Geldes geopfert werden, das manche mit ihrer Zerstörung verdienen können. Auch sollte die Tatsache keinesfalls eine Rolle spielen, dass die letzten hundert Jahre (also die roten Jahre samt braunem Interludium) absolut nichts zur Schönheit dieser Stadt beigetragen haben. Ganz im Gegenteil: Die letzten sieben Friedensjahrzehnte haben mehr an der Stadt zerstört als selbst die Kriege davor.

Umso empörender ist die Frechheit und sind die miesen Tricks, mit denen die Stadt auch jetzt noch auf die vernichtende Icomos-Aussage zu reagieren versucht. Auch jetzt gibt das Rathaus nicht etwa nach und beendet das ganze Projekt mit einem Schlusspunkt im Sinne von "Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende" (ein echtes Schuldeingeständnis werden wir sowieso nie hören). Sie verkündet stattdessen eine "zweijährige Phase des Nachdenkens" und schwadroniert von der Erstellung eines Managementplanes für das Weltkulturerbe.

Für wie blöd halten die uns eigentlich? Glauben sie, dass wir nicht auf den ersten Blick erkennen können, was hinter einem solchen Vorschlag steht?

Denn in zwei Jahren sind die Wahlen in Wien vorbei. Und wer sich eine genau über diese Wahlen hinausreichende "Nachdenk"-Frist wünscht, will das Projekt lediglich aus dem Wahlkampf draußen haben, um es dann möglichst rasch durchziehen zu können.

Und noch schlimmer: Rotgrün wollen in dieser Zeit auch ungerührt die Baugenehmigung für das Hochhaus weiter administrativ durchziehen, sodass nicht einmal ein echter Zeitverlust eintritt, weil in Wien ja Baugenehmigungen sowieso immer lang dauern.

Die Genossen versuchen diesen miesen Zweijahres-Trick in der – nicht ganz unrealistischen – Erwartung, dass Rotgrün dann so wie bisher weitermachen können. Die dann ob der erwarteten Stimmenverluste nötige Hilfe der Neos ist schon einkalkuliert. Haben die Neos doch schon eine klare Absage an die einzig denkbare Alternative ausgesprochen, nämlich an Blau-Schwarz. Und sind doch beide bürgerlichen Parteien in Wien personell nicht sonderlich gut aufgestellt (vor allem nicht, um den Weltmeister in Sachen Bestechungsinseraten zu besiegen).

Das Weltkulturerbe Wien braucht auch keinen "Management-Plan". Es braucht einfach nur, dass Ihr Eure dreckigen Finger endlich von der Schönheit dieser Stadt lasst! Es braucht endlich wieder Politiker, die diese Stadt und ihre Schönheit verstehen und lieben!

Wie es sie aber seit den Herren Zilk und Mauthe nie mehr gegeben hat - gar nicht zu reden von Wiens größter Zeit unter einem Bürgermeister Lueger. Kein Wunder, dass die Genossen bemüht sind, nur ja jede Erinnerung an Lueger zu verbieten.

Man kann der Icomos gar nicht genug danken für ihren klaren Bericht. Sie hat sich durch keinerlei Schmähs von Rot und Grün beirren lassen, derer in den letzten Jahren ja viele versucht worden sind. Ebenso laut ist Icomos dafür zu loben, dass das Gutachten mit der gleichen Schärfe auch zwei weitere Verbrechen am Wiener Stadtbild anprangert, die beide fast ebenso schlimm sind wie das Hochhaus-Projekt.

Das eine ist die geplante teilweise Zerstörung der Gartenlandschaft Belvedere/Schwarzenberg an der Prinz-Eugen-Straße durch einen riesigen Biergarten. Während dieser erst in Planung ist (wenn auch ebenfalls von auffallend großem Wohlwollen des Rathauses begleitet), so ist das zweite leider schon passiert: Das sind die wie Pestbeulen weite Teile des gründerzeitlichen Stadtbildes devastierenden Dachausbauten.

Jeder, der durch Wien geht, sieht zahllose unerträgliche zwei- oder dreigeschoßige Dachaufbauten auf schönen historistischen Bauten, die ganze Viertel und Bezirke hässlicher gemacht haben. Diese Aufbauten sind noch dazu in den letzten Jahren immer aufdringlicher, frecher, ja protziger geworden.

Man hat fast das Gefühl, die Gemeinde ermuntert geradezu eine geldgierige und stillose Architekten-Generation dazu, möglichst rasch möglichst viel vom Bild Wiens zu zerstören, weil dieses in der Kaiserzeit unter liberalen und christlich-sozialen Bürgermeistern entstanden ist. Aber selbst wenn das nicht so wäre, ist die Kraft des vielen Geldes, das sich mit Dachausbauten verdienen lässt, offenbar bei einer Häupl- (und jetzt muss man auch zusätzlich sagen Ludwig-)Administration Argument genug.

Danke Unesco, dass es diese Icomos gibt. Seit langem konnte man nicht so inbrünstig einer internationalen Organisation für ihr Wirken danken.

Noch mehr Dank gilt aber jenen unglaublich tapferen Wiener Bürgern, die die Unesco eingeschaltet haben, die sich dem öffentlichen Druck aus massiven Geldinteressen, Dummheit und Ideologie unverzagt entgegengestellt haben. Vor allen anderen ihnen – und nicht den erstaunlich wenig engagiert gewesenen Schwarzen und Blauen Wiens (mit Ausnahme jener aus dem 1. Bezirk) – ist es zu verdanken, dass es zumindest einen sehr erfreulichen Zwischenstand gibt.

Zwar ist noch nichts gewonnen. Aber nun scheint endlich auch die Bundesregierung erwacht (die ja als Vertragspartnerin der Unesco sehr viele Kompetenzen in Sachen Weltkulturerbe hätte). Nun werfen sich überdies auch tapfere Richter der Milliarden-Dampfwalze entgegen.

So sehr man diese Bürger rühmen muss, so sehr muss man jenen Mann verachten, der sich nicht entblödet hat, für den Bau des Hochhauses nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch in der Öffentlichkeit zu lobbyieren. Aus Dummheit, aus Mangel an jeglichem ästhetischen Geschmack – oder aus …

Geradezu amüsant ist, dass sich eben dieser Christian Konrad – den die klüger gewordenen Raiffeisen-Genossen inzwischen rundum verabschiedet haben – auch noch an anderer Front als Speerspitze für ein rotgrünes Thema engagiert hat: nämlich für die Migrantenlobby. Man weiß gar nicht, welcher Sache er durch sein Auftreten noch mehr schadet.

PS: Eine weitere Untat dieser Stadtverwaltung bleibt leider auch durch Icomos ungeahndet: Das ist die Zerstörung des wunderbaren Jugendstil-Ensembles am Steinhof. Dort profitieren die Bauverbrecher davon, dass dieses Gebiet am Stadtrand liegt und nicht Teil des Weltkulturerbes ist. Dieser Umstand könnte jetzt Schlimmes auslösen: Das Rathaus könnte sich als Folge verstärkt für neue noch viel problematischere Projekte interessieren, sobald die Tatsache ins allgemeine Parteibewusstsein vorgedrungen ist, dass der gesamte Wienerwald nicht zum Weltkulturerbe gehört. Das eröffnet ungeheure Phantasien – die vor einigen Jahren erstmals schon real geworden sind: Hat man doch den Kahlenberg (in Mittäterschaft mit der Wiener Wirtschaftskammer) durch einen weithin sichtbaren Betonklotz verunstaltet. Und mit Appartement-Hochhäusern auf den Bergen der Stadt könnte man ja noch viel mehr Geld machen.

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