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Zwei Atombomben für Europa: Türkei und Datenschutzfanatismus

Derzeit machen gleich zwei völlig unterschiedliche Bereiche deutlich, wie sehr sich die EU zu einem überregulierenden Monster entwickelt hat, das Bürgern und Staaten den Atem raubt. Wie sehr durch den absoluten Vorrang des EU-Rechts und durch die sich immer mehr eskalierende Regulierungsgier europäischer Machtträger der europäische Gedanke beschädigt und unpopulär wird.

Diese Beschädigung kann durch die gewaltigen wirtschaftlichen Vorteile eines Binnenmarktes für alle Europäer und die erhofften Vorteile einer – noch immer nicht realisierten – gemeinsamen Verteidigung kaum noch austariert werden. Regulierungs- und Harmonisierungswut der EU führen nicht zu mehr Harmonie, sondern zu mehr Hass der Bürger auf die Union. Das kann zum Problem sogar für das Überleben der EU selbst werden. Ganz unabhängig davon, ob es in den nächsten beiden Jahren noch einmal gelingen sollte, trotz fundamentaler Divergenzen doch Konsens über den siebenjährigen Finanzrahmen zu erzielen.

Das Datenschutz-Monster

Das eine Regulierungsmonster ist die sogenannte Datenschutzgrundverordnung. Diese soll in Hunderttausenden europäischen Betrieben umgesetzt werden. Sie ist aber absolut missglückt, einerseits viel zu weitreichend, andererseits aber viel zu nebulos-verwaschen formuliert. Sie schikaniert vor allem die – etwa in Österreich dominierenden – Klein und Mittelbetriebe, die viele Milliarden für völlig unproduktive "Datenschutz"-Maßnahmen ausgeben müssen.

Diese Verordnung ist noch dazu von lauter unklaren Rechtsbegriffen geprägt. Fast zu jeder einzelnen Vorschrift erhält man daher sechs unterschiedliche Antworten, wenn man fünf Juristen um Auslegung und Empfehlung bittet. Die Verordnung wird – das ist jetzt schon eindeutig – zu einer Unzahl von Verfahren führen, in denen dann im Laufe der Jahre Richter erst langwierig (und wahrscheinlich noch schikanöser als vielleicht beabsichtigt) herausdestillieren, was eigentlich rechtens ist.

Besonders provozierend ist die von den Datenschutzaktivisten und Grünen ausgehende Propaganda, die sich aber in der EU durchgesetzt hat, dass damit den amerikanischen Internet-Giganten der Kampf angesagt würde. Diese haben sich jedoch kurz gebeutelt, ein paar winzige Änderungen gemacht und anscheinend kaum Probleme. Solche haben nur die kleineren Unternehmen Europas.

Zugleich kann jetzt schon prophezeit werden, dass es mit Sicherheit auch künftig genauso schlimme Missbräuche geben wird, wie etwa schädliche Viren und DDOS-Attacken, Datendiebstähle und Belästigung durch unzählige Spams. Profitieren werden durch die EU-Verordnung nur Berater, Programmierer und Rechtsanwälte. Russische oder chinesische oder extremistische Hacker und Spammer werden sich hingegen dadurch nicht beeinträchtigen lassen. Und total versagt haben wieder einmal die diversen Wirtschaftskammern und -verbände.

Der katastrophale Türkei-Vertrag

Themenwechsel zu einem ganz anderen schlimmen EU-Aspekt, der sich aber ähnlich bedrohlich für die Haltung der Menschen zur EU auswirken wird, wenn er den Europäern in all seinen Konsequenzen bewusst wird: Das ist der Vertrag mit der Türkei, den die damals noch viel kleinere EU im Jahr 1970 abgeschlossen hat, der aber auch heute noch voll bindet.

Die Türkei war damals alles andere als eine aggressive nationalistisch-islamistisch geprägte Großmacht und Diktatur eines – höflich ausgedrückt – unberechenbaren Präsidenten. Der Europa mit Tausenden Imame genannten Agenten und Propagandisten überflutet. Der Zehntausende politische Gefangene hält. Der von den Kurden bis zu angeblichen Anhängern des Predigers Gülen in noch viel größerer Zahl Minderheiten wie Andersdenkende verfolgt.

Welch Unterschied zur Türkei der Jahre 1963 oder 1970:

  • Damals war die Türkei ein Schwellenland am Weg zum Industriestaat, dem man aus Sicherheitsgründen – vor allem wegen der Angst vor der sowjetischen Bedrohung – und auf amerikanischen Wunsch die Aufnahme in die EU versprochen hat.
  • Damals war der Anteil der in westlichen Ländern lebenden Türken viel geringer.
  • Damals waren die türkischen Gast(!)arbeiter noch lange nicht als bedrohlich rasch wachsende Gruppe empfunden worden.
  • Damals haben sie noch nicht regelmäßig in europäischen Städten nationalistisch-chauvinistische Demonstrationen abgehalten.
  • Damals haben sie sich noch nicht regelmäßig mit hier lebenden Kurden geprügelt.
  • Damals haben sie noch nicht in großer Zahl heimlich betrügerisch Doppelstaatsbürgerschaften gehalten.
  • Damals war die Türkei ein verlässlicher und stabiler Partner des Westens.
  • Damals hat es noch keine türkischstämmigen Präsenzdiener gegeben, die sich in Österreich ausbilden lassen, aber offen sagen, dass ihre Herz nicht für Österreich, sondern die Türkei schlägt.
  • Damals waren Türken vor allem zum Arbeiten in Europa und nicht als überdurchschnittlich eifrige Konsumenten der Vorteile des Sozialstaates.
  • Damals dachte man mit Sicherheit noch nicht daran, dass die Türkei eine zentrale Drehscheibe für Millionen illegaler arabischer und afghanischer Migranten Richtung Europa werden könnte.
  • Und damals dachte man noch weniger daran, dass der türkische Machthaber ganz offensichtlich nach Belieben den Strom dieser "Flüchtlinge" größer und kleiner drehen kann, um Europa zu bedrohen und erpressen.

Angesichts all dieser Entwicklungen wirkt sich der 1970 kaum beachtete Vertrag der EU (damals eigentlich noch EWG beziehungsweise EG) mit der Türkei heute als Katastrophe aus. Er besagt im Kern, dass es für Türken in der EU keinerlei Verschlechterungen gegenüber ihrer Rechtslage im Jahr 1963 geben dürfe.

Das heißt aber konkret: Es dürfen beispielsweise für Türken keinerlei Pflichten zu Deutsch- oder Integrationskursen eingeführt werden, die es halt damals noch nicht gegeben hat. Solche Pflichten können also nur für die anderen Zuwanderer eingeführt werden, obwohl die Türken eine der sich am allerschlechtesten integrierenden Zuwanderergruppen sind.

Es darf auch wohl keine der derzeit von Österreich geplanten Veränderungen bei Mindestsicherung oder Familienbeihilfen geben. Das heißt: Selbst wenn Österreich Erfolg haben sollte, eine Anpassung solcher Beihilfen an das meist niedrigere Preisniveau anderer EU-Mitgliedsländer umzusetzen (was EU-rechtlich umstritten ist), wird das bei türkischen Staatsbürgern doppelt schwierig. Obwohl die Türkei ja gar kein Mitgliedsland ist.

Selbst beim Verschleierungsverbot und Kopftuchverbot für Volksschulkinder könnte ein Musterprozess von in Österreich lebenden Türken zu Problemen für die Republik führen. Ebenso, wenn etwa Deutschland und Österreich den Import türkischer Imame unterbinden sollten. Denn der EuGH hat immer wieder sehr türkenfreundlich judiziert.

Natürlich könnte die EU das Abkommen kündigen. Aber das ist reine Theorie. Längst fühlen sich viele EU-Länder – angefangen von Angela Merkels Deutschland bis zu den Nachbarländern Griechenland und Bulgarien – als erpressbar gegenüber der Türkei. Viele EU-Länder haben Angst, dass Präsident Erdogan den Flüchtlingsstrom wieder aufdreht, den er in den letzten zwei Jahren dank milliardenschwerer Tributzahlungen aus Europa etwas reduziert hat. Jedenfalls hat bisher noch kein einziges Land eine Kündigung dieses Türkei-Vertrags verlangt.

Und eine im Konsens mit Ankara erfolgende Änderung des Vertrags ist überhaupt graue Theorie. Die Türkei hat keinerlei Veranlassung, dabei mitzutun.

Mit der Türkeifrage und der Datenschutzhysterie gibt es also zwei (weitere) Atombomben mit potenziell zerstörerischer Sprengkraft in der EU. Das gibt der Prophezeiung neue Nahrung, dass es die Union eines Tages mit katastrophaler Wirkung zerreißen könnte. Dass der Brexit nur ein Vorspiel künftiger Entwicklungen ist.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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