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Sechs Parlamentsparteien, sechs Mal Zerfall der Repräsentativdemokratie

All drei – relativen – großen Parteien Österreichs werden seit einigen Tagen von massiven Erdbeben erschüttert. Die Ursachen unterscheiden sich, aber die Zerstörungen durch diese Beben schaden bei allen Parteien der eigenen Glaubwürdigkeit. Diese Turbulenzen erwecken bei den Bürgern ein ständig noch übleres Gefühl gegenüber der repäsentativen Demokratie.

Als ob das nicht genug wäre, sind auch die Kleinparteien zuletzt nur noch durch Peinlichkeiten aufgefallen.

FPÖ

Die FPÖ wirft fast eine ganze Landespartei hinaus – aber man weiß eigentlich nicht warum, außer dass es offenbar bei den Salzburger Freiheitlichen und nicht nur in dieser Landesgruppe seit Jahren wilde Intrigen und Machtkämpfe gegeben haben muss. Aber ein politischer Inhalt des Konflikts wird nicht klar. Damit zeigt sich, dass die FPÖ noch immer die Partei mit den weitaus heftigsten rein persönlichen Konflikten unter Parteifreunden ist.

Das ist sie schon seit 30 Jahren: Man denke nur an die Zerreißproben rund um Knittelfeld, an den Bruch zwischen Haider und Riess-Passer, an die Spaltung BZÖ-FPÖ, an die ständig wechselnden Kampffronten in Kärnten, an die „Rollkommandos“, die Haider in den 80er und 90er Jahren immer wieder zu Säuberungen in die Bundesländer ausgeschickt hat, oder gar an den Atomkrieg Haider-Steger.

Offenbar ist es ein Strukturproblem einer vor allem durch Protest und Ablehnung gegen die Herrschenden geprägten Partei, dass da recht divergierende Gruppierungen zusammenkommen. Diese haben jenseits der wenigen zentralen FPÖ-Positionen nicht genug tragfähige Gemeinsamkeiten – weder inhaltlich noch soziologisch noch durch Vorfeldstrukturen wie Gewerkschaften, Kammern, CV, BSA, DÖW, Zara, NGOs usw. Dadurch wird automatisch der persönliche Faktor viel gewichtiger als bei einer durch gemeinsame Strukturen und Traditionen (die auch oft als „Werte“ bezeichnet werden) geprägten Partei.

SPÖ

Umso klarer ist im Gegensatz dazu der inhaltliche Anlass, welcher der SPÖ die schwerste innerparteiliche Krise seit langen Jahren beschert hat. Zuerst verstößt eine ganze Landespartei gegen das oberste politische Prinzip der ja sonst völlig inhaltslos und populistisch gewordenen Sozialdemokraten: Keine Koalition mit der FPÖ, weil diese hetzerisch sei.

Aber in der SPÖ wird niemand hinausgeworfen. Sondern die Bundesparteiführung will in ihrer Not und Führungsschwäche einfach ein Ende der Debatte verkünden. Was natürlich absolut naiv ist, auch wenn der ORF und die Gratiszeitungen sofort gehorsam diesen Befehl befolgt haben. Die Österreicher sind jedoch schon lange nicht mehr so leicht durch Parteimedien zu manipulieren.

Und kurz nach dem Burgenland zerbricht in der Steiermark auch die zweite – oder vielleicht sogar alleroberste – Grundlage sozialdemokratischer Parteiidentität: das Streben nach Macht um jeden Preis. Kraftlos gibt man die Macht auf, weil man sich aus seinen inneren Widersprüchen nicht befreien kann.

Das alles vor dem Hintergrund zweier katastrophaler Wahldebakel.

ÖVP

Genau die gleichen Debakel hat auch die ÖVP erlitten. Auch wenn es bei ihr einzelne Funktionäre nicht wahrhaben wollen. Zugleich ist in der Partei eine massive inhaltliche Revolution ausgebrochen. Sie richtet sich gegen das Steuerpaket, das Parteichef, Finanzminister und die Landeshauptleute aus Oberösterreich und Vorarlberg vor wenigen Wochen in einer Nacht-und-Nebelaktion ohne jeden zwingenden Grund mit der SPÖ ausgeschnapst haben.

Diese Revolution ist von der steirischen Volkspartei in Wahlkampfnöten ausgerufen worden. Was anfangs recht unglaubwürdig wirkte, hat sich inzwischen wie ein Lauffeuer auch unter fast allen anderen Länderschwarzen ausgebreitet. Mit seltsamer Verspätung hat sie nun auch die ÖVP-Bastion Wirtschaftskammer voll erfasst. Der Druck der Bevölkerung, Tausende Protestmails und Anrufe haben vielen um ihr Mandat bangenden Funktionären das klargemacht, was die Parteispitze nicht wahrhaben wollte.

Mit langer Leitung, aber immerhin haben sie begriffen: Eine bürgerlich-liberale Partei wie die ÖVP begeht schlicht und einfach Selbstmord, wenn sie all das beschließt, was in dem Steuerpaket steht. Dazu gehören etwa: Höhere Grunderwerbssteuer, Registrierkassenpflicht, 500 neue Steuerfahnder, Ende des Bankgeheimnisses, höhere Mehrwertsteuersätze, eine Erhöhung der Immobilienertragssteuer, Anhebung der Kapitalertragssteuer, Abschaffung von steuerlichen Abschreibe- und Absetzmöglichkeiten, Erhöhung des Spitzensteuersatzes.

Das Absurde: Der WKO-Chef Christoph Leitl hatte in den ÖVP-Spitzengremien diesem Steuerpaket ursprünglich zugestimmt! Leitl hat damit seine Glaubwürdigkeit total eingebüßt – und hätte mindestens so viel Grund wie etwa Voves zurückzutreten. Schwer an Prestige hat aber auch der ebenfalls aus der WKO gekommene Parteichef Mitterlehner verloren. Ob er noch rechtzeitig die Notbremse zieht? Oder wird er aus großkoalitionärer Nibelungentreue das Paket bis zum Selbstmord der Partei durchziehen?

Und die Kleinen?

Die Grünen wiederum biedern sich in einer selbstdemütigenden Art und Weise neuerdings wieder der Wiener SPÖ an, nachdem sie ein paar Wochen so getan haben, als seien sie doch etwas anderes als bloß die 24. rote Bezirksgruppe, die halt ein bisschen linker steht als die 23 anderen Bezirke. In diesen Wochen ist der Rathaus-Griechin rascher das Ausmaß der wahren Macht gezeigt worden, als es der EU in Hinblick auf die griechischen Griechen gelungen ist.

Die Neos stimmen im EU-Parlament einer Resolution zu, die sie für jeden wertorientierten oder konservativen Wähler absolut unwählbar macht und zu einer reinen Linkspartei nach Art des gescheiterten LIF degradiert. Diese EU-Resolution setzt sich, ganz der Gender-Rhetorik folgend, für eine aggressive, die Familien ausschaltende Sexualerziehung sowie die Förderung künstlicher Fortpflanzung und der sogenannten LGBT-Elternschaft (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender . . .) ein. Alles Dinge, die totalitär in die Freiheit der Familien und die Rechte der Kinder eingreifen. Die werden auch dadurch nicht besser, dass diese Resolution rechtlich unverbindlich ist und dass sie „natürlich“ auch von Rot und Grün mitgetragen worden ist.

Ach ja, da gibts auch noch das Team Stronach: Das zerfällt jeden Tag mehr, während der an diesem Zerfall hauptschuldige Parteigründer kaum noch in Österreich ist, sondern sich in Amerika lieber um Pferde und Rinder kümmert.

Eine deprimierende Bilanz. Sie macht bei den nächsten Wahlen schon ein Elektronenmikroskop nötig, um herauszufinden, welches da das geringste Übel ist.

 

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