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Das Tagebuch als Zentralmatura-Aufgabe

Zu meiner völligen Überraschung kam das Tagebuch zu Zentralmatura-Ehren. Der unten stehende Text war bei der Zentralmatura in Deutsch eines der drei allen österreichischen Maturanten zur Auswahl vorgelegten Themen. Da viele Leser ihn wohl inzwischen aus der Erinnerung verloren haben, sei er aus diesem Anlass hier wieder an die Spitze gerückt. Diese Doppelkolumne ist als "Kontroverse" damals auch in den "Salzburger Nachrichten" erschienen, deren Redaktion auch die Idee dazu gehabt hatte. Bedauerlicherweise hat die Führung der SN diese Doppelkolumne inzwischen wieder abgedreht.

Die “Kontroverse” stand damals unter dem Titel:

Soll das Betteln verboten werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen.

Bitte hinschauen und nachdenken

 Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Im SN-Schwerpunkt "Griechenland" finden sich bemerkenswerte Aussagen. Schriftsteller Gerhard Roth: "Die Menschen spüren so etwas wie Gefahr. Gibt es keine Arbeit mehr, stehen alle vor dem Nichts. Die Finanzmärkte, die Banken, die Staatsbudgets, die Spekulanten bestimmen das Geschehen und machen aus den Menschen Wellness-Idioten oder Bettler." Robert Stadler, nach Athen ausgewanderter Zeitungsmacher, sagt: " Ich sehe, wie jeden Tag mehr Geschäfte zumachen und noch mehr Obdachlose auf den Straßen liegen".

Im reichen Österreich gibt es Bettler ebenso wie Obdachlose. Menschen, die hier geboren wurden und durch widrige Umstände in die Situation gerieten, die ihnen oft die letzte Würde nimmt. Oder es handelt sich um Menschen, die mit der Hoffnung kamen, dass es ihnen hier "besser" geht. Mitunter sind die Begleitumstände ihrer Ankunft grauenvoll. Es gibt Schlepperbanden. Manche betteln unter Zwang und müssen das Erbettelte abliefen.

Viele fühlen sich durch Bettelnde belästig. In allen Bundesländern gibt es Bettelverbote. Vorarlberg untersagt "Betteln von Tür zu Tür"; in Wien, der Steiermark, Salzburg und Oberösterreich gibt es landesweite Verbote. Betteln mit Kindern ist untersagt und wird mit Haftstrafen oder Sozialarbeitspflicht geahndet.

In Oberösterreich werden private Securityleute bezahlt, um das Verbot zu überwachen. Das alles geht zu weit. Da werden Personen mit zwei Tagen Ausbildung auf die Menschen losgelassen. Die Verbote sind unexekutierbar; sicherheitspolizeiliche Vorschriften genügten.

Es ist gut, dass das Höchstgericht die Bettelverbote nun prüft. Und die satten Bürger dieses Landes sollten näher hinschauen und sich mit dem Gedanken beschäftigen, ob nicht auch sie in die Verlegenheit kommen könnten, einmal die Hand aufhalten zu müssen.


Wirklich helfen sieht anders aus

Andreas Unterberger

Die Welt ist leider nicht so schlicht wie im Bilder- und Lesebuch. Das beweist die Bettlerszene, die in den letzter Zeit mit wöchentlich wachsender Intensität in den Städten Ostösterreichs agiert. Jahrzehntelang war Betteln schon ausgestorben. Auf der Straße sitzende oder musizierende Kriegsblinde sind nur noch eine vage Kindheitserinnerung. Die plötzlich aufgetauchten neuen Bettler, die nun schon fast an jeder belebten Straße, fast vor jedem Supermarkt stehen, haben einen ganz anderen Hintergrund: Sie kommen praktisch zu Hundert Prozent aus den Roma-Dörfern Mittel- und Südosteuropas. Da in diesen eine 70- bis 100-prozentige Arbeitslosigkeit herrscht, da es dabei um viele - nie genau zählbare - Millionen Menschen geht, und da die Roma-Bevölkerung vor allem in Rumänien, der Slowakei und Ungarn rasch zunimmt (allein in Ungarn wird geschätzt, dass ihr Anteil von sechs auf über 20 Prozent der Bevölkerung steigt), ist es mehr als naiv, das wahre Problem zu ignorieren.

Die Tolerierung des Bettelns in Österreich ist da die schlechteste Lösung. Denn sie löst nichts. Sie führt nur zu einer ständig steigenden Zahl der hierzulande aktiven Bettler. Sie erhöht nur den Profit der Organisatoren. Sie wird nur zu immer offensiveren Formen der Bettelei führen. Wenn sich Österreich und Österreicher für das Elend jener Menschen wirklich verantwortlich fühlen - was ein edler Zug ist -, dann gibt es nur einen Weg: Man muss jene gar nicht so wenigen Initiativen unterstützen, die für Osteuropas Roma mehr Bildung, mehr Arbeitsplätze, bessere Lebensbedingungen zu schaffen versuchen: In ihrer Heimat, in einer Umgebung, wo sie die Sprache sprechen. Grünes Licht für Betteln gibt diesen Menschen hingegen ein völlig falsches Signal: Nämlich dass nicht Bildung und Fleiß, sondern möglichst mitleiderregende Verunstaltungen das beste Startkapital fürs Leben sind.

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