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Wehret den Anfängen: Das Binnen-I und die Freiheit der Wissenschaft

Eigentlich müsste ein Sturm der Erregung durch die Stadt gehen: In einer Wiener Fachhochschule bekommt man schlechtere Noten, kann sogar durchfallen, wenn man sich in einer wissenschaftlichen Arbeit nicht dem Zwang zum Binnen-I beugt.

Gewiss, man kann sagen: „Dann mach' ich den Blödsinn halt, Hauptsache ich krieg' mein Zeugnis“. Aber in Wahrheit ist das ein schlimmes Signal.

Kurzer autobiographischer Einschub: Mein Mutter hat in der NS-Zeit ein zweites Studium absolviert (weil sie im ursprünglichen Lehrberuf als politisch unzuverlässig von den Nazis ein Berufsverbot bekommen hatte). Auch sie war ein Opfer des damaligen Systems: in jeder wissenschaftlichen Arbeit musste zumindest ein Bezug zum „großen Denker“ Adolf Hitler hergestellt werden, wenn man eine positive Note haben wollte.

Ganz ähnlich war in den kommunistischen Ländern Marxismus-Leninismus an den Hochschulen Pflicht; lediglich in Polen kam man darum unter Umständen herum.

Solche Konzessionen an die totalitäre Macht waren der einzige Weg, wenn man nicht völlig umsonst studiert haben wollte, wenn man endlich den Weg in einen Beruf gehen wollte (oder meist: musste). Und wenn man nicht noch ärgere Gefahren riskieren wollte. Aber diese Konzessionen waren bei anständigen Menschen immer zumindest mit schweren Gewissensqualen verbunden.

Natürlich ist die heutige Gegenwart in vielem nicht mit jenen totalitären Regimen vergleichbar. Ganz und gar nicht. Aber umso kritischer sollte man auch jeden Schritt in diese Richtung verhindern, sollte jedem Anfang wehren. Denn die an sich ja nur skurrile feministische Ideologie hat die Wiener Universitäten so weit erobert, dass sie nun auch schon scheinbar wissenschaftliche Bereiche voll diktieren kann. Ich kenne viele Universitätsprofessoren, die darüber verzweifelt den Kopf schütteln, die sich diesbezüglich aber nicht mehr öffentlich zu exponieren wagen.

Das, was sich da mit dem Gender-Zwang wie an der Fachhochschule des bfi (das von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund kontrolliert wird) abspielt, ist ein dramatischer Präzedenzfall. Damit ist eine – mehr als umstrittene – Ideologie wichtiger geworden als Leistung, Qualität und Freiheit der Wissenschaft.

Ähnliches spielt sich auch mancherorts im Bereich von Aufnahmen und Berufungen ab. Wieder drängt sich ein Vergleich auf: Um im Kommunismus überhaupt an eine Uni zu kommen, mussten die Eltern Arbeiter oder Bauern sein beziehungsweise Mitglieder der kommunistischen Nomenklatura. Und in der Nazizeit war jedenfalls der unselige Arierausweis Voraussetzung.

Heute wird das Geschlecht zunehmend zum Kriterium. So war dieses bei einem Aufnahmetest der Medizinischen Universität Wien schon wichtiger als das Können und Wissen. Weibliche Aspirantinnen wurden mit viel weniger Testpunkten zum Studium zugelassen als männliche.

Der Technischen Universität Wien wurde von der Politik allen Ernstes schon der Vorwurf gemacht, dass zu wenig Frauen Technik studieren; und es wurde gewünscht, die Anforderungen zu senken beziehungsweise die Curricula zu ändern. Noch dramatischer ist das geplante neue Universitätsgesetz: Demzufolge soll es in allen Organen und Gremien der Universitäten eine totale Geschlechterparität geben. Bisher galt „nur“ die Vorschrift einer 40-prozentigen Frauenquote.

Aber es widerspricht diametral jeder Wissenschaftlichkeit, wenn irgendein anderes Kriterium bei Personalentscheidungen vom Studienbeginn bis zur Habilitation und Berufung wichtiger ist als Können und Wissen, als die wissenschaftliche und intellektuelle Qualifikation. Egal was diese anderen Kriterien sind. In der Universitäts-Geschichte stößt man ja etwa auch schon lange vor der Nazizeit auf solche Versuche. So gab es etwa einst die Forderung von Antisemiten, den Anteil von jüdischen Hochschullehrern an der Wiener Uni zu begrenzen.

Zurück zum Binnen-I: Das besonders Absurde ist, dass da etwas verlangt wird, was nicht nur der Duden, sondern auch die große Mehrheit der Germanisten ablehnt. Mit einer sehr einleuchtenden Begründung: Man solle nicht etwas schreiben, was man nicht auch so sprechen könne. Denn ein Binnen-I oder ein Unterstrich sind nun mal nicht aussprechbar. Im ganzen deutschen Sprachraum verwendet daher auch fast kein Schriftsteller das Binnen-I oder ähnliche Konstruktionen der Political correctness.

Ganz abgesehen davon, dass gerade in einer Epoche des wachsenden Anteils von analphabetischen Jugendlichen, die nicht mehr sinnerfassend lesen können, Texte möglichst gut lesbar sein sollten. Und keinesfalls sollte man ihre Lesbarkeit noch künstlich erschweren. Gar nicht zu reden davon, dass Gesetze und behördliche Schreiben selbst für Muttersprachler auch dann schwer zu verstehen wären, wenn sie nicht gegendert wären. Aber gerade im Amtsdeutsch treibt das Gendern noch zusätzlich sein jede Verständlichkeit verhinderndes Unwesen.

Übrigens: Etwas, was mit dem Binnen-I-Unsinn vergleichbar wäre, trifft man in keinem anderen Sprachraum. Dort ist überall klar, dass mit dem grammatikalisch maskulinen Plural biologisch sowohl Männer wie Frauen gemeint sind.

Dort herrscht aber auch noch die volle Freiheit der Wissenschaft.

Daher sollte auch für Wiener Fachhochschulen – die ja so verzweifelt als wissenschaftlich gleichwertig gelten möchten – mehr denn je der Satz gelten: Wehret den Anfängen!

Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.

 

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