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H.C. Drückeberger

Der Mann kann zwar gut Fahnenschwingen, er hat aber teuflische Angst vor der Regierungsverantwortung. Das wurde seit dem Wahltag endgültig klar. Etwa durch Straches entlarvenden Satz: „Die FPÖ führt keinen Wahlkampf. Sie ist Wahlkampf.“ Wenn man immer Wahlkampf „ist“, dann kann man nie Regierung sein. Vielleicht erzählt aber jemand Strache und der restlichen Für-ewig-Oppositions-Fraktion in der FPÖ, was in Norwegen derzeit geradezu als Selbstverständlichkeit passiert. Und der ÖVP, was sich in Großbritannien und Ungarn andere konservative Parteien trauen (Die Gutmenschen haben die Schwarzen ja ohnedies schon weitgehend an Grüne und Neos verloren).

Zuerst zum freiheitlichen Parteichef. Er zeigt sich auch nach Wahl, auch nach dem Verschwinden der Rivalen vom BZÖ, nicht ernsthaft interessiert, eine Regierung zu bilden. Wenn er sagt, er will „keine Gespräche über die Hintertür“, dann will er gar keine Gespräche, auch wenn man formell ein FPÖ-Verhandlungsteam präsentiert hat. Denn nach den vielen Jahren der Eiszeit und der (gegenseitigen) Aggressionen weiß jeder erfahrene Politiker, dass man zuerst vertraulich Vertrauen aufbauen müsste, bevor irgendetwas in Gang kommen kann.

Wenn man den SPÖ-Klubobmann Cap sofort bloßstellt, dass er einen ersten Kontakt zur FPÖ gesucht habe, dann outet man sich logischerweise einmal gleich selbst als kontaktunwillig. Dasselbe tut man mit A-Priori-Aussagen Richtung ÖVP, dass diese das Interesse an den Freiheitlichen ohnedies nicht ernst meint.

Zwar ist die ÖVP in dieser Frage keineswegs einig, aber bis auf den niederösterreichischen Landeshauptmann Pröll stimmt diese Behauptung so ganz sicher nicht. Und Pröll selbst war auch schon im Jahr 2000 gegen ein Bündnis mit den Freiheitlichen. Er konnte es aber nicht verhindern (beide Male handelt er aus leicht durchschaubarem Egoismus: Er sieht bessere Chancen für seine Wiederwahl, wenn es einen roten Bundeskanzler gibt. Mit dem er im Gegenzug dann auch heftig packeln kann).

Zurück zu Strache. Dieser träumt lieber weiter ganz unverbindlich von der Macht, statt konkret auf eine Regierungsteilnahme hinzuarbeiten. Er tut das schon seit zehn Jahren. Irgendwann einmal, nur nicht jetzt.

Natürlich ist es leichter, auf Protest und Opposition zu machen, als zu regieren, Verantwortung zu tragen und zu erkennen, wie vieles von dem leichtfertig Versprochenen nicht möglich ist. Natürlich hat die FPÖ einst durch die Regierungsbeteiligung einen Rückschlag erlitten; den größten hat sie sich damals freilich in Knittelfeld selbst zugefügt (unter lebhafter Mitwirkung Straches). Natürlich ist so gut wie sicher, dass die Partei bei Verantwortungsübernahme sofort einen Teil des dumpfen Protestpotentials aus der XYZ-Schicht verliert, das prinzipiell gegen jeden ist, der zu „denen da oben“ gehört; aber das wird in fünf, in zehn, in fünfzehn Jahren haargenauso sein wie jetzt.

Europaweit verlieren Regierungsparteien Wahlen (Lediglich Angela Merkels CDU war da eine Ausnahme). Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass solches dann auch der FPÖ droht. Aber kann die Konsequenz sein, nie in eine Regierung zu gehen? Wozu ist man dann eigentlich eine politische Partei? Wer nicht an der Macht teilhaben will, will auch nichts machen. Denn Macht kommt eben von Machen.

In Wahrheit hat die FPÖ sogar schon vor dem Wahltag ihr Desinteresse an der Verantwortung gezeigt. Sie ist zwar alles andere als neonazistisch (das sagen nur ein paar linke Dummköpfe, deren Schallplatte ewig in der gleichen Propagandarille steckengeblieben ist). Sie hat aber so extreme Lizitationsforderungen aufgestellt, dass sie selber um deren totale Unerfüllbarkeit wissen musste.

Weder FPÖ noch ÖVP haben in den letzten Jahren das getan, was eigentlich zum politischen Handwerk gehören würde, wenn man perspektivisch denkt: nämlich gute vertrauliche menschliche Kontakte untereinander aufzubauen. Diese hatte es vor 2000 zwischen ÖVP und FPÖ – in einem eigentlich noch viel explosiveren Klima – hingegen sehr wohl gegeben. Nicht nur in Form des bekanntgewordenen Kaffeehausgesprächs Haider-Bartenstein. Haider hat sogar schon Ende November 1999 im privaten Gespräch die Ministerien genannt, die seine Partei will. Und die sie dann im Februar auch ganz genau bekommen hat.

Mit ihrer totalen Orientierung auf die XYZ-Schicht droht der FPÖ ein klares Schicksal: Sie wird nie wirklich über das Protestpotential hinauskommen. Das sind maximal 20 bis 30 Prozent. Auch die Hoffnung, beim nächsten Mal die wahrscheinlich dann freiwerdenden Stronach- und BZÖ-Stimmen erben zu können, ändert daran nichts Wesentliches. Diese Hoffnung ist überdies zumindest zum Teil falsch. Denn wirtschafts- und sozialpolitisch sind beide Listen eindeutig liberal. Also das Gegenteil des FPÖ-Wahlprogramms. Daher dürften deren Stimmen eher zu den Neos oder auch wieder ÖVP als zur FPÖ gehen.

Wahrscheinlich geht man fehl, wenn man nach Straches strategischer Perspektive forscht. Es ist einfach das dumpfe Gefühl, dass es sich als starker, wenn auch lebenslänglicher Oppositionspolitiker besser leben lässt. Er sieht sich höchstens als Wiener Bürgermeister denn als Mitglied einer Bundesregierung.

Und selbst von jenem Ziel, das Strache einst auf die Frage nach seinem Mindestziel genannt hat, ist er meilenweit entfernt: Er hat ein Drittel der Mandate angestrebt, damit er Verfassungsänderungen blockieren kann. Er steht jetzt bei 20 Prozent.

Im Gegensatz zu dieser Realitätsverweigerung spielt sich gerade jetzt in Norwegen Erstaunliches ab: Vier bürgerliche Parteien beschlossen zu kooperieren; dennoch werden nur die Konservativen und – ausgerechnet – die Rechtspopulisten die Regierung bilden. Die beiden kleineren (zum Teil christlichen) Parteien haben jedoch parlamentarische Unterstützung versprochen. Obwohl sich der Massenmörder B. eine Zeitlang im Dunstkreis der norwegischen Rechtspopulisten bewegt hatte (was nicht einmal die Linksmedien der FPÖ vorwerfen können), haben in Norwegen alle bürgerlichen Parteien gewusst, dass es ihnen die Wähler übel nehmen würden, wenn sie trotz ihrer klaren Mehrheit wieder die Sozialisten an die Regierung ließen.

In Norwegen haben alle bürgerlichen Parteien kompromissbereit verhandelt. So haben die Rechtspopulisten zwar eine strengere Asylpolitik, eine konsequentere Abschiebepolitik, die Anstellung von mehr Polizisten und eine Reduktion der Väterzeit durchgesetzt. Sie mussten aber auf die von ihnen geforderten Ölbohrungen in den Lofoten verzichten und auf eine Öffnung des norwegischen Pensionsfonds, wo Milliarden aus den Nordseeöl-Erträgen für schlechtere Zeiten gehortet sind.

Dass in Österreich nicht einmal ernsthaft über ein ähnliches Modell gesprochen wird, ist schade. Die Neos und die Stronachs haben zumindest anklingen lassen, dass sie so etwas von außen unterstützen könnten. Damit wären es auch bei uns im Übrigen genau vier Parteien . . .

Aber die FPÖ träumt offenbar nur von den Sternen einer irgendwann einmal bevorstehenden absoluten Mehrheit. Und die ÖVP scheint primär von Feigheit beseelt. Sonst würde auch sie – ganz unabhängig von der Koalitionsfrage – zumindest ernsthafter über Vorschläge ihnen nahestehender Parteien diskutieren. So hat der konservative britische Finanzminister Osborne angekündigt, dass Langzeitarbeitslose künftig nur dann das ganze Geld bekommen, wenn sie auch gemeinnützige Arbeit verrichten. So haben die ungarischen Konservativen beschlossen, den Gemeinden das Recht auf Schaffung obdachloser Zonen einzuräumen.

Solche Vorschläge klingen zwar in den Ohren mancher ÖVP-Funktionäre wohl unschön. Aber in Wahrheit ist in der ÖVP das Gefühl verlorengegangen, dass eine Law-and-Order-Politik jedenfalls das Fundament einer bürgerlichen Partei sein muss.

So wie in der FPÖ traurigerweise das Gefühl verloren gegangen ist, dass man ohne wirtschaftspolitische Vernunft nicht regieren kann.

Die verzweifelten bürgerlichen Wähler wollen aber alles, nur nicht ständig einen sozialistischen Bundeskanzler unterstützen. Und das tut die eine Partei durch eine Koalition mit ihm, und die andere durch ihr Desinteresse an einer eventuellen bürgerlichen Koalition.

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