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Kritik des Wohlfahrtsstaats

Viele große Denker des 20. Jahrhunderts stehen der Massendemokratie mit ihren gezählten, nicht gewogenen Stimmen aus gutem Grund kritisch gegenüber. Zu ihnen zählen Bertrand de Jouvenel und Erik von Kühnelt-Leddihn oder lebende Zeitgenossen wie Anthony de Jasay, Gerd Habermann und Hans-Hermann Hoppe. Sie sehen in dieser Art der Demokratie, die nur dem Namen nach etwas mit dem in der Polis der griechischen Antike praktizierten System zu tun hat, den Wegbereiter des Totalitarismus, ein Synonym für Pöbelherrschaft und Sozialismus.

Damals ging es nicht ums Wählen, sondern um eine Partizipation verantwortlicher Männer an der Politik. Der rezente Wohlfahrtsstaat hingegen bildet die letzte Entwicklungsstufe der auf gewaltsame Nivellierung gerichteten Massendemokratie. Seine Grenze zur totalitären Demokratie – zur Diktatur des Pöbels – ist fließend.

Der moderne Wohlfahrtsstaat am Beginn des 21. Jahrhunderts ist – scheinbar – ein Paradies: Wir genießen Fürsorge und Versorgung von der Wiege bis zur Bahre, losgelöst von individueller Leistung und Bedürftigkeit. Alles ist gratis – Schulen, Hochschulen, Renten, Gesundheitsdienstleistungen. Das alles ist staatlich monopolisiert und damit bombensicher.

Die funkelnde Krone auf alledem bildet die „Grundsicherung“. Damit wurde endlich auch ein einklagbares Recht auf Faulheit gesetzlich verankert.

Wo gehobelt wird, da fallen allerdings Späne – und so sind kleine Opfer unvermeidlich: Obrigkeitliche Regulative bis in den privaten Lebensbereich sind hinzunehmen; sie dienen ja nur dem Besten der Bürger. Die nunmehr vorgeschriebene Verwendung staatlich anerkannter Leuchtmittel und eine dräuende „Duschkopfverordnung“ sind prächtige Beispiele. Massive Eingriffe in die Privatrechtsautonomie, teilweise sogar deren Abschaffung, sind an der Tagesordnung. Eine Aufhebung der Vertragsfreiheit in vielen Bereichen – z. B. im Arbeitsrecht, bei der Ladenöffnung, im Mietrecht und auch Preisvorschriften – erscheint bereits ganz selbstverständlich…

Wir erleben die totale Gängelung der Bürger – weit jenseits dessen, woran George Orwell dachte, als er seine 1984er-Dystopie ersann. Das Schlimme ist: Regulierung und Überwachung sind nicht nur unproduktiv, sondern sie behindern sogar die Produktion. Darüber hinaus verursachen sie hohe Kosten! Und da – den falsch gesetzten Anreizen sei Dank – eine stetig kleiner werdende Schar von Produktiven die Chose finanzieren muss (der Rest führt eine parasitäre Existenz als Mitarbeiter oder Klient des Wohlfahrtsstaats), steigt deren Steuerlast unentwegt – was die Effizienz des Gesamtsystems weiter reduziert.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1986, James Buchanan, stellte treffend fest: „Die Steuerlast ist endlich“. Spätestens bei 100 Prozent Steuerbelastung lässt auch ein notorischer Workaholic den Herrgott einen guten Mann sein und setzt sich lieber in den Park.

Im Wohlfahrtsstaat wird weniger produziert als unter Marktbedingungen. Alle essen nun mit gleich großen Löffeln, die Schüssel, aus der sie das tun, ist indes kleiner. Im Land am Strome sind weniger als 50 Prozent der Bevölkerung erwerbstätig. Der Rest sitzt als Pensionist, Früh- oder Invalidenrentner, Sozialhilfebezieher oder Langzeitstudent herum, ohne zu produzieren.

Von den Werktätigen liefert – der progressive Einkommensteuertarif macht es möglich – die Hälfte keine direkten Steuern ab. Zieht man von der Zahl der Erwerbstätigen jene ab, die von Steuern leben, also den öffentlichen Dienst, Kammermitarbeiter, Politfunktionäre etc., dann bleiben rund 20 Prozent als Nettozahler übrig. Diese Opfer der Umverteilung sind genötigt, zwei Drittel ihres Einkommens an den Fiskus abliefern (43% direkte Steuern, + 16,66% USt. + Abgaben + Arbeitgeberanteil zur SV). Aber trotz einer nie da gewesenen Ausbeutung der Leistungsträger durch den Staat erleben wir einen Staatsschuldenexzess ohnegleichen, da die staatlichen Anmaßungen nicht mehr allein durch Steuern finanziert werden können, ohne massive Widerstände auszulösen.

  • Offizieller Schuldenstand: (explizite Schulden) 232 Mrd. € (1970: 3,42 Mrd.)
  • Pro Bürger: € 31.000,-
  • Pro Erwerbstätigem: € 55.400,-
  • Zinsendienst p. a.: derzeit 8,2 Mrd. € (aktuelle Zahlen laut OeNB-Statistik).

Ohne die von den jüngeren Generationen dereinst abzuzahlenden Schulden wäre der Wohlfahrtsstaat längst nicht mehr finanzierbar. Seine Grenzen sind erreicht. Am deutlichsten sieht man das wohl in Griechenland, dem Land mit dem größten Anteil an mittelbar und unmittelbar Staatsbediensteten im zivilisierten Teil der Welt.

Paradoxerweise nimmt – trotz des laufend steigenden Umverteilungsvolumens – die Zahl der Armutsgefährdeten dennoch ständig zu. Das ruft die Linken auf den Plan und veranlasst sie zum Ruf nach einer noch höheren Enteignungsquote für die Leistungsträger. Möglich ist das, da die Ergebnisgleichheit – Gleichverteilung des Wohlstands – ein zentrales Anliegen des Wohlfahrtsstaats ist. Armut ist vorgeblich sein Hauptgegner.

Was aber bedeutet Armut? Kein Dach über dem Kopf zu haben, krank zu sein und nichts zu essen zu haben! Wer so etwas sehen will, muss heute nach Kalkutta, nach Lagos oder wenigstens nach Moldawien reisen. Die Armutsbekämpfungs- Umverteilungs- und Wohlfahrtsindustrie ist hierzulande daher im Grunde arbeitslos. Abertausende ihrer Mitarbeiter (die Caritas ist inzwischen einer der größten Arbeitgeber im Lande!) – alle gut ausgebildet und mit ansehnlichen Bezügen dotiert – wären überflüssig, wenn sie nicht ein geniales Alternativkonzept entwickelt hätten: Das Konzept der relativen Armut.

Damit ist ein Perpetuum Mobile geschaffen, denn relative Armut wäre nur mittels totaler Gleichmacherei auszurotten. Und die hat es selbst unter Stalin und Mao nicht gegeben. Zur Veranschaulichung der aberwitzigen Grundlage dieser Vorstellung: „Armut“ bemisst sich am Medinaeinkommen. Wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens bezieht, ist „armutsgefährdet“! Auch eine Verdoppelung aller Einkommen hätte demnach keine Wirkung auf die Zahl der „Armen“.

Eine Abwanderung der Reichsten dagegen senkt nach diesem irrwitzigen Konzept die Armenquote:

Legende: Gelb unterlegt das Medianeinkommen, rosa markiert die Armutsgefährdeten.

Gerd Habermann,(„Polemisches Soziallexikon“): meint: „Der Wohlfahrtsstaat ist das reformerische Nachfolgemodell des versinkenden Sozialismus“. Und weiter:„Der Wohlfahrtsstaat ist eine Methode, die Leute mit ihrem eigenen Geld vom Staat abhängig zu machen.“

Gerard Radnitzky (1921 – 2006) stellt fest: „Der Wohlfahrtsstaat hat eine neue Art des „Individualismus“ hervorgebracht: den Individualismus ohne Verantwortung.“

Auf Wikipedia lesen wir:„Wohlfahrtsstaat bezeichnet einen Staat, der weit reichende Maßnahmen zur Steigerung des sozialen, materiellen und kulturellen Wohlergehens seiner Bürger ergreift.“ Der Wohlfahrtsstaat geht daher weit über den Sozialstaat hinaus, der nur Existenzsicherung in Notlagen bietet. Im Wohlfahrtsstaat ist Sozialpolitik nicht mehr allein auf bedürftige Gruppen ausgerichtet.

Die Wiege des Wohlfahrtsstaats steht in Preußen, und zwar nicht erst seit Bismarck, der – ebenso genialer wie zynischer Machtmensch, der er war – die Sozialversicherung „erfunden“ hat, um den damals im Aufwind befindlichen Sozialisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Schon Friedrich II. („der Große“) hatte klare Vorstellungen von der Beglückung seiner Untertanen – z. B. mittels „Magazinpolitik“, Handelsbeschränkungen, um die eigene Produktion zu schützen (z. B. Seide), und Staatsmonopolen. Der Staat sollte der Fürsorger für seine Bürger, für ewig unmündige Kinder, sein.

Bereits damals regte sich allerdings Kritik an staatlicher Bevormundung und Handelshemmnissen: Graf Mirabeau nahm den Autarkiegedanken unter Beschuss: Der Wohlfahrtsstaat „…macht weder reich noch glücklich (…) bringt um den Vorteil der internationalen Arbeitsteilung…“. Und weiter, als ob die Zustände im europäischen Immigrantenstadel der Gegenwart beschrieben würden: „…durch königliche Geschenke angelockt, [sei] Gesindel hingewandert, das nicht die geringste Arbeitslust mitgebracht habe“(!) „Der König müsse nicht schenken, er müsse nur frei erwerben lassen“. Mirabeau fordert völlige Gewerbefreiheit und „Genußfreiheit“ (z. B. für das „unnötige Luxusprodukt“ Kaffee).

J. Wolfgang v. Goethe, Beamter und Minister: „Kehre jeder vor seiner eigenen Tür … Das Glück des Ganzen – eine „bewegliche Ordnung“ – ergibt sich so als Ergebnis spontanen individuellen Handelns“.

Friedrich Schiller formuliert einesystematische Kritik des gängelnden Staates in seinen „Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen“ als „Sparta vs. Athen“. (Wohlfahrts-)Staat vernichte die Moral. „Zur moralischen Schönheit der Handlungen ist die Freiheit des Willens die erste Bedingung, und diese Freiheit ist dahin, sobald man moralische Tugend durch gesetzliche Strafen erzwingen will."

Wilhelm von Humboldt spricht vom „… passiven Leben des genährten Sklaven“ Persönlichkeit ist für ihn wichtiger als ein komfortables Leben. Nicht auf fremde Hilfe verlassen – das stumpft ab, macht passiv, untüchtig, verhindert Erfahrungen – und es erzieht zu asozialem Verhalten: Er lehnt, wie Adam Smith, beamtete Erzieher ab. Der Staat soll nicht Unternehmer sein. Einziger Staatszweck sei dieProduktion vonSicherheit nach innen und außen.

Immanuel Kant sieht die menschlicheWürde davon abhängig, seine Ziele selbst definieren zu können: „… dem Leben durch Handlungen einen Wert zu geben.“ Menschen als unmündige Kinder zu halten, sei dagegen „… der größte denkbare Despotismus“.

Eine Fundamentalkritik von Lysander Spooner (1808-1887, US-Sklavereigegner und Anarchist), die über den wohlfahrtstaatlichen Gedanken hinausgreift und sich mit dem Prinzip der politischen Vertretung durch Abgeordnete kritisch auseinandersetzt [aus dem Aufsatz „No Treason“ ]: „Wenn ein Mensch mein Diener, Agent oder Anwalt ist, bin ich im Rahmen der ihm von mir übertragenen Vollmacht notwendigerweise verantwortlich für alle seine Handlungen. Wenn ich ihm, als meinem Agenten, entweder absolute oder irgendeine Macht über Personen oder Besitztümer anderer Menschen als mir selbst übertragen habe, bin ich dadurch notwendigerweise gegenüber diesen Personen verantwortlich für jeden Schaden, den er ihnen zugefügt hat, solange er innerhalb des Rahmens der Machtbefugnis wirkt, die ich ihm gewährt habe. Kein Individuum jedoch, das in seiner Person oder seinem Eigentum durch Handlungen des Kongresses geschädigt worden sein mag, kann sich an die individuellen Wähler wenden und sie für diese Handlungen ihrer so genannten Agenten oder Repräsentanten zur Verantwortung ziehen. Diese Tatsache beweist, dass diese anmaßenden Agenten des Volkes – von uns allen – in Wirklichkeit die Agenten von Niemandem sind.“

Die neoliberale Kritik des 20. Jahrhunderts richtet sich primär gegen das Setzen falscher Anreize durch den Wohlfahrtsstaat. Statt Eigentum zu schaffen und die Produktion zu steigern, wird zum Neid angestachelt und eine wohlstandsvernichtende Umverteilung – Kapitalverzehr – gefordert und befördert (Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke).

Abseits der funktionalistischen Kritik, die auf die reduzierte Effizienz des Systems zielt, ist der Wohlfahrtsstaat aber vor allem deshalb zu kritisieren, weil er den frei geborenen Menschen daran hindert, seiner Vorstellung gemäß nach Glück zu streben. Stattdessen wird der Mensch – wie der Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz feststellt – „verhausschweint“ und den Fährnissen einer wandelbaren Sozialpolitik unterworfen. Der Verlust der Freiheit ist die logische und unvermeidliche Folge.

Auch wenn die Sozialisten in allen Parteien es – ganz besonders vor Wahlen – nicht wahrhaben wollen: Auch dem Staat ist es nicht auf unbegrenzte Zeit möglich, immer höhere Schuldenberge aufzutürmen, ohne die Gesellschaft zu zerstören. Margaret Thatcher stellte einst hellsichtig fest: „Das Problem mit dem Sozialismus ist, dass ihm früher oder später das Geld fremder Leute ausgeht.“

Wir sind so weit. Es ist daher an der Zeit für etwas Neues! Dieses Neue wird auf dem Boden der bestehenden (Un-)Ordnung allerdings nicht zu errichten sein…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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