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Italien 2012: Ein naher Nachbar wirkt seltsam fern

Ein paar italienische Tage im Krisensommer 2012 zeigen ein verändertes Land – mit den selben alten Eigenschaften. Einige kurze Impressionen.

Noch im Vorjahr sind die angeblich oder wirklich kriminellen beziehungsweise erotischen Eskapaden von Silvio Berlusconi scheinbar das einzige Problem des Landes gewesen, wenn man den dortigen Zeitungen glauben durfte. Heute ist alles anders – obwohl die Schuldenquote des Landes nicht höher ist, als sie es schon vor zwei Jahrzehnten war. Aber heute ist im Zug der europäischen Krise das Vertrauen weg. Und dann wird aus dem Normalzustand plötzlich Panik.

Die Medien überbieten sich derzeit täglich mit neuen Schreckensmeldungen. Wie hoch ist heute der „Spread“? Können die Schulen im Herbst noch geöffnet werden? Vorzeitige Neuwahlen? Geht Sizilien als erstes bankrott, für das nicht einmal mehr Ratings erstellt werden? Dann findet sich aber doch wieder eine altvertraute Meldung, die freilich auch viel über die Ursachen der Krise sagt: Die Eisenbahnergewerkschaften streiken.

Wenn man die Stimmung der Menschen zusammenfasst: Depressiv, aber gefasst. Man bekommt in einst überfüllten Lokalen leicht einen Platz. Die extrem hohen Benzinpreise machen klar, warum alle grenznahen Autofahrer in Österreich noch volltanken. Und noch anschaulicher sind die Angebote der Banken: Diese werben groß mit vier Prozent Zinsen, die sie für einjährig gebundenes Geld zu zahlen bereit sind. In Österreich bekommt man nur die Hälfte.

Der Tourismus scheint im Gegensatz zu Griechenland noch halbwegs zu halten, hat es doch in Italien keinerlei ausländerfeindliche Signale gegeben. Bisweilen wird einem sogar mit vielen Dankesworten die Hand gedrückt, weil es als Zeichen der Solidarität aufgefasst wird, dass man auch in Zeiten wie diesen ins Land kommt.

Durch eine in ganz anderem Zusammenhang stehende Maßnahme ist Italien freilich gerade dabei, Touristen zu vertreiben: In vielen Städten wurde nämlich in jüngster Zeit ein Einfahrverbot für „nichtautorisierte“ Fahrzeuge verhängt. Das ist so großflächig angesetzt worden, dass man es keineswegs mit innerstädtischen Fußgängerzonen vergleichen darf. Dadurch werden Besuche vieler schöner Städte des Landes unmöglich oder kräftig erschwert.

Alles ist noch dazu mit totaler Verwirrung und Unklarheit umgeben, ohne dass es irgendeine Hilfe für ortsunkundige Autofahrer gäbe. Sämtliche Stadtpläne, GPS-Hilfen und Wegweiser führen zu Parkplätzen innerhalb dieser verbotenen Zone, wo dann aber ausdrücklich steht, dass man hier nicht parken darf. Erkundigungen, wie man sich da eigentlich als Ausländer richtig verhalten soll, führen zwar zu etlichen langen Gesprächen mit netten Informationsbeamten. Klarheit erhält man aber keine, außer dass man am besten einige Tage vorher anrufen hätte sollen, um registriert zu werden. Zugleich hat sich jede Stadt ein anderes System der Fahrrestriktionen zurechtgelegt. Es gibt nur eine einzige Gemeinsamkeit: totale Unklarheit. Das alles ist mit Sicherheit geeignet, Städtetouristen zu vertreiben – obwohl die eigentlich die bestzahlende Klientel eines Touristenlandes sind.

Die Italiener haben damit wieder einmal ihren Hang zu überbürokratischem und überschießendem Aktionismus demonstriert, der nur zweierlei bewirkt: Chaos und zusätzliche Beschäftigung für viele Beamte, die zu dessen Administration nötig sind.

Freilich ist durchaus möglich, dass auch dieses Fahrverbotssystem nur selektiv ernstgenommen wird, so wie viele andere italienische Regelungen. Denn man bekommt sogar schon komplizierte Tipps, wie man sich an den elektronischen Kontrollen des Fahrverbots vorbeischwindeln kann.

Nicht ernst genommen werden von den italienischen Behörden jedenfalls auch Schengen und alle sonstigen Zuwanderungsrestriktionen Richtung Europa. Noch nie jedenfalls waren – alle besuchten – italienischen Städte so voller Schwarzafrikaner. In großer Zahl trifft man sie in jeder Innenstadt. Sie sind gut gekleidet, aber bis auf einige Schwarzmarkt- und Bettel-Aktivitäten nie in irgendeinen Arbeitsprozess involviert.

Italienische Grandezza mit ihrem Hang, jedes Problem erst dann zur Kenntnis zu nehmen, wenn es zur großen Katastrophe ausgewachsen ist, zusammen mit katholischem Gutmenschentum und linkem Hass auf die Gesellschaft: Mit diesen drei Faktoren hat man wohl am besten die Ursachen der italienischen Probleme angesprochen – gleichgültig, ob es um die Staatsfinanzen oder die illegale Immigration geht.

Und so liebenswert die Italiener auch sind, so ist doch klar: Irgendwann werden ihre Probleme dann immer auch die unseren.

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