Wer die Mär von der Frau als Opfer weitererzählt, ist kein Feminist

Autor: Christian Klepej

Nicht Messer, sondern Menschen töten

Autor: Andreas Tögel

Und wieder eine Print-Zeitung weniger ...

Autor: Günter Frühwirth

Die europäische Systemtransformation

Autor: Josef Stargl

Freiheit stirbt oft scheibchenweise

Autor: Elisabeth Weiß

Über alte und neue Rattenfänger

Autor: Leo Dorner

Gendern: Ideologie und Gehirnwäsche

Autor: Heinrich Benz

Warum die Österreicher wie Idioten dastehen

Autor: Gerhard Kirchner

Leerstandsabgabe – die schwarze Vermögenssteuer?

Autor: Wilfried Grießer

Das blödeste Wort der Menschheit

Autor: Willi Sauberer

Alle Gastkommentare

Die roten Meinungsmacher (29): Als die Bilder laufen lernten: Die neue Freiheit im Kabelnetz

Während die Liberalisierung des Hörfunkmarkts Mitte der 90er Jahre schleppend voranschreitet, herrscht im Fernsehbereich zu dieser Zeit Stillstand, zumindest fast. Denn am 7. Juli 1993 beschließt der Nationalrat nicht nur das verpfuschte Regionalradiogesetz, sondern ändert auch das Rundfunkgesetz.

Diese kleine Änderung betrifft die heimischen Kabelbetreiber. Ihnen war bisher strengstens untersagt, „aktiven“ Kabelrundfunk zu betreiben, das heißt selbst Programme zu produzieren und auszustrahlen. Das dürfen sie zwar auch weiterhin nicht, aber immerhin können sie nun Textnachrichten und Standbilder über ihre Netze verbreiten. Geld dürfen sie damit aber nicht verdienen, Werbung ist ihnen nämlich strikt untersagt. Dafür dürfen die Texte, schließlich ist man ja „großzügig“, mit Musik unterlegt werden.

Die Kabelbetreiber nutzen jedenfalls die ihnen gewährte neue kleine „Freiheit“. So kündigt etwa Telekabel-Geschäftsführerin Alfreda Bergmann-Fiala kurz darauf ein neues „privates Fernsehprogramm aus Wien“[i] an, mit dem Zusatz, „wenngleich nur mit bescheidener Grafik und Text". Mit solchen „Konkurrenten“ am TV-Markt können selbst SPÖ und ORF leben.

Wie viele Bilder pro Sekunde dürfen stehen?

Doch nicht alle sind so brav und gesetzestreu wie Frau Bergman-Fiala. So wie beim Hörfunk, ist es auch beim Fernsehen ein Kärntner, der sich schon sehr früh gegen das staatliche Diktat auflehnt. Bereits 1991 startet Josef Schabernig, Elektrohändler und lokaler Kabelnetzbetreiber in Friesach seinen Sender mit dem deftigen Namen FKK (Friesacher Kabelkanal), freilich komplett illegal. „Er wurde von der Behörde mit Anzeigen eingedeckt und 1994 wurde seine Anlage von der Post plombiert, was ihn an der weiteren Ausstrahlung seines Lokalprogramms hindern sollte.“[ii]

Wie bereits der Kärntner Radiopionier Willi Weber geht Schabernig ins Rundfunkexil. Damit die Fernmeldebehörde nichts gegen ihn unternehmen kann, verlegt er kurzfristig seinen Sendstandort nach Italien.

[iii]

Wie Josef Schabernig reagieren im Laufe der Jahre immer mehr Kabelbetreiber und Privatfernsehpioniere auf die repressiven Rundfunkgesetze, die Unterdrückung und die Verfolgung – mit Widerstandsgeist und viel Kreativität.

So interpretieren einige von ihnen, was denn eigentlich ein Standbild sei, äußerst großzügig. Schließlich können Standbilder sehr schnell hintereinander gezeigt werden. „Der Übergang vom Standbild zum bewegten Bild war dann sehr fließend“.[iv]

Die widerspenstigen Lokalfernsehmacher setzten auf den sogenannten Stroboskopeffekt. Mit einem Videoeffektgerät wurde der Film in Einzelbilder zerlegt, danach wurden rund fünf „Standbilder" pro Sekunde gesendet. Das ergibt zwar noch keinen echten Film, aber die etwas abgehackten Bewegungen können bereits als solche wahrgenommen werden. Sozusagen Daumenkino im Kabelfernsehen. Und damit die gestrenge Fernmeldebehörde nicht auf dumme Gedanken kommt, blendet man noch zusätzlich den Hinweis ein: „5 Standbilder pro Sekunde.“[v]

Die Standbilder unterlegt man auch noch mit Sprache, was zwar verboten ist, schließlich erlaubt das Gesetz nur Musik, doch um sich nicht vollkommen lächerlich zu machen, drückt auf Weisung des damaligen Verkehrsministers Viktor Klima die Fernmeldebehörde ein Auge zu.[vi] Denn im Nachbarland Deutschland senden zu dieser Zeit bereits seit rund zehn Jahren ganz legal Privatsender und auch in den noch bis vor kurzen kommunistischen Ländern Osteuropas gehen überall private TV-Stationen auf Sendung.[vii]

Gegen rote Blockaden hilft nur der VfGH

Doch mit solchen Minimalzugeständnissen wollen sich die Kabelbetreiber nicht abspeisen lassen. Sie wollen, so wie mittlerweile überall in Europa, endlich richtiges Lokalfernsehen machen, ganz legal und ohne Tricksereien. FKK-Betreiber Josef Schabernig und acht Kabelnetzbetreiber[viii] aus der Steiermark ziehen deshalb vor den Verfassungsgerichtshof.

Und einmal mehr werden die Richter, aufgrund der Untätigkeit und des Unwillens der Politik, zu den eigentlichen Gestaltern der heimischen Rundfunklandschaft. Am 27.9.1995 stellt der VfGH fest, „dass die Beschränkungen in der RVO der EMRK (Artikel 10 Absatz 1) widersprechen und deshalb verfassungswidrig sind.“[ix]

Die Verfassungsrichter geben der Politik bis 31.7. 1996, also rund neun Monate Zeit, das Gesetz verfassungskonform zu reparieren. Tut sie dies nicht, können die Kabelbetreiber ab 1.8.1996 legal echtes TV-Programm mit bewegten Bildern produzieren und ausstrahlen. Jene neun Kabelbetreiber, die die Klage beim VFGH eingebracht haben, können aufgrund einer gesetzlichen Regelung, die besagt, „dass der erfolgreich gegen ein Verfassungsgesetz Klagende unverzüglich die Vorteile von dessen Aussetzung wahrnehmen darf,“[x] bereits mit 27.9.1995 legal senden. Die Zeitschrift TV-Media teilt die heimischen Privat-TV Macher Anfang 1996 in vier Gruppen ein:

  • „Die Legalen: Jene die geklagt haben. Neben Friesach ist Privat-TV in folgenden Netzen erlaubt: Voitsberg, Eisenerz, Hausmannstätten, Feldbach, Knittelfeld, Kalsdorf, Fürstenfeld und Graz.
  • Die Halblegalen: Sie senden rasant geschnittene Standbilder, was nicht ausdrücklich verboten ist – eine typisch österreichische kabarettreife Lösung. Ein dazu passendes ‚Radioprogramm‘ erklärt die Bilder – was zwar gegen geltende Gesetze verstößt, von Verkehrsminister Klima aber per Weisung erlaubt wurde. Der Übergang zum normalen TV-Bild ist fließend.
  • Die Illegalen: Immer von der zwangsweisen Abschaltung und Beschlagnahmung durch die Post bedroht, senden sie munter drauf los. Ihr Vorteil: Bei der allgemeinen Legalisierung ab 1. August haben sie bereits TV-Erfahrung.
  • Die Bastler: Viele üben derzeit den Schritt in die televisionäre Zukunft noch. Vorerst gibt es (legale) Teletext-Informationen mit dazu passenden Fotos, unterbrochen von schnell wechselnden Standbildern“[xi].

Privatfernsehen kommt schleichend in das Kabelnetz

Angesichts der Untätigkeit und Ignoranz der Medienpolitiker, gehen – Verbote hin oder her – in den folgenden Monaten immer mehr Kabelbetreiber mit eigenen Programmen und mit echten Bewegtbildern auf Sendung. Die Zeitschrift TV-Media berichtet im Frühsommer 1996: „Sensationell: Zwar ist Privat-TV bei uns verboten. Doch TV-Media fand 21 Pioniere, die trotzdem senden.“[xii]

Zu diesen Sendern, die das Verbot einfach ignorieren, gehört pikanterweise auch RTV, der sein Programm in der Südstadt in Niederösterreich verbreitet. RTV gehört nämlich mehrheitlich dem Österreichischen Gewerkschaftsbund. Die ÖGB-Druckerei Elbemühl hält 50 Prozent an dem Sender. Angesichts solcher Zustände gibt ein verzweifelter Beamter des Verkehrsministeriums in TV-Media zu Protokoll: „Ich habe den Verdacht, da scheißt sich keiner mehr was um die gültigen Verbote.“[xiii]

Auch mit dem Werbeverbot nehmen es die Privatfernsehpioniere nicht ganz so genau, man sendet einfach „bezahlte Produktinformationen“.

Und obwohl die Verfassungsrichter SPÖ und ÖVP einen klaren Auftrag erteilt haben, lassen diese die Frist ungenützt verstreichen. Der Medienrechtler Heimo Czepl erklärt dieses Nichthandeln mit Konzeptlosigkeit: „Als sehr bedenklich erscheint mir jedoch, dass knapp sechs Monate vor Ablauf der Frist seitens der politischen Parteien überhaupt kein konkretes Konzept für die Ausgestaltung eines privaten Rundfunksystems besteht.“[xiv]

Jedenfalls dürfen ab 1.8.1996, zumindest in den Kabelnetzen, private österreichische Fernsehprogramme verbreitet werden. Einmal mehr hat nicht die Politik bzw. die SPÖ, sondern ein Gericht für ein weiteres kleines Stück Rundfunk-, Presse- und Meinungsfreiheit gesorgt. Der Verfassungsgerichtshof „erweist sich auch diesmal als Zentralanstalt für Medienpolitik.“[xv]

Daran ändert sich auch in den folgenden Monaten und Jahren nichts. Im Oktober hebt der VfGH, nach entsprechenden Klagen unzufriedener Programmmacher, auch das Werbeverbot im Kabel-TV auf.

(Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs.)

Endnoten

[i] Austria Presse Agentur. 1.2.1994.

[ii] Loidl. 1999. Seite 52.

[iii] WirtschaftsWoche. Nr. 49. 2.12.1993.

[iv] Loidl. 1999. Seite 48.

[v] Loidl. 1999. Seite 49.

[vi] Siehe TV Media. 3/1996. Seite 12.

[vii] 1993 senden bereits in Litauen, Tschechien, Estland, Polen und Rumänien private TV-Stationen

[viii] Voitsberg, Eisenerz, Hausmannstätten, Feldbach, Knittelfeld, Kalsdorf, Fürstenfeld, Graz.

[ix] Draxl. 2003. Seite 43.

[x] Kraiger. 1999. Seite 88.

[xi] TV Media 3/1996 Seite 12.

[xii] TV Media. 19/96. Seite 26f.

[xiii] TV Media. 19/96. Seite 26.

[xiv] Czepl zitiert nach Draxl. 2003. Seite 44.

[xv] Fidler. 2004. Seite 293.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung