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Ein Staatssender auf Herbergssuche

Dem Bürger kann es ja an sich reichlich egal sein, wo der ORF sein Programm macht. Ihm wäre es nur wichtig, wenn es endlich wieder besser und ausgewogener würde. Dennoch geht ihn die Kontroverse über eine eventuelle Übersiedlung mehr an, als er denkt.

Denn die zur Diskussion stehende Übersiedlung des ORF in das von der Gemeinde Wien geplante Medienquartier im Stadtteil St. Marx ist in Wahrheit eine hochpolitische Angelegenheit. Die Tatsache, dass die Wiener SPÖ diese Übersiedlung schon in ihrem Wahlprogramm 2010 angekündigt hat, muss jedenfalls extrem skeptisch machen. Hier springt eine sich allmächtig dünkende Partei mit dem angeblich unabhängigen Rundfunk wie ein privatrechtlicher Eigentümer um. Das sieht und hört man zwar auch fast täglich im Programm, das soll nun aber auch durch eine folgenreiche Übersiedlungs-Entscheidung sichtbar einzementiert werden.

Dieses neue Medienquartier hat sich ja bisher als ziemlicher Flop erwiesen. Lediglich die seit einiger Zeit wieder unter totale Staatskontrolle geratene „Wiener Zeitung“ hat gehorsam die teure Übersiedlung dorthin beschlossen. Und ein kleiner Privatsender ist gefolgt. Im ORF tut sich Parteisoldat Alexander Wrabetz mit einem ähnlichen Plan überraschend schwer, obwohl er prinzipiell gehorsam sein will. Denn die Rathausgewaltigen haben nicht mit dem großen Strukturkonservativismus der dominant linken Belegschaft in eigenen Angelegenheiten gerechnet. Hilft doch diese Belegschaft der SPÖ sonst immer zu bequemen Mehrheitsentscheidungen.

Noch viel mehr überraschend ist, dass auch die Bundes-SPÖ mit einer Unterstützung für das Rathaus zu zögern scheint, wie zumindest mehrere Quellen kolportieren. Das kann man einerseits bloß als weiteres Element der sich in vielen Feldern zeigenden Entscheidungsunwilligkeit und -unfähigkeit des Werner Faymann sehen. Darin könnte man aber auch umgekehrt ein überraschendes Signal der Vernunft erkennen: Denn zumindest die Kronenzeitung, die ja seit dem Tod des alten Eigentümers zu einer bloßen Parteizeitung mutiert ist, berichtet von der Sorge der SPÖ-Zentrale, dass so wie beim Megaflop am Flughafen bei Großprojekten am Ende immer gewaltige Kostenüberschreitungen zu bilanzieren seien.

Sollte diese Haltung wirklich die der SPÖ sein und auch konsequent verfochten werden, dann muss man erstaunt den Hut ziehen. Und man darf sich freuen, dass selbst die Bundes-SPÖ bisweilen doch lernfähig ist und sich nicht mehr nur als Befehlsempfänger der mächtigen Rathaus-SPÖ versteht. Nach allen Regeln der Vernunft darf eine Absiedlung angesichts der leeren ORF-Kassen nur dann stattfinden, wenn das Wiener Rathaus wirklich alle finanziellen Risiken selbst übernimmt. Zum Beispiel mit Hilfe der Gelder aus seinen Reptilienfonds zur Bestechung der Zeitungen. Sonst würde ja wieder einmal der Steuer- oder der Gebührenzahler das blöde Opfer linker Großmannssucht.

Zwar scheint die Einschätzung richtig, dass die gegenwärtige Aufsplitterung des ORF auf drei Standorte und vor allem die sehr abseitige Lage des Küniglbergs für effiziente Abläufe alles andere als ideal sind. Aber dieser Aspekt sollte in Zeiten wie diesen ganz eindeutig hinter der Sparsamkeit zurücktreten. Und vor allem: Diese Standortprobleme sind solche der ORF-Mitarbeiter und gehen die Wiener SPÖ einen feuchten Dreck an.

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