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Die Wort-Täter und die Tat-Täter

Bisher war man das eher von Fellner-Hefteln gewohnt: Ein Reporter schleicht sich irgendwo bei einem Feindobjekt unter falscher Identität ein und kolportiert dann irgendein Zitat, das den Feind blamieren soll. In der seit Tagen anhaltenden linken Aufregung um den FPÖ-Chef H.C.Strache hat sich nun die angebliche Qualitätszeitung „Standard“ dieser Methode bedient.

Ein Mitarbeiter dieser Zeitung – der sich beim Ball nicht als solcher zu erkennen gegeben hat – schreibt, dass Strache zu ihm gesagt habe: "Das war wie die Reichskristallnacht" und "Wir sind die neuen Juden."

Diese Sätze werden zwar von Strache dementiert, sind aber seither das zentrale Thema der Republik. Was aus mehreren Gründen absurd ist.

Denn selbst wenn Strache alles so gesagt haben sollte, gibt es rund um den Ball Wichtigeres zu diskutieren. Denn immer noch sollten Taten tausend Mal wichtiger als Worte sein. Und rund um diesen Ball gab es unbestritten eine ganze Reihe von Gewaltakten: von linken Demonstranten (samt aus Deutschland importierten Anarchochaoten) haufenweise gegen Ballbesucher. Von einem rechten Einzelgänger besonders brutal gegen einen SPÖ-Politiker. Ein ordentlicher Rechtsstaat dürfte und müsste vor allem diese - natürlich nur "mutmaßlichen" - Exzesse diskutieren. Denn es ist ein schlimmes Zeichen, dass ein Ballbesuch in Wien heute gefährlicher als der Besuch eines Rapid-Spieles geworden ist.

Kann es wahr sein, dass die Polizei nicht imstande ist, ein solches Ereignis ordentlich zu sichern? Sind Gewalttaten immunisiert, wenn grüne und rote Organisationen zur Aktion rufen? Wird die BSA-geleitete Staatsanwaltschaft auch nur gegen einen der 21 von der Polizei kurzfristig festgenommenen und angezeigten Gewalttäter ein Strafverfahren einleiten?

Die Aufregung ist auch noch aus einem weiteren Grund absurd: nämlich in Hinblick auf die Medien-Ethik. Wir leben in einer Zeit, da praktisch alle Interviews erst nach offizieller Freigabe durch den Interviewten gedruckt werden. Wir leben in einer Zeit, da Europas Medien unter dem Schock der britischen Affären um illegal abgehörte Prominente stehen, die in England zu vielen Strafverfahren und der Schließung einer Zeitung mit Großauflage geführt haben. Österreichs linke Medienwelt erregt sich hingegen über im Trubel eines Balles gefallene private Worte, für die es keinen unbeteiligten Zeugen gibt und die vom angeblichen Wortspender dementiert werden (auch wenn nach den gewalttätigen Begleiterscheinungen des Balles eine subjektive Erregung samt verbalem Kontrollverlust gewiss vorstellbar ist).Und sie diskutiert nichtdie „Standard"-Methoden.

Den Schwarzen und Orangen fehlen wieder einmal die richtigen Worte. Offenbar glauben sie, dass man sich mit der eigentlich fälligen scharfen Verurteilung politischer Gewalt in den Straßen Wiens zu einem Sympathisanten einer schlagenden Burschenschaft oder der FPÖ machen würde.

Geradezu abenteuerlich sind die wirren Verschwörungstheorien einiger linker Medien: Strache würde bewusst Sager an eine neonazistische Wählerschaft richten, um diese durch einen solcherart ausgelösten Wirbel näher an sich zu binden. Glaubt jemand im Ernst, mit Erinnerungen an die Reichskristallnacht seien heute auch nur ein paar Dutzend Wählerstimmen noch zu bewegen? Warum soll überhaupt ein Sager, in dem jenes Pogrom und die Judenverfolgung eindeutig als etwas Übles angesprochen werden, irgendwelche Neonazis für Strache einnehmen können? Glaubt jemand im Ernst, dass man ein solches Wähler-Signal ausgerechnet in einem vermeintlichen Privatgespräch absetzen würde? Für so dumm kann man nicht einmal Strache halten. Außer man ist selbst noch dümmer.

Eine kleine Absurdität ist auch die Neben-Aufregung um das Datum des Balls. Sein zweifellos zufälliges Zusammenfallen mit der Befreiung des Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz hat eine regionale SPÖ-Organisation keineswegs gehindert, am gleichen Tag ebenfalls einen Ball zu veranstalten. Und natürlich regt sich darüber niemand auf. Denn bis heuer hat ja auch kein Mensch ein Ball- oder Tanzverbot an jenem Tag gefordert. Balltermine als Provokation zu verstehen, scheint ohnedies eine Eigenart primär der SPÖ zu sein: Sie legt nämlich selbst viele ihrer Faschingsveranstaltungen mit demonstrativer Vorliebe in die Fastenzeit. Sie wollte damit die Kirche provozieren, die gegen Tanzveranstaltungen in jener Zeit ist. Der Schelm denkt halt, wie er ist.

Eigenartig einseitig ist die Aufregung über die kolportierten Strache-Sager auch dann, wenn man sich nur auf die verbalen Ausrutscher beschränken will. Gewiss ist oder wäre es unpassend und geschmacklos, die linken Gewalttaten gegen Ballbesucher mit den Massenmorden der Nazis an den Juden irgendwie gleichzusetzen. Aber ebenso übel sind auch die Sprüche der linken Demonstranten gewesen: „Gegen Demokratie“, „Bis die Scheisse aufhört. Gegen Staat, Nation und Kapitalismus“. Und Dutzende ähnliche Slogans mehr. Weder Rot-Grün noch jene christlichen Organisationen, die ebenfalls zu den Demonstrationen aufgerufen hatten, haben es bisher für wert gefunden, sich davon zu distanzieren. Wer hat doch schnell den Satz vom Balken im eigenen und dem Splitter im anderen Auge gesagt?

Absurd ist weiters die Reaktion des Bundespräsidenten: Er storniert wegen jener angeblichen Sätze die von der Regierung routinemäßig vorgeschlagene Ordensverleihung an Strache. Ganz abgesehen davon, wie unsinnig solche Orden für die bloße Dauer des Verweils im Parlament an sich auch sind: Es ist völlig unbegreiflich, dass Heinz Fischer auf Äußerungen aus einem dementierten Privatgespräch zweier anderer Personen reagiert. Die scheinbare Verkörperung der Staatsoffizialität lässt sich neuerdings von unseriöser Gossenmedialität beeinflussen.

Unehrlich ist auch die angebliche Angst vor irgendwelchen braunen Restbeständen, die es bei dem einen oder anderen pubertären Dummkopf zweifellos gibt. Will man die wirklich bekämpfen, dann sollte man nicht den Vertreter der wahrscheinlich schon von einer Mehrheit unterstützten Partei ständig zum Nazi stempeln. Das verharmlost nur jene verbrecherische Zeit und macht für die Jungen den Nationalsozialismus attraktiv.

Statt dessen sollte man ihnen Hand in Hand mit den Freiheitlichen sagen, wie übel es ist, wenn die Demokratie abgeschafft wird, wenn Kriegshetze betrieben wird, wenn andere Staaten angegriffen werden, wenn der Rechtsstaat ausgehebelt wird, wenn Juden oder andere Gruppen verfolgt werden, wenn die Meinungsfreiheit abgeschafft wird, wenn Gewalt auf die Straßen getragen wird, wenn Völkermorde geleugnet werden, wenn ein Volk als den anderen überlegen dargestellt wird. Dabei wäre es zweifellos besonders lehrreich, wenn gerade jene Partei, in der sich (neben der Sozialdemokratie) besonders viele Kinder und Enkelkinder der Nationalsozialisten gesammelt haben, einbezogen wird.

Erst wenn Strache sich weigern sollte, dabei mitzumachen – wofür aber nichts spricht –, gäbe es einen wirklichen Grund, ihm Vorwürfe zu machen und ihn auszugrenzen. Man lädt ihn aber gar nicht zu einer solchen Kampagne ein, weil man in Wahrheit fürchtet, sich damit der scheinbar so bequemen Faschismuskeule gegen die FPÖ zu begeben.

Besonders absurd ist die anhaltende Aufregung aber schließlich auch deshalb, weil dadurch total von den wirklichen Schwachpunkten Straches abgelenkt wird: von seiner wirren Ahnungslosigkeit in Sachen Wirtschafts- und Europapolitik. Aber offenbar haben die linken Regisseure der nunmehrigen Strache-Aufregung gerade wegen dieses Themenbereichs selber die Hose voll. Sie fürchten, dass die Wähler über das bevorstehende Belastungs- und Sparpaket so entsetzt sein werden, dass sie dann in noch größeren Massen zu Strache strömen werden. Dass ihre Angst riesig ist, zeigt sich schon daran, wie lange Oberangsthase Faymann die ja schon für die Weihnachtsfeiertage angekündigte Enthüllung des Pakets bereits hinausgezögert hat.

Das Thema der blauen Ahnungslosigkeit wird aber nun durch die Aufregung um den angeblichen Juden-Sager Straches überdeckt.  Dieser Aufregung wird jedoch trotz der wackeren Bemühungen des Tribunale inszenierenden ORF  in Kürze die Luft ausgehen. Dann wird sich zeigen, dass sich die Koalition in einer schwierigen Stunde selbst eine taktisch entscheidende Chance genommen hat: nämlich klarzulegen, dass auch Strache keine funktionierenden UND schmerzfreien Auswege aus der Schuldenkrise anzubieten hat, sondern nur blöde Parolen gegen „Banken und Spekulanten“. Die eigentlich aus linksextremen Schubladen stammen könnten. Aber in denen will man ja selber kramen.

 

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