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Die Kinder und die Elefanten

Ich bin ja nun schon ein wenig aus dem Alter heraus, in dem Zirkus-Besuche zu den tollsten Höhepunkten des Lebens zählen. Daher erfüllt mich eines der jüngsten Urteile des Verfassungsgerichtshofs weniger mit nostalgischer Trauer als mit juristischem Unverständnis.

Der Gerichtshof hat nämlich das Verbot des Auftrittes von Elefanten und anderen Tieren verteidigt, obwohl er selbst zugeben musste, dass dies ein verfassungswidriger Eingriff in die Erwerbsrechte eines Zirkus-Unternehmers sei. Jedoch sei der Tierschutz heute ein „weithin anerkanntes und bedeutsames öffentliches Interesse“. Und daher sei der Eingriff doch gerechtfertigt.

Deutlicher kann man es gar nicht mehr zugeben, dass wir heute statt einer Orientierung an Gesetz und Verfassung eine Interessen-Judikatur haben. Damit kehrt jedoch ein völlig willkürlich und beliebig zu definierender Begriff in die Rechtsordnung ein, der auch von totalitären System immer wieder verwendet wird.

Denn wenn etwas wirklich ein „bedeutsames“ öffentliches Interesse wäre, dann gäbe es ohnedies immer die Möglichkeit, die Verfassung entsprechend zu ändern. Das wäre der viel saubere Weg als die Dekretierung eines solchen verfassungsrechtlichen Gummiausdrucks per Richterspruch. Denn dadurch wird in Wahrheit all das heimlich zu Recht, was Kronenzeitung und noch ein oder zwei andere Medien zum Inhalt von Kampagnen machen.

Dabei ist ja ohnedies schon schlimm genug, was der Einfluss der Krone schon an direkten Gesetzesänderungen erreicht hat (zumindest in jenen Zeiten, bevor die Zeitung zum verlängerten Arm des SPÖ-Vorsitzenden geworden ist): Das reicht vom absurden Wiener Baumschutzgesetz bis zur fast völligen Loslösung aller Zeitungs-Verkäufer von rechtlichen Regeln wie Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung. Die letztgenannte Lex Kronenzeitung wird absurder Weise heute fast nur noch von organisierten osteuropäischen Bettlerketten genutzt, die ihr Betteln als Zeitungsverkaufen tarnen, während den Zeitungen die Straßenkolportage schon längst viel zu teuer geworden ist.

Neben dieser grundlegenden Sorge um die Verfassungsordnung lässt einen aber auch das konkrete Thema Zirkus wundern. Denn zum Unterschied von Elefant&Co ist dort der Schutz von Kindern und deren Gesundheit ganz offensichtlich nicht öffentliches Interesse. Dürfen doch kindliche Akrobaten weiterhin auftreten – und Erwachsene, deren Knochen- und Gelenksgerüste nur deshalb so biegsam sind, weil sie schon im kindlichen Altern allen möglichen Torturen ausgesetzt gewesen sind.

In dieser Verfassungs-Logik wird man es demnächst wohl auch hinnehmen müssen, wenn irgendein öffentliches Interesse Indien&Co einen Wirtschaftskrieg erklärt, weil dort Elefanten ja weiterhin zu Tausenden dressiert oder als Arbeitssklaven gehalten werden.

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