Eine unbequeme Wahrheit – oder unbequeme Fußnoten

Die Welt geht unter. Und zwar ständig. Meine Welt ging das letzte Mal unter, als Thomas Muster endgültig seine Tenniskarriere beendet hat. Wir leben in einer Zeit, da wir nicht recht wissen, woran wir uns festhalten sollen. Gibt es einen Gott? Wird uns unser Wirtschaftssystem zu Grunde richten? Hab ich morgen noch einen Job? Aber Gott sei Dank gibt es noch unumstößliche Wahrheiten, an denen wir uns festklammern können.

Die Europäer spielen besser Fußball als der Rest der Welt. Eine Wurst hat immer zwei Enden. Die Erde erwärmt sich. Und wir Menschen sind daran schuld. Alle Wissenschaftler dieses Planeten sind sich einig. Diese Wahrheiten in Frage zu stellen, grenzt schon an Häresie, einen leisen Zweifel daran auszusprechen, ist ein Verbrechen gegen die ganze Menschheit.

Der berühmteste Prophet dieser klimatischen Wahrheiten ist der ehemalige US-Vize-Präsident Al Gore. Seine Lehren finden im modernen Zeitalter nicht nur Verbreitung in einem Buch, sondern im großartigen Genre des Dokumentarfilms. Er ist für „An Inconvenient Truth“ mit allen Ehren, die die Filmwelt zu verleihen vermag, ausgezeichnet worden und darüber hinaus sogar – und ich verbeiße mir jetzt jeden Kommentar darüber – mit dem Friedensnobelpreis.

Der damalige britische Umweltminister (später Außenminister) David Milliband war von den Bildern des zunehmend schneelosen Kilimanjaro so ergriffen, dass jedes Kind im Vereinigten Königreich zu Bildungszwecken in den Genuss von Al Gores Film kam. Der Film stützt sich über weite Strecken auf Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Wobei ich mir die ketzerische Frage stelle, ob ein Ausschuss zum Klimawandel eben solchen ausreichend in Frage zu stellen wagt. Schließlich hat Al Gore in jedem Fall recht, wenn er den amerikanischen Schriftsteller Upton Sinclair zitiert ,„Es ist schwer, jemanden dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn er dafür bezahlt wird, es nicht zu verstehen.“

Die Berichte des IPCC reflektieren jedenfalls die Meinung einer Mehrheit der Klimaexperten dieser Welt (wer immer das auch sein soll). Ein talentierter eloquenter Politiker bastelt daraus einen Dokumentarfilm. Andere Politiker finden den so toll, dass sie die Verbreitung dieses Films in ihren Ländern aktiv unterstützen. Lassen wir das einfach mal so stehen.

Auf die Klage des Vaters eines britischen Schulkindes hat ein Gericht „An Inconvenient Truth“ etwas genauer unter die Lupe genommen und mit den IPCC-Berichten verglichen. Der Richter fand neun unbequeme Fehler und Übertreibungen. Zum Beispiel prophezeit das IPCC beim vollständigen Abschmelzen der Polkappen und Grönlands einen Anstieg des Meeresspiegels um etwa sieben Meter. Für einen direkten Zugang zum Meer für Österreich wird das nicht ganz reichen, aber immerhin die Niederlande (15 Millionen Einwohner) stünden dann großteils unter Wasser.

Gore illustriert das mit einer hübschen Computeranimation und überzieht dicht besiedelte Küstengebiete auf der ganzen Welt mit einer gigantischen Flutwelle, untermalt mit Bildern vom Tsunami 2004 und New Orleans nach dem Hurricane. Er suggeriert (sagen wir aus dramaturgischen Gründen), dass dieses Szenario, dass sich laut IPCC über einige Jahrtausende hinziehen wird, unmittelbar bevorsteht. Damit sieht die ganze Welt einer Flüchtlingskatastrophe mit Millionen von Chinesen, Indern und New Yorkern ins Auge.

Besonders grauenvoll für die Psyche eines Zwölfjährigen ist auch die Vorstellung, dass die süßen kuscheligen Eisbärchen aus der Coca Cola Werbung massenweise ertrinken müssen, weil ihnen in der Arktis die Eisschollen ausgehen.

Al Gore wurde mittlerweile per Gerichtsbeschluss aus den britischen Klassenzimmern verbannt. Aber unabhängig von der Eisbärenpopulation (die sich so nebenbei bemerkt sehr positiv entwickelt) hat sich die von dunklen Mächten angezettelte Klimaerwärmung tief in unseren Glaubenskosmos eingegraben. Schließlich haben die weisen Herrschaften vom IPCC in den letzten Dekaden dafür mehr Beweise gesammelt als christliche Denker für die Existenz Gottes in 2000 Jahren.

Dieser zu Deutsch häufig Weltklimarat titulierte Ausschuss ist gespickt mit den renommiertesten Professoren der besten Universitäten unter der Sonne. (Ulkigerweise haben einige von ihnen in ebenso dramatischer Rhetorik in den 70er Jahren eine katastrophale Abkühlung des Weltklimas prophezeit. Aber was interessiert mich schon meine Meinung von gestern?) Ich bin kein Fan von Weltverschwörungstheorien, aber die Annahme, dass dieser Verein einen sehr großen Einfluss darauf hat, wohin Forschungsgelder fließen und welche Studien und Erkenntnisse in wissenschaftlichen Magazinen abgedruckt werden, ist wohl nicht komplett aus der Luft gegriffen. Ketzerische Gegenthesen finden jedenfalls nur schwer einen Weg an die Öffentlichkeit.

Hockeystick statt gründlicher Forschung

Den köstlichsten Lapsus haben sich die Glaubenshüter der Klimaerwärmung mit dem sagenannten Hockeystick-Diagramm geleistet. Dieses Klimadiagramm der letzten 1000 Jahre suggeriert eine konstante Temperatur (wie ein am Boden liegender Eishockeyschläger) bis ca. 1850, was zufällig der Beginn der Schwerindustrie im Zuge der Industriellen Revolution war, und die letzten 150 Jahre zeigt die Temperaturschaufel steil nach oben.

Für Al Gore und das IPCC war dieses Diagramm das absolute Totschlagargument, dass seit jenem furchtbaren Tag, an dem ein böser Kapitalist (getrieben von Menschenverachtung, Profitgier und Manchesterliberalismus) den ersten Hochofen angefeuert hat, unser kleiner blauer Planet durch unverantwortliche Menschenhand zerstört wird. Peinlicherweise hat sich ein pensionierter Geschäftsmann aus Kanada mit einem Faible für Mathematik die Mühe gemacht nachzurechnen. Die Herrn Klimaforscher sind einem statistischen Kunstgriff aufgesessen, mit dem findige Finanzmenschen Ende der 90er schwindelerregende Gewinnprognosen für die Internetfirmen aus dem Hut gezaubert haben. Das Ganze ist heute besser bekannt unter dem Namen Dotcom-Blase.

Im IPCC sind aber offenbar nicht nur vernünftige Mathematiker unterrepräsentiert, sondern auch Historiker. Die wüssten zum Beispiel zu berichten, dass Ende des 10. Jahrhunderts ein Wikinger namens Erik der Rote sich im heute von Packeis bedeckten Grönland niedergelassen hat und die Insel sicher nicht so genannt hat, weil er farbenblind war. Und dass sein Sohn Neufundland entdeckt hat und es Vinland (Weinland) nannte. Weinexporte aus Yorkshire, Nordengland, wie zu Zeiten des Römischen Reiches halten sich heute auch in Grenzen.

Heute landwirtschaftlich eher uninteressante Gegenden wie Sizilien und Tunesien waren damals die Kornkammer Roms. Und vor 6000 Jahren war die Sahara keine Wüste. Geologen könnten das IPCC auch bereichern, die darauf hinweisen, dass die Schiefe der Ekliptik, also die Schräglage der Erdachse, die im Jahresverlauf unterschiedliche Tages- und Nachtlängen verursacht und damit die Jahreszeiten bedingt, nicht konstant ist, was sich dementsprechend auf das Wetter auswirkt. Oder Astrophysiker, die die unterschiedliche Sonnenaktivität erforschen, was höchst wahrscheinlich einen größeren Einfluss auf das Klima hat als die SUVs auf unseren Straßen.

Aber egal. „The science is settled“ sagt Al Gore, Angela Merkel schaut in Island den Gletschern beim Schmelzen zu, es gibt Weltklimakonferenzen und -protokolle, Emissionszertifikate und Umweltschutzgeschwindigkeitsbeschränkungen auf der Autobahn. Die Politik hat unter dem Mäntelchen des Klimaschutzes eine herrliche Spielwiese mit schier unbegrenzten Möglichkeiten der Lenkung, Beschränkung und Regulierung gefunden.

Die Parteien prügeln sich darum wer grüner ist, die Schwarzen waren schon grün, bevor es die Grünen überhaupt gab, die Roten sind die grünsten von allen und die andern sind auch grün, vor allem hinter den Ohren. Bio-Fleisch ist grün, Papier ist grün, Edelstahl ist grün. Es hagelt Förderungen für Wärmedämmung und Subventionen für Solaranlagen, es grünt so grün wenn Verordnungen blühen. Grüne Industriezweige wachsen aus dem Boden, obwohl sie sich im freien Wettbewerb keinen Tag halten würden. Es wird an erneuerbaren Energien geforscht was das Zeug hält, ein Milliardengeschäft.

Und der wie immer wohlmeinende Papa Staat darf diesen Umverteilungsapparat liebevoll administrieren. Alle sind glücklich. Ach so. Das Ganze wird finanziert mit Steuergeld, hebt Energiekosten, senkt unseren Lebensstandard, vernichtet Arbeitsplätze. Aber das ist nicht so schlimm, wozu haben wir schließlich einen gut ausgebauten und solide finanzierten Sozialstaat.

Aber was, wenn wir die eurozentristische Nabelschau kurz vergessen und uns auf Regionen konzentrieren, wo man den Menschen nicht so einfach sagen kann, sie sollen auf ein bisschen Komfort und Reichtum verzichten zur Rettung der Welt. Schließlich müssen auch Entwicklungsländer ihren Beitrag leisten und auf die Ausbeutung billiger Energieressourcen verzichten. Wozu auch? Denen müssen das Klima und die Zukunft ihrer Kinder doch auch am Herzen liegen. Sollen die Massai doch weiter durch die Wüste joggen, wenn die alle ein Auto hätten, gäbe es noch mehr CO2 und ihre einzigartige Kultur ginge verloren. Kein Witz, solche Argumente habe ich schon öfter gehört.

Warum ist unser Leben in den Industrienationen eigentlich so bequem? Warum sind wir so reich? Warum haben wir in den letzten 250 Jahren ein Wachstum an Bevölkerung und Wohlstand erfahren wie kein anderer Kulturkreis in der Geschichte? Das revolutionäre an der Industriellen Revolution ist das Ersetzen von Muskelkraft von Mensch oder Vieh durch Maschinen, die wiederum angetrieben werden von Kohle oder Öl. Neunzig Prozent unserer Bevölkerung sind nicht mehr damit beschäftigt, händisch die Ernte einzubringen und am Spinnrad zu sitzen. Heute arbeiten noch vier Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, den Rest machen Maschinen, hier oder anderswo.

Und wir werden trotzdem satt. Und weil der Rest von uns nicht mehr selber Brot backt und Pullis strickt, konnten wir uns in den letzten 200 Jahren auf andere Dinge konzentrieren, die das Leben leichter machen. Krankheiten heilen, den Waschmaschinenvollautomat erfinden, Fußball schauen, Gendermainstreaming propagieren. Alles dank billiger Energie.

Den Entwicklungsländern verbieten, billige Energie zu nutzen um die Welt zu retten (the science is settled), bedeutet ihr wirtschaftliches Vorankommen zu hemmen, sie mutwillig in Armut dahinvegetieren zu lassen, ihnen Bürger- und Menschenrechte vorzuenthalten, für die die linkslastige Klimalobby sich so gerne aufpudelt. Ich frage mich, ob die selbsternannten Retter der Menschheit auch darüber nachdenken, wenn sie in ihren klimatisierten Räumen über Eisbärenbabys philosophieren.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz).

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