Die Redl-Papers(I): Eine halbe Milliarde veruntreut

Am 7. Juli 2017 hat Verteidigungsminister Doskozil den Ausstieg aus dem Eurofighter angekündigt. Am 13. Juli beendete der zweite parlamentarische Untersuchungsausschuss zu diesem Thema seine Arbeit. Grund genug, gerade jetzt die folgenden Texte zu veröffentlichen. Sie entstanden während des ersten Eurofighter-Ausschusses 2006/07 und stammen von einem Österreicher mit Heimat- und Verantwortungs-Bewusstsein und besten Verbindungen zum militärisch-ministeriellen Komplex. Darin spiegelt sich natürlich der Erkenntnis-Horizont von vor zehn Jahren – was aber eher ein Vorteil ist, denn dadurch ist historische Authentizität gegeben. Die Papers sind dem "Tagebuch" von dritter Seite zugespielt worden und werden an dieser Stelle in loser Folge veröffentlicht. Alles ist original, es wurde nichts hinzugefügt

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Wie sich schon in dieser ersten Folge zeigt, wurde bereits damals glasklar erkannt, was ganze zehn Jahre brauchte, um – ein Verdienst der Grünen und Freiheitlichen – auch offiziell festgestellt zu werden: dass der damalige Kanzler Gusenbauer und sein Paladin, Verteidigungsminister Darabos, eine halbe Milliarde Euro Steuergeld in die Luft geblasen haben, nur um ein windiges Wahlversprechen zu erfüllen. Das ist der wahre Skandal, und nicht Korruptionsvorwürfe, die nie bewiesen werden konnten.

Darabos fristet heute sein Leben im burgenländischen Ausgedinge, während sich der Kanzler mit der kürzesten Amtszeit der 2. Republik nicht mehr mit der Suderei seiner einfachen Parteigenossen abgeben muss, sondern zwischen Österreich, Chile und Kasachstan den großen Finanzmanager gibt und dabei seinen berühmten Weinkeller auffüllt. Beiden ist der Vorwurf einer schweren Untreue zu machen. Das Problem dabei ist, dass das nur in der Privatwirtschaft möglich ist, während, wenn es um staatliches Wirtschaften geht, jeder die Hände in der Unschuld seiner Wählerstimmen waschen kann. Ein Systemfehler?

Ab hier der Wortlaut des in Anklang an einen historischen Skandal "Redl-Papers" genannten Textes:

Der Kompromiss

Der 26. Juni 2007 wird für Österreich in mehrfacher Hinsicht zu einem historischen Tag werden. Als an diesem Tag Verteidigungsminister Norbert Darabos stolz mit einem neuen Eurofighter-Deal heimkam, hatte er nicht nur der Landesverteidigung schweren Schaden zugefügt, das Parlament umgangen, sein Ministerium brüskiert, den Koalitionspartner düpiert, sondern auch ein wesentliches Ideal, für das die Sozialdemokratie einmal stand, nämlich politische Offenheit im Zusammenspiel mit staatspolitischer Verantwortung, am Altar des Populismus geopfert. Die Vorgeschichte ist eine der leidigsten und peinlichsten Episoden in der Geschichte der Zweiten Republik.

Verlorene Wahlen. Verlorener Luftraum.

Obwohl sich die Bürger dieses Landes im Laufe von 50 Jahren zu extremen Neutralitätsbefürwortern entwickelt haben, zeigten sie im Gegensatz zu ihren schon 150 Jahre länger neutralen Schweizer Nachbarn nie einen besonderen Verteidigungswillen. Deshalb hätte man gar keine Meinungsforschung gebraucht, um zu wissen, dass eine klare Mehrheit gegen die Anschaffung von "Kampfflugzeugen", und überdies noch des Rolls Royce unter diesen sein würde.

Ein guter Grund, diesen Sachverhalt ohne jegliche Beachtung eines übergeordneten, überparteilichen Interesses für die Wahlkampfagenda 2006 zu nützen und eine Kampagne zu fahren, wie sie tiefer nicht mehr geht. Konnte man über Werbesprüche wie Sozialfighter statt Eurofighter noch lächeln, indem man sich Gusenbauer im Superman-Kostüm durch die Lüfte fliegend vorstellte, so verging einem beim Sujet Hier fliegt Ihre Pensions-Erhöhung endgültig das Lachen. Ein Ausspielen der nationalen Sicherheit gegen die Pensionen, zweier Werte, die einerseits überhaupt nichts miteinander zu tun haben, andererseits aber beide zu den tragenden Säulen dieses Staates gehören, ließ 50er- und 60er-Jahre-Wahlkampfmief schnuppern und beschwor das Niveau der (un)seligen "ÖVP-Tant'" wieder herauf.

Das Versagen einer Volks-Partei

So ziemlich einmalig ist auch, dass der große Kontrahent auf der Rechten stumm dasitzt und mit in den Schoß gelegten Händen zusieht, wie die anderen das große Zielschießen veranstalten – auf die eigenen Leistungen, die vollbracht zu haben, man eigentlich stolz verkünden müsste. Typisch dafür war ein Auftritt der VP-"Zukunftshoffnung" Josef Pröll im Rahmen der TV-Konfrontationen vor der Nationalratswahl 2006, als er nach schweren Vorwürfen seines linken Kontrahenten, der wieder einmal die Lufthoheit Österreichs gegen die Lufthoheit über den rot-grünen Stammtischen eingetauscht hatte, kein einziges Argument aufgreifen und beantworten konnte oder wollte. Dies entweder aufgrund mangelnden Kurzzeitgedächtnisses, da er zuvor kurz durch eine andere Frage abgelenkt worden war, oder weil es ihm einfach wurscht war – und die Gastgeberin leider auch nicht nachhakte.

Dabei wäre es so einfach gewesen, die Menschen ohne lange militärstrategische Erklärungen, völkerrechtliche Argumentationen oder patriotische Appelle auf seine Seite zu ziehen. Man hätte nur eine Anzeige schalten zu brauchen mit der Headline "Wollen Sie den Anschluss?" Und dann argumentieren, dass irgendjemand ja den Luftraum überwachen muss. Und wenn's nicht wir sind, dann sind's andere, Nachbarn offensichtlich, zum Beispiel die Deutschen. So wie die Slowenen jetzt im Westen von den Italienern und im Osten von den Ungarn überwacht werden (ein Satz mit einer verräterischen Doppeldeutigkeit). Das hätte jeder verstanden, und jeder hätte der Meinung zugestimmt, dass wir das nicht wollen – bei der Beliebtheit, die unsere deutschen Freunde hierzulande genießen, und eingedenk einer schlimmen gemeinsamen Geschichte.

Der Schluss aus dieser Geschichte: jener berühmte Satz eines finnischen Generals "Jedes Land hat eine Armee  entweder seine eigene oder eine fremde", trifft heute vor allem auf die Verhältnisse in der Luft zu. Und die Moral davon: Durch katastrophale Werbe- und Kommunikations-Arbeit kann heutzutage alles hingemacht werden.

Hochmut kommt vor dem Fall. Man kann Themen nicht einfach unbeantwortet lassen, darf sich für eine Argumentation nie zu gut sein. Wenn der politische Gegner in der Woche vor der Wahl jeden Tag eine noch provokantere (aber auch blödere) Anti-Eurofighter-Anzeige schaltet, dann müssen doch die Alarmglocken läuten. Auf einen derartigen overkill muss doch blitzartig reagiert werden.

"Sozialfighter statt Eurofighter" – da ist eine Antwort auf genau dem gleichen Niveau aufgelegt wie ein Elfmeter: Man zeigt etwa Gusenbauer, wie er bei einer teuren Weinprobe fightet. Mehr hätt's gar nicht gebraucht. Das ist zwar nicht die feine englische Art, aber mit der gewinnt man ohnedies keine Wahl, auch nicht in England. Stattdessen haben sie in der Wahlkampfzentrale der Volkspartei die Siegesparty für Sonntag vorbereitet. Unglaublich.

Ein Pyrrhus-Sieg und seine Folgen

Nun hatten die Sozialdemokraten ja nie ernsthaft damit gerechnet, sich im Finish des Wahlrennens an der Volkspartei vorbeischieben zu können. Aber wie's der Wähler so will, gerade dieses eine Wahlwochenende war das Fenster, das Window of opportunity, an dem die SPÖ punktuell hauchdünn vorne lag. Die vielen Wochen und Monate davor nicht und danach auch bald wieder nicht mehr. Im Grunde ganz schön blöd, denn nun musste man als stärkster im Lande und im künftigen Koalitions-Bunde mit welcher Partei auch immer darangehen, seine Wahlversprechen einzulösen. Und eins der Hauptversprechen betraf nun einmal die Flieger.

Jeder in diesem Land gebildete und ausgebildete Bürger weiß, dass im Geschäftsleben der Grundsatz pacta sunt servanda gilt, Verträge sind einzuhalten. Ich kann nicht einfach zu einem Schneider gehen, einen teuren Anzug bestellen, zu allen Anproben hinkommen, und ein paar Tage vor Lieferung sagen "Nein, eigentlich brauch ich den gar nicht, ich hab ja eh keine Gelegenheit, sowas Exklusives zu tragen, bescheiden wie ich bin, bleib ich doch lieber bei meinem Rupfensack." Der Schneider wird mir was pfeifen. Bleibt nur die Möglichkeit, dass ich den Schneider dazu überreden kann, die Sache zu verbilligen. Also statt wertvollen Hornknöpfen ein Glumpert aus Plastik zu nehmen.

Darabos war da ein sehr geschickter Verhandler, er holte mehr als nur Knöpfe heraus – nämlich sogar eine ganze Hose – ohne die er dann auch heimkam und sich vor die Journalisten hinstellte. Aus genauso unerfindlichen Gründen, wie jemand beschließt, unten ohne daherzuspazieren, hatte er – neben vielem anderen – die Nachtsichtgeräte abbestellt.

Kopfüber in die Nacht

Im Internet kann man Feldstecher, mit denen man im Dunkeln sieht, und die einem Jäger gute Dienste leisten, schon ab 250 Euro erstehen. Hier aber handelt es sich um die modernste Technologie, die es derzeit auf dem Gebiet der bildgebenden Erkennung in der Dunkelheit gibt. Um das Infrared-Search-and-Track-System "PIRATE". Im Gegensatz zum klassischen Radar, das lediglich abstrakte Punkte zur Darstellung bringt, die aufgrund von Reflexion auf den Schirm kommen, kann man damit tatsächlich mit eigenen Augen sehen.

Es ist ein so genanntes Forward Looking Infrared (FLIR), mit dem die Infrarotstrahlung in Richtung der Flugkörperachse wahrgenommen, ausgewertet und für den Piloten auf dem Bildschirm aufbereitet wird. Der Pilot kann damit auf eine Entfernung von etwa 30 Kilometern ein Flugzeug eben nicht nur erkennen, sondern sofort identifizieren. Und auch feststellen, welche Aufschriften es trägt und welche Außenwaffen. Entsprechend teuer sind diese technisch hochgerüsteten Geräte, rund vier Millionen Euro kostet eines davon, doch in Anbetracht dessen, was sie können – nein, kein Schnäppchen, sondern auf gut Österreichisch eine Mezzie.

Wobei man dazu sagen muss, dass das PIRATE schon bei der Beschaffung lediglich für zunächst acht Flugzeuge bestellt worden war. Der Grund: es musste für das ganze System unbedingt ein "Humanic-Preis" herauskommen, das heißt der Gesamtbetrag durfte nicht über zwei Milliarden Euro liegen, sondern hatte knapp darunter zu sein, also 1,999... – man kennt das vom Schuhe Kaufen.

Dennoch hätten die acht Systeme bei entsprechendem Flotten-Management dafür ausgereicht, die Einsatzfähigkeit bei Nacht und bei schlechter Sicht sicherzustellen. Mit umsichtiger Planung wäre es auch möglich gewesen, jeweils eine mit dem PIRATE ausgestattete Maschine für zwei Rotten plus Reserve beziehungsweise den Übungsbetrieb abzustellen. Gleich mit abbestellt wurde auch das Defence Aid Subsystem DASS, ein elektronisches Selbstschutz-System, das zur Ausstattung eines modernen Kampfflugzeugs einfach dazugehört. Es behält unter anderem die Signale mehrerer Bedrohungsziele gleichzeitig im Auge und gibt die entsprechenden Daten an die Schutzvorrichtungen und die Lenkwaffen weiter. Dann, wenn man über die entsprechende Bedrohungs-Bibliothek verfügt.

Der Pilot muss jetzt wieder – oder besser gesagt noch immer – Sichtkontakt herstellen, oder er hat am Bordradar ein artifizielles Ziel, das er nicht identifizieren kann, sondern lediglich abschießen könnte, was natürlich in Friedenszeiten ausscheidet. Wie weiland beim inzwischen ausrangierten Draken oder der geleasten F 5. Mit dieser Maßnahme bombte die Sozialdemokratie uns und sich selbst – schließlich ist sie ja Teil dieses Staates – in die Steinzeit zurück. Denn auch die Steinzeitmenschen brauchten keine Nachtsichtgeräte. Obwohl sie sowas sicher gern gehabt hätten.

Betroffen sind auch nicht lediglich die Luftwaffe oder das Bundesheer als solches, sondern die gesamte Republik. Bis zu deren so geliebten und geförderten Lehrlingen in vielen Bereichen der Technik. Denn es wird jetzt weniger zu lehren und lernen geben.

Ein Patchwork der Lüfte

Das ist aber noch lange nicht alles. Der Herr Darabos hat sich seinen Anzug dazu noch auf eine kleinere Größe umschneidern und sogar mit Flicken aus der Altkleidersammlung versehen lassen. Was nun getragen werden muss, ist ein zusammengeflickter Anzug, dessen Nähte überall platzen.

Vorgabe: Es kommen 15 statt 18 Eurofighter.

Durchführung 1: Sechs davon sind fabrikneu, sie stammen von der ursprünglichen österreichischen Tranche 1/Block 5. Wobei auf die ursprünglich vereinbarte Nachrüstung auf Tranche 2/Block 8 mit soliderer Bauausführung verzichtet wird, man begnügt sich mit Tranche 1.

Durchführung 2: Drei Maschinen sind ebenfalls fabrikneu, waren aber ursprünglich für die Deutsche Luftwaffe bestimmt und werden nun nach Österreich geschickt – was das soll, weiß kein Mensch.

Durchführung 3: Sechs Maschinen aber sind gebrauchte Flugzeuge, wahrscheinlich aus dem Bestand der Deutschen Luftwaffe: offenbar Tranche 1/Block 2 oder 2B-Maschinen, die vor Abgabe an Österreich das R2-Retrofit-Programm durchlaufen müssen, also sozusagen chemisch gereinigt werden.

Das Resultat: ein einziges gigantisches Patchwork, bei dem überhaupt nichts mehr stimmt. Moderne Luftflotten sind hochintegrierte Systeme, wo einzelne Teile perfekt aufeinander abgestimmt sind und reibungslos ineinander greifen. Nur dadurch ist ein erfolgreicher Betrieb überhaupt möglich. Jetzt haben wir Maschinen in den unterschiedlichsten Bauzuständen mit verschiedenen Ausstattungen. So erfolgt der Waffeneinsatz einmal analog, das andere Mal digital.

Deren Ersatzteile werden jetzt schon geliefert – natürlich auf Basis des alten Vertrages. Was das für die Wartung und das logistische Handling bedeutet, kann man sich vorstellen. Da ist die Tatsache, dass jetzt tausende Seiten Wartungshandbuch geändert werden müssen, noch das kleinste Übel. Der Aufwand wird sich ins Gigantische multiplizieren, die Einsparungen sind innerhalb kürzester Zeit durch die anlaufenden Zusatzkosten verpufft. Und die intendierte Wirkung, um derentwillen eigentlich ja das ganze neue Luftverteidigungssystem angeschafft wurde, die ist auch verpufft.

Da gibt es etwa 25 Luft-Luft-Raketen des Typs "IRIS-T", das Stück kostet 400.000 Euro. Weil sich nun Darabos für Flieger der Tranche 1 statt der bestellten Tranche 2 entschieden hat, können die nur mehr so abgefeuert werden wie vor zwanzig Jahren deren Vorgänger, die Sidewinder, mit dem Draken. Ein digitales System wird analog bedient.

Oder: der Eurofighter ist sogar für die Bekämpfung von Luftzielen jenseits des Horizonts eingerichtet. Das System dafür wurde von Anfang an nicht mitbestellt, weil es zu dieser Zeit nur ein amerikanisches gab, und man auf ein kommendes europäisches warten wollte. Ein solches "heimisches" System namens "METEOR" kommt nun in fünf Jahren – allerdings nicht für uns, denn dazu wird es nach heutigem Wissensstand die Bordcomputer der Tranche 2 brauchen, auf die ja von Darabos dankend verzichtet wurde (und damit auch auf die gratis Meteor-Nachrüstung).

Nach der Beschränkung auf die Tranche 1 – in den unterschiedlichsten Bauzuständen – wird man trotz der von der SPÖ inbrünstig vorgetragenen Erklärung, dass es sich jetzt um keinen NATO-Kampfbomber mehr handle, sondern um einen reinen "Neutralitätsfighter", immer noch neben Luftzielen auch solche am Boden angreifen können. Das Basisflugzeug kann auch unter Minister Darabos alles. Es geht nur darum, was man darunter hängt. Was aber in der jetzigen Version mit den ganzen Zusatzausrüstungen verkauft wurde, ist die "Situational awareness". Das ist die Fähigkeit, einen Gegner subtil identifizieren, dabei den Status des eigenen Systems jederzeit vor Augen haben und so einen effektiven, elektronisch optimal unterstützten Kampf führen zu können.

Was aber besonders weh tut, ist der Verzicht auf das der Tranche 2 inhärente Entwicklungspotential. Der Verzicht auf die Fähigkeit, im Laufe der 30- bis 40-jährigen Betriebszeit neue Technologien angemessen und kostengünstig integrieren zu können.

Wenn Milchmädchen rechnen

Ein kluges Schneiderlein lässt sich bekanntlich nicht so leicht übers Ohr hauen, besonders dann nicht, wenn es sich bei ihm um einen seriösen internationalen Luftfahrtkonzern handelt und beim Kunden um einen ewigen Nörgler, der sich nicht an Unterschriebenes hält und sonst ohnehin nur immer mit Gewand aus der Konfektion daherkommt. Und so ist das, was der Kunde jetzt bekommt, noch weniger wert als der eingesparte Betrag – er zahlt also zuviel.

Der ursprüngliche Kaufpreis betrug 1,959 Milliarden Euro. Darabos zahlt jetzt ungefähr 1,589 Milliarden. Die Differenz beträgt 370 Millionen, das sind rund 19 Prozent weniger nach EADS-Angaben, sogar 400 Millionen, also über 20 Prozent, nach Darabos-Angaben.

Vordergründig mag das zwar korrekt sein, wenn man die folgende Rechnung anstellt, die auf der von den Flugzeugen "produzierten" Anzahl der Flugstunden basiert. Ein neuer Eurofighter ist auf eine Lebensdauer von 6.000 Flugstunden ausgelegt, für 18 Maschinen bedeutet das also insgesamt 108.000 Stunden. Drei Maschinen weniger bedeuten eine Einsparung von 18.000 Flugstunden oder 16,66 Prozent der ursprünglichen Stundenleistung. Dazu kommt die Zahl der Flugstunden, die die gebrauchten Maschinen bereits absolviert haben und die von deren Lebensdauer abzuziehen sind. Keine Quelle verrät, wie viele das sein werden – wahrscheinlich weiß es der Minister selbst nicht –, aber setzen wir sie einmal mit 300 pro Maschine an. Damit kommen weitere 1.800 Flugstunden zu den 18.000 dazu.

Somit würden die eingesparten 19.800 Flugstunden oder 18,33 Prozent durchaus dem Wert der von Darabos ausgehandelten Preisminderung entsprechen. Nur: die PIRATE-Systeme wurden eben gleich auch noch dazu weggenommen, das DASS wurde abbestellt, auf die leistungsfähigere Hardware und Software von Tranche 2 wurde verzichtet, auf fünfzig Prozent größere Rechnerreserven wurde verzichtet, der Zustand der gebrauchten Maschinen bleibt unklar. Eine technische Kastration. Ein Minusgeschäft für die Republik, getätigt von Minusmann Darabos.

Eine halbe Milliarde Euro verschenkt

Das ist aber nicht die einzige Rechnung, die angestellt werden kann. Zwei weitere macht der als Militärsympathisant völlig unverdächtige profil-Chefredakteur Christian Rainer in seinem Leitartikel vom 2. Juli 2007 auf.

Die eine beruht auf den Gesamtkosten für Anschaffung, Flugbetrieb und Infrastruktur: laut Rechnungshof waren das vier Milliarden für 18 Stück. Dividiert man das durch 18, kommt 1 Maschine auf 222,222 Millionen Euro. Also müssten bei drei Maschinen weniger 666,666 Millionen Euro eingespart worden sein. In Wirklichkeit waren's aber laut Darabos nur 370 bis 400. Es fehlen rund 300 Millionen. Und in dieser Rechnung sind noch nicht einmal die Abbestellungen und herabstufenden Modifikationen einkalkuliert.

Die andere Rechnung setzt voraus, dass bestimmte Summen unabhängig von der Zahl der Flugzeuge anfallen. Und so machen die "reinen Anschaffungs- und Betriebskosten", also die Kosten im engeren Sinn, laut Rechnungshof 2,7 Milliarden Euro für 18 Stück aus, also 150 Millionen pro Flugzeug. Nach diesem Ansatz hätte sich die Sache um 450 Millionen Euro verbilligen müssen – es fehlen 50 Millionen und wiederum das Geld für die Ausstattungs-Reduktionen.

Rainer kommt zu dem Schluss:

"Sind diese Rechnungen unerlaubt vereinfacht, ist die Argumentation polemisch zugespitzt? Mitnichten. Vielmehr dürfte Herr Darabos eine absurde Vereinfachung vorgenommen haben, indem er auf Basis reiner Anschaffungskosten gerechnet hat – und unter Vernachlässigung des Aspekts, dass anderes sowie gebrauchtes Gerät geliefert wird. So gesehen ist es durchaus gerechtfertigt zu behaupten, dass der Verteidigungsminister vergangene Woche eine halbe Milliarde Euro verschenkt hat. Unfähigkeit? Fahrlässigkeit? Absicht? Schwer zu sagen. Vielleicht alles zusammen."

Wir kommen zu dem Schluss:

Darabos und sein Vormann Gusenbauer sollten jedenfalls einen Teil der Bildungsmillionen, die sie andauernd fordern, zunächst für sich selbst verwenden, nämlich für den Unterricht in angewandter Mathematik, vulgo "kaufmännisches Rechnen". Denn bei der von ihnen aufgestellten Eurofighter-Milchmädchenrechnung scheinen sie nicht einmal über die vier Grundrechnungsarten hinauszukommen. Von welcher Seite immer man auch die Rechnung aufmacht, es bleibt unterm Strich ein Minus von einer halben Milliarde.

Dieser Verteidigungsminister ist, abgesehen davon, dass er ein militärisches Sicherheitsrisiko zu verantworten hat, auch einer der größten Misswirtschafter aller Minister dieser Zweiten Republik. Ein Ahnungsloser, der sauer verdientes Steuergeld mir nix dir nix zum Fenster hinauswirft. Einfach so. Weil er nicht einmal fähig ist, wirtschaftlich effizient zu verhandeln (wenn er schon unfähig zu militärischem Denken ist), weil er sich als Verkörperung des – anscheinend gar nicht so falschen – alten Vorwurfs der Rechten entpuppt: dass die Linken nicht wirtschaften können. Das ist der wahre Skandal, und nicht der Bedarf dieser Republik an Abfangjägern.

"Verkauft's mei G'wand, i fahr in Himmel"

Nun ist es ja nicht so, dass Herr Darabos einfach zum Schneider gehen und sich dort aufführen kann, wie er will. Wie es auch Herren geben soll, die unter dem Pantoffel ihrer Frau stehen und sich bei dieser das Okay für einen neuen Anzug holen müssen, steht der Minister unter Kontrolle und/oder Beobachtung von Parlament und Rechnungshof. Was ihn aber keinen Deut schert.

Während unter Scheibner und Platter im Rahmen des "Beschaffungsvorgangs" jede müde Niete an den Flugzeugen untersucht, geprüft, bewertet und bewilligt worden war, geht dieser Minister einfach her und macht, was er will, ohne dieses Wollen irgendjemandem bekannt zu geben geschweige denn, sich dafür ein Placet zu holen. Er führt – nein, eben nicht geheime Verhandlungen, sondern wirkliche Geheimverhandlungen. Und tut damit genau das, wogegen er selbst zusammen mit seinen Genossen jahrelang wütend Sturm gelaufen ist.

Der Unterschied ist nur, dass man damals eben meinte, Teile des Vertrages aus Gründen militärischer, technologischer und unternehmerischer Geheimhaltung (wie es überall auf der Welt Usus ist) unter Verschluss lassen zu müssen. Der Minister heute meint wahrscheinlich, eine offenere Verhandlungsführung brächte ans Licht, dass es in Wirklichkeit nur um die willkürliche und planlose Erfüllung eines Wahlversprechens geht. Die SPÖ war anscheinend allein wegen der Abschaffung der Flieger gewählt worden und aus keinem anderen Grund sonst. Ach ja, von den Studenten wegen der Abschaffung der Studiengebühren. Ein Schlaglicht auf sozialdemokratische Ideologie – oder besser, was heute davon übrig geblieben ist: Alles abschaffen, alles umsonst machen, immer den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Alles unter dem Motto: "Verkauft's mei G'wand, i fahr in Himmel."

Welches Chaos Darabos mit seinem Kratzfuß vor den SPÖ-Wählern des 1. Oktober angerichtet hat, zeigt sich auch daran, was mit der begleitenden Güteprüfung bei der Produktion in Manching passiert ist. Obwohl unsere Ingenieure den Bau der Maschinen seit Jahr und Tag überwacht hatten, hat sich jetzt die Endabnahme sogar noch um Wochen verzögert, weil der Minister das Teufelszeug möglichst lang von seinem Land und dessen Kameras fernhalten will. Weshalb ein Dutzend Leute ein dutzend Mal nachprüfen mussten, ob der Lack auch schön poliert ist.

Und jetzt auf einmal soll das alles wurscht sein? Jetzt soll bereits zumindest teilweise kontrolliertes Gerät einfach blind gegen gebrauchtes ausgetauscht werden? Mit einem Federstrich wird ein Umtausch von begutachteter Qualität zu Gebrauchtmaterial im Wert von hunderten Millionen Euro akzeptiert – ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen? Zeugs, an dem wer weiß nicht aller seine Finger dran gehabt haben kann? Igitt! Graust sich denn der moderne Sozialdemokrat vor gar nichts?

Das Darabos-Chaos

Jedenfalls war lange Zeit auch gar nicht so sicher wie behauptet, dass es sich bei den gebrauchten Fliegern um deutsche Maschinen handelt. Die deutschen Militärs jedenfalls winkten ab: sie wüssten nichts von dem Deal, und wo sollten sie sie hernehmen wenn nicht stehlen? Blieben als Optionen die ebenfalls Eurofighter betreibenden Länder Italien, Spanien und Großbritannien.

Bei allem Respekt vor den Piloten und dem Servicepersonal dort, es gibt überall und immer wieder so genannte "Hangar Queens". Maschinen, die etwas flügellahm sind, bocken, eben dauernd Schwierigkeiten machen, vergleichbar mit den Montagsautos von den Fließbändern der Kfz-Industrie. Wobei das überhaupt nicht gegen den Hersteller spricht. Individuelle Unterschiede kommen eben genau wie bei Menschen auch bei technischen Geräten vor. Jeder kennt diese Fernsehgeräte oder Waschmaschinen, bei denen nichts funktioniert, auch nicht nach der dritten Reparatur, weswegen der Konsumentenschutz ja die Garantie erfunden hat.

Und nun haben unsere Fliegerkollegen doch tatsächlich die einmalige Chance, diese lahmen Enten abzuschieben. Wenn das kein Glücksfall ist. Jubel in halb Europa! Die dummen Österreicher drängen sich geradezu danach, diese Ausfallmaschinen zu übernehmen. Solche Deppen findet man in hundert Jahren nicht. Oder eben nur einmal. Wenn's in good old Austria einen linken Verteidigungsminister gibt.

Nach dem letzten Informationsstand Ende September 2007 sollen es nun aber doch deutsche Maschinen werden. Und der Deal würde dann so laufen, dass die Deutschen kostenlos unsere neuen bekommen, während wir deren alte übernehmen. Na, die werden sich die Hände reiben.

Ja, einen in seinem fachlichen Horizont so beschränkten Minister wie Norbert Darabos findet man wahrscheinlich tatsächlich nicht oft in hundert Jahren. Die Beschränktheit in diesem Fall besteht freilich nicht darin, eher etwas von Drag Queens als von Hangar Queens gehört zu haben. Das muss man nicht, auch wenn man (und noch dazu erst kurz) Verteidigungsminister ist.

Sie besteht vielmehr darin, sich nicht kundig zu machen. Keine Fachleute zu hören. Keine mit der Materie vertrauten Experten zu holen, sondern willige Berater wie einen Brigadier Jeloschek. Mit diesem Nachrichtentechniker saß er den deutschen Profis vom Schlage eines Rauen, eines Obermaier, eines Mauthe gegenüber, die einen guten Teil ihres Berufslebens in der Flugzeugbranche gearbeitet hatten. Die den Österreich-Vertrag mit dem Verhandlungsteam des Ministeriums 2002 und 2003 monatelang ausverhandelt hatten. Die deshalb die Materie aus dem Effeff kannten. Die also gegen zwei Greenhorns angetreten sind.

Wobei in Wirklichkeit aber die Verhandlungen auch gar nicht sehr detailliert abgelaufen sind. Darabos: Ich will so und so viele Millionen einsparen. Eurofighter: Gut, dann nehmen wir Ihnen die Nachtsichtgeräte weg, und noch das, und jenes. Darabos: Well, mission accomplished.

Daumen mal Pi

So handelt man mit Kühen. Früher, heute auch nimmer. Heute muss man auch schon Veterinärkenntnisse aufweisen. Detaillierte Berechnungen sind jedenfalls nie angestellt worden. An das Pflichtenheft wurde natürlich kein Gedanke mehr verschwendet. Es galt Daumen mal Pi.

Dabei war der ursprüngliche Vertrag vom Verhandlungsteam unter Magister Wall so gut für Österreich ausgehandelt worden. Die Deutschen waren weitgehend zu Konzessionen bereit gewesen, weil es sich um einen "Launch Customer", einen Produkteinführungs-Kunden handelte: Österreich war der erste Kunde für den Eurofighter außerhalb der ihn produzierenden Länder.

Jemandem, der sich seinen gesunden Menschenverstand bewahrt hat, müsste eigentlich klar sein, dass bei den Nachverhandlungen der Verhandlungsführer des Altvertrages hätte dabei sein müssen, zumindest als Auskunftsperson, auf deren Kenntnisse man jederzeit hätte zurückgreifen können. Aber: jener Magister Wall ist nicht nur Zivilbeamter, er ist auch Milizoffizier. Brigadier der Luftstreitkräfte. Mehr brauchst du nicht, um in die Verdammnis geschickt zu werden. Es sei denn, du bist Mitglied beim BSA – Bund Sozialistischer Akademiker, oder pardon, wie es jetzt korrekt heißt: "Bund sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen." – So viel Platz muss sein. So viel Korrektheit muss sein. Und im Übrigen kann man sich aufführen, wie man will.

Das Ganze ist nur mehr zum Weinen. Dass Österreich so abgeräumt wird! Denn dass sich EADS das zurückgeholt hat, was es ursprünglich hergeben musste, ist offensichtlich. Siehe die oben ausgeführten Milchmädchenrechnungen. Oder auch die Tatsache, dass Darabos für das Geld, das er jetzt zurückbekommt, aufgrund der finanziellen Konstruktion, die er offensichtlich nie durchschaut hat, womöglich noch Zinsen zahlen wird müssen.

"Ihre Steuer steht im Hangar."

Jemand wie Darabos, selbst weder Wirtschaftler noch Techniker, braucht keine Fachkenntnisse. Weder eigene noch fremde. Sein politischer Wille ist ihm Kenntnis genug. Und wird zu jener Erkenntnis, aus der die Gestaltung des Faktischen entspringt. Und nicht aus eingehender Beschäftigung damit. Denn zuerst kommt die Partei. Und dann der Verstand. Wie meinte doch Fred Sinowatz, der burgenländische Übervater des Ministers aus dem Burgenland? "Ohne Partei bin ich nichts."

Darabos ist mit bloßen Händen, mit Heckenschere und Holzhammer losgezogen, um einen perfekt ausgetüftelten Vertrag zurechtzustutzen und zu zertrümmern. Nur um in der Rolle eines Robin Hood linke Rabauken in Schach zu halten und Pensionisten zu erklären, dass ihre Pensionserhöhung jetzt den Flugzeugen von den Flügeln abgespart worden ist.  

Liebe Pensionisten: da fliegt nicht Eure Pensionserhöhung, da fliegt Eure Steuer, die Ihr Euer Leben lang bezahlt habt und jetzt immer noch zahlt. Und die ein sich seiner Verantwortung nicht bewusster Minister einer verantwortungslosen Partei mit beiden Händen zum Fenster hinausschmeißt. Weil sie nämlich gar nicht fliegt. Weil sie im Hangar steht.

Fortsetzung folgt.

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