Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Krah und Lena: Suche den Unterschied

Dass die grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling die Aussprüche "Fuck the Police" und "Österreich, du Nazi" ausdrücklich, öffentlich und freiwillig elektronisch unterstützt hat (was im Gegensatz zu anderen Schilling-Affären auch keineswegs bestritten werden kann und bestritten wird), hat die Grünen in keiner Weise dazu bewogen, auch nur mit einer Silbe Schilling zu tadeln. Selbst in den Medien regt das kaum jemanden auf. Hingegen ist die Interview-Antwort des AfD-Spitzenkandidaten Krah, wonach nicht alle SS-Männer Kriminelle gewesen seien, zum europaweit empörenden Zentralverbrechen des Wahlkampfes geworden. Es hat zu einer massiven Distanzierung auch seiner Partei von ihm und zur Absage seiner Wahlkampfveranstaltungen geführt. Das ist alles aus mehreren Gründen unappetitlich.

Beginnen wir in Deutschland:

Denn erstens wird damit endgültig jeder Versuch einer differenzierten Annäherung an die Geschichte unmöglich gemacht. Die Tabuzonen dessen, was man alles nicht sagen und denken darf, werden immer weiter gezogen.

Denn zweitens ist zwar eindeutig richtig, dass die SS eine schwer kriminelle Organisation gewesen ist – aber dieses pauschale Adjektiv kann nur auf jene Einzelpersonen ausgedehnt werden, die eine SS-Uniform freiwillig angezogen und eine Ahnung gehabt haben, was sie da tun (zumindest wenn man auch von 17- und 18-Jährigen retrospektiv den Durchblick hinter die totalitäre Propaganda erwartet, mit dem sie erkennen hätten können, was für ein übler Verein die SS gewesen ist). Ganz sicher kann diese Bezeichnung aber nicht für alle jene gelten, die unfreiwillig in die Waffen-SS gezwungen worden waren. Das waren beispielsweise alle Südtiroler Männer, die 1938 nicht für Italien und damit den Dienst in der italienischen Armee optiert hatten. Viele von ihnen wurden ebenso wie die Männer in etlichen anderen von den Deutschen eroberten Gebieten ungefragt in die Waffen-SS gezwungen.

Drittens aber ist es Tatsache, dass Bruno Kreisky, der von allen Linken total unkritisch angebetete Säulenheilige, 1970 überhaupt nur deshalb ins Bundeskanzleramt gekommen ist, weil er eine koalitionsähnliche Vereinbarung mit Friedrich Peter gehabt hatte. Und dieser war nicht nur freiwillig bei der SS, sondern dort auch ein hochrangiger Offizier gewesen. Kreisky hatte überdies zeitweise nicht weniger als vier ehemalige NSDAP-Mitglieder in seinem Einparteienkabinett.

Dennoch schafft die Linke heute etwas, was mit dem Ausdruck Schizophrenie geradezu noch freundlich umschrieben ist: Einerseits ist dort die totale Verehrung für Kreisky in praktisch allen sich sonst befetzenden Gruppierungen Pflicht, andererseits aber werden totalitär immer mehr Aussagen und Formulierungen, die angeblich oder wirklich an die von Kreisky mit einer Totalabsolution versehenen Nazis erinnern, und die jene Zeit differenziert zu analysieren versuchen, mit der politischen Todesstrafe verbunden.

In Hinblick auf den nun ins Tiefkühlfach gelegten AfD-Spitzenkandidaten Krah muss man diesem freilich trotzdem die politische Eignung absprechen: Denn selbst wenn er bewusst das in Deutschland vorgeschriebene Denken und Einheitsformulieren zu verletzen bereit gewesen sein sollte, so muss es doch klar sein, dass in Ländern wie Frankreich und Italien solche Differenzierungsversuche in Hinblick auf die deutsche Vergangenheit absolut undenkbar sind. Und zwar gerade bei den rechten Parteien jener Länder, mit denen AfD und FPÖ eigentlich eine neue starke Fraktion im künftigen EU-Parlament bilden wollten, für das Herr Krah kandidiert.

Für italienische und französische Parteien – nicht nur der Rechten – ist eine starke nationale Identifikation und eine nationalistisch einseitige Geschichtsschreibung absolut zentral, in der "die Deutschen" die Verkörperung alles Bösen sind, auf die alle Untaten eigener Landsleute jener Zeit abgewälzt werden können.

Besonders grotesk ist, dass es ausgerechnet einer italienischen Zeitung gelungen ist, diese Interview-Formulierung des AfD-Kandidaten Krah zu einem internationalen Skandal hochzupushen. Immerhin ist Italien ein Land, in dem es bei der größten Regierungspartei bis hin zum Parteilogo eine noch viel direktere Nachfolge des italienischen Diktators, Faschisten und Kriegstreibers Mussolini gibt, als man das jemals auch nur bei einem einzigen AfD-Exponenten in Hinblick auf die deutschen Nazis finden könnte. Gerade diese Meloni-Partei beweist aber auch, dass das mit einer heute überaus vernünftigen und verantwortungsbewussten Politik zu vereinbaren ist, während genau diese Eigenschaften in Sachen Russland und Impfen bei AfD und FPÖ nicht zu finden sind. Aber es sind groteskerweise nicht diese beiden aktuellen Punkte, die AfD und FPÖ derzeit europaweit in die Isolation treiben, sondern eine an sich durchaus diskutable Detaildifferenzierung zu einem Aspekt der NS-Zeit.

Was für ein Kontrast zum Umgang von Medien und Mainstreamparteien mit der (derzeit?) grünen Lena! Nirgendwo wird ihr ausdrückliches Bekenntnis zur kommunistischen Familientradition thematisiert, geschweige denn kritisiert, nirgendwo erregen ihre hasserfüllten Attacken auf Polizei und Republik Österreich Anstoß. Das alles ist offenbar für den Großteil der Medien – mit dem linken Zentralorgan ORF an der Spitze – ebenso in Ordnung wie ihre Straßenblockiererei. Im linken politmedialen Spektrum sind nur die in der Tat eher ins Privatleben gehörenden Chats der spätpubertären Intrigantin innerhalb der linken Blase ein Problem, ihr dabei geoffenbarter charakterlicher Hang zu intriganten Unwahrheiten und die Frage, ob ihre Verteidigung durch die grüne Parteispitze geschickt gewesen ist. In diesem Spektrum interessiert viele nur, warum Lena Schilling für die Linkspartei A kandidiert und nicht für die Linksparteien B, C oder D, die ihr und ihrer Blase doch genauso nahe gestanden sind und im Grund eh alle das Gleiche wollen.

Selbst der Aspekt, dass für Schilling nicht nur eine sozialistische, sondern sogar eine kommunistische Kandidatur genauso zur Debatte gestanden ist wie die grüne (und angeblich sogar noch ein späterer Fraktionswechsel dorthin), ist für den Mainstreamsumpf kein Problem. Und auch nicht für die Grünen.

Die Entlarvung linker Verhaberung erreichte ihren Gipfelpunkt, als sich die grüne Generalsekretärin ausdrücklich dafür entschuldigte (entschuldigen musste?), dass sie die Attacken aus dem Dunkel auf Schilling mit früheren sozialistischen Attacken aus dem Dunkel auf ÖVP und FPÖ verglichen hatte. Zwar waren etwa der SPÖ-Skandal Silberstein oder der vermutlich aus einem sehr ähnlichen Eck kommende Lauschangriff von Ibiza noch insofern übler, als dort aktiv gelogen und kriminell Fallen gestellt worden waren, aber sonst ist vieles verblüffend ähnlich.

Nur  darf man das in der linken Blase offenbar nicht einmal andeuten. Hat man nur die richtige "Haltung", dann ist im Kampf um die Macht alles erlaubt.

In diesen Rahmen gehören auch die Aktionen der sogenannten Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA, die zwar um den riesigen Korruptionsskandal der Bestechungsinserate aus dem Wiener Rathaus-Imperium seit Jahr und Tag einen weiten Bogen macht, die aber bei ÖVP- und FPÖ-Politikern einen privaten Internet-Dialog nach dem anderen an die Öffentlichkeit gespielt hat, auch wenn da absolut kein strafrechtlicher Zusammenhang konstruierbar gewesen ist. Und wenn einmal nicht die WKStA (mit Hilfe mancher Richter aus dem Wiener Straflandesgericht) und die grüne Justizministerin das schmutzige Geschäft machen, dann machen es halt andere Intriganten aus der linken Blase.

Dabei wären im Gegensatz etwa zum privaten "Orsch" des Sebastian Kurz Verleumdungen über häusliche Gewalt wirklich strafbar. Dabei sollte der Verdacht des Amtsmissbrauchs gegen eine Ministerin keine Kleinigkeit, sondern ein Rücktrittsgrund sein!

Aber einzig relevant ist eben, die richtige "Haltung" (=linksradikale Ideologie) zu haben. Dann ist Linken wirklich alles erlaubt. Dann dürfen sie etwa in Deutschland sogar den offiziellen Verfassungsschutz zur aktiven Spionage gegen eine nichtlinke Partei einsetzen.

Und sie wundern sich, dass sich da als klare Reaktion die Stimmungslage der Bevölkerung immer weiter nach rechts bewegt ...

PS: Auch die ÖVP täte im Übrigen dringend gut daran, diese Zusammenhänge endlich zu begreifen und nicht eine Koalition mit Andreas Babler in Aussicht zu stellen, will sie nicht selber schon am Wahltag unter die Räder kommen. Ist es doch für sie Fünf vor Zwölf.

PPS: Die besten Schilling-"Plakate" zum Amüsieren.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung