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Elf Anmerkungen zu einem Spionageskandal

Nach zwei Jahren eines einseitigen Watschentanzes, in der sie die Rolle eines wehrlosen Watschenmannes gespielt hat, scheint nun der ÖVP ein kräftiger Gegenschlag geglückt zu sein. Plötzlich stehen nicht mehr die Chats von ÖVP-Politikern im Zentrum, in denen über Dritte per "Arsch" oder "Gsindl" geredet worden ist, sondern ein ob seines Hinauswurfs offenbar hasserfüllter Ex-Agent des Verfassungsschutzes, der darauf in rechtswidriger Weise mit der FPÖ, der SPÖ, den Neos und vor allem dem der Justizministerin nahe stehenden Oberdreckschleuderer Peter Pilz kooperiert hat. Der aus Frust das Amtsgeheimnis ständig gebrochen hat. Der offenbar in zumindest einen Datendiebstahl involviert war. Und der anscheinend auch für sich persönlich genommen hat – und zwar nicht nur Informationen.

Darauf deuten Berichte intensiv hin, die in "Presse", "Kurier" und "Exxpress" zu lesen sind. Zwar ist alles mit Vorsicht zu genießen, weil ganz offensichtlich jene Journalistin, der der umfangreiche Akt der Staatsanwaltschaft zugespielt worden ist, von diesem vorerst überfordert scheint. Aber jedenfalls schaut die Datenlage jetzt schon mindestens so eindeutig aus wie im Fall eines anderen Spitzenbeamten, des Finanzministeriums-Beamten Thomas Schmid, den die Korruptionsstaatsanwaltschaft benutzt hat, um Sebastian Kurz zu stürzen. Der nun schwer verdächtigte Egisto Ott soll wegen seines Hinauswurfs viele Racheakte gesetzt haben, und auch in das Bekanntwerden der Chats des früheren Innenministeriums-Kabinettschefs Kloibmüller involviert gewesen sein (mit dem "Gsindl"-Sager, der eine Woche lang die SPÖ so erregt hat, weil sie doch keines sei).

Wie unangenehm vielen ganz offensichtlich die Affäre ist, ist schon an den Reaktionen, beziehungsweise Nicht-Reaktionen mehrerer Seiten abzulesen:

  • So sprach Peter Pilz von "wilden Behauptungen" ohne jeden Beweis – aber gleichzeitig ist er zweifellos der am konkretesten Belastete in der Affäre, hat er doch die Kloibmüller-Chats als erster veröffentlicht. Ohne zu sagen, woher  er diese hat.
  • Auch der Neos-Abgeordnete Brandstätter stottert mehr herum, als klarzulegen, was der Inhalt seiner nun bekannt gewordenen Kontakte mit dem Spion gewesen ist.
  • Die FPÖ schweigt bisher überhaupt, obwohl der Staatsanwaltschaftsakt zu beweisen scheint, dass ihr Abgeordneter Jenewein den Geheimnisverräter aus dem BVT bezahlt haben dürfte.
  • Noch verräterischer verhält sich wieder einmal der ORF. Online nennt er zwar zumindest die meisten der bekannt gewordenen Fakten, versucht sie dort aber gleich von vornherein als "Facette" abzuwerten.
  • Und wirklich nur noch absurdes Theater bietet die ZiB: Dort gestaltet jene Journalistin – fast hätte ich gesagt: Agentin –, die bisher fast alle Hetzbeiträge gegen Kurz mit düster-empörter Kampfesstimme gestaltet hat, zwar einen ausführlichen Beitrag über den Verfassungsschutz. Sie geht aber mit keiner Silbe auf irgendeinen der jetzt bekanntgewordenen Verdachtsmomente ein, sondern berichtet über die vor einem Jahr beschlossene Umwandung des BVT in eine "Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst" und eine dafür einzurichtende Kommission. Das ist eine mehr als peinliche Ablenkungsaktion, bei der der ORF noch dazu ausgerechnet die pinke Migrantenhelferin und Denunziationsmeisterin Krisper als einzige zu Wort kommen lässt.

Was kann derzeit seriöserweise zu all dem gesagt werden, solange die Staatsanwaltschaft offiziell schweigt und die mit deren Akt versorgte Journalistin offensichtlich noch um den Durchblick kämpft?

  1. Besonders auffällig ist, dass diesmal die Staatsanwaltschaft Wien den Fall betreut, und nicht die Korruptionsstaatsanwaltschaft, obwohl diese an sich das Recht (die "Kompetenzkompetenz") hat, jeden Fall an sich zu ziehen, der sie interessiert – sofern nicht das Ministerium per Weisung eine andere Entscheidung trifft.
  2. Bis zur jetzigen Weitergabe des Aktes an eine Journalistin hat die StA Wien fast ein Jahr gearbeitet, ohne dass etwas an die Öffentlichkeit gesickert wäre. Das ist bei den in der Justiz üblich gewordenen Missständen eine sensationelle Leistung – kann aber dennoch nicht die Frage aus dem Raum schaffen, ob nicht auch die jetzige Aktenweitergabe ein Amtsmissbrauch ist.
  3. Offenbar steckt hinter der Betrauung der StA Wien die späte Erkenntnis der Justizministerin, dass sie sich selbst zu sehr gefährden würde, würde sie es zulassen, dass auch in diesem Fall die WKStA federführend ist. Sind doch aus deren Aktenbeständen schon zu viele Informationen bei ihrem früheren Parteifreund Peter Pilz gelandet. Steht doch nun auch Pilz unter Verdacht, mit dem schwer verdächtigen BVT-Mann kooperiert zu haben. Hat sich doch die WKStA schon einmal beim BVT fürchterlich die Finger verbrannt, als sie dort auf Initiative des damaligen Innenministers Kickl, der sich auf eine anonyme Anzeige berufen hat, eine Hausdurchsuchung angeordnet hat, die zwar schweren Schaden angerichtet hat, weil Österreichs Nachrichtendienst seither international schwer diskreditiert ist. Die aber nichts Nennenswertes aufgedeckt hat.
  4. Auch hinter dieser Hausdurchsuchung soll der nun aufgeflogene Ex-BVT-Mann Egisto Ott stecken. Es gab damals aber ebenso Hinweise, dass der SPÖ-Anwalt Gabriel Lansky Auslöser gewesen sei. Haben die beiden kooperiert?
  5. Die Affäre Ott hat auch Verbindungen mit dem bisher völlig rätselhaften Fall des Johannes Peterlik. Der Generalsekretär des Außenministeriums unter Karin Kneissl ist im Herbst suspendiert worden. Er soll involviert gewesen sein, dass die geheime Nervengiftformel Nowitschok den Weg zu Wirecard-Vorstand Jan Marsalek gefunden hat. Dieser gilt inzwischen als der eigentliche Mastermind des Wirecard-Skandals – und hat sich ausgerechnet Richtung Russland abgesetzt.
  6. Ott soll Strache nach Bekanntwerden der Ibiza-Videos den Tipp gegeben haben: "Handys aus der Cloud löschen."
  7. Laut dem Akt sollen auf Otts Konto unerklärliche Bareinzahlungen stattgefunden haben, wobei es zugleich starke Hinweise auf Geldzahlungen durch FPÖ-Mann Jenewein gibt.
  8. Ott ist zwar schon vom früheren BVT-Chef Gridling entfernt worden (was seinen Rachedurst entflammt haben dürfte), aber erst im letzten Jahr hat im Zuge der Neugestaltung des BVT eine intensive Untersuchung begonnen, deren Ergebnisse nun durchsickern.
  9. Der Zeitpunkt dieses Durchsickerns steht ganz offensichtlich in Zusammenhang mit dem Anti-ÖVP-Untersuchungsausschuss, mit dem Rot, Pink und Blau die ÖVP einseitig wegen irgendwelcher Postenbesetzungen an den Pranger zu stellen versuchen (als ob nicht auch rote oder blaue Minister Nahestehende bei Postenbesetzungen bevorzugt hätten – was ja eindeutig hunderte Male geschehen ist).
  10. So klar es ist, dass man beim neuen Nachrichtendienst Altlasten wie Ott ordentlich aufarbeiten will und soll, so unklar ist die Haltung der ÖVP. Denn es ist anzunehmen, dass sich trotz allem, was bisher durchgesickert ist, ein staatlicher Spion dagegen abzusichern verstanden hat, dass es genug Beweise gibt, um ihn gerichtlich zu verurteilen. So könnte die Affäre Ott zum Rohrkrepierer werden.
  11. Es wäre jedenfalls zehnmal wichtiger, der Korruption überall dort nachzugehen, wo sie am schlimmsten und größten ist. Und das ist nun einmal die Medienbestechung durch den Machtapparat der Gemeinde Wien. Dort geht es um Hunderte Millionen und nicht nur um 50.000, die ein korrupter Beamter für die Weitergabe von Informationen bekommen haben könnte. Und selbstverständlich könnte – und sollte – auch auf Bundesebene den Korruptionsinseraten auf Bundesländer- und Gemeinde-Ebene nachgegangen werden. Diese sind für den steuerzahlenden Staatsbürger weit empörender als Postenbesetzungen durch politisch Nahestehende.

Ach ja: Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

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