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Kohl und Mock oder Orbán, Kurz und Spahn: Ende oder Neuanfang?

Der Zusammenfall des Todes von Alois Mock und Helmut Kohl binnen nur weniger Tage hat tiefe symbolische Bedeutung. Das ist der Abschied von einer großen historischen Generation. Mehr als interessant ist aber auch die Suche nach Erben der beiden und nach dem letzten Besucher Kohls in seiner Krankenstube. 

Das war nämlich der Ungar Viktor Orbán. Dieser hat vor wenigen Wochen demonstrativ Kohl besucht, um den sich sonst seit langem niemand gekümmert hat. Das war eine klare symbolische Geste der geistigen Sympathie und Nähe, auch wenn man nicht weiß, wie sehr Orbán dabei mit Kohl noch kommunizieren konnte, war doch Kohl so wie der ein wenig jüngere Mock im letzten Lebensjahrzehnt von progressivem Siechtum gequält gewesen. 

Man kann in der Tat im Kurs Orbans am deutlichsten die Erbschaft dieser beiden großen europäischen Politiker erkennen. Einer Politik, die zwar von links heftig denunziert wird, die sich aber in ihrem tiefverwurzelten Konservativismus nicht beirren lässt und die zugleich europäisch wie auch national zu denken und handeln vermag.

Kohl und Mock waren auf westlicher Seite die großen Persönlichkeiten beim Zusammenbruch des Kommunismus, so wie Orbán in Ungarn einer der prominenten Aktivisten gegen die Herrschaft Moskaus gewesen ist. Kohl wie Mock standen wirkungsstark den kleinen osteuropäischen Staaten bei der friedlichen Loslösung vom sowjetischen Joch bei, wo sie nur konnten, während Westeuropas Sozialisten damals ja innerlich schockiert, verunsichert und meist sprachlos ob des Zusammenbruchs ihrer Brüder in Marx waren.

Kohl und Mock haben aber auch unabhängig von der Person Orbans viele historische Gemeinsamkeiten, die in all den vielen Nachrufen der letzten Studen weitgehend ignoriert worden sind.

Sie waren (zusammen mit dem deutschen Außenminister Genscher) die entscheidenden und dort hoch verehrten Begleiter und Helfer am steinigen Weg Kroatiens und Sloweniens in die Unabhängigkeit. Ebenso haben sich beide darin geglichen, dass sie noch an ein Europa der marktwirtschaftlichen und Währungs-Stabilität geglaubt haben, in dem es undenkbar wäre, dass eine Zentralbank – ohne zumindest auf heftigsten Widerstand aus Berlin und Wien zu stoßen – Billionen von ungedeckten Euros druckt, damit Südeuropa mit seiner Schuldenpolitik fortfahren kann. Beide (vor allem der ja länger als Mock amtierende Kohl) waren auch strikt gegen die Teilnahme Griechenlands an einer gemeinsamen Währung, die erst dann durch Schröder ermöglicht worden ist. Beide sind ebenso eindeutig prowestlich wie proisraelisch gewesen. Und beide sind in der großen Tradition der Christdemokratie gestanden, die Wertkonservativismus, Wirtschaftsliberalismus und volksverbundene nationale Identität verbunden hat.

Mock ist insbesondere der einzige Außenminister in der Nachbarschaft Deutschlands gewesen, welcher dem wichtigsten Lebenswerk Kohls, der deutschen Wiedervereinigung, nichts in den Weg gelegt, sondern diese freudig begrüßt hat. Umgekehrt war Kohl dann der größte Helfer auf Österreichs Weg in die europäische Integration, dem großen Lebenswerk Mocks.

Und vor allem: Weder bei Kohl noch bei Mock wäre es vorstellbar gewesen, dass sie, so wie Angela Merkel, die Massenmigration von Millionen Moslems nach Europa widerstandslos hingenommen hätten. So wenig wie eben Orbán dazu bereit ist.

Dennoch präsentiert sich Merkel in diesen Stunden geschickt als Erbin Kohls. Sie lässt dabei unter den Tisch fallen, wie schäbig sie einst in der sogenannten Spendenaffäre mit Kohl umgegangen ist – um selbst an die Macht zu kommen. Ebenso heucheln in diesen Stunden alle deutschen Linksmedien bewegte Trauer, obwohl sie sich jahrelang über den Pfälzer lustig gemacht haben.

Mit Kohl und Mock ist zwar eine Generation abgetreten, aber nicht eine politische Haltung. Diese ist heute freilich eindeutig in Osteuropa am stärksten zu finden, und zwar keineswegs nur bei Orbán. Aber die beiden haben auch in der deutschsprachigen Welt in der übernächsten Politikergeneration spannende Nachwuchsfiguren.

Da ist in Österreich zweifellos Sebastian Kurz zu nennen und in Deutschland vor allem der Staatssekretär im Finanzministerium, Jens Spahn. Dieser hat sich in einem interessanten Doppelinterview mit Kurz in der Bild-Zeitung vor drei Monaten (wobei der Deutsche übrigens irgendwie überzeugender wirkt als der damals noch sehr vorsichtige Wiener) massiv zu Kohl bekannt. Und Spahn hat dabei – obwohl selbst homosexuell (oder gerade deswegen?) – schon in seinem ersten Satz demonstrativ das Konservative betont: Konservativ heiße, "dass grundlegende Werte wie Familie und Verantwortung immer gelten". Das könnten Kohl und Mock nicht besser gesagt haben, auch wenn sie für die Einführung der Schwulenehe kein Verständnis gehabt hätten.

PS: Wäre Kohl 2000 noch Kanzler gewesen, hätte übrigens auch der antifaschistische Hexensabbat gegen Schwarz-Blau in Österreich Null Chance gehabt, der sich ja jetzt – siehe Christian Kern – endgültig als rein opportunistische Parteitaktik entpuppt, was damals aber nur wenige zu sagen wagten …

PPS: Ich persönlich werden nie meine erste persönliche Begegnung mit Helmut Kohl (und Otto Schulmeister) in Kohls Utrlaubsdomizil am Wolfgangsee vergessen. Wir leerten zu dritt schon am Vormittag eine Flasche Wein. Und Kohl sprach demonstrativ über seine Urlaubslektüre: die Berichte der einstigen Botschafter bei Heiligen Stuhl an den Kaiser in Wien. Ein Mann, der Geschichte immer mit ganz großen G schrieb ... 

PPPS: Beklemmend, dass nur wenige Stunden vor Kohl auch der große Autor und Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz gestorben ist. Dieser hat ja nicht nur über Konrad Adenauer oder Axel Springer, sondern eben auch über Helmut Kohl große, lesenswerte Biografien verfasst.

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