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SN-Kontroverse: Gewalt in der Familie

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Muss der Staat härter gegen Gewalt in der Familie vorgehen?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Keine Diskretion für Quäler

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Familie wird gern als Hort des Glücks, der Geborgenheit und des Wohlfühlens definiert. In Sonntagsreden wird gern ihre heile Welt gepriesen. Die gibt es sie nicht, hat es nie gegeben. Und vor allem: Was ist Familie? Zwei Menschen, die zusammenleben? Vater plus Mutter plus zwei bis drei Kinder? Oder der geschiedene Vater mit Kind, der seine betagten Eltern pflegt? Oder ein gleichgeschlechtliches Paar, das Kinder adoptiert? Eine Frau, die Kinder von verschiedenen Vätern mit einem neuen Partner großzieht? Oder der Opa, der sich um die Enkelkinder kümmert? Eines steht fest: Selbst in der kleinsten Organisationsform des menschlichen Zusammenlebens kommen Konflikte vor. Je größer Zwänge und Druck der Gesellschaft - sei es aus Gründen der Religion, der Konvention, der eigenen überhöhten Ansprüche, der Gehirnwäsche durch Werbung - , desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Gewalt kommt. Oft Ausdruck einer ohnmächtigen Hilflosigkeit. Eben weil es die heile Welt nicht gibt, gibt es Missbrauch, Grausamkeiten, jahrelange Quälereien der jeweils schwächsten Glieder der "Familieneinheit". Das sind oft die Kinder. Es können auch die Frauen, die Männer, die Alten sein. Gewalt, Quälereien, Übergriffe in welcher Form und wem gegenüber kann und darf der Staat nicht dulden. Österreich ist im Bereich des Strafrechts sehr fortschrittlich. Für Erwachsene haben die Feministinnen nach zähem Kampf das Wegweisungsrecht erkämpft, es gilt für Frauen und Männer. Es ist gut, weil es mögliche Amokläufe verhindern hilft. Was den Missbrauch von Kindern anlangt, wurden das Krankenanstaltengesetz, das Ärztegesetz und die Strafprozessordnung erfolgreich geändert. Nun wäre es an der Zeit, das Datenschutzgesetz zu ändern, wenn im Spital festgestellt wird, dass ein Kind gequält wird. Das Schweigetabu gegenüber Quälerinnen und Quälern ist sinnlos. Ja zu einer toleranten und freien Gesellschaft, aber es gibt Grenzen, die strikt einzuhalten sind.


 

Alle Gegenmittel sind untauglich

 

Andreas Unterberger

 Ein besonders grässliches Verbrechen: Ein Vater erschießt den Sohn in dessen Schule. Kann man solche Taten verhindern? Die einen verweisen auf die Gefährlichkeit der Bestie Mann, andere auf die türkische Herkunft des Täters und sein archaisches Weltbild voller (Un-)Werte wie Ehre, Gewalt, Rache, Machismo. Aber keines dieser Klischees hilft weiter. Weder kann man alle Türken hinauswerfen noch alle Männer einsperren.

Auch andere Vorschläge sind wenig tauglich. Psychotherapien wie zwangsweises Anti-Aggressions-Training sind primär Jobbeschaffung für die boomende Psychobranche. Diesen Mord hätten sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verhindert. Zwangstherapien sind immer problematisch und dürfen jedenfalls nur bei ganz klaren und objektiven Voraussetzungen versucht werden.

Andere wieder rufen nach Verschärfung der Wegweisung. Bei dieser wird (meist) ein Mann aus dem eigenen Haus geworfen, wenn ihm (meist) seine Frau Handgreiflichkeiten vorwirft. Ohne weitere Überprüfung. Die Wegweisung solle nun ausgeweitet, und überdies Schulen und Kindergärten mitgeteilt werden. Was bei echten Gewalttätern sinnvoll klingt. Jedoch muss man wissen: Solche Vorwürfe werden immer öfter auch fingiert, um eine Wegweisung zu erreichen. Einige zynische Rechtsanwälte sollen Klientinnen sogar dazu raten, um bei der Scheidung bessere Karten zu haben. Scheidungsexperten (beiderlei Geschlechts) führen ein volles Drittel aller Wegweisungen auf solche Fiktionen zurück. Darf man all diese unschuldigen Wegweisungsopfer so an den Pranger stellen – in der unbegründbaren Hoffnung, dadurch Kindermorde zu verhindern?

Relativ am meisten spezialpräventiven Schutz böte es, wenn schon auf eine erste – wirklich bewiesene – Gewalttat unbedingte Haft statt der üblichen Soft-Palette von Diversion und bedingten (in vielen Milieus nicht ernst genommenen) Strafen folgen müsste.

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